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Ottendorfer Zeitung : 08.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190512080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19051208
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19051208
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-08
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 08.12.1905
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*Der Preuß. Landtag ist Dienstag mittag 12 Uhr mit einer Thronrede eröffnet worden. * Dem Preuß. Landtage wird eine Vorlage wegen Erhöhung der Lehrer geh ü l t e r zugehen. *Am Sonntag haben in Sachsen die angekündigten Kundgebungen der Sozial demokratie gegen das bestehende Landtags- Wahlrecht stattgefunden. Die Städte Dresden und Chemnitz waren als besonders ge eignete Stötten für die Veranstaltung diese Kundgebungen gewählt worden. In Chemni ging alles ruhig vonstatten; in Dresden wa dis Polizei stellenweise genötigt, von der blanken Waffe Gebrauch zu machen, wobei viele Per sonen verletzt und mehrere verhaftet wurden. * Der Landtag des Fü-stentums Schwarz burg-Rudolstadt hat den Lotterie- vertag mit Preußen angenommen. *Der Landtag von Schwarzburg- Rudolstadt ist aufgelöst worden, nachdem er den Antrag abgelebnt hatte, die Zivilliste des Landesfürsten um 32 000 Mk. zu erhöhen. Dagegen stimmten die acht Sozial demokraten. Von den andern Abgeordneten enthielten sich drei der Abstimmung und vier stimmten dafür. * Der schreckensvolle Feld zu g in D e ut sch- Südwestafrika scheint endlich nach der Unterwerfung der Witboi - Hottentotten be endet zu sein. Der neue Gouverneur von Lindequist hat daher angeordnet, daß bis auf weiteres die militärischen Operationen im Hererolande, insbesondere die Aufhebung von Hererowersten durch Patrouillen, einzu stellen seien. Es ist kein Zweifel, daß die Hereros die Hand zum Frieden, die ihnen geboten wird, annehmen werden. Auch dis Reste der Witboi- und Morengabanden dürften in Kürze dem Beispiel Isaak Witbois folgen und sich der deutschen Macht unterwerfen. *Den Hottentotten, die sich in Südwestafrika unterworfen haben, ist vom Gouverneur von Lindequist Leben und Unterhalt bewilligt worden, wofür sie Waffen, Munition und Pferde ausliefern mußten. Österreich-Ungar«. * Ministerpräsident Fejervary hat die Genehmigung des Königs zu allen Unterhand lungen mit der ungarischen Opposition erhalten. Dxr König ist noch heute geneigt, der Opposition die Bildung des Kabinetts zu übertragen, falls sie Bürgschaften dafür leistet, daß sie verfassungsmäßig die Geschäfte leiten und die Herrscherrechte nicht schmälern wolle. Frankreich. *Auf eine direkte Anfrage an Loubet, ob er nochmals für die PrSsidentschaft der Republik kandidieren würde, hat dieser mit einem entschiedenen „Nein" geantwortet, da es der Regel eines demokratischen Staates nicht entspreche, durch einen Brauch, wenn nicht durch die Verfassung, die Präsidentschaft auf Lebenszeit einzuführen. Außerdem wünsche er, die letz en Jahre seines Lebens in Vergessenheit und Ruhe zuzuLringen. * Der Prinz Louis Napoleon, der kürzlich in Paris war und sich jetzt in Italien bei seiner Mutter, der Prinzessin Klothilde be findet, hat Lust, den russischen Dienst zu ver lassen, und möchte wieder französischer Offizier Werden, wenn der Antrag Engeraud im Parla ment durchdränge, der dies ermöglichte. * Der Spanier Vallina und der Engländer Harvey, zwei der in dem Prozeß wegen des Attentats auf König Alfons Frei- gesprochenen, find aus Frankreich ausge- wiesen worden. England. * König Eduard nahm die Abdankung des Kabinetts Balfour an und beauf^ tragte den Führer der Liberalen im Unterhause, Sir Henry Campbell Bannerman, mit der Bildung eines neuen Ministeriums. * Der .Standard' veröffentlicht ein Tele- j gramm feines Madrider Berichterstatters, worin - dieser versichert, zu der Mitteilung autorisiert i zu sein, daß der König von Spanien sich mit der Prinzessin Eugenie von Battenberg verlobt habe. Die Hochzeit werde im nächsten Jahre in der spanischen Hauptstadt stattfinden. Spanien. * Spanien hat sein neuesMinisterium wieder unter Moret. Es ist im ganzen das alte Kabinett mit neuen Gesichtern. Balkanstaaten. *So lendenlahm die Flottenkund- gebung oegen die Türkei auch war, hat sie doch ihre Wirkung getan. Die Pforte hat die Vermittelung Deutschlands und Italiens bei den Mächten nachgesucht. Beide antworteten, zuerst müsse die Pforte die Denkschrift der Mächte und das Finanz reglement für Mazedonien an nehmen, ehe von einer Vermittelung die Rede sein könne. Inzwischen schreiten die Mächte zur Erledigung des nächsten Punktes ihres Kundgebungsprogramms, indem sie nach Tenedor am Südausgang der Dardanellen dampfen, um auch diese Insel zu besetzen. *Eine starke bulgarische Bande überfiel das serbische Dorf Orach in Alt- serbisn, wurde aber von der serbischen Bande des Kosta Pstfanche versagt. Die Bul garen hatten einen Verlust von 5 Toten und 5 Gefangenen. Dieselbe serbische Bande hatte gleich darauf einen Zusammenstoß mit einer türkischen Abteilung, wobei sie wenig Verluste erlitt. Deutscher Keickstag. In der Sitzung am 2. d. vertrat Bundeskom- missar Erbprinz Hohenfohe-Langenburg die Regierungsvorlage betr. Bau einer Bahn in Deutsch-Jüdwestafrika (Lüderitzbucht- Kubub), bei deren Besprechung die gesamte Lage dort unten zur Verhandlung kam. Redner sagt, so lange Morenga gegen uns im Felde steht, sei der Aufstand nicht beendet. ES ficht fest, daß innerhalb sechs Monaten der Bahnbau fertiggestellt werden könnte. Aber auch ehe die Bahn fertig ist, würde es mög lich sein, eine bedeutende Erleichterung dadurch ber- beizusähren, daß die ferttggcstellte Teilstrecke schon für die Transporte benützt würde. Abg. Erzberger (Zentr) tritt gegen die Vor- laae auf, die schon früher hätte eingebracht werden müssen und jetzt im Hurratempo erledigt werden soll. Die Notwendigkeit der Bahn sei wirtschaftlich nicht begründet und militärisch nicht mehr zu recht fertigen, nachdem der Friede so gut wie bergestellt sst. Ec spricht den Mwrstaslikanischen Schutz gebieten jeden wirtschaftlichen Wert ab, da dort Wasser fehle und daher Ackerbau und Viehzucht nicht getrieben werden können; aber auch der Bergbau gäbe sehr mäßige Resultate. Redner kommt dann auf die Unterschleife durch Verkauf von Vorräten der Schutztruppe an Argentinien zu sprechen und behauptet, die eingeborene Bevölkerung sei nur gegen das militärische Verwaltungsihkem; die Hereros hätten nur den Händlern und Soldaten den Tod geschworen; dm Missionaren, Frauen und Kindern, Buren und Engländern sollte nichts geschehen. An- zesichts dieser ungemein betrübenden Erfahrungen, sie das deutsche Volk in den Kolonien gemacht hat, wüsten wir uns sehr bedenken, neue Bewilligungen auszusprschen, für die nicht absolut zwingende Gründe beigebracht find. Bundeskommissar Oberst v. Deimling: Wir eien im Süden des Schutzgebietes von der Gefälligkeit >er Engländer abhänaiq, die aber jetzt die Grenze ge p rrt haben. Von Lüderitzbucht aus führt der Weg 120 Kilometer weit durch einen bis 100 Kilometer breiten Dünengürtel. Auf dem Wege nach Kubub st nur ein einziger Brunnen. Die die Transporte ührendcn Ochsen fallen dem Durste massenhaft zum Opfer. Da tut cme Bahn not, besonders da noch Morenga mit 500 Gewehren im Felde steht. Aba. Ledebour (soz) wendet sich gegen die '. Z. vom General v. Trotha ausgesetzten Preise auf Köpfe der Aufstand? führ er; bas sei eine Infamie. (Rüge des Präsidenten ) Bundeskommissar Oberst Deimling tritt für General v. Trotha ein. Er selber habe in Süd- westafrika Angehörige der Schatz truppe vorgefunden, denen Arme und Beine abgehackt und die Augen auSgestochen waren. In einem Falle habe der Arzt konstatiert, daß einem Soldaten bei lebendigem Leibe das Genick umzedreht sei. Sie verlangen übermenschliches von uns, wenn Sie verlangen, solche heimtückischen Gegner mit Glaceehandschuhen zu behandeln. Milde gegen diese Eingeborenen uä:e Grausamkeit gegen die eigenen Leute. Politische Kunälckau. Die Wirre« i« Ruhland. * Rußland ist wieder völlig in die ver worrenen Zustände zurückgesunken, die im Januar ihren Anfang nahmen und erk seit dem Zarenmanifest sich zu bessern anfingen. Am Montag (4. d.) sollte wieder derGeneraI- streit beginnen. Die Wid ersetzlich- keitsfälle bei Militär und Marine mehren sich in erschreckender Weise. Selbst in den Garde-Regimentern in der Umgebung des Kaisers mußten 250 Verhaftungen von Unter offizieren und Mannschastenvorgenommenwerden. Die Judenverfolgungen dauern in Kiew fort. Der Mob nimmt gegen die Intelligenz Stellung, aufgestachelt von den Reaktionären, die ebenso wütende Feinde Wittes sind, wie die Radikalen. Diesen geht Witte mit seinen Reformen nicht weit genug, jenen viel zu weit. * Seit dem 2. d. nachmitags ist infolge des russischen TelegravhenbeamtenstreikS die tele graphische Verbindung Deutsch lands mit Rußland vollständig unter brochen. *Die Provinzbanken in Rußland find ohne Verbindung mit Moskau und Peters burg ; der ganze GeIdverkehr stockt. *Dem General Lenewitsch, der noch in Charbin weilt, ist anheimgestellt worden, die in Wladiwostok sich befindlichen Reserve- ofsi ziere zu entlassen, falls sie auf ihre Kosten nach Rußland zurückkehren wollen. („Auf ihre Kosten" ist gut!) * * * Deutschland. *Der Kaiser hat dem Reichstage drei neue Marinetafeln als Geschenk über wiesen, die jetzt in der Wandelhalle Aufstellung gefunden haben. Die Takln zeigen die englische Schlachtflotte in ihrer imposanten Stärke, die Linienschiffe, Panzerkreuzer und geschützten Kreuzer der ersten und zweiten Schlachtlinie. 'Englischen Blättern wird aus Berlin ge meldet, daß das Ohren leiden deS Kaisers wieder einen operativen Eingriff notwendig mache, den ein berühmter englischer Spezialarzt vollziehen werde. In der Um gebung des Kaisers ist nichts davon bekannt, und da der Kaiser fortgesetzt dem Jagdver gnügen obliegt, dürfte der Berichterstatter sehr bald des Vertrauens für derartige Sensations meldungen verlustig gehen. 'Eugen Richter hat sein Mandat zum preußischen Landtage niedergelegt; ein altes Augenübel und Rheumatismus waren die Ver anlassung dazu. *Mer diePrivatbeamtenversiche- rung fand am 2. Dezember im ReichZamte des Innern eine Besprechung von höheren Beamten und Abgeordneten statt. Die Be sprechung. befaßte sich mit dem Ergebnisse des durch die Privatermittelnng beschafften und im kaiserlichen statistischen Amt bearbeiteten Mate- rials. Dies soll im «ommer 1906 fertiggestellt und in einer Denkschrift dem Reichstage unter breitet werden. Uber die weitere Bearbeitung des Materials sollen weitere Besprechungen stattfinden. * Die Nachweisung über die Ergebnisse deS Heeresergänzungs-GeschäftS und über die Herkunft und Beschäftigung der Militärpflichtigen im Jahre 1904 ist dem Reichs tage zuqegangen. Zur Stellung verpflichtet waren 1088 801 Mann, davon wurden aus- gebvben 218 962 Mann, davon für das Heer 210551, für die Marine 8411. Von Einjährig- FreiwMgen wurden ins Heer 8768, in die Maune 616 eingestellt. Ausgeschlossen wurden insgesamt 1092, ausgemustert 34 961, dem Landsturm überwiesen 110 300, der Ersatzreserve überwiesen 89 304 Mann. Von den Aus- gekoösnen (218 962) waren auf dem Lande 143 999, in der Stadt 74 963 Mann geboren, es waren also 67 Prozent der Ausgehobenen Landleuie bezw. auf dem Lande geboren. *Das Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie ist dem Reichstage zugegangen. U Oie Lauern-OrunkNäe. 8j Erzählung aus d. bayrischen Bergen v. M. Neal. tFonlttzuug.1 „Halt!" rief Gottfried. „Ich will dir be weisen, daß mir sür Traudl nichts zu schwer, nichts zu dumm und nichts zu gefährlich ist. Ich nehme den Kampf auf!" Guntherers Gesicht strahlte vor Freude. „Dös laßt fi' hö?n, Friedl! So komm jetzt nüba in den „grauen Bären" l" „Aber eine Bedingung!" „Und die hoaßt?" „Traudl soll nicht eher etwas erfahren, als bis ich fie mir errungen habe, denn sie wird Loch mein, ob ich fiege oder falle?" „Selbstverständlich. Dagegen iS nix einz'- wenden. I verlang' von dir nur, daß d' mit ihr ringst. Und jetzt komm'!" Die beiden Männer griffen nach ihren Hüten und verließen die Stube. Guntherer ging an Traudl, die voll Bangen und Sorge das Ende der Unterredung abgewartet hatte, vor über, ohne fie eines Wortes zu würdigen. Gottfried dagegen blieb vor ihr stehen und reichte ihr die Hand. „Und waS is?" fragte fie gespannt. „Heute abend bist mein, Traudl, frage nicht weiter!" „Friedl!" jauchzte das Mädchen auf. „Na is ja alles gewonnen!" „Alles!" Noch rasch ein Händedruck, dann hotte Gottfried den voraufgegangenen Gun- lherer ein. >. * * Im „grauen Bären" saß zur selben Zeit nm ein einziger Gast. Er hatte ein Schnaps glas vor sich, das fleißig gefüllt werden mußte. Den Kopf in die Hand gestützt, brütete er vor sich hin. Man hatte den Lenzer Sepp nach verbüßter Strafe wieder freigelaffen und er wm in sein Heimatsdorf zurückgekehrt, um sein alles Vagabundenleben wieder zu beginnen. Sepp war der Sohn eines reichen Bauern aus Sacharang und er schien im Anfang wenig stens seinem Vater nachzugeraten. AIS er aber dann nach München zum Militär kam, geriet er in schlechte Gesellschaft, erhielt von seinem Hauptmann eine Strafe um die andre, und so ging'S mit ihm allmählich abwärts. Ms er vom Militär frei wurde, blieb er in München, obwohl ihn sein Vater notwendig in der Wirt schaft gebraucht hätte, und er lebte da, ohne Arbeit zu haben, nur vom Gelbe seines Vaters, bis auch das ausblieb, weil der alte Mann es nicht mehr erschwingen konnte, was sein Sohn in der Stadt verjubelte. Der Hof kam unter den Hammer und der alle Lenzerbauer wurde im Armenhaus eiuquartiert, wo er nach einigen Jahren starb. Sepp fühlte damals so etwas wie Reue, er kam nach Sacharang und arbeitete bei verschiedenen Bauern als Knecht, aber es tat nicht lange gut. Lenzer war sehr jähzornig und kannte, wenn man ihn reizte, keine Beherrschung. Wiederholl mußte er wegen Körperverletzung in das Gefängnis, mit dem er wegen andrer Vergehen, besonders solcher, die auf einer momentanen Verwechslung von Mein und Dein beruhten, bereits früher Bekanntschaft gemacht hatte. So kam es, daß man in Sacharang sich vor Sepps Rachsucht und Jähzom fürchtete und man ihm deshalb Vieles durchgehen ließ, was bei andern sofort zur Anzeige gebracht worden wäre. Man ver schmerzte lieber einmal ein Huhn oder einen Sack Kartoffel, ehe man fich mit Sepp einließ. Das wußte er Md darum hatte er einen solchen Haß auf Guntherer, daß er ihn wegen einer derartigen Bagatelle angezeigt hatte. Sepp glotzte vor fich hin, während seine Hand das Schnapsglas drehte. War dem das, was er damals getan hatte, so furchtbar, daß man ihn deshalb gleich den Gendarmen übergeben mußte? Daß ihm Traudl gefiel, war doch nichts Unrechtes, ua und ein Kuß . . . Sepp trank rasch sein Glas Ms, als wollte er die Erinnerung an den Vorfall hinunterspülen. Dann brütete er wieder vor fich hin. Wer weiß, ob er nicht ein andrer geworden wäre, wenn ihm Guntherer die rettende Hand geboten hätte. Aber so ist eS immer. Wer einmal auf die schiefe Ebene gekommen ist, der muß ganz hinunter, ganz bis ans Ende. Memand be- müht fich, ihn in seinem Sturze aufzuhaüen, ihn vor dem gänzlichen Untergang zu bewahren, im Gegenteil, jeder versetzt dem AbwärtSgleiten- den noch einen Stoß, damit es schneller geht. Das ist dann Nächstenliebe, das ist Menschlich keit! Wie viele werden auf die Verbrecherlauf bahn gedrängt, dank unsrer vortrefflichen staat lichen Einrichtungen und unsrer aufmerksamen Fürsorge sür die Guten und Wohlanständigen! Sepp schlug unwillkürlich mit der Faust auf den Tisch. Als die Kellnerin berbeikam, ließ er fich nochmals einen Schnaps einschenken. « Abg. v. Böhlendorff-Kölpin (kons) spricht fich namens seiner Partei für schleunige Verabschiedung der Vorlage aus. Redner beantragt die Überweisung der Vorlage an die Budgetkommisflon. Abg. Semler (nat.-lib.): ES handelt sich um eine KliegSborlage, die schleunige Erledigung fordert. Redner richtet an die KolonialverwaUung die Anfrage, ob dafür gesorgt worden ist, daß aus Anlaß dis Bahnbaues keine Landspekulationen ge trieben werden. Abg. Kopsch (frs. Vp.) verlangt in der Kam- Mission genaue A nkünfte über die militärische Noi- wend'gkeit des Bahnbaue? und über die in d-r Denkschrift der Kolonialverwaltung enthaltenen finanziellen und technischen Angaben. Für die Be ratungen in der Kommission gilt indes das Wort: Eile mi! Weile. Bundckralslommissar Golinelli wendet sich gegen bas von einigen Rednern geäußerte Miß trauen gegen Lie Rentabilität und die Zukunft der Kolonie Südwestafrika und verweist auf den vom jetzigen Gouverneur der Kolonie, dem früheren Generalkonsul in Kapstadt, v. Lindequist, kurz nach seine" Ankunft erstatteten Bericht, wonach sich nur ein Teil deS Kaplandes an Aussichten sür die Zukuntt mit Deutich - Südwestafrika messen kann. Vor allen Dingen muß man natürlich dort ebenso für die Wasserbeschaffung und -Versorgung Sorge tragen wie früher und noch heute in Briisich- Südafrika. Südwestafrika hat eine große geologische Zukunft, denn eine Montangesellfchaft hat auf Grund genauen Studiums des Landes aus eigenen Mitte'n den Bau einer 500 Kilometer langen Eisenbahn für über 16 Mill. Mk. in Nnariff genommen zur Aus beutung der geologischen Schätze. Aber auch Vieh zucht, besonders Schafzucht, kann in der Kolonie mit Vorteil betrieben werden. In bezug auf die Lsndspckulatwn seitens der deutschen Kolonialgesell- schail für Südwestafrika, in deren Besitz der größte Teil d?S Küstengebietes ist, teilt der Kommissar mit, daß die Kolonialverwaltung alle Maßnahmen n>r Verhinderung einer solchen Spekulation getroffen hat und eventl. da? Entcignungsderfahren eintreien lasten wird. Abg. Graf v. Arnim (keil.) spricht se ne Freude über die Einbringung.der Vorlage au?. Wäre nicht von Anfang an eine so übel angebrachte Sparsam keit in der Kolonie geübt worden, so wären alle später notwendig gewordenen schweren Ausgaben und die kostbaren Opfer an Gut und Blut uns er spart geblieben. Adg. Schrader (fn. Vgg) spricht sich sür die Vorlage auS, zumal die Terrainschwierigkeiten über- windlich sein dürsten. Ich hoffe, daß die Kommission mit möglichster Schnelligkeit arbeiten wird, damit im Interesse unsrer Truppen die Bahn baldigst aus geführt werden kann. Abg. Lattmann (wirttch. Vgg.): Die große Mehrheit meiner F-cur de begrüßt den Plan d -s BabnbaueS mit großer Freude. Nach weiteren Ausführungen des Geb. L-gationS- rats Seitz, des Staa s'ekcetärts d-8 Auswärtigen Amis Frh. v. Richthofeu und der Abgg. Eriberger, Ledebour und Böhlendorff-Kölvin schließt die Debatte. Die Vorlage wird an die Budzeikommission ver wiesen. Nächste Sitzung: Mittwoch. Von unct fern Eine deutsche Naturforscherin in Süd amerika. Die deutsche Raiursorscherin F Sulein Dr. Snetlag, die vor zwei Jahren ihren Doktor machte, hat jetzt in Para am Amazonenstrom an dem von dem Schweizer Göldi gegründeten naturhistorischen Museum eine Anstellung als Direktor der zoologischen Abteilung erhalten. Zugleich wurde Fräulein Dr. Snetlage Direktor des dortigen Zoologischen Gartens. Ein ungetreuer Nentamtmaun. Der srerherrl. v. Gemmingensche Reniamtmann Fanz ist von Gemmingen mit 15 000 Mk. unter schlagener Kaffengelder flüchtig geworden. Er schrieb dann von Wien aus, man möchte ihn holen und tatsächlich reiste ein Schwager von ihm nach Wien, holte ihn und brachte ihn nach Eppingen zurück, wo ihn ein Gendarm in Emp fang nahm und ins Gefängnis brachte. Von einem Baum erschlage«. Karl August Graf von Schaumburg, der einzige Sohn des Prinzen Philipp von Hanau, ist am Sonntag in Obsruf von einem beim Fällen msderstürzendm Baum erschlagen worden. Während der Jagd erschossen. Der Jagdpächter Korne aus Bernau wurde um 2. d. vormittags im Schönfelder Jagdrevier bei Eberswalde erschossen aufgefunden. Nach dem Gerichtsbefund liegt Mord vor. Ist es vielleicht nicht wahr, daß man Männer, Frauen, selbst Kinder wegen Geringfügigkeiten oder wegen Vergehen gegen Polizeiverord nungen in das Gefängnis steckt, wo die In haftierten dann erst das lernen, waS fie zu Verbrechern macht, fie, die nie daran gedacht hatten, den Weg der Ehrlichkeit und der Arbeit samkeit zu verlassen? Und zu jenen, die wegen deS geringsten, daS ihnen zugefügt wird, gleich nach der Polizei und nach dem Gesetz schreien, als ob eS nicht noch etwas andres, wirksameres gebe, gehörte Guntherer. Er hatte ihn, den armen Teufel, der ohnehin vom Schicksal hin- und hergebeutelt worden und wie ein Strauch vom Sturmwind von neuem um einige Stufen von der LebenS- leiter herab gestoßen, und daS wegen einer Tat, die man schließlich keinem Übel nimmt. Er hatte doch auch ein Recht auf Liebe, warum sollte er allein ausgeschlossen sein. Sepp spintisierte fich immer mehr und mehr in eine Art Weltschmerzgefühl hinein, daS iHv stets überkam, wenn er zu viel Schnaps ge trunken hatte. Dann wurde ihm sein ganzes Elend bewußt. Daß man ihn aber wegen seiner Gewalttätigkeit gegen Traudl und wegen Bedrohung der Bärenwirtin verurteilt hatte, fiel ihm gar nicht mehr ein. Er hatte nur den einen Gedanken, daß man ihn unschuldig ver folgte, daß man ihn vernichten und vollständig zugrunde richten wolle, und mit diesem Gedanken erwachte auch seine Rachsucht. Guntherer und die Bärenwirtin sollten eS bei der nächsten Gelegenheit büßen, daß fie ihn dem Gericht überantwortet hatten. Es traf fick
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