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Vic „Ottendorfer Zcrurng" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljäyrlict , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aioritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „^>piel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm» von Inserat»» bi, »»»mittag fn Uhr. Ins»rat« w»rd»n mit w Pf. für dir Sxaltzril« berechnet Tabellarischer Satz nach b»> sonderen, Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Kroß-Okrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 149. Mittwoch, den 13. Dezember 1905 4. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, f2. Dezember zaos — Freitag den 15. Dezember vormittags 10 Uhr findet in hiesiger Kirche eine Adven's- Wochenkummunion und zwar eine sogenannte Pfarrkommunion statt, welche Herr Pfarrer Märker aus Grünberg abhalten wird. — Am gestrigen Morgen gegen 7 Uhr brach ^in der Bodenkammer eines hiesigen Grundstücks an der Radebergerstraße aus noch unaufgeklärte Weise Feuer aus, welches von Nachbarn und vorübergehenden Pasianten be merkt wurde. Durch rasches Eingreisen konnte der Brand bald gelöscht werden. Dresden Am Donnerstag abend gegen 7 Uhr riß auf der Lüttichauerstraße eine ohne Maulkorb in rasenden Laufe aus einen and-wln Hund loSgchende deutsche Dogge einen 8jährigen Knaben um, wobei dieser durch Ausschlagen mit dem Kopfe auf die Fußbahn eine schwere Gehirnerschütterung erlitt, die kurze Zeit da rauf seinen Tod herbeisührte. Ein Telephon arbeiter, der Augenzeuge des Unfalles war, lockte den Hund an sich und nahm ihm das Halsband mit der Steuernummer ab, wodurch der Eigentümer ermittelt werden konnte. — Angeblich wegen ihm von seiner Stief mutter zu teil gewordener schlechter Behandlung schoß sich Freitag abend am Waldschlößchen auf dem von der Schillerstraße abwärts führenden Wirtschaftswege ein 18 jähriger Bautechniker eine Kugel in die Brust. Wohl fahrtspolizei überführten ihn, dessen Zustand ein lebensgefährlicher sein soll, in die Diako- niffenanstaltj — Vergangene Nacht gegen 2 Uhr sprang an der Elbmündung des Pieschner Hafens ein 20jähriges Dienstmädchen in die Elbe, konnte aber gerettet werden. — Ein mit anderen Kindern auf der Brücke des König-Albert-HasenS spielender 11 jähriger Knabe sprang am Montag aus Furcht vor einem Manne von der Brücke aus einer Höhe von 8 Metern auf die Straße hinab, wo ein Streckenarbeiter den Kleinen aufhob. Er hatte glücklicherweise nur eine Verstauchung des linken Fußes erlitten. - - In Dresden hat der Handel mit Christbäumen feinen Anfang genommen. In diesem Jahre sind, wie von dort gemeldet, wird, die Zufuhren sowohl von Tannen als auch von Fichten außerordentlich groß. Die Tannen stammen zumeist aus dem bayerischen Fichtelgebirge und den nordwestlich davon ge legenen Gebieten des Frankenwaldes, die Fichten aus Böhmen und den Erzgebirge. Von den massenhaft in den letzten Tagen nach Dresden gebrachten Bäumen würde sicherlich eine erhebliche Menge übrig bleiben, wenn Dresden nicht neuerdings der Stapelplatz für fast ganz Sachsen geworden wäre. Reick. Obgleich hier sonst die Zustände im allgemeinen günstig liegen, sind doch die Postverhältnisie noch recht verbesierungbedürjtig Nicht nur das unser Ort auf dem Vorzug sämtlicher umliegenden Ortschaften, mit Dresden Ortsbrieftaxe zu haben, verzichten muß, so be steht auch die merkwürdige Tatsache, daß Briefe vom nördlichen nach den anderen Teilen Reicks und umgekehrt nach der Ferntaxe also mit 10 Pfg. zu frankieren sind. Durch die verschiedene Zuteilung des Orten an die Postämter Niedersedlitz und Dresden-Gruna entstehen den Einwohnern von Reick viel Nach portozahlungen, da fast alle Briefe von Dresden aus nach dem Teile südlich der Eisenbahn ungenügend frankiert sind. Das Zurückweisen solcher Briefe ist aber nicht immer durchführbar, da dadurch oft schädigende Verzögerungen entstehen. Die vom Gemeinde- rat an das Reichspostamt gerichteten Gesuche um Beseitigung dieser Mißstände sind alle ohne jede Begründung abgelehnt worden, und man hofft nun von einer vom Gemeinderat an den Reichstag gerichteten Petition den ge ¬ wünschten Erfolg, daß der ganze Ort Reick einem Dresdner Postamte zugeteilt wird. Nach Eröffnung des Reicker Personenbahnhofes ist übrigens die Errichtung eines eigenen Post amtes notwendig. Ortrand, Die Einführung einer Bier- teuer lehnte man in Ortrand in der letzten Stadtverordneten-Sitzung mit der Begründung ab, daß doch, wo von Reichswegen eine Bier- besteuerung beabsicht sei, eine kommunale Sonderbesteuerung des Bieres nickt am Platze ei und auch die beteiligten Gewerbestände zu »art treffen würde. Dagegen wurde die Ein- ührung einer Umsatzsteuer vom Grundbesitz in Höhe von 1. Prozent vom 1. April I9O6 ab beschlossen. Riesa. Infolge des warmen und regner ischen Wetters ist der Wasierstand der Elbe seit Sonnabend wieder im Steigen begriffen. Diese Ausbesserung des Fahrwasserstandes ist um so erfreulicher, als der Transport- und Umschlagsverkehr in Verhältnis zu ^der vor gerückten Jahreszeit noch als sehr lebhaft be zeichnet werden müsse. Während in früheren Jahren um diese Zeit die Häfen schon Halb voll Winterkähne lagen, sind in diesem Jahre erst ganz vereinzelte Kähne zur Winterruhe vor Anker gegangen. Döbeln. In Knobelsdorf brannte am Sonnabend abend das aus vier Gebäuden be stehende Gehöft des Gutsbesitzers Postelt gänzlich nieder. Das Feuer brach in der Scheune aus, es wird Brandstiftung vermutet. Das Vieh wurde außer verschiedenen Geflügel gerettet. Der Hofhund, der frei umherlief, kam mit seinen drei Jungen in den Flammen um, weil er diese nicht verlassen wollte. Freiberg. Auf dem Turmhofschacht wurde der Bergarbeiter Heyer von einer nieder gehenden Felswand verschüttet und getötet. Zwickau. Großes Aufsehen erregt hier der Selbstmord des Obersekretärs von Wolffers- dorff bei der Königlichen Landesstrafanstalt. Er war Kasienrendant und erschoß sich in einem Nebenraum seiner Kanzlei, als er erfuhr, daß ein Revisor der Königlichen Oberrechnungs kammer eingetroffen sei. Leipzig, Beschlagnahmt wurden Freitag früh durch die Königliche Staatsanwaltschaft im Geschästslokal des Amerikan-Diamond-Palace auf der Peterstraße alle gestempelten Goldsachen Die Beschlagnahme ist wie das „Leipz. Tage blatt" mitteilt, infolge einer Probe des städtischen Münzvereins erfolgt, bei der sich ergeben hatte daß ein mit 14 Karat gestempelter Ring nur einen Feingehalt von 2 V, Karat hat. — In bezug auf die gemeldete Schließung und Wiedereröffnung der obengenannten Firma herrschen Lin Publikum falsche Meinungen. Die Schließung des Geschäftes bedeute nur eine Gestellungsmaßregel gegen den abwesenden Juhober, eine Maßregel, die wieder aufgehoben wurde, nachdem sich der Gedachte bei der Polizei gemeldet hatte. — Am Montag vormittag ist ein bei der Firma Siemens und Halske beschäftigter Monteur, als er Arbeiten an der fiskalischen Hochspannleitung nahe der Eilenburger Bahn linie aussührte, tödlich verunglückt. Die Er laubnis zur Ausführung der Arbeiten war dem Unglücklichen von den zuständigen Eisenbahn- beamten aber ausdrücklich verweigert worden. Markneukirchen. Das längst ersehnte Bahnbauprojekt Siebenbrunn - Markneukirchen geht seiner Verwirklichung entgegen. Die Ent eignung der dazu benötigten Privatgrundstücke ist abgeschlossen. Es kommen dabei nicht weniger als 117 Besitzer* in frage, an die insgesamt gegen 130000 M. Entschädigungs gelber gezahlt werden müssen. Die Bahn wird eine normalspurige Nebenbahn. Eibenstock. Spurlos verschwunden ist ser Montag die bisher bei dem Fabrikanten Ludwig als AuSpesierin behilflich gewesene 16 Jahre alte Maria Baumgärtel au Sauersack in Böhmen. Das Mädchen ist w gewöhnlich am Sonnabend Abend nach Schluß »er Arbeit zu ihren in Sauersack wohnenden Verwandten gekommen und am Montag vor mittags gegen 10 Uhr von dort wieder fort gegangen, um zu ihrer Arbeit nach Eibenstock urückzukehren, sie ist aber bis jetzt dort nicht eingetroffen. Ihren Weg hat sie gewähnlich über Weitersglashütte und Windenthal ge nommen, sie soll auch am Montag Vormittag von einem Grenzaufseher auf dem Durchgang urch Weitersglashütte gesehen worden sein. Von da an fehlt jede Spur von ihr und es t onzunehmen, daß sie das Opfer eines Verbrechens geworden ist. An Geld hatte sie nur 50 Pfennige bei sich. Oberwiesenthal. Von der Berggruppe in der Richtung auf Oberwiesenthal zu ist ein Verbau geschaffen worden, der den Hörner- chlittensahrern zu dienen berufen ist, während usher die Hörnerschlitten den engen und ver- chiedene Male gebogenen „Fremdensteig" mit benutzen mußten. Es war dies eine für den glatten Verlauf des ersten Stückes der Fahrt -emmende Bahn. Dazu brachte der Schlitten verkehr aber auch den Fußgängern manchmal Inbequemlichkeiten, weil sie genötigt waren, eitwärts oder in tieferen Schnee, auszuweichen. Es soll aber auch noch auf eine zweite Weise den Berkehrsbedürfniffen entgegengekommen werden. Die Forstverwaltung plant nämtich die Anlegung eines RundwegeSnum den Berg- ipfel- Er wird im Winter eine schöne Bahn ür Schneeschuhläufer, Rennwolffahrer usw. abgeben, im Sommer aber eine willkommene Gelegznheit für Um- und Ausgänge schaffen, auf denen sich das Auge an reizenden Aus blicken erfreuen, der Lustwandlcr sich am Genüsse der reinen würzigen Höhenlust erlaben kann. Dem „Chemnitzer Tageblatt" wird mitgeteilt, daß die Schaffung dieses Weges be reits begonnen, hat so daß man hoffen kann, ihn 1906 fertiggestellt zu haben. Das Fichtel- berghauS ist bekanntlich auch den ganzen Winter hindurch geöffnet und bewirtschaftet. Bei starkem Andrange, wie er sich in den letzten Jahren an schönen Wintersonntagen be merkbar gemacht hat, steht wieder das vom Erzgebirgsverein - Chemnitz heizbar gemachte Nebcnhaus zur Verfügung. Aus der Woche. Die Mächte haben mit ihrer Flotten demonstration beim Sultan 'die Kneifzange an einer sehr empfindsamen Stelle angesetzt, nämlich an den großherrlichen Geldbeutel; Das Fehlen der Schiffszölle aus dem Aegäischen Meere wird sich in den konstantinopolitanischen Sultanatskaffen recht empfindlich bemerkbar machen und daher erklärt sich die st-igernde Geneigtheit der Pforte, den Forderungen der Mächte nachzugeben. Graf Bülow kann, da jetzt die Flottenvorlage im Reichstage verhandelt wird, darauf verweisen, daß nur eine starke Marine im stände ist, einen Staat vor solchen „Flottendemostrationen" zu schützen und in seiner geschickten Manier den sommerlichen Be such der Engländer in der Ostsee als Vor geschmack einer solchen darstellen. Unser Verhältnis zu England bessert sich indessen zu sehends und nach dieser Richtung hin dürfte auch der Ministerwechsel in London wirken. Balfours Schiff ist abgetakelt und Campell- Bannermann am Werke, ein neues Kabinett zu bilden, was keineswegs eine leichte Aufgabe ist. Man wird nicht behaupten können, da Balfour durch irgendwelche grundlegende Fragen zum Sturz gebracht worden ist; sein Ministerium stirbt an Altersschwäche und di Liberalen sind regierungshungrig, die Zeit i gekommen, seitdem die Konservativen ihre Ze hierdurch am Ruder gewesen sind. Die! Abwechselung ist in England so Sitte se 200 Jahren und man findet darin nichts Un gewöhnliches. — Aus Madrid kommt die Kunde von der Verlobung des Königs Alfon mit der Prinzessin Ena von Battenberg. Die )ame ist der besondere Liebling der Exkaiserin mgenie, denn ihre Mutter war einst al» Gattin für den Prinzen Lula vorausbestimmt, mit dem sie den französischen Kaisertrohn teilen ollte. Es kam indessen ganz anders; Der Ühron Louis Napoleons stürzte 1870 zusammen und Prinz Lula fand 1879 in Südafrika unter den Speeren der Zulus seinen Tod. )ie Exkaiserin Eugenie ist eine sparsame Frau ind hat das kleine Vermögen, das ihr Mann hinterließ, erheblich zu mehren verstanden. Di» ünstige spanische Königin wird sich mit ben irinzen Napoleon in Brüssel und in Rußland ereinst in ihre Erbschaft teilen. — Der ranzösische Senat hat am Mittwoch mit fast weidrittel-Mehrheit das Gesetz angenommen, ms nicht nur die Aufhebung des Konkordats, andern auch die völlige Trennung von Staat und Kirche ausspricht. Das kirchliche Leben Frankreichs wild sich in Zukunft nach der rechtiichen Seite hin als ein bloßes Vereins leben darstellen, die Geistlichen werden vom Staat nicht mehr bezahlt werden und vom Unterricht ausgeschloffen bleiben. Die Ge meinden müssen ihre Bedürfnisse durch Ver einsbeiträge aufbringen. Es ist ein Zustand, wie er sonst nur ... in den Ver. Staaten besteht, indessen mit dem Unterschied, daß er dort langsam aus dem Verhältnissen heraus- gewachsen ist, während in Frankreich seit ChlodwigSzeiten Staat und Kirche eng ver bunden waren und dieser Bund nun nach 14 hundertjährigem Bestände gewaltsam zer rissen ist. — Aus Rußland läßt sich wesentlich Neues nicht berichten, da der Telegraphendienst infolge der Streiks fast gäuzlich unterbrochen ist- Trotz aller Militärmeuten läßt sich eine fortdauernde Besserung der überaus schlimmen Lage nicht verkennen. Die Fernwirkung der russischen Wirren zeigt sich in der Wahlrechts bewegung in Oesterreich, die bereits den Reichstag beschäftigt und Aussicht aus volle Verwirklichung ihrer Bestrebungen hat. Wenn zwei dasselbe tun, so ist es nicht dasselbe. Das Demonstrationsmittel, die Volkswünsche auf den Straßen spazieren zu führen — ein Mittel, das in süddeutscher Gemütlichkeit in Wien, Prag und anderen Städten der öster reichischen Lande angewendet wurde, verliert innerhalb der reichsdeutschen Grenzen seine Harmlosigkeit, wenigstens in den Augen der politischen Polizei. Der Versuch in Dresden, und Chemnitz hat das gezeigt. — Präsident Roosevelt beklagt in seiner Botschaft, mit der der Washingtoner Kongreß eröffnet wurde, die überaus starke Einwanderung in die Vereinigten Staaten, die im vergangenem Jahr mehr als eine Million betragen habe. Hierfür soll es nicht mehr so leicht sein, in Amerika zu landen. Die Vermögenssumme, die ein jeder Einwanderer aufzuweisen hat, soll ganz be deutend erhöht werden. DaS Einjährig- Freiwilligen-Zeugnis zu verlangen — dazu hat sich Herr Roosevelt einstweilen noch nicht auf geschwungen. — Unser guter lieber Reichstag hat nun kräftig mit seinen Arbeiten eingesetzt und verarbeitet gegenwärtig die Finanzreform. Aus der einleitenden Rede deb Fürsten Bülow sieht man mit einigem Erstaunen, daß s. Z. außer dem Frhrn. v. Stengel und dem Staats sekretär Aschenborn auch . . . Eugen Richter den Kanzler als Kandidat für die Leitung de» Reichsschatzamtes vorgeschwebt habe. Diese Ehrung ist insofern ungefährlich, als Eugen Richter alt und krank ist, so daß er sogar sein Hagener Landtagsmandat niedergeleat hat. Als kürzlich — es war noch zur Zeit des langen Möller — aus Anlaß seines 70. Geburtstages einem Berliner Arzte durch den obengenannten Möller eine hahe Ordens dekoration überreicht wurde, nahm der Gefeierte diese mit den Worten entgegen: „Na, es wird mir wohl nicht mehr schaden!"