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Die „Dttcndorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 88. Freitag, den 24. Juli 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Bkrilla, 2Z. Iuli 1903. —* Das am gestrigen Abend im Friedrich Wilhelms-Bad abgehaltene 2. Abonnements- Konzert erfreute sich trotz der kühlen Witterung eines sehr guten Besuches. —* Mit gestriger Mittwoch traten wir in das Himmelszeichen des Sirius ein und damit in den Beginn der Hundstage, die als die heißeste Zeit des Jahres gelten und am 23. August ihr Ende nehmen. — Am 2. September findet vormittags 10 Uhr bei Zeithain Parade des 1. Kgl. Sachs. Armeekorps Nr. 12 vor Sr. Majestät dem Könige statt. — Die am 5. September auf dem Linden taler Exerzierplätze bei Leipzig statlfindende Kaiser-Parade wird nach dem „Leipziger Tagebl." voraussichtlich 10 Uhr vormittags mit einer Aufstellung des ganzen 19. Armeekorps ihren Anfang nehmen. — Die Frage, wie viel Schlüssel zur HauStüre der Vermieter dem Mieter zu liefern verpflichtet ist, wird vom Rechtsanwalt Josef-Freiburg in der „Deutschen Juristen- zeitung" behandelt. Danach hat der Mieter einen Anspruch, daß der Vermieter ihm und seinen Hausgenossen durch Lieferung mehrerer Hausschlüssel den jederzeitigen Eintritt in das Mietshaus ermögliche. Daraus folgt aber nicht die Pflicht des Vermieters, dem Mieter, der vielleicht eine große Anzahl erwachsener Haus genossen hat, eine dieser entsprechende Anzahl von Hausschlüsseln zu liefern; immerhin wird das Verlangen der Lieferung von 3 Haus schlüsseln billigerweise gerechtfertigt sein. Anderer seits gilt als stillschweigend vereinbart, daß der Mieter berechtigt ist, sich auf seine Kosten noch weitere Hausschlüssel anfertigen zu lasten, soweit er deren für seine Hausgenosten bedarf. Der Mieter braucht also hierzu nicht die besondere Genehmigung des Vermieters. Die vom Mieter auf eigene Kosten angeschafften Hausschlüssel werden Eigentum des Mieters. Ferner gilt als stillschweigend vereinbart, daß jedes Besitz- Und Gebrauchsrecht des Mieters an diesen von ihm angeschafften Schlüsseln — obwohl sie sein Eigentum sind — mit Beendigung des Miet vertrages aufhört, sodaß also der Mieter am Ende dec Mietzeit sofort diese ihm gehörigen Schlüssel unbrauchbar zu machen verpflichtet ist, wenn nicht etwa eine Übereinkunft dahin, daß der Vermieter sie ihm abkauft, staltfindet. Wenn der Vermieter seiner Verpflichtung zur Lieferung des Hausschlüssels garnicht oder in nicht ge nügender Zahl nachkommt, kann der Mieter sich die ihm rechtswidrig verweigerten Hausschlüssel selbst anfertigcn lasten und Ersatz der Kosten vom Vermieter beanspruchen. Radeburg. Hier beging der dortige Manner gesangverein sein 40 jähr. Stiftungsfest. Radeburg. Aus Anlaß der bevorstehenden Kaisermanöver wird die hiesige Stadt vom 10. bis 27. August Einquartierung haben und zwar 48er Artillerie, Kaisergrenadicre, 177er, Garde- veiter und 12er Artillerie. In Radeburg-Land trifft die erste Einquartierung (8. preuß. Dra goner) am 7. August ein. Radebeul. Der Einbrecher Wolburg, der hier aus dem fahrenden Eisenbahnzuge ent sprungen war, ist in Berlin festgenommen worden, wo er sich in der Wohnung des Ein brechers Sommerfeld versteckt hielt und mit diesem und einem Taschendieb namens Otto zusammen „arbeitete". Bei seiner Verh.fftung stellte er sich tobsüchtig, nachdem er sich erst einen falschen Namen beigelegt hatte. La.ubegast. Am Montag früh gegen 1 ühr hat sich der Gärtnergehilfe Christian Weber aus seiner hiesigen Wohnung unter Umständen entfernt, die darauf schließen lassen, daß er sich ein Leid angetan hat, da er schon längere Zeit schwermütig war. Weber ist von hagerer Statur, zirka 165 Hntimeter lang, hat schmales Gesicht, dunkles Haar und kann nur sehr un deutlich sprechen. Für seine Auffindung wird eine Belohnung von 1000 M. ausgesetzt. Mit teilungen sind an den Gsmeindevorstand zu Laubegast bei Dresden zu richten. Großenhain. Aus unbekannter Ursache erschoß sich gestern früh mit seinem Dienst gewehr ein Husar der hiesigen Garnison. Krauschütz. Montag abend verunglückte beim Pflügen seines Ackers der hier allgemein beliebte und hochgeschätzte Jagdvorstand, Herr Gutsbesitzer R. Engelmann. Infolge Scheuens der Pferde wurde Engelmann gegen den Pflug so stark geschleudert, daß er am Dienstag nach schmerzlichen Leiden den erlittenen innerlichen Verletzungen erlag. Mühlberg a. d. E. Montag früh wurde auf der Saxdorfer Chaussee in der Nähe der dortigen Lehmgruben der Führer eines Last geschirrs von zwei Wegelagerern plötzlich über fallen und seiner Barschaft beraubt. Die Täter sind noch nicht ermittelt. Drebkau. Zum hiesigen Bahnfrevel schreibt das „Gubener Tagebl.": Der von einem Ber liner Kriminalkommissar ermittelte Urheber des Eisenbahnunglücks in Drebkau, Breltschneide- meister Jägel, wird wahrscheinlich einer Landes irrenanstalt zugesührt werden, um auf seinen Geisteszustand hin untersucht zu werden. Ein Motiv für das von ihm begangene furchtbare Verbrechen weiß Jägel nicht anzugeben oder giebt er absichtlich nicht an, um Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit zu erwecken. Er dürfte jedoch mit dieser Taktik wenig Glück haben, denn Jägel gilt bei allen, die ihn kennen, als ein vollkommen geistesklarer, sogar sehr intelligenter Mann, der sich der Schwere des von ihm begangenen Verbrechens wohl bewußt war. Freiberg. Der im Gefängnis des königl. Landgerichts hier wegen SittlichkeitSvergehens in Untersuchungshaft internierte Rentner Klotzsche aus Döbeln, der sich in seiner Zelle durch Er hängen den Tod gegeben hat, hat der hiesigen Ltadtgemeinde ein Kapital von 2500 M. letzt willig vermacht mit der Bestimmung, daß besten Zinsenerträgnisse zum Van der Türme des Domes verwendet werden sollen. Außerdem hat der Verstorbene letztivillig verfügt, daß der Rest seines Vermögens — u. a. sind 25000 Mark zur Fürsorge entlassener Strafgefangener aus dem hiesigen Gefängnis ausgesetzt — der hiesigen städtischen Armenpflege zur freien Ver fügung zufließe. Döbeln. In der Nähe der hiesigen Schieß wiese wurde am Montag abend der 43jährige von seiner Ehefrau geschiedene Handarbeiter Rößiger tot in der Mulde aufgefunden. Wahr scheinlich ist er in betrunkenem Zustande in die Mulde gefallen. Wurzen. Der seit nunmehr über 5 Wochen währende Streik der Tischler in der großen Streilschen Möbelfabrik, Wurzen, nimmt ganz bedenkliche Formen an. Man will es aufs äußerste ankommen lassen. Das Streikkomitee hatte am Freitag den Reichstagsabgeordneten Schöpflin nach hier beordert, der in einer öffentlichen, von über 500 Personen besuchten Volksversammlung über das Thema: „Mo dernes Unternehmertum, moderne Arbeiter organisation und moderne Gewerkschaftskämpfe" sprach. Zum zweiten Punkt der Tagesordnung sprach der Vertrauensmann der Streikenden Mucker über: „Warum streiken die Streilschen Tischler?" In einer einstimmig angenommenen Resolution sprach sich die Versammlung aus, daß sie den Streik der Tischler durchaus für gerecht anerkennt, die Forderungen der Streiken den billigt und die letzteren zu unterstützen ver spricht. Bautzen. Montag nachmittag wurde bei einem Schleusenbau auf hiesiger Schäfferstraße der 28 Jahre alte Arbeiter Bär durch eine einstürzende Wand verschüttet und sofort ge lötet. Bär war erst seit ungefähr 14 Tagen mit seiner zweiten Ehefrau verheiratet und hinterläßt 4 Kinder aus erster Ehe im Alter von 1^/, bis 5 Jahren. Bautzen. Dem hiesigen Augenarzt Dr. Neumann, der seinerzeit wegen fahrlässiger Körperverletzung mit tödlichem Ausgange (Dr. Neumann erstach versehentlich einen seiner Kol legen mit dem Dolche) zu acht Monaten Ge fängnis verurteilt wurde, ist bekanntlich die Strafe im Gnadenwege in Festungshaft ver wandelt worden. Neumann ist nunmehr, nach dem er 5 Monate dieser Festungshaft verbüßt hat, durch den König begnadigt worden. Ebersbach. Am Sonnabend abend ist hier der Kolporteur Richard Schneider aus Lockwitz bei Dresden, der sich in erhitztem Zu stande in das Master des Wünscheschen Teiches begeben hatte, beim Baden ertrunken Zittau. Die Untersuchung in der Dieb stahls- und Unterschlagungsaffäre in der mecha nischen Weberei von Wagner L Ko. in Olbers dorf wird einen bedeutenden Umfang annehmen. In die Angelegenheit dürfte auch eine Frau verwickelt werden, die früher mit der jetzt im Untersuchungsgefängnis in Bautzen sitzenden Frau Weigelt zusammen als Detailverkäufcrin in dem Etablissement tätig war und sich seit etwa Jahresfrist in Dresden aufhält. Die verhaftete Frau Weigelt soll Waren vom Lager gestohlen und verkauft haben. Sie besaß einen weitverzweigten Kundenkreis, der sich über die Oberlausitz und bis nach Schlesien und Branden burg hinein verbreitet. Das einträglichste Ab satzgebiet dürfte jedoch Böhmen gewesen sein, und da bedeutende Mengen an Waren über die Grenze gepascht sein sollen, so dürfte nach völliger Klarstellung der Sachlage auch noch die Zollbehörde in dieser ganzen Affäre ein Wort mitzusprechen haben. diieder haßt au b. Zwickau. Die Maurer lehrlinge Strache und Sternkopf hier gerieten aus der Herrmannstraße am Sonntag abend in Streit. Strache versetzte dem Sternkopf einen so wuchtigen Hieb, daß er hinstürzte und nach wenigen Minuten verstarb. Strache wurde verhaftet. Plauen i. V. Ein schweres Unglück hat sich am Dienstag vormittag unterhalb Neumark an der Bahnlinie Leipzig-Hof zugetragen. An einem Bahnübergänge wurde von dem Schnell zuge Leipzig-Hof ein mit zwei Pferden be spanntes Geschirr überfahren. Der Geschirr führer und ein Pferd wurden gelötet. Der Lchlagzieher, der die Barriere zu schließen ver gessen hatte, hat sich aus Verzweiflung über das Unglück in dem nahen Teiche ertränkt. Dit Kckliinpsuilg der Trunksucht aus dem Laude. Das Organ des Ausschusses für Wohlfahrts pflege auf dem Lande, die von Heinrich Sohnrey vortrefflich geleitete Zeitschrift „Das Land" (Verlag von Trowitzsch L Sohn, Berlin 8^V.) brachte vor kurzem von Lothar Meyer-Klein- Eichholz einen sehr beachtenswerten Artikel, aus dem wir hier wenigstens das hauptsächlichste wiedergeben wollen. Zu dem im Antrag Graf Douglas gestellten Verlangen, „Aufenthalts räume ohne Trinkzwang zu schaffen," bemerkt Lothar Meyer: „Dieses Bedürfnis besteht auch überall auf dem Lande, aber — darüber giebt es keine Zweifel — auf dem kleinen Dorfe besteht neben dem Dorfwirtshaus keine Existenzmöglichkeit für einen zweiten neutralen Aufenthaltsraum. Wollte man also, statt noch ein Menschenalter und länger schöne Redensarten zu machen, wirk lich praktisch handeln, so gäbe es nur folgenden Weg: Kreis oder regierungsbezirksweise müßten gemeinnützige Gasthausgesellschaften gebildet werden, für die es ja an nordischen und eng lischen Vorbildern nicht mangelt. Sobald irgendwo eine alte Konzession erlischt, ersetzt werden soll oder auch infolge neu eingetretenen Bedürfnisses eins neue Konzession in Frage kommt, müßte sie dieser Gesellschaft angeboten werden, und erst, wenn diese verzichtet, wird sie in der bisherigen Weise anderweit vergeben. Nun würden ja natürlich derartige Gesellschaften nicht gleich wie Pilze aus der Erde schießen, aber auch wenn sich nur — einen ganz un günstigen Fall vorausgesetzt — in zehn preußi schen Kreisen solche Gesellschaften bildeten und jede eine Anzahl von 10 Gasthäusern in Ver waltung nähme, würde die öffentliche Meinung in einer ganz anderen Weise als bisher darauf hingelenkt werden, daß es anders und bester geht, als heute, wo je kleiner der Ort, desto mehr der Gastwirt darauf angewiesen ist, von wenigen Wirtshausbesuchern zu leben, die dann jeder so viel mehr trinken müssen. Den vorgeschlagenen gemeinnützigen Gesell schaften müßte die Pflicht auferlegt werden, durch ihre Verwalter nicht nnr niemand zum Trinken anregen zu lassen, sondern auch den Aufenthalt jedes sich anständig Benehmenden zu dulden, ohne daß er irgend etwas kauft." Besonders vielsagend scheinen uns Lothar Meyers Worte zu Punkt 12 des DouglaS- Antrags, zu der Forderung: nach Analogie der Kommission zur Bekämpfung der Krebskrank heiten und Tuberkulose eine Landeskommission zur Bekämpfung der Trunksucht einzusetzsn. Der Verfasser sagt: „Diese Kommission könnte, richtig zusammengesetzt, außerordentlich segens reich wirken, und in ihr liegt, glaube ich, falls Vie 12 Vorschläge überhaupt Gesetzeskraft er langen, der Schwerpunkt des ganzen Gesetzes. Eine ihrer vornehmsten Aufgaben wäre es, die Überzeugung verbreiten zu helfen, daß wir es in der Trunksucht nicht mit einer unangenehmen Lappalie — dies ist doch die vorherrschende Meinung hier zu Lande, ein unglücklicher Optimismus, infolgedessen man bei uns noch gar nicht angefangen hat, den Kampf aufzu nehmen — sondern mit einer schweren VolkS- krankheit zu tun haben. Was geschieht denn heutzutage mit Trunksüchtigen, die sich selbst und ihrer Familie, der Gemeinde und so fort zur Last und zum Ekel gereichen? Zunächst werden sie zum Trunkenbold erklärt. Weiter hin werden sie wegen in der Trunkenheit be gangener Exzesse auf einige Tage, oder wenn es hochkommt, auf einige Wochen ins Gefäng nis gesteckt. Meistens wissen sie sich auch hier Schnaps zu verschaffen, über auch wenn es nicht der Fall ist, ändert die kurze Zeit gar- nichts an der Sachlage. Wird es nun immer ärger, so fängt man an, die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt zu diskutieren. Ueber oie Diskussion kommt die Sache nicht hinaus, Venn wer soll es bezahlen? Der Aufenthalt in Ven wenigen existierenden Trinkerheilanstalten ist teuer und für die Mehrzahl der armen Landgemeinden unerschwinglich. Hier könnte vie Kommission in erster Linie einsetzen. Mit geringen Mitteln wären isoliert gelegene Güter zu Trinkerheilstätten herzurichten. Voraussetz ung ist dabei nur, daß man nicht bis zum äußersten physischen und moralischen Verkommen wartet, sondern bei beginnender Trunksucht ein- schreitct. In diesem Stadium sind die Trunkenbolde immerhin noch als ländliche Arbeiter zu ge brauchen, können also ihren Unterhalt ebenso gut verdienen, wie die anderen Arbeiter, sodaß Kosten nur insoweit erwachsen würden, als eine strenge ununterbrochene Kontrolle geübt werden muß, damit geistige Getränke nicht einge schmuggelt werden können. Sollte wirklich noch außerdem eine kleine Entschädigung an den Besitzer eines solchen Gutes nötig sein, dafür, vaß er sich einigen beschränkenden Bedingungen unterwirft — so stehe ich z. B. auf dem Stand punkt, daß er selbst jedem Alkoholgenuß ent sagen müßte, schon damit wirklich kein Alkohol über die Grenzen des Gutsbezirks kommt — so ließe sich doch hier mit wenigen tausend Mark eine für einen großen Bezirk segensreiche Einrichtung schaffen. In erster Linie könnten diese Summen mit Leichtigkeit aus den PrvvinzialfondS bewilligt werden; übrigens aber glaube ich, daß, wenn erst mal auf diese Weise mit gutem Vorbild vorangegangen wird, auch die Quellen privater Wohltätigkeit dafür fließen werden-"