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Ottendorfer Zeitung : 17.11.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190511173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19051117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19051117
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-17
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.11.1905
- Autor
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Die Findigkeit der Post kann auch einmal eine Ortschaft in ihrer Ehre kränken, das zeigt folgende hübsche Geschichte. In Dresden war ein Brief mit der Adresse „Protzendorf bei Dresden" eingelaufen, und die Post dirigierte ihn nach dem Villenvorort Blasewitz. DaS haben die Blasewitzer aber höchst übel ge nommen. Musikalisches Zwischenspiel in der Fabrik. Bei ihrer Anwesenheit in Plauen besuchte dis Konzertsängerin Mary Münchhofs auch eine große Stickerei. Die vielen dort tätigen Arbeiterinnen, die stundenlang zu sammengekauert an der Arbeit hocken müssen, erregten ihr Mitgeiühl, und schnell entschlossen sang sie ihnen eins ihrer schönsten Lieder vor. Der Arbeitssaal, in dem solche Töne gewiß noch ^nicht erklungen waren, scholl wider von dem stürmischen Beifall der entzückten Hörerinnen. Ei« Schlaukopf. In Karlsruhe kam vor einigen Tagen ein Rekrut zur Post mit einem Vaket lür seine Mutter im Schwarzwald. Die gelbe Begleitadresse hatte er fein säuberlich ge schrieben, das Paket aber mit keiner Adresse versehen, überlegen sah er den Postbeamten an, als dieser ihm erklärte: „Auf das Paket muß auch die Ädreß' drauf!" und erwiserte dem Beamten aufs bestimmteste: „Sell isch Ml Min Muetter chennt des Paket scho!" (Das ist nicht nötig, meine Mutter kennt das Paket schon.i Eine amerikanische Hungerkünstlerin gibt gegenwärtig in Freiburg i. B. eine Vor stellung. Sie hat sich am 4. d. im Bahnhof hotel zu einer Hungerkur von 18 Tagen ein- Mauern lassen. Sie nahm in ihr freiwilliges Gefängnis nur eine größere Anzahl Flaschen Mineralwasser und eine bescheidene Portion Pfeffrrminztabletteu mit. Sie kann jeden Tag von vormittags 10 Uhr bis nachts 2 Uhr vom Publikum beobachtet werden. Eifersucht. In Goldbach bei Straßburg verletzte ein heimkehrender Reservist vor dem Haute seiner Brem seinen Nebenbuhler durch einen Dolchstich ins Herz tödlich. Überfall auf einen Wachtposten. In Saarlouis wurde bei den Jnsanterieschieß- ßänden ein Überfall auf einen Wachtposten ver sucht. Zwei Männer überfielen den Posten lind rissen ihn zu Boden; dabei versuchte der eine, dem überfallenen einen Messerstich beizu bringen, der Stich glitt jedoch von der Patronen tasche ab und verletzte den Soldaten nur leicht an der Hand. Dem Posten gelang es, sich seiner Angreifer zu erwehren und von seinem Gewehre Gebrauch zu machen. Die beiden Männer suchten schleunigst das Weite, die auf sie abgefeuerten Schüsse verfehlten im Dunkel der Nacht ihr Ziel. Von den Angreifern fehlt bis jetzt jede Spur. Ter Fund ,m Fisch-Mage«. Vor einigen Tagen fingen mehrere Fischer bei Spalato einen außerordentlich großen Fisch, einen sogenannten Natzenfisch. Er wog 700 Ptund und hatte eine Länge von 3,60 Meter. Wie groß war nun die Überraschung der Fischer, als fie im Magen des Tieres eine große Geldtasche sanden. Der Börse entnahm man 59 Kronen und 78 Heller in Silber- und Nickelgeld. Es scheint erwiesen, daß die im Fische zum Vorschein gekommene Börse einem Verunglückten gehört hatte, der Vor einigen Wochen in einer stürmischen Nacht bei Spalato ins Meer fiel. Unterseeboot-Zusammenstoß. Im Bassin der Kriegsschiffsbauanftalt von Cheroourg prallten am 11. d. die L-auchboote „Triton" und „Irene" gegeneinander. Die „Irene" wurde schwer be schädigt. Menschen find nicht verletzt worden. Das lenkbare Luftschiff Lebaudys unter- nahm auf Gesuch der Militärbehörden einen Neuen Aufstieg. Es handelte sich darum, fest zustellen, ob es Lebaudy gelingen werde, auch über der gefährlichen Zone von 1000 Meiern Mit dem Ballon zu bleiben und auch hier die gleiche Bewegungsfähigkeit zu zeigen. Lebaudy blieb in einer Höhe von 1500—1600 Metern. Der Versuch ist also gelungen. Es wurde ferner versucht, aus dieser Höhe eine Ver- ständigung mittels drahtloser Telegraphie des Ballons mit dem Eiffelturm herbeizuführen. über das Ergebnis enthalten sich die Behörden jeder Mitteilung. Schnee und Eis im Süden. Aus Ober-Italien werden ungeheure Schneefälle ge meldet. Bei Fiume liege der Schnee mehrere Meter hoch. Infolge der Schneeverwehungen nimmt die Südbahn keine Frachtgüter an. — In Bosnien beginnen die Flüsse bereits zu vereisen. — Die Ssmmerrefidenz des Königs von Rumänien, das Schloß Sinaia, liegt gänzlich verschneit, was seit vielen Jahren nicht der Fall war. Auf der großen Mailänder Aus stellung wird auch oer Luftballon ausgestellt, der am Tage der Krönung Napoleons I. durch Papst Pius VI. von Paris nach Rom die Kunde von diesem Ereignis trug. Der Ballon Der spanische Orden vom Goldenen BlieS. Der spanische Orden vom Goldenen Vlies, der dem Reichskanzler verliehen wurde, rangiert gleich mit den höchsten und somit seltensten Orden: er steht auf einer Stufe mit dem Schwarzen Adler, dem Hossnband, dem St. Andrea?» und dem Annunziatem Orden. Er ist im Jahre 1429 von Nhilipp dem Guten von Burgund anläßlich seiner Vermählung mit Isabella von Portugal gegründet. Der Orden, der stets nur eine Klaffe hatte, wurde anfangs nur an Fürsten verliehen. Die Zahl der Angehörigen, die zunächst auf 31 beschränkt war, Wurde unbestimmt, und als infolge der Vermählung Marias von Burgund mit dem Erzherzog Maximilian von Österreich die Großmeisterstelle des Ordens an das Habsburgische Haus überging, entstanden zwei Orden vom Goldenen Vlies, der spanische und der österreichische, die sich beide bis auf den heutigen Tag erhalten Haven. Das Ordenszeichen ist ein goldenes Widdsrsell, der an einem blau emaillierten flammenlpeienden Feuerstein hängt. fiel damals merkwürdigerweise bei Bracciano, ganz in der Nähe von Rom, nach 15stündiger Fahrt nieder und war der einzige Ballon seiner Zeit. Er bestand aus gewachster Leinwand mit Seidenüberzng, der natürlich heute überaus schadhaft geworden ist. Immerhin bleibt er eine geschichtliche Merkwürdigkeit ersten Ranges. Immer gemütlich. Kürzlich fragte ein Oberst in Bern einen seiner Schreiber, der anscheinend zwecklos im Bundespalast UNyer- svaziert, warum er zu dieser ungewöhnlichen Zest und während der Amisstunden sich hier aufhalte. Die Antwort larnete: „I ho mer mini Hör lo schnyse, Herr Oberst." (Ich habe mir das Haar schneiden lassen.) „Ja, der Donuer, lönd (laßt) Ihr Eure Hör schnyde währed der Bürozst?" fragt der Vorgesetzte weiter. Das kecke Schreiberlein ist aber nicht um Antwort verlegen und erwidert: „Natürli, Herr Oberst, fie wachse mer au währed der Büiozit." Fabrikeiufturz Die Malzfabrik Lambrecht in Antwerpen ist aus unbekannter Ursache ein- gestürzt. Acht Arbeiter wurden verschüttet. Man vermutet, daß der Zusammensturz infolge Überlastung der Spcicherräume erfolgt ist. Sparsamkeit im Harem. In der letzten Zeit wurden vom Sultan in Konstantinopel bedeutende Spar maßregeln anbefohlen, und eS find infolgedessen zahlreiche Einschränkungen am Hose vorgenommen worden. Auch der Harem des Herrschers, der namhafte Summen kostet, soll um ein bedeutendes verringert werden. Mehr als hundert Damen und Dienerinnen dürften im nächsten Jahre aus ihm entfernt und auf eine bescheidene Pension gesetzt werden. Infolge dieser Entscheidung herrscht unter den weiblichen Insassen des Mdizpalastes eine gewisse Erregung, und es soll schon zu mancherlei Auftritten ge kommen sein. Ei» Erdbebe« lichtete in den Klöstern auf dem Berge Atyos (in der Nähe von Konstan tinopel) großen Schaden an; das Kloster Jveron ist zerstört, die Mönche halten sich im Feeren auf. 7507 Totschläge ««d 4«4 Morde find im vergangenen Jahre in New Jork begangen worden. Die Hälfte der Totschläge und nahe zu Dreiviertel der Morde blieben ungesühnt. Es fanden im ganzen 116 Hinrichtungen statt, darunter 54 durch den elektrischen Strom. GericktskaUe. Dessau. Bor dem Schwurgericht halte sich der 85 jährige Privatier Wilb. Lelchcrt wegen Meineids zu ve-. antworten. L. hatte in einem Zivilprozeß, der wegen eines HvpothekcngeschästS geführt wurde, be schworen, er habe seine Unterschrift nicht gegeben, waS sich indes als falsch erwies. Das Gericht verurteilte den bis dabin vollständig unbescholtenen Greis zu der gesetzlich zulässigen Mindesitzrafe von 1 Jahr Zucht haus, 3 Jayr Eh-verlust und dauernder Eidss- unfäyigkeit. Die Geschworenen beschlossen, de« V-rurteilien der Gnade des Herzogs zu empfehlen. Weinend verließ der Greis, vollständig gebrochen, den Gerichtssaal. Lübeck. Der Großkaufmann Bär wurde wegen bedeuiender WechfeUälschnng-n vom hiesigen Schwur gericht zu fünf Jahr Zuchthaus verurteilt. rsN-ss-l,..... ——— ' * Von äem täglichen L-eben äes Papstes. Der 258. Nachfolger des heiligen Petrus ist jetzt 70 Jahre alt. Er hat auch im Vatikan »sein gewohntes regelmäßiges und einfaches Leben nicht aufgegeben, das er früher geführt. Der Papst ist ein Frühaufsteher; um fünf Uhr, im Sommer sogar noch zeitiger, steht er auf. Zum Ankleiden bedarf er keiner Hille; er nimmt sein Gebetbuch und promeniert so gleich in den seinem Schlafgemach benachbarten Galerien oder in den Gärten des Palastes. Um sechs Uhr liest er die Messe, von einem seiner beiden Vrivatsekretäre und Geheimkapläne unterstützt. Diese Frühmesse bildet die Ver zweiflung der vornehmen römischen Damen welt, denn um ihr beiwohnen zu können, was die frommen Damen der römischen Gesellschaft gewohnt waren, müßte man um vier Uhr auf stehen, und dazu können fich die Damen doch nur selten entschließen. Nachdem der Papst den Gottesdienst abgehalten hat, beugt er seine Knie vor dem Kruzifix. Später nimmt er im Speisesaal, in dem dritten Stock des Vatikans, sein Frühstück ein, das an Fasttagen aus Kaffee mit Milch und sonst aus reiner Milch besieht. Wenn seine beiden Schwestern und eine ihrer Nichten, die er hat nach Rom kommen lassen und die in der Nähe des Vatikans ihre Wohnung haben, der Messe, wie es ihrs Gewohnheit ist, beigewohnt haben, nehm n fie an seinem Frühstück teil. Wie glück lich find diese ausgezeichneten Frauen, auf wenige Augenblicke mit ihrem „Beppo", ihrem Papst, ihrem angebeieten Liebling zusammen sein zu dürfen! Aber feine Zett ist knapp be messen. Er umarmt fie und entläßt fie, um die Lektüre in seinem Gebetbuch fortzusetzen und im Auf- und Abwandeln nachzuvenken. Pünktlich um acht Uhr betritt er sein Arbeits zimmer im zweiten Stock. Die Postsachen, die direkt von der königlichen Post in den Vatikan geliefert werden, wo fie der Postmeister des Vatikans empfängt, liegen auf dem Tisch aus gebreitet. Er hält darau'. fie alle selbst zu sehen, obwohl der Einlauf an Briefen bisweilen außer- ordentlich groß ist. Sein Lieblingssekretär, Birg. Bressan, öffnet die Briefumschläge und reicht die Briefe dem heiligen Vater. Mit einem einzigen Blick prüft er fie, fällt eine Ent scheidung, legt fie zu genauerer Prüfung zurück oder überantwortet fie dem Papierkorb. Tas geht sehr schnell. Um neun Uhr ist alles be endet, wenn der diensthabende Prälat den Kardinal Staatssekretär Merry del Val au- meldet, der die Depeschen und die neuesten Nachrichten, die Noten der Gesandten und die fälligen Entscheidungen in allen geistlichen An gelegenheiten vorlegt. Um V,11 Uhr verab- schieoet fich der Kirchenfürst englisch - «panischen Geblüts, der seit vierzig Jahren mit Hoyer Weisheft und feinster Kultur dem Papst die schwere Last des Pontifikats tragen hilft, und der Papst empfängt nun andre hohe kirchliche Würdenträger und Kardinäle. Dann schlägt dte Stunde der Audienzen. Der Kammsrherr Seiner Heiligkeit, Mgr. Bisleti, hat die Reihen folge festgesetzt. Zunächst kommen die Prvat- audienzen für durchreisende Bischöfe, Politiker und sonstige bedeutende Persönlichkeiten. Auf einen Griechen folgt ein Pole, den löst wieder ein Amerikaner ab, und nach diesem kommt ein Deutscher usw. Nach den Privataudienzen kommen die „Distincta" (Ausgezeichnete), bei denen Gruppen von drei, vier oder noch mehr Per sonen die Ehre zuteil wird, dem Papst vorge stellt zu werden. Das dauert zwei Stunden. Dann nimmt der Papst seine Hauptmahlzeit in der. Gesellschaft von Mgr. Bressan ein; er hat zum große« Leidwesen des Zsremonienmeisters die Sitte, nach der der Papst allein essen mußte, ausgehoben. Er liebt die römische Küche nicht sehr, sondern zieht die venezianische vor; dazu trinkt er ein Glas Frascatrwein, bis weilen auch etwas Bordeaux aber sehr wenig. Nach dem Mahl hält er keine Siesta, vielmehr geht er mit dem Sekretär in die Galerien, wo fich viele Gläubige aufgestellt haben, um seinen Segen zu empfangen. Für jeven hat er ein freundliches Wort, ein gütiges Lächeln. Nach einem Spaziergang in den wunderbaren Gärten des Vatikans kehrt er um 5V- Uhr in sein Arbeitszimmer zurück und empiängt vertrauiere Bekannte und Würdenträger. Wenn er allein ist, liest er, macht Notizen und verläßt seinen Arbeitstisch erst um 9V- Uhr. Am Ende jedes Tages schreibt er in ein eigenes Heft seine Be obachtungen auf. Er erteilt seine Besehle füc den kommenden Tag und begibt sich um 10 Uhr zur Ruhe, nachdem er vorher ein leichtes Abendmahl zu sich genommen und seine letzten Gebetsübungen vollbracht hat. Kuntes Allerlei. Eine echt amerikanische Gesellschaft. In Arizona ist eine höchst merkwürdige Gesell schaft im Entstehen begriffen. Ihr Zweck ist, ein in der Erde liegendes Meteor auszugraben, das nach Ansicht der Gründer kostbare Metalls im Werte von 50 000 000 Mk. enthaften soll. Das Meteor fiel Lei Holbrooke nieder und war so ungeheuer groß, daß eS eine Schlucht von dreiviertel Meilen Länge und 600 Fuß Breite in die Erde schlug, ehe es umer der Ober fläche verschwand. In abgesplitterten Stücken fand man Spuren von Gols, Silber und Blei. Die Gesellschaft will das Meieor ansgraben und schmelzen. * * * Die guten Freuadiuuen. „Sie haben gewig beim Kaffeekränzchen über mich ge sprochen!" — „Keine Silbe! Wenn ich nicht etwas Gutes von jemand sagen kann, schweige ich lieber ganz!" l.M-gg.3 Und als die Hand des Pfarrers die Paare fürs Leben miteinander kraft seines Amies verbunden, als der letzte Ton der Orgel sanft verhallt war — da flüsterte der Graf seiner jungen Frau ins Ohr: „Und jetzt, liebe Berta — nach unsrem Waldhäuschen —" Berta empfand das alles wie in einem seligen Traum, — die Schatten des Waldes rauschten an ihrem Blick vorüber, dann wurde es lichter, und eine lauschige Waldallee, ein- gerahmt von Silberbirken, hinter welchen Helles, morgenfrisches Tannengrün leuchtete, tauchte auf — und da — rechts am Eingänge dieses idyllischen Erdenplätzchens, erhob fich plötzlich vor ihr das teure, blütenumrankte Vaterhaus. Graf Rohden führte seine junge Frau durch den Garten, gefolgt von den übrigen. Am Eingänge weilte er einen Augenblick; Lier unter der großen Buche, im Abendsonnen glanz, waren fie fich zum erstenmal begegnet, Und im selben Augenblick war fie gekommen, die Liebe, und hatte fich in beider Herzen ge senkt. Sie sprachen jetzt kein Wort — aber ihre Augen begegneten und verstanden fich — ihre Seelen segneten diese sür fie so heilige Stätte. — Und als fie dann die Schwelle des Hauses überschritten, fand Berta auch die alte Haushälterin ihres Vaters wieder, die die junge Herrin freudig begrüßte. Man durchschritt dann die wenigen Ge mächer, die in ihrer vollen Traulichkeit unver- ündert geblieben waren. Noch ein Zimmer lag vor ihnen — dieser Raum war das Heiligtum des Hauptmanns Rheinsberg gewesen. — Hier schaute von der Wand herab das lebensgroße Porträt seiner geliebten Gattin, der so jung und früh ver storbenen Mwter Bertas. Der alte Baron v. Geldern, Berta und der Graf standen zunächst der Lür, die noch halb geschlossen war. Gras Rohden ergriff den Drücker, und die Tür öffnete fich. Zwei Ausrufe — freudig — tiefbewegt — zitternd — wurden zugleich laut. Der alte Baron warf nur einen einzigen Blick auf die ihm gegenüber sichtbar werdende Wand. „Meine — Tochter — meine Kinder —" brach es zitternd, tiefbewegt über seine Lippen. „Mein Vater — meine lieben Eltern —" ertönte es freudig und innig aus dem Munde Bertas. Der alte Baron tastete nach einem Sessel, der Graf eilte ihm zu Hilfe und der Greis sank in daS weiche Polster. „Meine Tochter —" und er ergriff die Hände seiner Enkelin und sprach leise vor fich hin: „Ja, das ist ihr mildes, liebes Gefichi, ihr schönes Kinderauge, das du von ihr geerbt hast — und dies Auge lächelt und zürnt nicht — es schaut verzechend auf mich herab." Graf v. Rohden hatte neben dem Porträt der verstorbenen Mutter Bertas das ihres Vaters, von Künstlerhand nach einem Photo gramm gemalt, anbringen lassen, um seiner jungen Frau damit das gewiß erwünschteste Hochzeitsgeschenk zu machen. Und während nun die kleine Gesellschaft noch das kleine Waldhäuschen und den das selbe umgebenden Garten durchwanderte, sührte Graf Rohden Berta nach der Eingangspforte, und fie in seinen Arm geschlossen haltend, während fie hinausschaute zu ihm voll unsag baren Liebesglücks — sprach er mit seiner weichen Stimme: „Mein Herzensschatz, mein süßes Lieb — hierher wollen wir fliehen, wenn es uns draußen in der großen, ost so öden Welt nicht mehr gefällt, hierher — wo des Waldes Friede uns stets umgeben wird." Ende. Vie „ttehrseite -er Medaille" im Leben -er großen Zanger und Sängerinnen, die dem großen Publikum immer als die verwöhnten Schoßkinder des Glücks erscheinen und von deren Ruhm und goldenem Lohn die Zeitungen immer wieder be richten, zeigen die in einer englischen Zeitschrift wiedergegebenen Bekenntnisse einiger der be kanntesten „Stars" über die Nervenqualen, die fie wohl alle auszustehen haben. „Dieses Nervenleiden," erklärte Marcella Sembrtch, „ist in der Tat eine richtige Krankheit; fie kommt jedes Jahr über die .meisten von uns. Zu weilen ist der Gedanke, am Abend fingen zu müssen, eine solche Qual für mich, daß ich das Gejühl habe, kein Lohn an Gold oder Ruhm könne die schreckliche Siunde auswiegen, die ich fast vor jedem Aufireten habe. Ge wöhnlich leide ich furchtbar, eben dies wird muh bestimmen, mich von der Bühne zurück zuziehen." Die Primadonna hat die be deutendsten Arzte Europas befragt und alle möglichen Kuren versucht, vom kalten Wasser bis zur Hypnose, alles jedoch ohne Erfolg. Die einzige Linderung fand fie in längeren Spaziergängen; da fie diese aber an den Tagen, an denen fie singt, nicht unternehmen kann, so ist eS, wie fie sagt, ihr unvermeid liches Schicksal, dazufitzen und fich immer elender zu fühlen, je näher die Siunde ihres Auftretens heranrückt. Auch Emma Calvö litt vor einiger Zeit so sehr uwer diesem Übel, daß fie gezwungen war, an den Tagen, an denen fie sang, alle Einladungen abzulehnen, die fie länger als ein paar Minuten in Anspruch nahmen^Dis Ursache dieser krank haften Nervosität oei großen Sängern findet Marcella Sembrich vor allem in der steten niederdrückenden Angst, fie könnten ihren Ruf und die Gunst des Publikums verlieren. Der selben Ansicht ist Frl. Christine Nilsfon. „Glau ben Sie einem Künstler nicht, der Ihnen sagt, daß er niemals nervös sei," äußerte fie fich, „oder er ist entschieden kein Künstler. Ich wenigstens kannte keinen von Bedeutung, der stets beherrscht und ruhig sein konnte, und vor allem beim Beginn der Aufführung." Um diese nervösen Leiden zu bekämpf-n, hat Lilli Leh mann angeblich aufgehört, jemals Fleisch zu essen; Tee, Kaffee, sowie jedes anregende Ge tränk wurden von ihr verpönt, bis fie es geradezu auf eine spartanische Lebensweise gebracht hatte. Aber doch melden fich auch bei ihr noch die Nerven, wenn fie auch jetzt viel weniger unruhig find als früher. es
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