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Ottendorfer Zeitung : 15.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190512153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19051215
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19051215
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-15
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 15.12.1905
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politische Kunälckau. Die Wirre» in Rußland. *Ein kaiserlicher Ukas enthält vorläufige Verordnungen fürdie Presse. Die vorherige Zensur für regelmäßig erscheinende Blätter, Zeichnungen und Holzschnitte wird ab geschafft, ausgenommen find die Zeitungen, die auf dem Lande erscheinen. Polizeimaßregelungen und Bestrafungen der Presse werden abgeschafft. Die Verantwortlichkeit für Preßvergehen wird lediglich durch die Gerichtshöfe festgestellt. Das Recht des Ministers deS Innern, die Ver- öffewlichung, oder Besprechung von Fragen, die die Regierung betreffen, zu verbieten, wird auf gehoben. * Es beißt, daß die Gro ß fürst envartei immer mehr erstarke und sich unter der Führung von Tscherbatow organisiere. Witte scheint aller dings Gewicht darauf zu legen, stark von dieser Bewegung abzurücken. ,Daily Cyromcle' meldet ans Petersburg, bei einem Dmer, an dem Gras Witte teilnabm. zeigte er sich über die Börsen panik keineswegs erregt, und erklärte, er habe eine solche erwartet. Der Minister fügte noch hinzu, er sei durchaus nicht, wie ausgesprsngt werde, ein Gegner einer konstituierenden Ver sammlung noch einer Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Weiter bemerkte er noch, daß in Rußland neun Zehntel der besitzenden Klassen nichts tun wollten, so daß eS daher nicht ver wunderlich sei, wenn die Arbeiter, Bauern und die bisher unterdrückten Juden sich der revolu- tionärm Bewegung anschlöffen. "Der Rat des Verbandes der russischen Arbeiterpresse ist in Petersburg ver haftet worden. Unter den Revolutionären herrscht infolge dieses Streichs der Regierung große Verwirrung. * Nach Privatmeldungen ausSebastopol ist Leutnant Schmidt, der Führer der Meuterer, noch nicht hingerichtet. Er wurde unter sehr starker Bedeckung nach der Festung Otschakow gebracht. — Die Bauernbewegung in Poltawa und Tschernigow dauert fort. Fast alle befielen Gestüte find vernichtet, viele sehr bekannte und kostspielige Deckhengste wurden niedergemacht. — Der Verband der Ministerialbeamten erließ einen Auf ruf, in dem er mit Entschiedenheit daS Vereini- gungSrecht verlangt. "Der Geistliche Gapon, der bei dem . Petersburger Blutbade vom 22. Januar den . Volksführer spielte und dann ins Ausland flüchtete, ist bei seiner Rückkehr nach Petersburg von den Revolutionären mit dem Tode be - droht worden, angeblich weil er von der Regierung bestochen worden sei. Er ist von neuem geflüchtet und zwar nach Finnland, von wo aus er seine Getreuen weiter leiten will. * * * Deutschland. * Neue grau-grüneUniformen, wie fie probeweise bereits von zwei Flügeladjutanten des Kaisers und andern Offizieren sowie Mann schaften getragen werden, sollen für die ganze Armee eingeführt werden. Wahrschein lich wird die Beschaffung zunächst für den Feld dienst teilweise schon im nächsten Jahre durch- geführt werden, während man für den übrigen Dienst die bisherige Bekleidung beibehält, so lange die angeschafften Vorräte reichen. Die Artillerie soll gleichfalls die neue Farbe er halten, während über die Uniformierung der Kavallerie usw. noch keine Entscheidung ge troffen wurde. ES besteht eine starke Strömung in der Armee, die einer EinheitS- kavallerie daS Wort redet. * Bayrische Blätter veröffentlichen eine Ent schließung des Prinz-Regenten anläßlich der Jahrhundertfeier des Königreichs Bayern. Diese Entschließung gedenkt der hohen Stufe der kulturellen Entwickelung und der materiellen Wohttahrt, zu welcher, fich daS Land emporgehoben hat, und bezeichnet als die wertvollste Errungenschaft den Zusammenschluß der deutschen Staaten zu einem mächtigen Reiche, in dem Bayern fich geachtet und ange sehen weiß. Wegen deS andauernden leidenden Zustandes des Königs solle indessen von einer Feier des bevorstehenden Gedenktages abge sehen werden. Das Volk und sein Königs haus seien zu eng miteinander verbunden, als daß es bei diesem Anlaß eines äußeren Ge pränges bedürfe. * Die Ausfichten für einen neuendeutsch- am erik an is S en Handelsvertrag werden in Bundesratslreisen um so geringer etngeschätzt, als man fich sagt, daß vor der nächsten Präsidentenwahl an eine Änderung des wirtschaftlichen Kurses in Amerika nicht zu denken sei. *llber die Geschäftslage des Reichs tages erfährt man daS Folgende: Die WeihnacktS- ferien deS Reichstages sollen am 16. d. eintreten. In der laufenden Woche soll zunächst die erste Be ratung deS Etats, der ReichSfinanzreform lohne Steuervorlagen), des FlottengeietzeS zu Ende beraten werden, dann sollen die Steuervorlagen im beson deren debattiert werden und schließlich muß noch das Handelsprovttorium mit England endgültig vor Eintritt in die Weihnachtsferien erledigt werden. — Die Frage, ob man alle obengenannten Vorlagen an die Budgetkowmission verweisen oder besondere Kommissionen einsetzen soll, ist noch nicht gelöst. Sollte man wirklich die Budgetkommission mit allen Vorlagen belasten, so ist deren Fertigstellung bis zum 1. April unmöglich, die Verabschiedung der Militär- penstonsgesetze, die schließlich auch die Budget kommission bearbeiten soll, würde dann wieder auf die lange Bank geschoben. "Dem Reichstage ist eine Denkschrift betr. die Errichtung eines besonderen Kolonial- amtes zugegangen; ein Anhang dazu gibt eine Übersicht über die Häufung der Geschäfte der Kolonial ab t ei lu n g von 1890—1905, aus denen die Umwandlung in ein Kolonial- amt als dringend notwendig hervorgeht. 1890 gab es 6 Referenten, jetzt 14 Referenten, 1890 betrugen die Journalnummern der Abteilung 7030, 1905 115 374. * Abgeordnete der konservativen, der frei konservativen, der nationalliberalen Partei, der wirtschaftlichen Bereinigung und des Zentrums haben unter Führung des konservativen Abge ordneten v. Riepenhausen im Reichstage den bekannten Antrag auf Einfühmng eines Heim stättengesetzes wieder eingebracht. "Die ,Deutsch-Südwestasrikanische Zeitung' erklärt fich dagegen, daß die HereroS in Reservaten angefiedelt werden. Sie verlangt, daß die Hereros in Zukunft unmittelbar unter der Leitung einer weißen Obrigkeit stehen, denn nachdem ihre Selbständigkeit mit schweren Opfern gebrochen ist, darf keine Organisation geschaffen werden, auS der fie fich wieder ent wickeln könne. Darum müssen auch Kapitäne und Großleute in dem früheren Sinne zu existieren aushören. Ein Eingeborenenkommissar wird mit einem Farbigen als Vertrauensmann zur Seite die Aussicht führen, alles in allem, man will keine Reservate, sondern Lokationen. D e Eingeborenen sollen in die Nähe größerer Niederlassungen von Weißen gebracht und als Arbeiter beschäftigt werden, wie eS im allen Transvaal üblich war. Oft*rr<ich-U»aa««. * Der Ausschuß der ungarischen Opposition hat an die Ersatzreservisten eine Pro klamation gerichtet, in der er behauptet, ihre Einbelufung beruhe auf einer falschen Auslegung des Gesetzes. Frankreich. "Der vom früheren französischen Kriegs minister Berteaux vorbereitete Gesetzentwurf betr. Errichtung eines fliegenden Gen- darmeriekorpS, welches an Stelle der Truppen bei Streikunruhen verwendet werden soll, wurde von dem mit der Prüfung betrauten Regierungsausschuß abgelehnt. * 50 russischeMatrosen, die fich an Bord eines in Toulon erbauten Torpedo bootes befinden, meuterten gegen ihre Offiziere. Die Meuterei wurde durch die Mit hilfe der französtschen Arbeiter unterdrückt. England« "Ganz leicht ist eS Campbell- Bannerman nicht geworden, seine Ministrr- listeu vollständig zu machen, die er am Sonn tag abend dem König Eduard zur Bestätigung vorlegte. In der Ministerfitzung am Montag übergaben die ansscheidenden Minister ihre i Amts siegel. Italien. "In Taurisano kamen Bauern- Unruhen vor, gegen die das Militär ein- schreiteu mußte. Schweden. "Bei den Neuwahlen zum schwedischen Reichstage, die kürzlich stattgesunden haben, find 21 Mitglieder des internationalen Gut templerordens als Mitglieder in den Reichstag eingszogen. Der Orden verpflichtet seine Mitglieder bekanntlich zur Enthaltsamkeit von geistigen Getränken. Im ganzen bekennen fich jetzt 60 Mitglieder des Reichstages als Altoholgegner. Amerika. "Die brasilianische Presse erhebt gegen die Haltung des deutschen Kanonen bootes „Panchsr" Einspruch, dessen Besatzung ohne Erlaubnis der Behörden einen angeblichen Deserteur an Land verhaftete. Der „Panther" ist mit dem Deserteur in Rio Grande einge troffen. In Santa Catharina habe die Mann schaft versucht, einen jungen Brasilianer zu ver haften. Der Minister des Äußern soll gegen diese Verhaftung Protest erhoben haben. Zus ciem Keickstage. Der Reichstag setzte am 9. d. die Etatsberatung fort in Verbindung mit der ersten Lesung der Flottcnvorlage und der Finanzentwürfe. Abg. Bassermann (nat.-lib.) sprach der Regierung volles Vertrauen nach innen und außen aus. Indessen kritisierte er doch verschiedene Punkte der neuen Steuern und erklärte sein Mißfallen mit gewissen Beamten der Kolonialverwaltung. Reichskanzler Fürst Bülow stellte in seinm Ausführungen die Verhältnisse in den Kolonien als „einen besonders schwierigen Standpunkt der gegenwärtigen Lage" hin. Er sprach die Hoffnung aus, der Nachfolger SiübelS werde dafür Sorge tragen, daß daS Schmerzenskind ter Kolonien nun endlich bessere Tage erlebe. Nachdem der Reichskanzler noch einige Worte zur Begründung der Flottenvorlage gesagt batte, kam er zu dem seinerzeit an JamöS ergangenen Redeverbot. Die Verhinderung deS Auftretens JauröS in Berlin sei erfolgt wegen der zu er wartenden „Mißbräuche der Rede des französischen Sozialistenführers durch die deutsche Sozialdemo kratie". Im Anschluß an diese Erklärung kritisierte der Reichskanzler die Ausführungen des Abg. Bebel in scharfen Worten, wieS die Bebelschen Worte, unsre neue Flottenvermehrung sei eine Herausfor derung Englands, mit Entrüstung zurück und schloß: „Nur einen uns freventlich aufgedrungenen Krieg werden wir führen, und wer in diesem Fall rat schlagen will, ob er Landesverrat üben will oder nicht, dem kann ich nur raten, solche Absichten nicht da an den Tag zu legen, wo nicht der Schutz der parlamentarischenUnverletzlichkeit besteht." Nach kurzen Ausführungen der Abgg. Müller-Sagan (frs. Vp.) und v. Kardorff (fress.) vertagte sich das Haus. Am 11. d. wird zunächst der Gesetzentwurf über die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der mili tärischen Strafrechtspflege im Ktau - tschougebiet debattelos angenommen. ES folgt die erste Beratung des Handels vertrages mit Bulgarien. Abg. Graf Reventlow (wirtsch. Vgg.) kündigt die Obstruktion seiner politischen Freunde an. W^r werden den Vertrag mit Bulgarien und den mit England nur bei beschlußfähigem Hause passieren lassen. Abg. Kämpf sfr. Bp.) hält den Vertrag für immerbin annehmbar, da er trotz seiner Mängel besser sei als gar kein Handelsvertrag. Abg. Bachem (Ztr.) schlägt angesichts der Obstruktionsandrohung vor, den Vertrag in der Budgetkommission vorberaten zu lassen. Abg. Graf Kanitz (kons.) ist tm großen und ganzen mit dem Vertrage einverstanden. Staatssekretär Graf PosadowSky verteidigt den Vertrag und erläutert seine Einzelheiten. Sin großer Teil der deutschen Einfuhr nach Bulgarien auf dem Landwege geht durch Vermittelung öster reichisch-ungarischer Firmen, während die bulgarische Ausfuhr nach Deutschland größtenteils den Seeweg über Belgien benutzt. Die Ein- und Ausfuhr nach Bulgarien hat einen ungefähren Wert von zwanzig Millionen Frank. Der Abschluß eines Tarifvertrages ist deshalb geboten, weil der Wert unsrer Handels beziehungen zu Bulgarien vorläufig noch eine latente Zahl bildet. Abg. Bernstein (soz.) verwirft den Vertrag, weil er die Mindestzölle auf Getreide enthält und den deutschen Export nach Bulgarien erschwert. l Staatssekretär Graf PosadowSky sucht die verspätete Vorlegung des Vertrages mit Rücksicht auf die bulgarische Regierung zu rechtfertigen, die die gleichzeitige Vorlage deS Vertrages in beiden Parlamenten verlangt habe. Abg. Paasche tnatl.-lib.) erklärt, daß die Be denken gegen den Vertrag durch die Erklärungen des Staatssekretärs beseitigt sind. Wir haben nichts gegen eine Kommissionsberatung, hoffen aber, daß in der Kommission schnelle Arbeit geleistet werde« möge Äbg. Potthoff (frs. Vgg.) erklärt die Zu- stimmung seiner Freunde zu dem Vertrage. Der selbe enthalte zwar wichtige Zollerhöhungen, sei aber doch besser wie nichts. Zu begrüßen sei die Ein führung amtlicher Zollauskünfte und von Schieds gerichten zur Regelung der Zollstreitigkeiten. Abg. Wolff (wirtsch. Vgg.) zieht die Dohung des Grafen Reventlow auf Auszählung de? HauseS zurück und erklärt sich mit der Kommissionsberatung einverstanden. Abg. Gothein (frs. Vgg.) ergänzt die Aus führungen deS Abg. Potthoff in einigen Punkten. Hierauf wttd der Handelsvertrag mit Bulgarien der Budgetkowmission zur Vorberatung überwiesen. ES folgt die erste Beratung deS Handels- provisoriumS mit England. Abg. Graf Kanitz (konf.) beginnt mit einer geschichtlichen Übersicht über die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und England und den eng lischen Kolonien. Er beantragt, das Provisorium nur auf ein Jahr zu bewilligen. Abg. Bernstein (soz.) ist im Gegenteil bereit, wenn cs gewünscht wird, einem Provisorium auf 5 Jahre zuzustimmen. Deutschland dürfe nichts tun, was die schutzzöllnerische Agitation in England verstärken und unsre Industrie, unserm Handel und unsrer Arbeiterschaft unheilbare Wunden schlagen könne. Wir haben wirklich keinen Grund, noch wettere Schädigungen der durch die neuen Handels verträge geschädigten und durch die Fleischnot be drängten Arbeiter zuzulasscn und werden gegen jede Verkürzung des Termin» und für die Re gierungsvorlage stimmen. Äbg. Bachem (Zemr.) spricht fich unter der Voraussetzung, daß keine Verzögerung dadurch ein tritt, für Kommissionsberatung auS. In Deutsch land find die Feinde Englands, in England sind di« Feinde Deutschlands in der Minderheit. Abg. Kämpf (sreis. Dp ) spricht fich namen- feiner Fraktion gegen jede Abänderung der Regierungs vorlage und gegen KommisfionSberaiung aus. Abg. Graf Reventlow (wirtsch. Vgg.) tritt für Kommissionsberatung und für Beschränkung der Frist auf ein Jahr ein. Er wirft dem deutschen Botschafter in London Anglomanie, U^tüchtigkeit und Flaumachcrei vor, die nachher in gewissen Ministerien in die Tat umgesetzt werde. Statt wirtschaftliche Fragen zu behandeln, läßt sich der Botschafter in England Weihrauch streuen und streut selbst Weihrauch vor England. Wir All deutsche find gewiß für ein Zusammengehen der beiden germanischen Vormächte, aber wir find gegen jedes Katzbuckeln vor England und werden diese Vorlage in ihrer jetzigen Gestalt zwar nicht durch Obstruktion, aber mit allen geschäfts mäßigen Mitteln bekämpfen. Abg. Bütino mat.-ltb.): Beschränkung de» Provisoriums aus ein Jahr würde einen in diesem Augenblick doppelt unangebrachten Akt der Unfreund lichkeit gegen England bedeuten. Staatssekretär Graf PosadowSky bezeichnet eS als äußerst wünschenswert im wirtschaftliche« Interesse Deutschland», daß die Vorlage debattelo» im Plenum angenommen würde, ist aber bereit, in der Kommission auf alle Fragen Rede und Antwort zu stehen. Staatssekretär des Auswärtigen Frh. v. Rtcht- hofen: Die Methode de» Grafen Reventlow, die Position der deutschen Regierung gegenüber dem Ausland zu stärken, besteht darin, daß er der Regierung immer Schwäche vorwirft. Fortwährend wirst unSdie äußerste Linke Provokationen und die äußerste Rechte Schwächlichkeiten vor, während wir in Wahrheit die von dm Interessen des deutschen Volkes gebotene mittlere Linie wandeln. — Redner verteidigt den deutschen Botschafter in London gegen die Angriffe des Abg. Grasen Reventlow und bittet um unver änderte Annahme der Regierungsvorlage. Abg. Goth ein (frs. Vgg.) wendet fich gegen eine KowwissionSberatung und gegen die Art und Weise, wie der Graf Reventlow im Reichstage aus wärtige Politik treibe. Abg. v. Kardorff (freik.) ist für KowmisstonS- beratung und preist da» System der Maximal- und Minimaltarife. Damit schließt die Debatte. Vor der Abhm^ mung über den Anttag Kanitz auf Überweisung der Vorlage an die Budgeikommisfion bezweifelt Abg. Singer (soz.) die Beschlußfähigkeit deS Hauses. Da daS Bureau einstimmig daS HauS für beschluß unfähig hält, so wird die nächste Sitzung auf ! Dienstag anberamvt. N Vie Vauern-Lrunkiläe. 11s Erzählung aus d. bayrischen Bergen v. M. N«al. (Foriletzrmg.) Gottfried zog Vroni wieder an fich, ohne daß sts fich dagegen sträubte. „Ich hab' dich unendlich lieb, Vroni," flüsterte er, .jetzt weiß ich, was Liebe ist!" Die Bätenwirttn antwortete nicht; wie herr lich, wie wunderbar war das alles, was fie so »st in stillen Nächten, während fie fich ruhe los auf ihrem Bette wälzte, ersehnte, erhoffte, die eine Stunde sollte es ihr gewähren. „Und du, Vroni, du-" rief Gottfried, der sich in einem Zustande des Taumels be fand, „du, hast du mich nicht lieb?" „Nur di alloa, Friedl," hauchte fie und legte ihren Kopf an seine Schulter. Gottfried zog die Geliebte an fich und küßte fie immer wieder mit einer wilden Heftigkeit, die ihn alles um fich herum vergessen ließ. Als fich Vroni jetzt aus seiner heißen Um armung wand, in der Furcht, es könnten Gäste kommen, war eS ihr, als ob jemand das Ge sicht fest an die Fensterscheibe drücke. Ss war nur ein Moment, dann war der Kopf wieder verschwunden. „I glaub', es is jemand draußen vor'm Fenster," rief sie erschrocken, „man belauscht unS!" „Wer soll unS belauschen," entgegnete Gott fried, ärgerlich über die Störung, „du stehst Gespinste: l" „Na, i hab' mi net täuscht, es war jemand am Fenster!" „Laß ihn, er konnte in der finsteren Stube doch nichts sehe«. Und leibst wenn er unS gesehen, so geht eS schließlich niemand etwas an. Sie werden eS ja ohnehin bald erfahren. Wir Haden unS nicht zu fürchten," sagte Gott fried und küßte Vroni von neuem, die dem stürmischen Drängen des jungen Manues gegenüber willenlos war wie ein Kind, fie, die Starke, die es mit jedem Burschen an Kraft ausgenommen hatte, war einem Stärkeren unterlege«, der befreienden, alles überwinden den Liebe. Guotherer vermochte fich, seit ihn Gottfried verlassen hatte, kaum zu meistem vor Erregung. Unruhig ging er mit au? den Rücken ge kreuzten Händen auf und ab, wie ein Tiger in feinem Käfig vor der Fütterung. Traudl saß au? der Ofenbank mrd spann, während ihre Gedanken bei Gottfried weilten. NlS fie seiner zeit die Geschichte von dem Ringkampf ihres Bräutigams mit der Bärenwirtin erfahren hatte, w.'inte fie; das, was ihr Vater und Gottfried da getan hatten, schien ihrer unwürdig, un ehrlich. DaS hätte nicht geschehen dürfen. Allmählich aber machte fie sich, von ihrem eigenen Glück gefangen genommen, damit ver- traut, daß ihr Vater nochmals zu heiraten enschloffeu sei. WaS ging eS schließlich fie an, wenn der Vater in seinem Alter noch eine Frau nahm, fie hatte erreicht, WaS fie erreichen wollte, mrd die projektierte He-rai ihres Vaters regte ja ihrer eigenen kein Hindernis in den Weg. Im Gegenteil, der Vater drängte sogar, daß fie und Gottfried bald einen eigenen Hausstand gründen sollten. So hatte fie fich denn mit den Dingen, so wie fie lagen, auSgesöhnt. Traudl war keine Natur, die im kande war, fich der Entwicke lung der Verhältnisse entgegenzustemm«», fie gehörte zu jenen Menschen, die, mehr passiv, sich ihrem Schicksal anzupassen suchen, s» gut es eben ging; und die sich, von den Gescheh nissen stets überrascht, ohne großen Kampf in daS Gegebene als etwas Unabänderliches fügen. Keine Charaktere, aber herzensgute Leute, die in ihrer Gesamtheit, in ihrem Herdentriebe ein« wirkungsvollen Hintergrund bilden für die Minderheit der Individualitäten, die ihrer Zett daS Gepräge verleihen. „Wo a nur so lang bleibt," sprach Guntherer vor fich hin, „fie scheint eahm hoaß z'mach'n." „Mei, d' Bärenwirtin werd' halt net «ach- geb'n woll'n," erwiderte Traudl, der Gottfried ebenfalls zu lange ausblieb. „Hol's der Kuckuck, wen« s jatzt «et ja sagt und dsra G'schicht a End' macht!" „Sie werd scho ja sag'n; wenn oaaa dös z'weg bringt, na' is da Friedl." Das Gespräch stocke wieder. Gmrtherer wsschte fich, ohne seinen Spaziergang «m den Tisch herum zu unterbrechen, mit seinem Taschen- tuch den Schweiß von der Stirn. Die Luft im Zimmer war so drückend, so beklemmend. Er öffnete ein Fenster und ließ den kühlen Wind um seinen Kopf spielen. Das tat gut. „Soll i a Ächt mach'n?" fragte jetzt Traudl, der diese Stille unheimlich war. Guntherer verneinte. Dann schloß er daS Fenster und durchmaß mit großen Schritte« das Zimmer. Jetzt wurde die Tür geöffnet und eine Ge stalt schob sich mit eine« kurze« „Grüaß Gott beinand!' inS Zimmer herein. Bei der herrschenden Dunkelheit war der Eingetretrne nicht zu erkennen. Guntherer bliet stehen und erwiderte das „Grüaß Gott". ,L>8 erlaubt's scho, daß i a bißl auf« Hoa gart'« kimm," sagte der ysbekannte, indem «' mehr in die Mitte deS Zimmers trat. Guntherer befahl der Traudl, ein Licht an- ' zuzünden, und als fie gleich darauf den Leucht« mit der brennenden Kerze auf den Tisch stellte, fiel ein Lichtstrahl auf das verwilderte Gesicht des Lenzer Sepv. Der Bauer prallte zurück und auch Traudl hatte sich angstvoll e. hoben. „Er scheint enk koa b'andere Freud z'mach'n, mei B'such," meinte Sepp. „Aba für döS, war i to hab', hab' i gnua büaßt, d'm« meinat i " Die Stirnader GnnthererS schwoll an. Wütend griff er nach dem in der Ecke stehende« Stock. „Da Herm' hast d' nix z'suacha, 5 solchan« Frechheit iS ma no net vorkrmma. 'RanS, sag i, oda —" Sepp retirierte gegen die Tür. „I fiebch, daß d' no allawell da nämll bist, Guntherer, in dein'« Lexikon steht düs Wort „Bageb'n" aa net." Guntherer erhob den Stock. „Schlag net her, Bauer der Schlag
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