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Ottendorfer Zeitung : 17.11.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190511173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19051117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19051117
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-17
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.11.1905
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polirilcke Kunälckau. Die Wirre« i« Ruhland. *Jn solchen Kreisen, die sowohl dem Hofe als auch Witte nahessehen, wird nach einem Stimmungsbilde der .Köln. Ztg/ d'e Besorgnis nicht geteilt, daß die liberale Wittesche Herr schaft Gefahr liefe, durch eine reaktionäre ab- gelöst zu werden. Graf Witte hat sich dahin geäußert, daß Kaiser Nikolaus nicht nur den R eformvo rsch l ä g en zu gestimmt, sondern auch nach reiflicher Überlegung erklärt habe, er sei innerlich von der Notwendig keit des liberalen Reformwerkes tief über zeugt. Dementsprechend habe auch der Kaiser zu allen Reformen stets seine Zustimmung ge geben, weil er fest daran glaube, daß er damit sowohl den Jnserefsen seines Volkes als auch seinen eigenen am besten diene. *Auf den Straßen Kronstadts liegt das ganze Gut der Einwohner, die geflüchtet lind. Lichtscheues Gesindel bemächtigt sich des herrenlosen Gutes und verschleudert eS zu Spott preisen. Von den an der Meuterei be teiligten Matrosen werden über dreihundert vor ein Kriegsgericht gestellt werden. *Es ist beschlossen worden, im ganzen Gebiete des Königreichs Polen den Kriegs zustand zu erklären. Witte hat sich gegen die Selbstverwaltung Polens ausgesprochen * In Kischinew kam es zu einer Meuterei im Geßängnis, in deren Ver lauf das GelängM in Brand gesteckt wurde. Herbeigeeilte Truppen naben auf die meutern den Sträflinge eine Salve ab, bei der mehrere Sträflinge getötet und viele verwundet wurden. * Gerüchtweise verlautet, die Botschafter einiger fremden Mächte hätten bei der russischen Regierung ernste Vor stellungen wegen der inneren Lage er hoben. (Bisher hatten die Botschafter nur für denSchutz ihrer eigenen Landesangehörigen Sorge getragen.) * Es verlautet, Priester Gapon wäre nach Petersburg zurückgekehrt, um die revolutionäre Bewegung weiter zu organisieren. * * * Deutschland. * Der Kaiser und die Kaiserin trafen in Begleitung des Kronprinzenvaares in Nürnberg ein, um der Enthüllungs feier des Kaiser Wilhelm-Denkmals beizu wohnen. * König Alfons bat sich Sonntag abend nach herzlicher Verabschiedung von der Kaiserfamilie iw einem ihm aus Österreich nach Berlin entgegengesandten Hofzuge nach Wien begeben. * Der Reichskanzler FürstBülow beab sichtigt, wenn seine Dienstgeichäste es gestatten, seine Gemahlin noch im Lauie dieses Monats ausJ'a'ien abzubolen. Sollte der Reichskanzler seine Absicht aus'khren können, so dürste er bei dieser Gelegenheit dem italienischen Minister- piäsidenten Tittoni einen Gegenbesuch adstatten, der schon in Baden-Baden unter diesen Voraussetzungen verabredet war. * Bisher waren demBundesrat fast nur kleine E:ats zugegangen. Jetzt werden auch größere in rascher Folge im Druck fertiggestellt. Der Reichstag wird bei seinem Zusammentritt den vollständigen Reichs h aus h alt voifinden. ' ' * Über dieVorkomm n i sseaufSamoa soll im Reichstag von Mitgliedern verschie dener Parteien eine Interpellation ein- aebracht werden. Das Material, auf Grund dessen die Interpellation erfolgt, soll derartig sein, daß seine Kenntnisgabe ein ferneres Ver bleiben des Gouverneurs Solf in Frage stellen dürfte. ' * Die Tabaksteuervorlage bringt angeblich eine Zigarettenpapier- Stempelsteuer von 2 Mk. für 1000 Blättchen, eine Erhöhung deS Zolles auf ausländische Zigaretten von 270 auf 1200 Mk., be trächtliche Zollerhöhungen für andre Fabrikate, eine Erhöhung des Zolles auf Ta b ai s au c e n von 85 auf 100 Ml. Wertsteuer und für sämt liche Rohtabake von 25 Prozent des Fakturenbetrages. Die Zigarettenbanderolsteuer ist fallengelaffen worden. Mit der Einbringung der Vorlage soll ein provisorisches Sperrgesetz erlassen werden. Die Verzollung findet bis zum April 1906 zum alten Satze statt. *AuS Anlaß der größeren Eisenbahn« Unfälle im Laufe der letzten Zeit hat Minister v. Budde den Eisenbahndirektoren die pünktliche Durchführung der Züge erneut zur Pflicht gewacht und dabei früher ergangene Erlasse zur genauesten Beachtung in Erinnerung gebracht. Mit allen Mitteln müsse auf planmäßige Beförderung der Züge hingewirkt werden. Wo regelmäßige Ver spätungen beobachtet würden, sei ihren Ursachen gründlich nachzugehen. Ergebe sich hierbei, daß die Der zurückgetretene französische Krtegs- mintstcr Berteanx. Verspätungen auf lässige Handhabung des Stations oder Fährdienstes zurückzusühren sind, to sei mit Nachdruck dagegen einzuschreiten. Seiten? der DirekuonSmitglieder und der JnspektionSborstände müsse jede Gelegenheit benutzt werden, bei den Be amten de? äußeren Dienstes das Bewußtsein wach zu erbalten, daß ein Haupterfordernis für die Sicherheit des Betriebes die pünktliche Innehaltung des Fahrplans ist und daß in dieser Beziehung den Güterzüaen und Personenzügen des Nahverkehrs die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen sei wie den Per sonen und Schnellzügen deS Fernverkehrs, unbe schadet des Vorranges der letzteren. Ergäben aber die Untersuchungen, daß unzulängliche Fahr- und Aufenthaltszeiten die Ursache regelmäßig oder doch häufig wiederkehrendcr Zugverspätungen find, so sei alsbald eine Änderung des Fahrplans ins Auge zu fassen. * Nach den ,Grenzboten' fall in den maß gebenden Kreisen die Absicht vorliegen, Dr. Karl Peters in irgend einer Form den deutschkolonialen Interessen wieder dienstbar zu machen; in einer hoben Beamtenstellung werde das zwar kaum möglich sein; trotzdem werde wahrscheinlich eine Form gesunden werden, die es erlaube, seine reichen Erfahrungen für Deutschland nutzbringend zu verwerten. Auch nach der ,Dtsch. Tagesztg.' ist diese Mitteilung richtig. "In Deutsch-Ostafrika ist insofern ein bedeutender Erfolg errungen worden, als man im Bezirk Kilwa den Hauptführer der Aufständischen Kirungu gefangen ge nommen hat. Auch andre Führer sollen sich für Beendigung des Aufstandes erklärt haben. Österreich-Ungarn. * Nachdem die Regierung den Eisen bahnern bedeutende Zugeständnisse gemacht hat, ist die Eisenbahnerbewegung alsveendet zu betrachten. Nkrantreick,. * Mit dem Rücktritt des Kriegsministers Berteaux (früheren Wechselagemen) treten mehrere Verschiebungen im M-Mevum Rouvier ein. Etienne, bisher Minister des Innern, wird Knegsminister, der bisherige Marine minister Thomson wird Minister des Innern, der bisherige Handel-! mmister Dubief wird Marineminnter, und Hanvelsminister wird der Abg. Trouillot. — Also ein rechtes „Ver wechseln des Kabinettlein*! Norwegen. 'Prinz Karl von Dänemark ist durch die Volksabstimmung vom letzten Sonn tag und Montag zum König vonNor - wegen erwählt worden. Bis Montag abend waren in 390 Wahlkreisen 185 000 mit ja und 55 000 mit nein abgegeben worden. Die Ab stimmung hat also eine große Mehrheit er geben. * Als norwegischer Gesandter in Washington ist Kammerherr Hanae, der gegenwärtig schon als norwegischer Geschäftsträger dort weilt, er nannt. Pornrgal. 'Gerüchtweise verlautet, König Dom Karlos werde noch im Laufe dieses Monats den d euts ch en und den österreichischen Hof besuchen. Balfour über die politische Lage. Premierminister Balfour führte in einer Rede über die Weltlage folgendes aus: Ein Ungemach, das wir zu fürchten haben, ist einKrieg. Es ist jetzt eine glücklicheZeit zu einem politischen Überblick, wo der Friede geschlossen ist und unsre Verbündeten sich ans Werk machen, die große Aufgabe der Zivilisation auszusührcn, und wo ihr Gegner, unsre Freunde in Ruß land, das öffentliche Interesse in Anspruch nehmen durch eine große Bewegung in der Richtung auf Selbstverwaltung, wie wir glauben. Die Aufgabe des Kaisers Nikolaus und seiner Ratgeber ist keine leichte. Diejenigen, bei denen seit Jahrhunderten eine parlamentarische Regie rung in Tätigkeit ist, können am besten die Schwierigkeiten des Kaisers und seiner Rat- geber erkennen. Es gibt keinen Bürger in Großbritannien, der ihnen nicht jeden Erfolg wünscht und aus vollstem Herzen den Wunsch hegt, daß die Bewegung in Zukunft nicht durch unnötiges Blutvergießen erschwert wird. Wir hoffen, daß sie ungezählten Millionen ein Glück bringt, das nicht durch schmerzliche Szenen ge trübt wird, wie sie den Anfang der Bewegung zu einem so beklagenswerten machten. D'e britische Regierung hat viele Jahre hindurch ihr Bestes getan, um Kriegsgefahren abzuwehren und einen Krieg unmöglich zu machen, soweit er nicht absichtlich begonnen wurde. Zehn Jahre hindurch hat sich die Regierung bemüht, die ganze Schiedsgerichtsirage aufs äußerste zu entwickeln und Konflikten mit Nachbar ländern ein Ende zu machen. Alle Fälle, wo Großbritannien es zu einem Schiedsspruch ge bracht hat, find von Erfolg gewesen, und die Hindernisse guter Beziehungen find so beseitigt worden. Eine der Hauptquellen von Schwierig keiten sind Grenzsragen gewesen in den Ländern der Wilden in Afrika, oder Ländern, die un vollkommen vermessen find. Sie berühren unsre Beziehungen zu Frankreich, Deutschland, Por tugal und den Ver. Staaten. Zurzeit steht keine Grenzsrage aus. Die Resultate bedeuten, daß für die Dauer Streitursachen beseitigt find, die jeden Augenblick eine akute Form annehmen konnten. Von Korea bis Marokko erstreckt sich eine Reihe von Staaten über drei Weltteile bin, die Schwierigkeiten zwischen den zivilisierten Mächten verursachen können. Sie find De« vresstonsgebiete, die unvermeidlich ein Ein strömen von außen her, das von unheil bringenden Stürmen begleitet ist, veranlassen. Das Ziel der Diplomatie ist, zu verhindern, daß diese zu internationalen Konflikten führen. Das Problem ist nicht leicht. Weniger zivilisierte Nationen können des Handels wegen nicht sich selbst überlassen werden, und der wachsende Wettbewerb der zivilisierten Länder um Absatzgebiete, die nicht von feindlichen Tarifen umringt sind, macht es zu einer inter nationalen Notwendigkeit, in irgend einer Weise Abkommen zu treffen. Wir machen in dieser Hinsicht Fortschritte in der Erkenntnis, daß durch ein Abkommen zwischen den zivilisierten Ländern selbst, — nicht dort wo die weniger Zivilisierten gegen einander los gehen —, der Friede aufrecht zu erhalten ist, und daß ferner unsre Bestrebungen und diejenigen andrer Länder darauf gerichtet sein müssen, mehr und mehr Schiedssprüche anzuwenden, um so schnell als möglich alle Grenzsragen, die Reibungen Hervorrufen, zu regeln. Was für Gefahren bleiben nun noch? Ich bin sanguinisch zu denken, daß wir in Zukunft keinen Krieg sehen, sofern wir uns nicht denken können, daß eine Nation oder ein Herrscher erstände, die unfähig wären, einen Plan nationaler Vergrößerung anders als durch Niedertreten der Rechte der Nachbarn auszusühren. Ich sehe keine Aussicht auf ein solches Unglück in Europa. Es würde eine Rückkehr zu längst vergangenen Tage» sein, wenn Europa gezwungen wäre, ein Bündnis gegen eine oder zwei Mächte einzu gehen. Vor hundert Jahren sagte Pitt in einer Rede, die er nach der Schlacht bei Trafalgar hielt, England habe sich durch seine eigenen Anstrengungen gerettet, und er prophezeite einen lanaen Krieg. So weit menschliche Voraussicht geht, kann ich dagegen einen langen Frieden vropbezeien. Wir sind glücklicher als unsre Voreltern, aber wir müssen auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein. Wirmüffen aus einen Frieden durch die Freundschaft mit allen Nationen rechnen, und muffen Opfer zugunsten unsrer Verteidi gungskraft bringen, welche das Reich der Mög lichkeit eines Angriffs entrückt. Es werden wahrscheinlich langjährige Bemühungen nötig sein, damit wir versichert sein können, daß, wie auch immer die Bewegungen der Diplomatie und die Änderungen in der Weltordnung sich gestalten mögen, dieses Land, dessen Interesse der Friede ist, sicher über den Stürmen des Schicksals steht; und dieses Land, welches in den vordersten Reihen der Zivilisation steht, muß, ohne irgend einem andern Lande in den Weg zu kommen, sein eifriges Bestreben zeigen, diese ganze neue Maschinerie deS Schiedsver fahrens anzuwenden. So schön diese Worte klingen mögen, so darf man doch nicht vergessen, daß die Sachlage in Wirtlichkeit eine andre ist. So, wie Balfour die Lage hier schildert, möchte er sie gern von andern Völkem gesehen wissen — aber seine Friedensschalmei ist verstimmt. — und fern. Ei« heiteres Erlebnis ves Erotzherzogs von Baven. Der Großherzog von Baden schritt kürzlich im bürgerlichen Gewand durch die Stefanienstraße in Baden-Baden, als ihn ein Fremder, der ihm entgegenkam, fragte, was denn los sei. warum die Leute so aufschauten und stehen blieben. „Der Großherzog gehr durch die Straße,* antwortete der Fürst lächelnd und ging seines Weges weiter. Der Fremde fragte nun den nächsten Herankommenden: „Sie, wo ist denn der Großherzog?* — „D'r Groserzog?* lautete die erstaunte Antwort, „d'r Groserzog? Ei, Sie hänn jo eben mit em g'red't." Ein Kabelschachwettkampf wurde in diesen Tagen zwischen einem Berliner und einem New Parker Schachklub ausgesochten. Die Übermittelung der Züge geschah durch das Kabel (Berlin—Emden—Azoreninseln—Amerika) von einem Spieltisch zum andern. Der Austausch von Zug und Gegenzug dauerte mitunter nur 3 bis 4 Minuten. (Man denke, was sich durch Anwendung solcher Wunder der Technik auf nützliche Dinge alles erreichen ließe.) Präsident Roosevelt, das Oberhaupt des demo kratischen Amerika, nimmt immer mehr und mehr die Gewohnheiten eines Königs an. So hat er zu diesem Wettkampf für den siegenden Verein sein Bild mit eigenhändiger Unterschrift gestiftet, das der New Pocker Verein durch einen glänzenden Sieg gegen die Berliner Spieler gewann. / Die Cholera erlösche«. Neue Erkran kungen oder Todesfälle an Cholera find, wie der.Reichsanz/ mitteilt, auch in der evergang- nen Woche im preußischen Staate amtlich nicht gemeldet worden. Die Gesamtzahl der Cholera fälle beträgt bis jetzt 280 Erkrankungen, von denen 89 löblich verliefen. Der deutsche Dampfer „Graf Walder« see" ist bei den Red-Hook-Untiefen (Amerika) aus den Grund geraten. U MalÄfrieäe. 28s ' Roman von Adalbert Reinold. „Elvire* — erwiderte er — „reise glücklich! Auch ich grolle nicht, selbst nicht mit Ida. Meine Handlungsweise war gerecht und richtig. Ohne Sorgen könnt ihr ferner durchs Leben gehen. Wenn dich ein Weh drückt, so ist mein Haus, so lange ich lebe, dir offen, und wenn ich gestorben — — dies liebe Kind hier, Berta, wird auch ein warmes Herz für ihre Tante haben." „So schieden Vater und Tochter. — Die letztere hatte eine Notlüge gemacht. Ida weigerte sich, ihrem Großvater Adieu zu sagen, nicht um ihn zu schonen, nein — sie hatte sogar in- ihrem fast tollen Starrsinn in nicht wiederzugebenden Beleidigungen sich über ihn ausgesprochen. 17. Es schien, als ob das Gebet Bertas Er- hörung finden sollte. — Unter ihrer sanften Pflege, in ihrer wohltuenden Nähe begann der alte Mann neue Lebenskräfte zu gewinnen, und im Monat Juli, nachdem gerade ein Jahr nach der ersten Begegnung Bertas mit dem Graien verflossen war, konnte man ost drei Insassen .in dem mit dem gräflichen Wappen verzierten Wagen fitzen sehen — das blühendste, schönste Mädchen an der Seite eines silberhaarigen Greises und ihnen gegenüber den melancholischen Grasen Karl von Rohden, der dem herrlichen Frauenbilde, feinem Vis-a-vis, voll Liebe in die Augen schaute. Bald brachten die Familien-Nachrichten in den Zeitungen zwei Verlobungs-Anzeigen. Man laS alS solche: Berta Rheinsberg, Graf Karl von Rohden. * Susanne von Berling, Rechtsanwalt Dr. Eduard Kühns. Auch die Herzen des letztgenannten Paares hatten sich gesunden. Der kühne Lebensretter der Tochter der Geheimrätin führte dieselbe heim. Und als im nächsten Jahre der Wonnemonat Mai die Erde in das buntgelockte Lenzgewand gehüllt hatte, als die ersten Rosen den tau frischen Knospen entschlüpften, da kam für Berta eine seltsame Überraschung höchsten Glücks. Ost hatte sich die schöne Braut des Grasen von Rohden nach ihrem trauten Waldhause, nach der Stätte gesehnt, wo sie geboren, wo sie an der Seite und unter der Obhut des ge liebten Vaters aufgewachsen, wo sie diesem das treue, gebrochene Auge zugedrückt hatte. Ihr Bräutigam hatte sie von einem Besuch mitten im Winter, in den rauhen, eisigen Tagen, zurückzuhalten vermocht und sie auf den kommenden Frühling vertröstet, wo ihre erste Ausflucht, dann als junges Ehepaar, nach Bertas Geburtsstätte sein sollte. In dem Walddorfe Friedeberge, das der Gräflich Rohdenschen Gutsherrschaft unterstand, herrschte seit längerer Zeit schon ein reges Leben. Fleißige Hände vieler Bauleute waren be schäftigt, einen Neubau aufzuführen, dessen Zweck bald erkennbar wurde. Graf von Rohden ließ eine Kirche dort er bauen; er war bei der Regierung um die Er laubnis dazu eingekommen und hatte zugleich eine Summe festgestellt, aus deren Zinsertrag das Jahresgehalt eines Pfarrers bestritten werden konnte. Die schmucke Dorfkirche war fix und fertig, als der König Winter seinen Abschied und der Lenz seinen Einzug genommen hatte. Das Trauerjahr war für Berta längst vorüber, das Glück, das sie an der Seite des geliebten Mannes gesunden hatte, machte allmählich die Herzenswunde vernarben, die ihr der Tod des Vaters geschlagen. Die sämtlichen Familienmitglieder deS von Berlingschen Hauses, sowie der alte Baron von Geldern begaben sich mit den beiden Braut paaren nach Liliental, wo die Trauung in ge räuschloser Weife ftattsinden sollte. Alle übrigen, bis auf Berta, waren in das eigentliche Vor haben des Grafen eingeweiht. — Man traf in Liliental ein. „Mein lieber Schatz,* sagte der Graf zu seiner Braut, „dir wird eS gewiß recht sein, wenn wir, nachdem du dich von der Reisetour erholt hast, morgen dein Walvhäuschen und unser altes Herrenhaus zunächst besuchen; damit ist doch zugleich dein sehnlichster Wunsch müllt." Am nächsten Morgen fuhren denn auch von Liliental mehrere Wagen dem Dorfe Fcied- bcrge zu, die die Leiden Brautpaare und deren Familienmitglieder durch die sonnigen Fluren dahin trugen. Es war ein herrlicher Junimorgen — Liebe und Friede schien die ganze Erde ringsum zu atmen. Und als nun die Wagen aus dem Wald dickicht in das freier gelegene Dorf rollten, da tönte ihnen ein liebliches Geläute Heller Glocken entgegen, und dem Auge der erstaunten Berta zeigte sich inmitten des ihr wohlbekannten Dorfes die freundliche, neue Dorskirche. Die Wagen hielten vor derselben. Graf Rohden blickte seine Braut mit glückstrahlenden Augen an, er freute sich sichtlich ihres Staunens und ehe sie ein Wort laut werden ließ, ergriff er ihre Hand und sagte: „Das ist das neue Gotteshaus, in dem der ! erste Segen über uns und Susanne und Eduard gesprochen werden wird. Ich ließ das Kirchlein erbauen, zum Andenken unsres gefundenen Glücks. Hab' ich es dir so recht gemacht?* „Du lieber, guter Mann!" das war die Antwort Bertas und ihr kindliches Auge blickte voll inniger Liebe empor zu ihm. Nachdem die kleine Kirche besichtigt worden war, fuhren die Wagen dem alten Herrenhause zu, wo alles zum Empfang der jungen Herr schaft und der Hochzeitsgäste aufs prächtigste hergerichtet war. Pächter Mahr und der neue Gutsver walter hatten alles nach dem Willen des Grasen geleitet. Und am nächsten Tage sand dann die Trauung der beiden Paare statt. Das freundliche, neue Kirchdorf glänzte gleichsam mit im hochzeitlichen Gewände, auS allen Gesichtern strahlte dankerfüllter Frohsinn.
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