Volltext Seite (XML)
WDZVMWWW« Z^W «^VNklUl» GG-V^ v^ Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »»n Inseraten bi, »»rmittag w Uhr. Inserate werden mit io Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 84. Mittwoch, den 15. Juli 1903. 2. Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Ottendsrs-Vkrilla, Juli 1903. Das am vergangenen Sonnlage im Friedrick-Wilhelms-Bad veranstaltete Sommer fest der hiesigen freiwilligen Feuerwehr erfreute sich trotz des am Spätnachmittag erfolgten Regengusses eines sehr zahlreichen Besuches. Die Festleitung hatte für Unterhaltung und Vergnügen in ausgiebigster Weise gesorgt. Den Schluß des trotz des Witterungsumschlages wohlgelungcnen Festes bildete ein Tänzchen auf dem von dem Besitzer Herrn Krause im Gartcn errichteten Podium. — Zwei Methoden, das Nasenbluten schnell zu stillen, sind noch immer nicht allgemein ge nug bekannt. Die erste besteht darin, daß man den kleinen Finger des Patienten, an dem unteren Teil des Nagels — und zwar muß Man die Operation an derselben Hand vor nehmen, an deren Seite das Blut aus der Nase fließt, also rechts die rechte, links die linke Hand nehmen — mehrmals sehr fest mit einem starken Faden Zwirn umwickelt. Noch einfacher ist cs, den Arm derselben Seite, wo das Blut fließt, hoch in die Höhe gehoben zu halten, bis die Blutung aufhört. Dies ist be sonders im Freien, wo sonstige Hilfsmittel fehlen, sehr anwendbar. Zur Erleichterung der unbequemen Haltung kann man dem Arm eine Stütze geben, indem man mit der Hand einen hohen Gegenstand, Baumast oder dergl. ersaßt. — Die Ungarn bleiben dem Nürnberger Turnfeste fern. Zu dem am 18. Juli in Nürnberg beginnenden Deutschen Landesturnfest War auch der Ungarische Landesturnverband geladen worden. Er wollte zuerst Folge leisten, erklärt jetzt aber, daß er infolge der Angriffe, denen die deutsche Turnerschaft wegen dieser Einladung von der österreichischen und deutschen nationalen Presse ausgesetzt war, an dem Fest Nicht teilnehmen werde. — Die Angriffe werden Mit der Behandlung Deutscher in Ungarn ge rechtfertigt. Diese Behandlung beschäftigte, wie erinnerlich, auch den letzten Reichstag, Graf Bülow hielt aber eine Einmischung für aus geschlossen. In Nürnberg wird man die Ungarn kaum vermissen. — Auch das Reichsgericht hat sich jetzt über die Frage ausgesprochen, ob eine Bank zur Erhebung eines Depots seitens der Erben einen Erbschein verlangen dürfe. In dem betreffenden Falle hatten die Erben zu ihrer Legitimation eine Testamentsausfertigung vorgelegt. Die Bank erachtete diesen Ausweis nicht für aus reichend, sondern verlangte einen Erbschein. Das Reichsgericht, III- Zivilsenat, hat im Ur teil vom 1. Mai d. I. (III. 4. 03) diesen Anspruch für unberechtigt erklärt. Das Gesetz habe eine derartige unerträgliche Belästigung des Erben nicht gewollt; auch sei eine bezüg liche Verkehrssitle nicht nachweislich. — Es ist anzunehmen, daß hiermit die Streitfrage er ledigt sein wird. Lausa. Der unter Leitung des Dr. med. Weinert stehende hiesige Bezirksverein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke wird in Gemein schaft mit dem Verein für innere Mission und den Guttemplern in nächster Zeit in dem bei Moritzburg belegenen Cunnertswalde eine Trinkerheilanstalt eröffnen. Von dem sächsischen Fohlenaufzuchtsverein ist zu diesem Zweck ein geräumiges Haus auf zunächst zwei Jahre ge mietet. Das Gebäude wird vom Fohlen- aufzuchtsoerein entsprechend hergerichtet; es ent hält eine Reihe gesunder Zimmer mit Aussicht auf Wald und Wasser von Moritzburg, Wirt- schaflSräume, Sp.isesaal usw. Wichtig für die Zwecke dir Heilanstalt ist die durch den land wirtschaftlichen Betrieb vonMoritzburg-Cunnerts- walde gegebene Möglichkeit der Beschäftigung der Anstaltsinsafsen im Freien. Die Ver pflegungssätze werden sehr niedrige sein, da man zunächst nur Trunksüchtige der unbemittelten Klaffen aufzunehmen gedenkt. Sobald ent sprechende Mittel vorhanden so d, will man eine Erweiterung der Anstalt vornehmen. Dresden. Der Landesausschuß sächsischer Feuerwehren hielt am vergangenen Sonnabend abend hier eine 5 Stunden dauernde Sitzung unter Leitung des Herrn Branddirektor Weigand aus Chemnitz ab. Die Verhandlungen betrafen zum Teil interne Angelegenheiten, andererseits entbehrten sie aber auch nicht des allgemeinen Interesses. — Der Mörder Hermann Grellmann, welcher den Baugewerkenlehrling Fritz Schubarth in ein Kornfeld lockte und dort ermordete, hat sich am Sonntag in seiner Zelle erhängt. — In das Hotel Kaiserhof versuchte gestern früh ein junger Schlosser einzubrechen, wurde jedoch überrascht Er flüchtete nach dem Grund stücke Wiesentorstraße 1 und kletterte dort in der vierten Etage an der Dachrinne entlang, stürzte aber ab und erlitt einen Beinbruch, so wie schwere innere Verletzungen. — Im hiesigen Forstrevier wurde am Frei tag abend ein unbekannter Mann erhängt auf gefunden. Er trug schwarzen, weichen Filzhut, Rock und Weste von schwarzem Diagonalstoff, Helles, blaugraugekästeltes Beinkleid, kalblederne Stiefeletten, Trikothemd, blaugekästelten langen Schlips. Das Alter des Verstorbenen wird auf 35 Jahre geschätzt. Bei sich hatte er fünf Schlüssel, eine Nickeluhrkette mit Anhängsel und ein weißes Taschentuch, das L. gezeichnet ist. Strießen. Am Freitag wurde der hiesige Einwohner L verhaftet; es wird ihm Ver brechen nach Z 176,3 zur Last gelegt. Wildenfels. Der Kaufmann Leonhardt hier, der wegen Beleidigung des hiesigen Bürger meisters Morgenstern im Januar dieses Jahres zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt worden war, ist diese Strafe vom Könige im Gnadenwege in eine Geldstrafe umgewandelt worden- Wal da. Von dem am Sonntag auch hier aufgetretenen heftigen Sturme wurde die im hiesigen Friedhöfe stehende Linde, deren Alter man auf 200 Jahre schätzt, umgeworfen. Die Linde fiel auf die Straße und es kostete viele Mühe, das Verkehrshindernis zu beseitigen. Der Stamm der Linde hatte einen Durchmesser von zirka anderthalb Meter- Großenhain. Bei dem am Sonnabend gegen 6 Uhr über die hiesige Gegend gezogenen Gewitter, das einen intensiven Platzregen mit sich brachte, traf ein Blitzstrahl das Haus des Herrn Kunstgärtner Blankenburg auf der Katha- rinengasie, glücklicherweise ohne zu zünden oder sonst welchen Schaden anzurichten. — Den Charakter eines Musikfestes hatte das diesjährige Parkfest in unserer Stadt, das am Sonntag und Montag hier abgehalten wurde. Es wurde vorzügliches an Konzerten und ge sanglichen Aufführungen geboten. Die Ein leitung war ein Sinfoniekonzert am Sonnabend abend im Gesellschaftshause, das sehr gut be sucht war- Das am Sonntag vormittag ab gehaltene Kirchenkonzert hatte ebenfalls guten Besuch zu verzeichnen. Vorzüglich gelungen war auch der Festzug, in dem mehrere zum Teil recht schöne Festwagen mitgeführt wurden. Auf dem Marktplatze begrüßte der Bürger meister die Teilnehmer. In den Straßen, die der Zug berührte, war es sehr lebhaft. Leider wurde das Fest durch einen Gewitterregen ge stört. — Der von der hiesigen königlichen Amts anwaltschaft gesuchte Handarbeiter St. von hier, der die Eigentümlichkeit besitzt, nach Begehung eines Deliktes seine Wohnung zu verlaffen und zu vagieren, wurde in hiesiger Stadt betroffen und zur Haft gebracht. Döbeln. Sonntag nachmittag entlud sich über unserer Stadt ein starkes Gewitter, in dessen Begleitung ein orkanartiger Sturm auf trat. Derselbe richtete namentlich großen Schaden auf dem hiesigen Schützenplatze an, der wegen dem stattfindenden Königsschießen mit vielen Buden bebaut war. Diese wurden zum großen Teil eingerissen und dabei die Warenvorräte an Glas usw. zertrümmert. Der Platz bietet ein Bild großer Verwüstung. Leider ist auch ein schwerer Unglücksfall zu verzeichnen, indem eine einstürzende Bude auf einen Fest platzbesucher fiel, der dadurch beide Beine brach, er mußte in das Krankenhaus überführt werden. Auch viele Kinder erlitten leichtere und schwerere Verletzungen. Zur gleichen Zeit tönten Feuer signale durch die Stadt. Es brannte in der Burgstraße bei dem Schneidermeister Mehlhorn. Glücklicherweise konnte der Brand im Entstehen gelöscht werden. Kamenz. Das hiesige Forstfest wird dies mal vom 24. bis 27. August abgehalten. Crimmitschau. Die Drummersche Theater gesellschaft wollte am letzten Freitag eine Gast vorstellung geben, und zwar das Sensations stück „Draga" oder „Der Königsmord in Ser bien". In letzter Stunde verbot der Stadtrat die Aufführung des Stückes. Mühlberg a. d- E. Im hiesigen Pfarr hause wurde ein überaus dreister Einbruchs diebstahl ausgeführt. Der freche Spitzbube stieg durch das geöffnete Fenster in das Pfarr haus ein und durchwühlte in mehreren Zimmern alle Schränke, Schubladen rc., wobei ihm 80 M. bares Geld und wertvolle Schmucksachen in die Hände fielen. Von dem Diebe fehlt noch jede Spur. Löbau. Im hiesigen Amtsgerichte wurde dieser Tage der von Zittau am 1. Juli Hier her versetzte Aktuar Herig verhaftet. Er soll sich der Unterschlagung im Amte schuldig ge macht haben. Die Summe soll 400 M. be tragen, der durch die Unterschlagung entstandene Schaden aber gedeckt sein. Zittau. Ein Familiendrama trug sich in dem nordböhmischen Orte Röhrs^orf zu. Der Kutscher Karl Dietze war am Donnerstag wegen einer angeblichen falschen Zeugenaussage vor das Bezirksgericht zu einer Vernehmung ge laden worden. Bevor er von Hause fortging kam es zwischen ihm und seiner Frau zu einem Streite. Nach der Vernehmung kehrte Dietze nicht nach Hause zurück. Als er am Freilag nachmittag noch immer nicht zum Vorschein ge kommen war, vergiftete sich die Frau. Zur selben Zeit wurde Dietze in der Nähe des Ortes ei hängt aufgefunden. Zwickau. Im vorigen Monat wurden hier 109 400 Tonnen Kohlen, 2450 Tonnen weniger als im Juni 1902, versendet. Davon gelangten 82 355 Tonnen nach sächsischen, 15 555 nach preußischen, 10 617 nach bayrischen, 358 nach übrigen deutschen, 515 Tonnen nach öster reichischen Bahnen. Johanngeorgenstadt. In Unterjugel wurde der 7 Jahre alte Schulknabe Neubert von einer Kreuzotter gebissen. Der Knabe liegt trotz so fortiger Hilfe noch krank danieder. Bernsbach. Der Arbeiter Groß aus Beierfeld geriet in einer hiesigen Fabrik in die Transmission und wurde buchstäblich zerstückelt. Er war 53 Jahre alt und Vater von vier Kindern. Markneukirchen. Hier sind 150 Per sonen nach dem Genuß von Fruchteis an cholerineartigen Erscheinungen erkrankt. Nus der Woche. Zur Stunde, in der wir dies niederschreiben, kämpft in der ewigen Stadt das greise Ober haupt der katholischen Kirche den letzten, schweren Kampf. Seit acht Tagen wird die ganze zivi lisierte Welt durch den Verlauf der Krankheit des Papstes in Spannung gehalten. Zehnmal schon trug der Telegraph die Kunde durch die Welt: Das Ende nahtl Dazwischen zuckten Hoffnungen auf, momentane Besserungen im Befinden traten ein und gaben zu der opti mistischen Behauptung Anlaß: der Kranke wird es noch einmal überwinden. Aber 93 Jahre sind an und für sich schon eine Krankheit, mindestens eine anormale Erscheinung, für die der gewöhnliche Mensch nicht vorbereitet ist; denn unser Leben währet siebzig Jahre und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre. Man glaube nicht, daß der Papst ohne welt liche Herrschaft einflußlos in der Welt sei. Die letzten Tage haben das gezeigt. Kaiser Wilhelm wollte schon am Montag seine Nord landsreise antreten und wenn man nun auch das prächtige Wetter anführt, das ihn zurück hält und zu Segelpartien mit der Kaiserin in der Ostsee einzuladen scheint, so ist dem kein Gewicht beizulegen; offenbar will der Monarch sich nicht von seiner deutschen Heimat entfernen, ehe aus Rom entscheidende Nachrichten im schlimmen oder guten Sinne vorliegen. Auch König Viktor Emanuel hat seine Reise nach Paris aus gleicher Ursache aufgeschoben und so geschieht oder unterbleibt noch manches andere mit Rücksicht auf den Vatikan. In den herrschenden Kreisen Frankreichs, die durch den Kongregationsstreit in ziemlich gespannte Lage mit dem päpstlichen Stuhl gekommen sind, giebt man sich zwar den Anschein, als ob man solche Rücksichten nicht nähme und Loubet hat den König Eduard besucht, ohne sich durch die Meldungen aus Rom davon abhalten zu lasten. Aber man tut doch eben nur so, ohne in Wirklichkeit den Einfluß zu unterschätzen, den die Kirche noch auf sehr weite Kreise des französischen Volkes ausübt und der durch die zahlreichen Krawalle bei Schließung von Klöstern und Klosterschulen gewalttätig zu tage tritt. Loubets Besuch in England sollte die freund schaftlichen Beziehungen zwischen den beiden westlichen Großmächten stärken, die besonders seit Faschoda ziemlich defekt geworden waren. Loubet und Eduard scheinen dies Ziel erreicht zu haben und der ehrliche Jubel des englischen Volkes bei Loubets Besuch hat unter die neue Freundschaft das Siegel gedrückt. Deutschland ist dabei zu kurz gekommen. Gegenüber den zahllosen Liebenswürdigkeiten, die Kaiser Wil helm den englischen Vettern erweist, konnten diese in der Frage der Bagdadbahn zwar nicht gut selbst und direkt gegen Deutschland auf treten; dafür haben sie aber Herrn Delcasts vorgeschoben, der ja solche Rücksichten nicht zu nehmen braucht. Der rechnet stramm die schweizerischen Banken, die sich an der Bagdad bahn beteiligen, zu den deutschen und findet dabei, daß solcherart der deutsche Einfluß zu stark überwiegt I — In der internationalen Politik spielt momentan das Säbelrasteln in Bulgarien und die gespannte Lage in Ostasien die Hauptrolle. Die englische Presse hetzt gegen Rußland, daß es nur so seine Art hat, und Rußland giebt die feierlichsten Versicherungen, macht« aber im übrigen wie der wackere Schwabe: forcht sich nit, geht seines Weges Schritt für Schritt, nistet sich in der Mandschurei und in Korea immer fester ein und schiert sich den Taxe! um die Einsprüche anderer Mächte. Auf der Balkanhalbinsel ists Fürst Ferdinand, der mit dem Feuer spielt; man hat ihm aber jetzt aus Wien und Petersburg deutlich zu ver stehen gegeben, daß bei diesem Spiel sein eigener Thron der Einsatz sei und daß man durchaus nicht gewillt wäre, ihm etwa diesen Einsatz zu retten, wenn er das gewagte Spiel verlöre. Seine Mutter Klementine hat ihm diesen Thron mit dem Gelde gekauft, das einst ihr Vater, der „Bürgerkönig" Louis Philipp, sich in sechzehnjähriger Regierungstätigkeit so sauer erspart hat. Es kommt nichts an den dritten Erben, sagt ein alte» Sprichwort und es wäre doch schade, wenn Fürst Ferdinand dadurch, daß er seine kriegerischen Gelüste nicht zähmen könnte, zur Erfüllung des Sprichwortes beitrüge. Die Königskrone wird er sich nun schon müssen aus der Nase gehen lasten, in welch letzterem Futteral sie sich ohnedies ganz winzig ausnehmen müßte. Nicht vielen Leuten fallen Königskronen gleich reifen Zwetschen in den Schoß, wie da» beim König Peter der Fall war. Dieser neueste Herrscher will da» schwierige Kunststück fertig bringen, in starker Weise sein GotteSgnadentum zu betonen und zugleich so demokratisch zu regieren, wie es sich nur denken läßt. Gelingt der Plan, so kann sich Peter ein Patent darauf geben lasten.