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Ottendorfer Zeitung : 06.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190512068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19051206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19051206
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-06
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.12.1905
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politische Kunälckau. Die Wirre« i« Ruhland. *Das Zarenreich scheint immer noch nicht am Ende seiner Prüfungen augekommen zu sein. Der Tclegraphenarbeitersireik hat sich über ganz Rußland erstreckt. Die Meutereien der Truppen grellen täglich mehr um sich; es kam sogar soweit, daß die neuem gestellten Rekruten die Eidesleistung für den Zaren verweigern. Die Folge aller dieser Vor gänge sind wieder Maffenverbaftungen und Massenoerschickunqen nach Sibirien. Seit der Erteilung der Amnestie, die bekanntlich die politischen Gefangenen befreien sollte, haben sich die Gefängnisse nicht entleert, sondern im Gegenteil, sie find jetzt überfüllt. Graf Witte ist machtlos gegenüber den Ereignissen, die ihm die mühsam gesammelten Früchte seiner angestrengten und ehrlichen Bemühungen um die Wiederherstellung der Ordnung zu ent reißen drohen. Die schon mehrfach aus getauchten Gerüchte, daß durch alle diese Vor gänge Wittes Stellung erschüttert sei und er abzudanken wünsche, gewinnen immer mehr an Wahrscheinlichkeit. * Zu einer förmlichen Schlacht kam es in Sebastopol zwischen den meuternden Soldaten und den treug-bliebenen Truppen. Während des entsetzlichen Gemetzels fanden auf beiden Seiten viele Matrosen den Tod, während Hunderte verwundet wurden. Das Kriegsschiff „Otschakow" war am Mittwoch vormittag aufgesordert worden, sich zu ergeben unter der Androhung, daß die treugebliebenen Sirand- batterien gegebenenfalls Befehl erhalten würden, das Geschvtzseuer zu eröffnen. Als darauf das meuternde Schiff die Kriegsflagge neben einer roten Flagge führte, begann ein mörderisches Feuer. Der „Otschakow" und das Transport schiff „Dnjepr" wurden zum Sinken gebracht, während der „Pantele'mon" (der durch seine Meutererfahrt bekannt gewordene frühere „Po- temkin") drei schwere Lecks erhielt. Nachdem der Kampf zwischen der Nord- und Südbatterie der Stadt (die letztere auf feiten der Regierung) zwei Stunden getobt hatte, wurde der Führer der Aufständischen, Leutnant Schmidt, schwer verwundet. Damit war das Schicksal der Meuterer entschieden. Sie ergaben sich alle miteinander. Durch das Feuer der Schiffe und der Strandbatterien hat die Stadt furchtbar gelitten, die Hälfte aller Häuser soll zerstört sein. * AuS Sebastopol find zahlreiche Meuterer mit Artillerie iu das Landes innere entkommen. *Jm Warschaus «Militärbezirk versagten ein litauisches Garde-Jnsanterie- Regiment und eine Artillerie-Abteilung den Gehorsam. * Der Kriegszustand in Russisch- Polen ist durch einen Erlaß des Zaren auf - gehoben worden. Die Regierung des Grafen Witte kommt sowohl den Forderungen der frei heitlichen Elemente als auch den-n der ver schiedenen Nationalitäten weitgehend entgegen. * * * De«ts»la«d. * Der vom Bundesrat am Dienstag ange nommene zweite Nachtragsetat für Deutsch- Südwestafrika fordert für den B au der Eisenbahn von Lüderitzbucht nach Kubub den Betrag von 5 050 000 Mk. * Der me i n i nqische Landtag lehnte den sozialdemokratisch-» Antrag auf EmMrnng des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahl rechts bei Gemeindewahlen ab, überwies dagegen die -ingegangenen Petitionen um Abänderung deS bestehenden Gemeindewahlrechts der Regie rung zur Berücksichtigung. . "Die Abgeordnetenkammer in München nahm in dritter Lesung einstimmig das neue Wahlgesetz an, nach dem in Bayern das geheime, gleiche, all gemeine und direkte Wahlrecht ein geführt wird. Österreich-Ungar«. * Ministerpräsident Fe j e r vary äußerte, wenn die Notwendigkeit zum Rücktritt des Kabinetts einträte, wäre die Lage nur noch schlimmer, weil dann nur eine Militärregierung kommen könne. Die Regierung müsse bis zum Frühjahr die Rekrutierung, gleichviel mit welchen Mitteln, bewerkstelligen. Die freiwillig ein- gezablten Steuergelder, deren Ablieferung an die Staatskassen die Munizipien verweigern, werde die Regierung nötigenfalls durch die Strafbehörden beschlagnahmen lassen. Auf die Frage, was geschehen werde, falls daS Ab geordnetenhaus auch nach seiner Auflösung ver sammelt bleiben sollte, erwiderte Fjeromy, der Reichstag werde in diesem Falle mit Gewalt auseinandergejagt werden. Mer die Frage der Anwendung von Gcwaltmaßregeln dürste Fejervary in diesen Tagen beim Kaiser eine Entscheidung herbeifkhren. *Jm kroatischen Landtage ver anstalteten die Anhänger der Koalition einen großen Skandal. Ihr Wortführer erklärte, sie seien bereit, gegen Wien die Waffen zu er greifen, um jenem „Ungeheuer, das österreichisch ungarische Monarchie genannt wird, je eher desto besser ein Ende zu bereiten." Hrasrrelch. *Präsident Loubet erklärte einem Besucher: „Ich wünsche meine letzten Tage in Ruhe zu verbringen. Ich habe den Angelegen heiten Frankreichs 40 Jahre gewidmet, j-tzt, da ich alt bin, will ich meine letzten Jahre meinen eigenen Angelegenheiten widmen. Mit dem Tags, wo ich die Präfidentenwürde auf- gebe, ist meine politische Laufbahn beschlossen. Ich werde kein Amt suchen, der Titel eine? einfachen Bürgers wird mir genügen; ich will weder Senator noch Deputierter werden, nichts, absolut nichts!" *Jn dem Prozeß gegen Malato u. Gen. wegen des gegen den König vonSpanien und den Präsidenten Loubet verübten Anschlags wurden vom Pariser Schwurgericht alle Angeklagten freigesprochen. * In der Deputiertenkammer lehnte die Regierung Grünbücher, Welchs Aus kunft über die Entwickelung der tripolitanischen und der Marokkofrage geben, ab; solche über Mazedonien und Kreta sollen vorgelegt werden. England. *Der Kabinettsrat sollte am 2. d. darüber entscheiden, ob die Regierung zurück- treten oder das Parlament auslösen soll. Balfour wird alsdann dem König die Ent scheidung vorlegen. Falls das Parlament auf gelöst wird, dürste der Termin hierfür bei der auf Dienstag angesetzten geheimen Ratssitzung des Königs bestimmt werden. Spanien. *Der spanische Ministerpräsident Montero Rio 8 hat sich nicht bereit finden lasten, unter den obwaltenden Umständen die Amtsaeschäfte auch nur kurze Zett noch weiter zu führen. Freitag nachmittag hat er abermals und endgültig seine Entlastung erbeten, die Vom König angenommen wurde. Mit ihm zu gleich hat das ganze Kabinett abgedankt. Als Nachfolger Montero Rios' wird der jetzige Fmanzminifter (und Dichter) Echegaray genannt. *Jn der spanischen Kammer fand am Mittwoch eine überaus erregte Sitzung statt. Gegenstand der Verhandlung war die Verhängung des Kriegszustandes über Barcelona. Die Oppositionsparteien warfen der Regierung vor, sie schmeichle der Armee aus Furcht vor dem europäischen Brande. Andre Redner warfen dem Kabinett Kurzfichtig- keit vor, da es nicht einmal zu erkennen ver möge, wie England Spanien zu zertrümmern suche. Nach langer Debatte erklärte sich die Kammer und der Senat mit den Maßregeln der Negierung einverstanden. Balkanstaate«. *Jn Sachen der Flottenkundgebung gegen die Türkei hat der Minister des Aus- wärttgen eine neue Note mit Vermittelungs- Vorschlägen vorbereitet. (Wenn dieselbe einiger maßen annehmbar ist, dürste es bei der völligen Aussichtslosigkeit der Kundgebungsmaßnahmen bald zu einer Verständigung kommen.) Amerika. * Ter amerikanische Gesandte in Kuba Squiers, wurde plötzlich abberufen, weil er mit den Umstürzlern gegen die be stehende Regierung gemeinsame Sache machte. Der amerikanische Staatssekretär Root erklärte den Amerikanern auf Isla dos Pinos (Insel, die zu Kuba geyört), daß die Unabhängigkeits bewegung daselbst nicht die amerikanische Unter stützung finde. Klus ciem Aeicbstage. Der Reichstag beschäftigte sich am Donnerstag mit der sozialdemokratischen Interpellation betr. die Fleischnot. Aba. Scheidemann (soz.) begründete diese Interpellation in einstündiger Rede, in der eS an Angriff.» gegen Herrn v. Poobielski nicht fehlte, der neben dem Grafen Posadowsky am BundeSratS- tisch erschienen war. Zur Beantwortunr der An frage verlas der Staatssekretär Graf Posadowkky eine kurze Erklärung, wonach die Einzelstaaten sich mit der Frage beschäftigt hätten, wie der Fleiich- teuerung entgegenzuwirken sei; sie seien zu der ller- zeuguna gekommen, daß eine Öffnung der Grenzen sich nicht empfehle. Der Reichskanzler sehe sich daher nicht veranlaßt, von seinem Rechte der Auf hebung der Sperrmaßregeln Gebrauch zu machen. Preuß. LandwirtschaftSminister v. PodbielSki wies die ihm persönlich gemachten Vorwürfe zurück, daß er als Schweinezüchter ein Interesse an hohen Fleischpreisen habe. Die jetzige Teuerung sei größtenteils die Schuld des Zwischenhandels, diesem könne man nicht beikomwen, so lange es nicht ge linge, die Preisnotizen auf dem Markte für jeder mann durchsichtig zu machen. In der Besprechung der Interpellation führte Abg. v. Oldenburg lkons.) aus, die Flesschtemrung sei hervorgerusen durch die vorjährige schlechte Kartoffelernte. Es gehe nicht so weiter, daß die Produzenten ausgeplünsert würden von den Konsumenten. Auch der Zwischenhandel sei schuld an der Teuerung. Abg. Pohl (frs. Vp.) beschuldigte die Regierung, sie hätte in der Sache parteiisch Stellung genommen. DaS Voikswohl ver lange gebieterisch die Öffnung der Grenzen. Abg. Herold (Zentr.) sprach sich gegen Aufhebung der Zölle und der Grenzsperre aus. ES bestehe gegen wärtig eine internationale Hochkonjunktur in Fleisch preisen. Am 1. d. wird die sozialdemokratische Inter pellation wegen der Fleischnot weiter beraten. Abg. D o v e (fr. Vgg.): Die Denkschrift über die Fleischnot ist gemacht nach dem Rezept: „quoä srat äsmonstrsnäum". (Was zu beweisen war.) Die ÜberwachungSbefugni« deS Reichskanzlers kann doch nicht bloß darin bestehen, daß der Reichskanzler liest, was in den Einzellandtagen darüber gesagt wird. Daß die Schutzmaßregeln nach Rußland hin vollkommen genügen, wird durch den Umstand be wiesen, daß vom 1. März 1906 an das Schweine- kontingent erhöht werden soll. Die Erhebungen, die der Deutsche Schlächterverband veranstaltet hat, haben bewiesen, daß das Schlachtgewicht des Viehs um 2,5 Prozent, die Bevölkerung dagegen um 5 Pro zent sich vermehrt hat. Man mutet jetzt den breiten Volksmassen im Hinblick auf die gespannten aus wärtigen Verhältnisse die größten Opfer zu. Da sollte man doch um so weniger weitgehende Miß stimmung Hervorrufen. Abg. Stubbendorf (freikons.) bedauert im Inst reffe der Arbeiter und der kleinen Leute die hohen Schweineflestchpreise, die zum Teil auf die schlechte Futterernte des Vorjahres zurückzuführen seien. In der Hauptsache seien aher die Pro duktionskosten der Landwirtschaft so gestiegen, daß die Viehzucht bei den früheren Preisen nicht be stehen konnte. Abg. Paasche (nat.-lib.): Entgegen der Ab sicht der Interpellanten find meine politischen Freunde der Ansicht, daß wir keine Veranlassung haben, von unsrer jetzigen Wirtschaftspolitik abzu» weichen, denn gerade unsre jetzigen Zustände sind durch die Ara Caprivi bedingt. Wir bedauern, daß die Fleisch not zu ungerechten Angriffen auf die Landwirtschaft benutzt worden ist, aber auch, daß der Landwirischaitsminister sie nicht mit dem gebührenden Ernst behandelt hat. Die Landwirt- schafiSnerwastung aber hat alles mögliche getan, nur daß sie vielleicht das russische Schweinekontingent hätte erhöhen können. Im übrigen muß die vor übergehende Teuerung eben ertragen werden. Abg. Graf Reventlow (wirtsch. Vgg.): Die überwiegende Mehrheit dieses Hauses steht auf dem Standpunkt deS LandwirtschaftsministerS, der indessen der gewissenlosen heuchlerischen Verlogenheit ge wisser Fabr kanten der öffentlichen Meinung lieber keinen Vorwand zu Hetzartikeln hätte bieten sollen. Unser Kampf gegen gewisse Auswüchse des Händler- tums ist kein Knüpf gegen den Mittelstano; dm Mittelstand zu bekämpfen überlassen wir der Linke». Abg. v. Starzynski (Pole): Die ärmsten ; Klassen am schwersten zu belasten, das macht Ihrer I Germansnmoral vielleicht Ehre, aber nicht unsrer ' Polenmoral, ebensowenig wie cS mit dem Gedanke« der allgemeinen Humanität vereinbar ist: Abg. Molkenbuhr (soz.): Die ganze Agrar politik der Regierung läuft darauf hinaus, die jetzigen Fleischpreise aus Nosstandspreisen zu Minimal- pretseu zu machen. Der Reichskanzler verschanzt sich, nm die Grenze nicht zu öffnen, hinter di« Einzelstaaten; die Einzelstaaten, z. B. Mecklenburg, verschanzen sich wieder hinter den Reichskanzler. Der LandwirtschaftSminister und mit ihm Herr Herold führen die städtischen Oktrois als besonder- preis steigernd auf; aber warum heben denn nicht die Freunde des Herrn Herold, die in Aachen di« große Mehrheit im Stadiparlament haben, wenigsten- dort die städtische Schlachtsteuer auf? Die Caprivi- schen Handelsverträge sind den Herren von der Rechten namentlich deshals so verhaßt, weil sie auf die Arbeiterlöhne nicht ungünstig eingewirkt haben. Die jetzige Fleischnot aber hat nichts mit den Capriviichen Handelsverträgen zu tun, sondern ist die Folge der Einfuhrverbote, die den Agrarier« von der Regierung als ein kleines Angebinde zur Beschwichtigung ihres Geschreies überreicht werden. Angeblich wenden sich diese Verbote gegen die Seuchen, tatsächlich ist aber die Verseuchung deS Viehstandes mit jedem Einfuhrverbot gestiegen. Diese ganze Sperrenpolitik gehört zu den Mitteln, mit denen Sie (nach rechts) die Ihnen verhaßt« industriell- Entwickelung zu bekämpfen suchen. Preuß. Landwirtschaftsminister v. PodbielSki: ' Der Vorredner hat auf die veterinären Verhältnisse Bezug genommen; die Dinge stehen aber ander», als er sie darstellt. Die Trichinenfrage sieht bei uns anders aus al» in Amerika, weil bei uns viel roher Schinken gegessen wird, in Amerika aber nicht. Ich gebe zu, daß wir auch in Deutschland noch viel Viehseuchen haben; um so nötiger aber ist cS, diese zu bekämpfen, und um so unangebrachter ist der Vorwurf, daß wir diese Seuchen zum Vorwand der Sperren nehmen. Vielleicht kann die Landwirt schaft jetzt noch nicht den verteuernden Zwischen handel entbehren; aber ich hoffe, daß sie immer mehr der Schwierigkeiten des Transports Herrin werde« wird. Ich halte den Preis von 70 Mk. pro Zentner Schweinefleisch für unmöglich auf die Dauer; ich glaube, daß sich die Preise für gewöhnlich zwischen 40 und 44 Mk bewegen werden, und daß die heutigen exorbitanten Preise von der ungewöhnlichen Steigerung der Kartoffelpreis« von 1,20 auf 2,50 Mark herbeigesührt werden. Durch diese Steigerung der Kartoff lvreise sind die Produktionskosten um mindestens 10 Mk. pro Zentner Schweinefleiich^,erhöht worden. Die Caprivischen Handelsverträge haben die ländlichen Arbeiter in die Stadt getrieben und die Landwirt schaft zur Verwendung ansländischer Arbeiter ae- zwungen. Das sind aber keine gesunden Verhältnisse. Wir wollen ruhig und fest an die Produktion gehen und dafür sorgen, daß der heimische Arbeiter der heimischen Scholle erhalten bleibt. Abg. Graf Schwerin-Löwitz (kons.): Bian macht ungeheuren Lärm über die Fieischnot; aber die Linke hat hier nur bie alten, von der Presst vorgebrachien Gründe wieder aufgetischt, die die Denkschrift des Landwirt'chaftSmimsterlumS längst widerlegt hat. Die Mehrheit des Reichstags steht hinter der Regierung und diese wird hoffentlich fort« kabren, sich auch ferner das Vertrauen der ländliche« ' Wähler zu erhalten. Abg. Gothein (fr. Vga.): Das Motto der Denkschrift scheint zu sein: Fleischnot gibt'- nichtz Grenzöffnung ist nicht. Der Landwirtschaftsminister empfahl den Städten die Aushebung ter Oktroi». Ich bin ganz derselben Meinung; es ist aber be zeichnend, daß überall, in Breslau, in Potsdam usw- gerade die Zollvartei, die Konservativen, die Anti semiten, das Zentrum für die Beibehaltung der Schlachtsteuer sind, und daß, wenn einmal eine Ge meinde die Schlachtsteuer aufzuheben beschließt, w- fort die Regierung bindernd dazwischen tritt. Der Minister rät den Städten, selbst Schweinezucht zu treiben, warum läßt er nicht auf Grund seiner privaten Erfahrung auf den StaalSdou üne« Schweinezucht im großen treiben? Man mutet den Städten zu, sich auf Gnade und Ungnade der Fleisch versorgungszentrale zu überliefern; aber die Bürgermeister müßten die größten Ochsen sein, wen« sie sich von Herrn Ring einen Ring durch die Stas« ziehen lassen wollten. DaS HauS vertagt darauf die Besprechung. Von stak und fern. Starker Erdstoß. In Hohenzollern bet . Stuttgart wurde am Donnerstag ein kürzest von donnerähnlichem Getöse begleiteter Erdstoß wahrgenommen. O Oie Oauern-Krunkttäe. 7) Erzählung au» b. bayrischen Bergen v. M. Neab Vornetzung.) „Vata," jubelte Traudl, „r hab' ja g'wußt, daß d' net so sein kannst l" Auch Gottfried atmete erleichtert auf. So war seine Berechnung also keine falsche. „Du sollst Gelegenheit hab'n, zu beweis*», daß d' der rechte Mo bist! Und zwar glei morgen. Aber dös sag' t dir, du derfst di z'sammnehma, so einfach und leicht iS die G'schicht' net, wia da du vielleicht vorstellft. Aba nachdem, was i gestern g'sehg'n hab', kannst d's macha no und na hab i nix dagegen, wenn d' Traudl dei' Weib werd." Traudl wurde über und über rot. Sie trame sich kaum aufzubltcken. „Asa, wennst a's net tuast, wennst z'ruck- trittst," juhr Guntherer fort, „na iS 'rum mii'm Heiral'n. Dabei bleibt's. Einverstand'n?" „Ja, einverstanden, es müßte mit dem Bö en zugehen, wenn ich nicht zuwege brächte, was du von mir verlangst." „Wer woaß, vielleicht ist der Böse selba dabei. Schlag ein!" Gottfried schlug kräftig in die dargebotene Rechie ein. „Abgemacht!" Damit war der Pakt geschlossen. Traudl hatte vollständig auf die Schmerzen vergessen, die ihr der verstauchte Fuß noch immer bereitete. Jetzt kam nach der soeben überstandenen Erregung die Wirkung des vorausgegaugenen Schreckens beim Absturz mit doppelter Macht zur Geltung. Sie fühlte plötzlich ihre Knie wanken, das Zimmer drehte sich im Kreise herum und dann brach fie laut los zusammen. Guntherer und Gottfried sprangen er schrocken herbei, hoben die Ohnmächtige auf und trugen fie m ihr Bett, wo fie sich jedoch mich wieder erholte. Sie bat, man möge fie jetzt allein lassen, bis morgen sei alles wieder gut! Nur ungern verließ fie Gottfried, der sich um fie ängstigte, aber er gab schließlich ihrem Drängen nach. „Siehgst," sagte fie, als er sich verabschiedete, „i bin ja so glückst, daß da Vata eing'willigt hat, daß ma uns ang'hör'n sollen, und die Freud' iS ma a bißl in Kopf g'meg'n. DöS gib fi'l" Dann ließ er fie allein — — allein mit ihrem Glück. Als sich Onkel und Neffe später, nachdem fie noch ein paar Liter Roten auf das glück liche Gelingen des Planes, den Gottfried aber trotz seines Fragens nicht erfuhr, getrunken hauen, trennten, rief Gottfried: „Auf morgen denn/ „Freu' di net z'jruah," entgegnete Guntherer, „für di und mi hängt vom morgigen Tag alles ab!" Eine Viertelstunde später war es still ge worden im Gunthsrerhof. Ein jedes träumte dem kommenden Morgen mit andern Hoffnungen entgegen. 4. DerRingkampf. Traudl hatte eine schlaflose Nacht verbracht. Tausenderlei Gedanken waren ihr durch den Kopf gegangen und fie hatte ihr Gehirn ver geblich abgemartert, welcher Art die Aufgabe sein könne, die ihr Vater dem Friedl morgen stellen werde. Daß fie dabet nicht auf das Richtige kommen konnte, war begreiflich, denn ihr Vater Halle niemals von seinem mißglückten Heiratsantrag bei der Bärenwirtin erzählt. Eines aber stand für fie fest, Gottfried werde die Probe glänzend bestehen. Daß ein andrer Ausgang möglich sei, schien ihr einfach aus geschlossen, und fie zog ihn deshalb auch gar nicht in den Bereich ihrer Erwägungen. So dankte fie denn Gott, als endlich der Morgen graute und fie fich von ihrem Lager erheben konnte. Ihr Fuß war so ziemlich wieder hergestellt und verursachte nicht die geringsten Beschwerden mehr. Sie kleidete fich mit besonderer Sorgfalt an und begab fich dann in die Küche, um die Morgensuppe zu bereiten. Von Zeit zu Zeit blicke sie nach dtzr Tür, ob denn der Vater noch nicht bald zum Vorschein komme. Sie konnte es gar nicht begreifen, wie man an einem so wichtigen Tage so lange schlafen konnte. Endlich erschien Guntherer. Er sah über nächtig aus und eine gewisse Aufregung machte fich bei ihm bemerkbar. Er erwiderte den treundlichen Morgengruß Traudls nur mit einem leichten Kopfnicken. Mit fieberhafter Spannung wartete das Mädchen, daß er etwas sagen werde. Aber schweigend aß Guntherer sein Frühstück, dann brach er auf, um semen gewohnten Morgengang durch die Felder zu unternehmen. „Vata," begann jetzt Traudl, der es sch!« das Herz abdrückte vor Neugierde, was Guntherer wohl vorhabe, „mach's an Friedl fei net z'schwar! Gib eahm was Leichl's auf, um meinetwillen!" Guntherer brummle etwas vor fich hin und verließ die Küche. Unterdessen war Gottfried Hornung früh» sicher denn je erwacht, besann fich, die Augen reibend, ob d'e Vorgänge des gestrigen Abends nicht nur ein Traum gewesen seien, und sprang, als es ihm klar geworden war, daß der heutige Tag kür sein künftiges Lebensschicksal ent scheidend sein wird, mit gleichen Füßen aus dem Bell und machte, so schnell eS ging, . Toilette. Dabei sang er lustigen SinneS eia .Klauffsamus ixitur". Eben als er von de« „Vivant st mutteres" überwältigt das Fenfter- kreuz voll Inbrunst umarmte, erschien unten ir« Garten Traudl, um angeblich die Blumen -U gießen, in Wirklichkeit aber, um zu sehen, ob Gottfried noch nicht wach sei Als sie jetzt empor sah. rief fie lachend: „Aber F'icdl, hass denn dein' Fensterstock gar so gern?" Der Angerurene ließ fich aber nicht aus del Fassung bringen. „Es gibt eben allerhand spaßige Dinge auf der Welt, gießt eines oft auch den Zaun statt der Nelken!" Traudl lachte hell auf, fie hatte wirklich, während fie zu dem jungen Manne hinaussah, statt der Blumen den Gartenzaun begossen- Jetzt warf ihr Gottfried eine Kußhand zu. . „Ich sehe, daß du heute wieder ganz wow auf bist, wie mich das freut. Heul' scheint ein Glückstag zu sein."
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