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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bl» »»»mittag 10 Uhr. Inserate werden mit zo Pf. für di« Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühl« in Kroß-Gtrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 144. Freitag, den 1. Dezember 1905 4. Jahrgang. OerMches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, so. November iao5 — Der dem Gedächtnis des heiligen Andreas geweihte Andreastag (30. Nov mber) ähnelt in den mit ibm verknüpften Volks gebräuchen dem Sylvesterabend, denn wie an diesem, so wird auch in der Andreasnacht von jungen heiratslustigen Mädchen Blei gegossen, um die Zukunft zu erforschen und den künf tigen Ehemann kennen zu lernen, zu wckch ur alten abergläubischer Sitte sich noch das Pantoffelwerfen und das Wasserschöpfen ge sellt, da beides ebenso wie das Bleigicßen vor- bedeutcnd für das künftige Leben aller der- jenigeu Schönen sein soll, die g-rn unter die Haube kommen möchten. Solche und ähnliche Sitten sind heutzutage besonders noch in Schlesien, Mähren und Böhmen, im Harz und Elsaß gang und gäbe und so wird man sie auch diesmal wieder als willkommenen Zeit vertreib in den Kreisen der jungen Mädchen ausüben, wozu wir übrigens allerseits viel Glück und Erfolg wünschen. — Quittungen über Postgebühren. Wert zeichen usw. Vom Publikum, insbesondere von Vereinen und Korporationen, werben bei den Postanstalten vielfach Wünsche ausgcdrückt über die am Postschalter ^entrichteten Franko- geträge für Postsendungen oder über die Be träge für gekaufte Wertzeichen eine Quittung auszustellen, die als Rechnungsbeleg usw. be nötigt wird. Solchen Wünschen kann aber von den Postanstalten nicht entsprechen werden und das Reichspostamt hat auch jetzt wieder ent schieden, daß derartigen Anträgen grundsätzlich keine Folge zu geben ist. Es wird eine Ver pflichtung der Postverwaltung zur Ausstellung schriftlicher Quittungen über empfangene Bar- beträge für Wertzeichen Formulare usw. nicht anerkannt, indem die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über das Erlöschen der Schuld aus den Eintausch von Wertzeichen gegen bares Geld nicht für anwendbar er achtet wird, — Eine Ausnahme findet nur bei den Einkäufen von VersicherungSmarkcn durch die Krankenkassen statt. Ebenso finden die Bestimmungen auf Telegramme keine An wendung. Ueber die entrichteten Telegramm gebühren wird von jeder Verkehrsanstalt aus Wunsch uud gegen eine besondere Gebühr von 10 Pfg- eine schriftliche Quittung erteilt, Auch kann man sich von jedem ausgcgebenen Tele gramm eine amtlich beglaubigte Abschrift ans- stell-n lasten. Hierfür sind bei Telegrammen bis zu 100 Wörtern 40 Pfg. zu entrichten; bei längerem Telegrammen 40 Pfg. mehr für jede Reihe von tOO Wörtern. Königsbrück; Auf Laußnitzer Staatsforst- revier wurde am Montag nachmittag gegen 4 Uhr da» 7 jährige Söhnchen der Familie Sicker in Glauschnitz durch einen niedergehenden Baum derart getroffen, daß es aüf der Stelle tot blieb. Ein Verschulden ist niemand bei- zumeffen- Kamenz. Bei den am Montag hier er folgten Ergänzungswahlen für das Stadt- verordneten-Kollegium wurden die den Ordnungs parteien angehörenden sechs ausscheidenden Vertreter wiedergewählt. Dos Wahlrcsultat ergab einen ziemlichen Rückgang der sozial demokratischen Stimmen gegen das Vorjahr. Bautzen. Keine Suppe wollte ein Soldat des hiesigen Infanterie-Regiments essen. Er entfernte sich deshalb aus dem Glieds, trotzdem der Unteroffizier „Stillgcstandenl" kommandiert hatte. Wegen Gehorsamsverweigerung wurde er vom Dresdener Kriegsgericht' zu acht Wochen Gefängnis verurteilt. Dresden. Die Stadt Dresden, die Be sitzerin der beiden Straßenbahn.» geworden if bereitet der Bürgerschaft dein Vernehmen nack eine recht unangenehme Ucberraschung vor. Die Stadt beabsichtigt nämlich, den 10 Pfennig- Tarif auf längeren Strecken abzuschaffen. — In Striesen erhängte sich am Montag nachmitsag ein 37 Jahre alter Untcrbeamter wegen mißlicher Unterhaltungs- und Familien- verhältniste. — Bei Dömitz an der Elbe sind infolge Sturmes von einem elf Kähne langen Schlepp« Ug hinter dem Schleppdampfer „Magdeburg" echs Kähne umgeschlagen und untergegangen, die Mannschaft konnte nur das nackte Leben retten- Von den sechs Kähnen halten vier eine Ladung von zusammen 20 000 Zentnern Gaskohlen für Berlin. Roßwein. Am letzten Bußtage traten sin )er hiesigen Kirche wiederum vier Familien väter und eine Ehefrau von der römisch- Molischen zur evang.-lutherischen Kirche über. Naundorf b. Roßwein. Ein Mordversuch wurde hier an dem elf Jahre alten Schul mädchen Aust verübt. Als Täter wurde der 29 Jahre alte, erst vor einigen Tagen aus )em Zuchthause entlassene Arbeiter Isidor Kranz aus Dödcln verhaftet, welcher auch die Tat cingestanden hat. Das Mädchen hat echs Sticke im Rücken erhalten, welche jedoch nicht lebensgefährlich sind. Großpostwitz. Ertrunken aufgefunden wurde am Montag Nachmittag in einem Wassergraben bei Großpostwitz der Fabrikarbeiter Ernst Robert Müller aus Callnberg. Ver mutlich ist er in der Dunkelheit vom Wege abgekommen und ins Wasser gestürzt- Döbeln. Die Zwangsgenossenschaft, die zur Berichtigung des Muldenlaufs in uud bei Döbeln gebildet werden soll, wird 1010 Ge nosten umfassen, und zwar 850 in Döbeln und 160 in Sörnewitz, Bauchlitz und Keuern. Als Sachverständige zur Festsetzung der An iegerbeiträge sind jetzt die Herren Professor Albert, Direktor der Königlichen Baugewerken schule in Plauen, Geometer Ueberall in Plauen, landwirtschaftlicher Kommissar Teuthorin in Leipzig, Ingenieur Rißmann in Mittwaida und Baumeister Gersten in Döbeln eidlich ver pflichtet worden. Riesa. In unserer Stadt wird sich ein Wach-Institut etablieren, besten Leiter der bis herige Inspektor der Dresdner Wach- und Schließ-Gesellschaft, Herr Straßberger, ist. — Am Sonnabend ist auf dem Bahnhofe in Prausitz von dem letzten Abendzuge nach Riesa die Maschine entgleist. Der Zug traf mit einstündiger Verspätung hier ein. — Einer Einladung des Kammerherrn v. d. Decken zur Jagd folgend, begab sich König Friedrich August am Sonnabend vor mittag mittels Sonderzug von Dresden nach Stauchitz, wo die Ankunft um 9 Uhr erfolgte. Auf dem Bahnhofe, den der König zum ersten Male als Landesherr passierte, fand feierlicher Empfang statt, an dem sich außer dem Gemeinderate von Stauchlitz, den beiden Orts- gcistlichen von Hof und von Stauchau, der Militärverein von Stauchitz und Hof und sämtliche Schulkinder von Stauchitz, Staucha, Seerhausen, Hof, Reppen, Stösitz und Bloß- witz beteiligten, Außerdem wohnten dem Empfange des Königs eine große Menge Zu schauer bei. Das Eintreffen des Hofzuges er folgte unter Gesang des Stauchitzer Gesang vereins, worauf Herr Pfarrer Schäfer-Staucha an den König eine Ansprache richtete und die Tochter des Lehrers Arnold einen Blumenstrauß überreichte. Der König dankte herzlich sür den festlichen Empfang und begab sich per Wagen noch Raitzen, wo große Jagd stattfand. Die Rückkehr nach Dresden erfolgte nachmittags 4 Uhr 20 Min. ab Bahnhof Stauchitz. Riesa. Der ehemalige Wirt Riefe der „Gattersburg,, in Grimma, eines der dortigen größten Etablissements, der unter Hinterlassung vieler Schulden im vergangenen Sommer ver schwand und van der Staatsanwaltschaft wegen betrügerischen Bankerotts verfolgt wurde, ist vom Schicksal ereilt worden. Von seiner Querfahrt in den afrikanischen Gewässern zurückgekehrt ist Riefe im Hamburger Hafen verhaftet worden. Er wurde von einem Sicherheitsbeamten in Hamburg abgeholt und der Staatsanwaltschaft in Leipzig zugesührt. Leipzig. Jedenfalls in selbstmörderischer Absicht trank in einem Gasthofe am Ranstädter Steinweg ein Kaufmann einen Liter Rum und tarb an den Folgen der Alkoholvergiftung. — Auf den Tapezierer Mehnert ward am Sonnabend nachts 11 Uhr ein scharfer Schuß abgegeben, als dieser die Schrebergärten in Kleinschocher -verließ. Dec Schuß traf Mehnert in die rechte Wange und riß ihm drei Zähne heraus; der unbekannt gebliebene Täter ist entflohen. — Ein ebenso eigenartiges wie Mitleid er regendes Geschick hat eine in Leipzig-Lindenau ebende Waschfrau betroffen. Bereits sechzehn rbrer siebzehn Kinder waren ihr weggestorben. Nun wurde ihr auch das le tzte. der im Expeditionskorps in Südwestafrika dienende Heiler Max Lange genommen, der in einem Gefecht der letzten Tage bei Deutsche Erde fiel. — Ein Beamter der Wach- und Schließ gesellschaft hörte am Mittwoch früh, daß Rufe aus einem Zimmer des „Gasthauses zum goldenen Hufeisen" auf die Straße drangen und veranlaßte die sofortige Oeffnung. Man and ein Liebespaar vor, welches sich mit Lysol ,u vergiften versucht hatte, weil Vermögens- mangel besten eheliche Verbindung unmöglich machte. In den Liebespaare wurde der 19 jährige Friseur Warmuth aus Dilleta und die gleichaltrige Arbeiterin Schüler aus Neu- 'tadt-Magd«burg erkannt. Beide waren am Mittwoch von Dresden aus nach hier gekommen um ihren Plan auszuführen. Man hofft im Hospital auf die Erhaltung des Lebens beider. Pegau- Durch das unvorsichtige Gebaren mit einer Schießwaffe hat sich wiederum ein Unfall ereignet. Der 14 jährige Laufbursche in der hiesigen Apotheke kam mit einem 17 jährigen Dienstmädchen in Wortwechsel. Dabei bedrohte er das Mädchen scherzweise mit einem kleinen Taschenpistol Das geladene Pistol entlud sich und die Kugel drang dem Mädchen direkt unter dem Auge ins Gesicht. Das Mädchen hat sich sofort in klinische Behandlung begeben. Glücklicherweise wurde das Auge nicht verletzt. Markranstädt. Dem Geschirrführer Kunze ist eine unerwartete Freude bereitet worden. Anläßlich der Taufe seines siebenten Sohnes sind ihm von Königs Hand 25 Mark als Geschenk übermittelt worden. Crimmitschau. Unter dem Verdachte, giftige Piize — sogenannte Kartostelboviste — verkauft zu haben, stand der 53 jährige Renten empfänger Steiniger aus Gablenz vor dem Landgericht Zwickau- Auf Grund des Gut achtens zweier medizinischer Sachverständiger, und eines Pilzkundigen wurde St. frei gesprochen, da ein Beweis für die Schuld des Angeklagten nicht zu erbringen war und möglicherweise auch Schierling unter der ver wendeten Petersilie das Unwohlsein hervor gerufen habe. Die Pilze waren von einer aus fünf Köpfen bestehenden Familie in Meerane verspeist worden, bei denen sich als bald Erbrechen und Schwindel einstellte. Aerztliche Hilfe stellte die Familie bald wieder her. Zwickau. Die baulichen Vorbereitungen zur Gewerbe- und Industrie-Ausstellung, die vom Juni bis mit September 1906 währen wirb, haben begonnen. Die Ausstellung wird in folgende Gruppen eingeteilt: 1) Bergbau, Steine, Erden, Ton- und Glaswaren; 2) Metallindustrie; 3) Wagen- und Schiffsbau Transportmittel; 4) Leder-, Gummi- un Asbestwaren; 5) Chemische Industrie, Leucht- und Holzstoffe, Oele, Fette, Parfürmerien; 6) Nahrungs- und Genuhmittel; 7) Holz- und Möbelindustrie; 8) Kirchliche Kunst, 9) Bau- und Jngenieurwesen; 10) Gesundheits- und Wohlfahitswesen; 11) Textilindustrie, Be- kleidungs-, Färberei- und Reinigungswesen, 12) Papierindustrie; 13) Graphische Gewerbe und Künste; 14) Galanterie- und Kurzwaren; 15) Wissenschaftliche Instrumente, 16) Mustk- mdustrie, Glockengießerei; 17) Elektrotechnik« 18) Maschinen, Werkzeuge; 19) Sport- 20) Bildungswesen; 21) Gartenbau; 22) Land - und Forstwirtschaft; 23) Erfindungen und' latente; 24) Erzeugnisse des Hausfleiß t»; 25) Statistik und Städtisches. — Die Einweihung der unter Oberleitung und noch den Plänen der Architekten Sch ill ng und Gräbner in Dresden erbaute Lutherkirche ist auf den 8.Januar 1906 festgesetzt worden. Die Kirche ist in reinem deutschen Renaissance- Stil in Sandstein gebaut, mit Dampfniederdruck Heizung und elektrischer Beleuchtung versehen worden. Sie ist 41 Meter lang, 21 und ben den Auslagen 25 Meter breit, 17 Meter hoch und hat einen 65 Meter hohen, 8 Meter tief gegründeten,' 13 Meter im Geviert haltenden Turm. Wellerswalde. Vermutlich au» Liebes kummer versuchte ein auf dem hiesigen Ritter gute bediensteter polnischer Arbeiter sich das Leben zu nehmen. Mittels Revolver jagte sich der Unglückliche eine Kugel in den Unterleib. Bewußtlos wurde er aufgefunden und nach dem Oschatzer Krankenhause gebracht. Sein Zustand ist hoffnungslos. Die Kugel ist durch die Leber und in den Magen gedrungen und in der Lunge sitzen geblieben. Jöhstadt. Die Maschine des früh 6 Uhr 10 Min. von hier nach Wolkenstein verkehrenden Güterzuges erlitt am Montag in Steinbach einen Defekt. Eine Hilssmaschine führte den Zug mit nahezu 3 Stunden Verspätung weiter. Wolfsgrün. Hammerguts - Besitzer Ritt meister Brettschneider wurde auf der Treibjagd von zwei Schrotschüssen in den Unterleib und an den Händen getroffen und nach dem Kgl. Krankenstist Zwickau gebracht. Die Vrrletzungen sollen nicht lebensgefährlich sein, da die Schrote an Muskelknochen abgeprallt und im Fleisch stecken geblieben sind. Chemnitz. Der Stadtrat beschloß, das schon Anfang des Jahres 1904 an den Land tag gerichtete Gesuch um Vermehrung ber Landtagswahlkreise der Stadt Chemnitz auf mindestens vier Kreise wieder zu erneuern. Des weiteren beschloß der Rat, tunlichst schon Ostern 1906 als dritte städtische höhere Unterrichtsanstalt eine Reformanstalt mit Real progymnasium mit lateinlosem Unterbau ein- zureichen. — Das neue (3.) Ulanen-Regiment, da» sich bekanntlich nach dem diesjährigen Manöver bildete und bis jetzt im Barackenlager Zeithain aufhielt, hat letzteres nunmehr verlaffen, um sich in seine Garnison Chemnitz zu begeben, woselbst es am Donnerstag eintreffen wird. Auf dem oberen Teile des Neustädter Marktes daselbst soll etwa 11 Uhr vormittags die Begrüßung des Regiments stattfinden, und zwar zunächst namens der Garnison durch den Garnisonältesten Se. Exzellenz Herr General leutnant Baffe uSd sodann namens der Stadt durch Herrn Oberbürgermeister Dr. Beck. — Die Chemnitzer Sozialdemokraten be absichtigen bei der Reichstagsersatzwahl die Kandidatur des Vorstehers des dortigen All gemeinen Konsumvereins, Stadtverordneten Riemann-Chemnitz, als Nachfolger Schippels zu proklamieren. Au« dem Vogtlande. Der starke Schnee fall am 9. und 10. November hat in den Forsten des Vogtlandes so bedeutenden Schaden angerichtet, wie er in solchem Umfange seit Jahrzehnten nicht festgestellt wurde. Viele Tausende von Stämmen in jeder Größe und Stärke sind dem Schneebruch zum Opfer ge fallen und machen einen Verkehr im Walde fast unmöglich. Der Schaden ist sehr groß und ey werden viele Monate vergehen, ehe die Aufräumungsarbeiten beendet sind.