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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bis vormittag Uhr. Inserate werden mit ,o Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 77. Sonntag, den 28. Juni 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, 2?. Juni 1903. Bei der am Donnerstag stattgefundenen Stichwahl wurden in Sachsen gewählt: 3. Wahlkreis (Bautzen-Kamenz): Gräfe (Ref.) 15476 Stimmen. Höppner (Soz.) 11333 St. Gräfe (Reformpartei) gewählt. 9. Wahlkreis (Freiberg): Dr. Oertel (kons.) 10717 Stimmen. Schulze (Soz.) 11882 St. Schulze (Sozialdemokrat) gewählt. 11. Wahlkreis (Oschatz): Haufe (konservativ) 11508 Stimmen. Lipinski (Soz.) 11702 St. Lipinski (Sozialdemokrat) gewählt. 12. Wahlkreis (Leipzig-Stadt): Dr. Hasse (nat.) 16312 St. Molteler (Soz.) 19671 St. Moltcler (Sozialdemokrat) gewählt. 14. Wahlkreis (Borna): Platzmann (kons.) 10677 St. Schöpflin (Soz.) 12669 St- Schöpflin (Sozialdemokrat) gewählt. Im ganzen Reiche stellt sich die Partei- gruppicrung wie folgt zusammen: In der Stichwahl gewannen: Jetzige Stärke: Nationalliberale 40 46 Freisinnige Volkspartei 19 19 Konservative 18 50 Reformer 5 6 Welfen 4 4 Elsässer 3 9 Bund der Landwirte 3 6 Wilde 4 7 Nationalsoziale 1 1 Deutsche Volkspartei 6 6 Reichspartei 9 15 Freisinnige Vereinigung 10 10 Zentrum 11 99 Polen 2 16 Dänen -— 1 Christlichsoziale — 1 Sozialdemokraten 26 82 — Mit Zustimmung des Kgl. Ministeriums des Innern wird das Kgl. Sachs, meteorologische Institut in Chemnitz die im Jahre 1887 ein gestellte Ausgabe von Wettervorhersagen — unabhängig von den in den Zeitungen er scheinenden ausführlichen Wetterberichten — wieder aufnehmen. Diese besonders für die Landwirtschaft wichtigen Vorhersagen werden an Zeitungen, Behörden wie auch an die un mittelbaren Interessenten je nach Abkommen telegraphisch, durch Fernsprecher oder mittels Postkarten übermittelt, wobei zur Abkürzung der Nachricht und zur Ersparung von Kosten ein besonderes Chiffriersystcm zur Anwendung kommt. Nähere Auskunft ist auf Antrag bei dem genannten Institut sowie auch bei d.r Königlichen AmtShauplmannschaft Dresden- Neustadt zu erhalten. Ferner werden von dem Institute gedruckte Dekaden-Monatsberichte herausgegeben, die u. a. eine kurze Witterungs bericht, mehrere Tabellen und Verzeichnisse der eventuell eingegangenen Gewitter- und Hagel- Meldungen enthalten und bei den meisten Orls- behörden zur Einsicht ausliegen. — Auf dem Lande wird jetzt in vielen Fällen das Tünchen der Slallwände und Decken, sowie das Weißen der Küchen und Kammern vorgenommen. Fast wie eine ganz unvermeid liche Hofplage nimmt man noch ziemlich all gemein das Vorhandensein von Millionen von Fliegen, die den Menschen wie Tieren im Schlafe wie bei der Arbeit gleich lästig sind, hin, und doch läßl sich, wenigstens gegen das Überhandnehmcn der Fliegen in den Ställen und menschlichen Wohnungen, etwas tun wenn Man im richtigen Augenblicke daran denkt. Dieser Zeitpunkt ist da, wenn die Maurer kommen, um die Decken zu weißen. Vian be ziehe weißen Alaun aus einer Drogenhandlung. Der Alaun ist billig; 1 Kilo kostet etwa 30 Pfennige. Vian löst den Alaun im Wasser auf, setzt die Lösung der Kaltfarbe zu und läßt dann die Wände und die Decken streichen. In Räume, die einen solchen Anstrich mit einer Alaunlösung erhalten haben, gehen die Fliegen nicht hinein. Zur Technik des Segelns. Die Kunst des Segelns besteht darin, unabhängig von der Windrichtung durch Ausnutzung des Winddruckes auf eine Segelfläche ein beliebiges Ziel zu er reichen. Weht der Wind recht auf das End ziel zu, so ist cs einfach, mit einein Schiff an )en Bestimmungsort zu gelangen — ein in das Wasser geworfenes Bund Stroh würde ja auch dort ankommen — wie aber ist es dem Seemann möglich, nach dem gewünschten Oit jin zu segeln, wenn der Wind nicht diese günstige Richtung hat, wenn der ewig wechselnde, aunische Windgott von dorther pustet, wohin )as Segelschiff soll? Antwort auf diese Frage änden wir in dem soeben erschienenen Juniheft ver „Flotte", Monatsblatt des Deutschen Flotten- Vereins, das wir auch wegen seines sonstigen Inhalts unseren Lesern aufs neue angelegent- lichst empfehlen können. „Die Nolle der Meeresbeherrschung in der Weltgeschichte" wird von Dr. Cajus Möller in der bekannten packen den und prägnanten Schreibart dieses Autors behandelt. Über „Europäerleben in China" plaudert Bruno Navarra, der durch sein großes Nachschlagewerk über Ostasien sich einen Namen gemacht hat. Äußerst lehrreich und interessant ist ein Aufsatz von Marine-Oberbaurat Köhn von Jaski über „Die Bekesselung unserer Kriegs schiffe" und ergreifend wird von Kapitän zur See Foß des „Untergangs S. M. S. Großer Kurfürst" gedacht, während Kapitän z. S. Galster die beiden nächst der Dacht des Kaisers gegenwärtig im Vordergrund des Segelsports stehenden Schoner „Hamburg" und Rennkutter „Shamrock I1I-" bespricht. Dresden. Am Mittwoch ereignete sich in den Abendstunden in der Leipziger Straße (Ecke Mohnstraße) ein Unglücksfall, der leicht schwere Folgen hätte nach sich ziehen können. Herr Otto Karsch, Sohn des Steinbruchsbesitzers Herrn Karsch, fuhr auf dem Rade in der Richt ung nach der Stadt zu, als er an der Halte stelle Mohnstraße einen Wagen der elektrischen Straßenbahn ausweichen wollte. Indessen ver fing sich das Hinterrad in den Schienen und der junge Mann kam zu Falle. Unglücklicher weise kam zu gleicher Zeit ein Automobil ihm entgegen, erfaßte ihn und' schleifte ihn eine Strecke Weges, wobei er am Körper verschiedent lich verletzt wurde. Lebensgefahr scheint nicht vorhanden zu sein. — In der Wohnung des Kutschers Grell mann, der verdächtig ist, den Bauschüler Fritz Schubarth ermordet und beraubt zu haben, ist nunmehr die Weste aufgefunden worden, an welcher der an der Mordstelle im Kornfelde gefundene Westenknopf fehlt. Die Haussuchung hat ferner auch die Tatsache zu Tage gefördert, daß Grellmann ein Kaninchendieb in großem Maßstabe gewesen ist. In seiner Behausung fand man gegen 40 Kaninchen aller Raffen auf. Unter diesen befanden sich auch einige seltene Exemplare, auf deren Herbeischaffung der Kaninchenzüchterverein zu Plauen eine Geld belohnung ausgesetzt hatte. Es geht ferner das Gericht, daß im Besitze Grellmanns ein sechs läufiger Revolver gefunden worden ist. In diesen Revolver sollen die Projektile paffen, die vor einigen Monaten bei einem Einbruchs versuche in Gittersee nachts auf einen dortigen Bäckermeister geschaffen wurden. — Ein in Potschappel wohnhafter 34jähriger taubstummer Bildhauer wurde in Neudöhlen bei einer unsittlichen Tat als derjenige Mensch er kannt, der seit längerer Zeit in der Nähe von Plauen und Löbtau wiederholt weiblichen Per sonen völlig entblößt entgegengetretea ist. — Der angebliche Raubanfall auf einen Arbeiter Freiberg im Plauenschen Grunde stellt sich als fingiert heraus. Der Mann hat sich nach dem „Glückauf" in trunkenem Zustande selbst verletzt und ist dann von Leuten nach Hause gebracht worden: als er diese auch noch beleidigte, haben sie ihn „Mores" gelehrt. — Von dem auch hier bekannt gewordenen Naturmenschen Kurzrock, zur Zeit in Berlin, ging unterm 24. Juni .einem Copitzer Ein wohner eine Postkarke zu, auf der Kurzrock mitteilt, daß er am 19. Juni d. I. in Berlin devinitiv zur 44. Jnfanteriebrigade nach Kassel ausgehoben worden sei. Früh.r sei er der Marine mit dem Vermerk „für jeden Truppen- !eil brauchbar" zugeteilt gewesen. Entgegen den Meldungen versichert Kurzrock, daß er von seiner Lebensweise nie abgehen werde. Es sei lächerlich, zu sagen, daß er in Berlin vor dem Richter in Jackett, Hose und Sandalen er schienen wäre; vor dem Strafrichter sei er noch nicht gewesen. Nach seinen Angaben ist Kurz rock in Berlin viermal verhaftet und viermal freigelaffen worden; zweimal wurde Anzeige wegen groben Unfugs erstattet. Am 18. Juni hat Kurzrock an den Kaiser geschrieben, weil er noch immer hofft, freizukommen. Seine Sache >ei wichtiger, als das Erlernen des Kriegshand werks Jetzt genieße er in Berlin Freiheit und Schutz und könne sich überall bewegen. — Ein Einbrecher, der mit Nachschlüsseln einen Verkaufsladen in der Reißiger-Straße geöffnet hatte, wurde in der Nacht zum Freilag n dem Augenblicke überrascht, als er sich in dem Laden mit Gegenständen bereichern wollte. Weinböhla. Wegen Sittlichkeitsverbrechens wurde am Dienstag der 45 Jahre alte Arbeiter Kühn verhaftet und an das konigl. Amtsgericht Meißen eingeliefert. K., welcher bereits schwere Vorstrafen erlitten hat, hatte sein Opfer in seine Stube zu locken gewußt, die Tür verriegelt und sodann das Verbrechen verübt. Bretnig. Wegen einer geringfügigen Ur sache hat sich am Montag hier ein im 15. Jahre stehender Arbeitsbursche erhängt. Er hatte eine Pfeife mit einer kleinen Quantität Garn in die Abortgrube geworfen, die beim Räumen derselben aufgefunden wurde, worüber ihm ge ringe Vorhaltungen gemacht worden sind. Großenhain. Die Leiche eines jungen Mannes wurde am Mittwoch abend gegen 7 Uhr im Quersaer Holze nahe bei Mühlbach aufgefunden. Der zirka 18—20 Jahre alte, 1,60 Meter große junge Mann, dessen Per sonalien noch nicht festgestellt sind, hatte sich er hängt. Bekleidet war der Tote mit Turner- jakett, Normalhemd, grauen Strümpfen, Stief letten, schwarzem weichen Filzhut. In einem bei dem Toten vorgefundenen Portemonnaie waren nur wenige Pfennige enthalten. — Der junge Mann, welcher sich am Mitt woch im Quersaer Holze erhängte, ist als der hier beschäftigt gewesene Schneidergeselle Paul Groschke aus Steinkircken (Kreis Lübben), da selbst am 2. August 1884 geboren, erkannt worden. Furcht vor Strafe scheint den Un glücklichen in den. Tod getrieben zu haben, wenigstens war er am Montag zu einem Ver höre nach dem Amtsgericht geladen; am Mitt woch ging er fort und führte den Entschluß, den er aller Wahrscheinlichkeit nach am Mon tag gefaßt hatte, aus. Riesa. Als am Dienstag früh das Ge schirr eines Heydaer Gutsbesitzers nach der Stadt fuhr, blieb der hoch mit Stroh beladene Wagen an einer der anläßlich der Poppitzer Fahnweihfestlichkeit angebrachten Guirlanden hängen, infolgedessen die letztere herabgerifsen wurde, mit ihr gleichzeitig ein Fenster, an dem sie befestigt gewesen war. Dadurch wurden die Pferde scheu, rasten in die hiesige Stadt herein und fuhren an der Ecke der Meißner Straße an, sodaß der Wagen zerrissen wurde, galoppierten aber mit den Vorderrädern des selben weiter die Stadt herauf und schwenkten dann in die Schützenstraße und weiter in die Poppitzer Straße ein, woselbst die erregten Tiere aufgefangen wurden. Leider hat der Geschirrführer, der Sohn des betr. Gutsbesitzers, eine nicht unerhebliche Verletzung an einem Bein erhalten, sodaß ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Strehla. Am Mittwoch gegen Mittag brannte die zum Rittergute Kanitz gehörige Wassermühle nieder. Das Feuer ist voraus ichtlich durch Heißlaufen der Welle in der ogenannten Lage entstanden. Leider ist auch ein Unfall bei den Löschungsarbeiten vorge kommen, indem beim Niederreißen eines Giebel» ein hiesiger Feuerwehrmann von niederstürzen dem Mauerwerke schwer am Kopfe verletzt wurde, während zwei weitere Personen mit Hautabschürfungen davonkamen. Leipzig. In einem mit Holz gefüllten, neben der Tischlerei des Konsumvereins Plag witz belegenen Raume brach am Donnerstag, vermutlich infolge elektrischem Kurzschluß, Feuer aus, welches sich mit rapider Schnelle ver breitete, die Tischlerei, Bäckerei rc- ergriff und insbesondere das Innere des 60 Meter langen Hauptgebäudes bis zum Parterre vollständig zerstörte. Hier hinderte eine starke Betonschicht das Weitergreifen des gefräßigen Elements, odaß Maschinen usw. gerettet werden konnten, da die Feuerwehr (fast in ihrer Gesamtheit) großartig arbeitete. Zehn Feuerwehrleute trügen leichte Verletzungen davon. Der Schaden an Waren und Gebäuden beziffert sich auf 5 bis 600000 Mark; versichert ist mit 1 Million Mark. — Ein Talstraße 22 bei einem Zi garrenreisenden wohnender Arbeiter ward unter dem Verdachte verhaftet, in der Wohnung seines Mietsherrn Feuer angelegt zu haben, um Dieb stähle zu verdecken, welche er an dessen Eigen tum ausgeführt hat. Öderan. Die am Hetzdorfer Bahnhofe ge legene Spinnerei von Julius Kluge in Lößnitz- lhal ist am Mcktwoch nachmittag vollständig niedergebrannt. — In Görbersdorf wurde zu gleicher Zeit die zum Erbgericht gehörige große Feldscheune ein Raub der Flammen. Burgstädt. Einem entsetzlichen Unglücks fall fiel der Feuermann der hiesigen Porzellan fabrik zum Opfer. Auf noch unerklärte Weise geriet der Unglückliche in die Transmission und wurde dabei so schwer verletzt, baß er nach wenigen Stunden seinen Geist aufgab. Werdau. Von der Firma Gebr. Paul, bei der vor zirka 8 Wochen 28 Former die Arbeit niederlegten, sind am Montag die Streikenden bis auf einzelne bedingungslos wieder in die Fabrik ausgenommen worden. Scheibenberg. Seinem Ende naht nun mehr der hier seit Palmsonntag bestehende Konfirmations-Streit. Von den 30 unkonfir mierten Kindern sind weitere zwei — einer in Bärenstein und einer hier — konfirmiert worden. Die übrigen 28 hatten sich den Konfirmations- Unterricht bescheinigen kaffen und sollten diesen Sonntag in Markersbach konfirmiert werden. Auf Bitten des verdienstvollen Bürgermeisters Herrn Kegler haben die Eltern der Konfirmanden indes beschlossen, ihre Kinder ihrem Bürger meister zuliebe doch noch in Scheibenberg durch Herrn Ortspfarrer Otto konfirmieren zu lassen. Die Konfirmation soll diesen Sonntag statt finden. Hohenstein-Ernstthal. Die Familie des Kaufmanns H. Riedel hier erhielt am Montag die tief betrübende Nachricht, daß ihr bei der Hamburg-Amerika-Linie in Diensten stehender Sohn Arthur in Ausübung seines Berufes er trunken ist. Der junge Mann war am 8. Juni nach längerer Seereise von Japan und China nach Hamburg zurückgekehrt und sollte am 25. d. M. mit einem Schiffe die Ausreise an- treten. Zwickau. In Wilkau ist dieser Tage Kirch schullehrer Oberländer während des Orgclspieles bei einer Trauung entseelt vom Stuhle gefallen. Ein Herzschlag hatte ihn im Berufe überrascht. Brunndöbra i. V. Vor Jahresfrist wurde hier der Lehrer D. vermißt- Jetzt stellt sich heraus, daß D. sich in die französische Fremden legion hat anwerben lassen. Es ist gelungen, den jungen Mann wieder frei zu machen; er befindet sich bereits auf der Heimreise.