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Ottendorfer Zeitung : 19.11.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190511199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19051119
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19051119
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-19
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 19.11.1905
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AoUnscke Aunälckau. Lis Wirre»! i« Russlaud. * Der Zar entsendet mehrere seiner General- Adjutanten mit außerordentlichen Vollmachten zur Wiederherstellung der Ordnung m die Provinzen. *Die Reichsdumawahlen stehen vor der Tür. Gemäß der im Manifest vom 30. Oktober von dem Kaiser ausgesprochenen Absicht, das Wahlrecht auch auf diejenigen Volksklassen auszudehnen, die desselben bis jetzt noch entbehren, arbeitet, wie amtlich ge meldet wird, der Ministerrat gegenwärtig darauf bezügliche Bestimmungen aus, deren Veröffent lichung baldigst erfolgen soll, worauf die Reichsdumawahlen unverzüglich stattfinden werden. * Der Eisenbahnverkehr in Ruß land ist durch Verkündigung des General streiks in Petersburg von neuem unter brochen worden. Infolgedessen soll über Petersburg der Kriegszustand verhängt werden. *Die Untersuchung der Kronstädter Revolten nähert sich ihrem Ende. Die „Heiden" dieses Dramas sollen erschossen werden — doch aus allen Schichten der Ge sellschaft erheben sich Stimmen, die vor der Ausführung dieser Todesurteile warnen, die in so furchtbarer Zeit der Gärung unabsehbare Folgen nach sich ziehen könnte. Zunächst will die Geistlichkeit mit dem vielgenannten Priester und Schriftsteller Petrow sich an den Zaren um Milderung der Strafe für die Meuterer wenden, sodann tritt fast die gesamte Restdenzpresse gegen die Verhängung von Todesurteilen auf, endlich sammelt die Ein wohnerschaft von Kronstadt Unterschriften für eine im gleichen Sinne gehaltene Petition. "Die Meuterei in Wladiwostok nimmt immer größere Ausdehnung an. Seit Sonntag nacht steht die Stadt in Flammen. Sämtliche Läden, viele Kronsgebäude und chine sische Buden find eingeäschert; die halbe Stadt ist in einen Trümmerhaufen verwandelt. * Admiral Birilew ist von seinem verant wortungsvollen Posten infolge der andauernden Meutereien in der Marine zurückgetreten. Das Marineministerium ist nun dem noch in Ostafien weilenden Andmiral Rosch- djeftwenski, dem Unterlegenen von Tsuschima, angeboten worden. * * * Deutschland. * Der Kaiser, der mit seiner hohen Ge mahlin an der Enthüllungsseier des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. in Nürnberg teilnahm, begab sich von dort nach Donaueschingen. *Die Silberhochzeit des Kaiser paares wird am Berliner Hofe einen Fkrsten- tag großen Stiles versammeln. Der Privat- sekretär König Eduards soll sich dahin ge äußert haben, daß der König und die Königin von England wahrscheinlich Ende Februar dem Berliner Hofe einen Besuch abstatten würden. Mit Bestimmtheit soll zu den Festlichkeiten auch der König vonSachsen, der König und die Königin von Württem berg, Prinz Ludwig vonBayer n, der Groß herzog von Baden, der Herzog Karl Eduard von Sachsen-Koburg-Gotha, der König und die Königin von Italien, der König und die Königin vonRumänien, Kronprinz und Kronprinzessin Konstantin von! Griechenland, Kronprinz und Kronprin zessin von Schweden, Prinz und Prinzessin Karl von Dänemark, Fürst Ferdinand von Bnlgarrenund Fürst Albert vonMonaco - erwartet werden. Die französische Regie-! rung und der Sultan beabsichtigen angeblich! eine besondere diplomatische Mission nach Berlin ! zu entsenden. *Als Nachfolger für Dr. Stübel,! der von der Leitung des Kolonialamis zurück- s tritt, ist Erbprinz zu Hohenlohe- Langenburg in Aussicht genommen. "Dem Obersten Deimling, bisher in der Schutziruppe für Südwestafrika, ist der erbliche Adel verliehen worden. ' * Eine Konferenz von Vertretern der Staats bahnen findet im Eisenacher Hauptbahnhof vom 13. bis 18. November statt. Es wird über den Ausbau eingleisiger in zweiglei sige Bahnen beraten werden. Österreich-Ungar«. *Jn polnischen Kreisen Lembergs war die Nachricht verbreitet worden, daß D euts ch l a nd die Verhängung des Kriegszu standes über Polen veranlaßt habe. Dieses Gerücht benutzten mehrere hundert polnische Agitatoren und Studenten, um vor dem deut schen Konsulat in Lemberg eine Kundgebung zu veranstalten. Nachdem die Fensterscheiben des Konsulatsgebäudes eingeschlagen wurden, trieb die Polizei die Demonstranten auseinander. Die Polizei wurde hieraus mit Steinen be worfen; auch Revolverschüfse wurden aus der Menge abgegeben. Mehrere Studenten wurden schwer verwundet. Auch zwei Polizisten wurden erheblich verletzt. *Die von der Regierung geplante Wahl reform wird am 28. d., am Tage der Sitzungseröffnung, dem Reichsrate vorgelrgt werden. Die Grundlage der neuen Wahl ordnung ist das allgemeine, direkte und gleiche Wahlrecht mit gewissen Einschränkungen. *über die Beilegung des Eisen- bahnarbeiteransstandes wird ge meldet, nachdem durch die Verhandlungen im Eisenbahnministerium die „passive Resistenz" beendet worden sei, werde auch bei den Privatbahnen über dieselben Vorschläge Beschluß gefaßt und überall ordnungsgemäß die Arbeit wieder ausgenommen werden. Italien. * Dienstag abend fand inRom eine große gegen den Militärdienst gerichtete Kundgebung statt, an der sich mehrere tausend Personen, darunter zahlreiche Rekruten, beteiligten. Es wurde ein Beschluß ange nommen, in welchem erklärt wurde, daß, wenn etwa das Militär gegen das Volk kämpfen müßte, die Soldaten gemeinsame Sache mit der Bevölkemng machen würden. Schweden. * Das schwedischeKönigshaus läßt es sich angelegen sein, die Fortdauer der freund- nachbarlichen Beziehungen zum Kopenhagener Hofe zu betonen. Als Zeichen dieses Bestrebens darf wohl der Besuch gelten, den der Kronprinz von Schweden am Kopenhagener Hole gemacht hat. Er besuchte den König und danach den Prinzen Karl von Dänemark in dessen Palais und wurde aufs herzlichste ausgenommen. Norwegen. "Die norwegische Volksabstimmung ergab rund 250 000 Stimmen für, 65 000 gegen den Regierungsantrag, die Krone dem Prinzen Karl von Dänemark anzutragsn. Balkanstaaten. *Wenn die türkische Regierung nicht noch in letzter Stunde nachgibt, dann wird es in den nächsten Tagen zu der angekündigten inter nationalen Flottenkundgebung gegen die Bforte kommen. Am Mittwoch wurde ihr von den Vertretern der Möchte eine Art Ultimatum in der Angelegenheit der mazedonischen Ftnanzreforw und Finanz-Kontrolle überreicht. Englische, französische, österreichische Schiffe usrv. — Deutschland 'oll die Teilnahme abgclchnt haben — dürften eine Blockade der Dardanellen versuchen. Die Blockade dürste Wohl eine Friedensbwckade sein und den Zweck haben, der Türkei durch Absperrung ihr-S Außenhandels zur See'di? Quellen dec Wohlfahrt und insbesondere die Möglichkeit der Ein he düng von Zöllen in Kon stantinopel zu entziehen. (Wenn man aber erwägt, daß der größte Teil des Schiffsverkehrs nach Kon stantinopel durch Schiffe unter fremder Flagge ver mittelt wird, und daß die Einfuhr fremder Artikel dis Ausfuhr um mehr als ein Drittel überwiegt, so würde diese Blockade wohl mehr das Ausland als die Türkei selbst schädigen.) * Bei dem neuen Bombenattentat in Konstantinopel, das gegen den Chef der Ge heimpolizei Fehim-Pascha gerichtet war, ist niemand verletzt worden. Afrika. *Der Sultan von Marokko hat die Vertreter Marokko s für die Konferenz zu Algeciras ernannt. Der erste Vertreter ist Siv Momri, ein hoher Würdenträger des Hofes, weiters Vertreter find zwei in Tanger wohnende marokkanischen Minister. Die drei Würdenträger treffen im Dezember in Tanger ein, um mit den fremden Vertretern über das Datum des Zusammentritts der Konferenz schlüssig zu werden. Japan. * Der Kaiser von Japan begab sich nach dem Ise-Tempel, um den kaiserlichen Ahnen die erfolgreiche Beendigung des Krieges zu berichten. *Frankreich und Rußland haben sich dahm geeinigt, sich in Tokio bis au weiteres durch bevollmächtigte Minister vertreten zu lassen. Die japanische Regierung ließ in Paris wissen, daß sie mit diesen Maß nahmen vollkommen einverstanden ist. Oer polnische Aufruhr in Rußland steht' an einem kritischen Scheide wege. Er ist so hoch angeschwollen und mit der Losreißung eines selbständigen Polenreiches so eng verwachsen, daß es jetzt nur noch ein Biegen oder Brechen geben kann. Der leitende Staatsmann Rußlands, Witte, der sonst zu allen möglichen Zugeständnissen gegenüber der innerrusfischen Veriässungsbewegung bereit ist, steht hier anders, wo es fick um die Erhaltung des russischen Reichsbestandes handelt; er hat sich — gewissermaßen in elfter Stunde vor beugend — unzweideutig gegen alle Anläufe zu polnischer Selbstherrschaft erklärt und wird ihnen gegebenen Falls mit Waffengewalt ent gegentreten. Durch einen Erlaß des Kaisers ist in allen zehn polnischen Gouvernements das Kriegsrecht proklamiert worden. Zu der Abordnung von Warschauer Rechts anwälten äußerte Witte: „Der Kriegszustand in Polen wird nicht aufgehoben, Reformen we den nicht eingeführt, bis das Land sich be ruhigt hat. Ich befürworte eine lokale Selbst verwaltung, aber keine politische Autonomie. Ich bin Polen wohlgeneigt, aber unter Zwang wird die Regierung nicht nachgeben." Noch schärfer kommt dieser Standpunkt in einem amtlichen Erlasse gegen die polnische Be wegung zum Ausdruck. Witte tadelt dann die polnischen Politiker heftig und ermahnt sie, der Vergangenheit eingedenk zu sein: „In gänzlichem Vergessen früher erteilter empfindlicher Lehren geben die polnischen Poli tiker, die die nationale Bewegung im König reich Polen leiten, Bestrebungen kund, die ebenso gefährlich für die Bevölkerung Polens wie unverschämt gegen das russische Reich und auf eine Trennung von letzterem gerichtet find. Solange die Ruhe nicht hergestellt ist, wird Polen nicht eine der im Manifest gewährleisteten Wohltaten genießen können; denn unter allen Umständen wird die Ordnung aufrecht erhalten werden." Das ist die russische Antwort auf die mannigfachen Forderungen, die an Witte be treffs einer polnischen Autonomie herangetreten find. In der Form waren dieselben verschieden, in der Sache liefen sie alle auf ein unab hängiges Polenreich, mehr oder minder ver brämt, hinaus. Eine polnische Notabelnversammlung, an der 150 Personen teilnahmen, hatte bereits eine regelrechte Verfassung Mr ein Königreich Polen ausgearbettet. Dem Zaren soll der Titel eines Königs von Polen bleiben; dafür soll er dem Lande die Selbstverwaltung mit einem eigenen Parlament gewähren. Als Statthalter hatte man sich vielfach den Bruder des Londoner Botschafters Benkendorff, den bekannten Engländertreund, gewünscht. Sechst der polenfreundliche,Russ' warnt jetzt die Polen vor Torheiten, die zu einem Zusammenbruch wie 1863 führen könnten. Wenn es dazu nicht kommen soll, so ist es die höchste Zeit, daß man in Warschau umkehrt. Denn bereits be trachten alle mit polnischen Elementen versetzten Staaten das Treiben dort mit dem äußersten Mißtrauen, zumal es sich auf dem Hintergründe einer großen europäischen Verhetzung abspielt. Polnische Blätter haben darüber belehrt, welche Rolle darin König Eduard VH. zugedacht ist, und manche verdächtige Auslassungen in der Londoner und Pariser Presse haben das MÄ- trauen noch gesteigert. Preußens Maßnah,: n gegen die russisch-polnische Grenze find durchaus gerechtfertigt; denn es ist nicht ausgeschlosf^n, daß größere Massen von Revolutionären bei einem möglichen Zusammentreffen mit den zarischen Truypen versuchen werden, über die preußische Grenze zu treren. ^on und fern Ne«e»tdcckte SoolqneUea. Gelegentlich ihrer Bohrungen nach Kohlen im Kreise MörS hat die Internationale Bohrgesellschaft Erkelenz auch in der Nähe des bekannten Wallfahrts ortes Kevelaer starke Soolquellen erschlossen. Jetzt ist ihr zur Ausbeutung derselben die Berggerechtsawe verliehen worden. Im Sturm ««tergegange» ist der Schoner „Luise" auS Travemünde auf der Fahrt nach Christiania. Die ganze Besatzung von 17 Mann ist ertrunken. Eine wackere Tat vollsührte im Kieler Hafen der Matrose Max Koch. Morgens früb erscholl plötzlich der Ruf „Mann über Bord!" Koch stürzte auf Deck und ins Wasser. Er brachte den inzwischen schon Untergegangenen, einen Obermattosen, wieder empor; aber dieser wehrte sich kräftig gegen seine Rettung. Ec hatte nämlich etwas auf dem Kerbholz und war aus Furcht vor Strafe ins Wasser ge sprungen. Koch ließ aber nicht los, und es gelang, beide in ein Boot zu ziehen. Der Gerettete hatte schon viel Wasser geschluckt, so daß er bis Mittag ohne Besinnung dalag. Der «achträglick, belohnte Lebens retter« Bei Gelegenheit der Rheinfahrt deutscher Torpedoboote vor einigen Jahren rettete ein Obermaat in der Nähe von Koblenz unter eigener Lebensgefahr eine junge Dame vom Ertrinken. Einen Lohn für seine damalige Heldentat hat er jetzt erhalten; ein kürzlich ver storbener Onkel der Dame hat dem Retter seiner Nichte 24 000 Mk. vermacht. Auch i« Pommer« werde« «och grosse Bauerichoch zetten gefeiert. Zu einer Bauern- hochzut im Reg.-Bez. Köslin waren 400 Ein ladungen ergangen. Für Speisung der Gäste waren angeschafft worden: Sechs Zentner Schweinefleisch, 12 Hammel, 4 Zentner Kalb fleisch; an Wild ein großer Hirsch, zwei Rehe und 8 Haien, Wetter gegen 50 Stück Suppen hühner und Tauben, 20 Gänse und 4 Zentner Fische. Fabrikbrand. Dienstag nacht brannte di« Holzwarenfabrik von Abbes u. Komp, in Holz minden ab. Der Schaden wird auf 115 M Mark beziffert. Mord und Selbstmord auf offener Strasse. Am Sonntag abend erschoß ein unger Mann in Delmenhorst auf offener Straße durch vier Revolverschüfse ein junges Mädchen und dann sich selbst. Der Grund zu dieser Tat ist unbekannt. Im Gefängnis erhä gt. Der frühere Kalkwerksdirektor Heinrich kamen aus Geseke, gegen den zwei Tage vor dem Schwurgericht n Bremen wegen Urkundenfälschung, Betruges und Meineids verhandelt wurde, hat fich nachts nn Ge'ängnis erhängt. Hochzeit ohue Bräutigam. AIS bei einer Hochzeit in Osnabrück die Hochzeitsgesell- chaft sich zu Tisch begeben hatte, wurde der unge Ehemann verhaftet, wodurch das Fest ein ähes Ekde fand. Explofio«. Infolge Explosion eines Kohlen- Surebeyälters in einem Restaurant in Breslau wurde das ganze Lokal demoliert. Die Gast wirtin Bartsch und ein Gast, der Gärtner Lanz, wurden schwer verwundet. Blutiger Zusammenstoss. In Janow (Schlesien) kam es Dienstag abend zu Tätlich eiten zwischen Ausständigen und den Gendarmen. Ein Gendarm, welcher einen seiner Angreifer erschossen und mehrere andre schwer verwundet halte, wurde schwer verletzt. A Oie Oauern-Oruukiläe. Eine Erzählung auS den bayrischen Bergen van Y Max Neal.*) 1. Die Wirtin von Sacharang. In dem lieblichen, sonnenfreundlichen Tal, das fich von Hohenaschau bis hinaus zum Inn nach Kufstein zieht, liegt auf halbem Wege der kleine, freundliche Ort Sacharang. Rechts vom hohen Spitzstein, links vom imposanten Geigel stein begrenzt, reihen fich die schmucken Häuser mit ihren blumengeschmückten Altanen und ihren hohen stolzen Giebeln der breiten, viel be fahrenen Landstraße entlang aneinander wie glitzernde Perlen an einer weißen Seidenschnur. Nur hier und dort hat fich ein Bauernhof die stell aufsteigende, mit grünen Matten bedeckte Bergwand erobert und seine luftige Position dem Sturm und den Lawinen zum Trotz seit Jahrzehnten tapfer verteidigt. Und waS daS heißen will, kann nur der ermessen, der einmal den Winter im Gebirge zugebracht hat, der in einem von hohen Schneewänden umgebenen Hause wie ein Lebendigbegrabener wochenlang eingeschloffen war oder bei wildem Föhn den Donner der niedergehenden Lawinen gehört hat, die, alles mit fich reißend, unter Krachen und Tosen fich den Weg zum Tale bahnen. Ist aber dann der Frühling mit seinem flimmernden Sonnenmantel um die Schultern und dem blau leuchtenden Himmelsturban auf dem Kop- wirklich ins Land gezogen und haben »r Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. fich zu seinen Evren die Bäume mit duftenden Blüten, und Feld und Au mit bunten Blumen geschmückt, dann mag es Wohl kein schöneres, herrlicheres Plätzchen auf dem weiten Erdenrund geben als Sacharang. Zu der Zeit, zu der unsre Erzählung svielt, stand am Ende des Dorfes mit dem Rücken an eine jäh fich auftürmende Nag'fluh- wand gelehnt, ein stattliches Haus mit grünen, weiß überkreuzten Fensterläden und einem ver- goldeten Florian auf dem hochpiebeligen First. Der ansehnliche, ziemlich große Bau ließ über- all die sorgende, unermüdliche Hand des Be sitzers erkennen, der alles daran zu setzen schien, um sein Eigentum stets sauber und in guter Ordnung z« erhalten. Über der Ein gangstür, zu der ein paar steinerne Treppen emvoriührten, tanzte in einem blechernen Arabeskenkranz ein wunderlich aussehender, grau gemalter Bär, der im Verein mit den vw dem Hause stehenden kreuzbeinigen Futter- barren dem müden Wanderer oder dem durstigen Fuhrmann keinen Zweifel ließ, daß hier der geeignetste Platz sei, Rast zu halten und die leiblichen Bedürfnisse zu befriedigen. Und in der Tat kredenzte das Mrtshaus „Zum grauen Bären" einen Tiroler, wie man ihn besser in der ganze» Umgebung nicht bekam, auch das Bier war frisch, dazu das Essen vorzüglich, kurzum es ließ fich in dem kleinen, von breitästigen Kastanienbäumen beschatteten Garten neben dem Hause an heißen Sommertagen ein köstliches Dasein führen. Veronika Neumayer, die Herrin des Hauses, hielt streng darauf, daß kein Gast, wer er auch sei, unbefriedigt von dannen ging. Darein setzte sie ihren Siolz. Vor drei Jahren hatte fie die Wirtschaft in ziemlich herabgekommenem Zu stande von dem Bruder ihrer verstorbenen Mutter geerbt und fich genötigt gesehen, in eigener Person fest zuzugreifen, wollte fie nicht, daß ihr die Erbschaft unter den Händen zerrann und der Gerichtsvollzieher als unwillkommener Gast bei ihr erschien. So war fie denn Tag und Nacht an der Arbeit, gönnte fich keine Ruhe, und ihrer Men Energie und ihrer trotzi gen Willensstärke gelang es denn auch, dem „Grauen Bären" wieder auf die Beine zu helfen. Veronika war ein Mädchen von etwa 26 Jahren. Ihre hochstämmige, breitschulterige Gestalt, ihre muskulösen vollen Arme, der Reiz üppiger Jungfräulichkeit verbunden mtt männ licher Kraft, der feste Blick und die scharf- geprägten, dabei doch hübschen Gefichtszüge aaben ihr etwas Eigenartiges, etwas Brun- hildenhaftes, das anziehend und abstoßend zu gleicher Zeit war. Mehr noch aber als durch iüre Größe war sie durch ihre außerordentliche Kraft bekannt. Wiederholt schufen ihre sehnigen Arme bei Raufereien rascher Frieden, als dies Männerwort vermocht hätte. Sie faßte ohne ein Wort zu sprechen je einen aus den streiten den Parteien beim Kragen und beförderte fie trotz der heftigsten Gegenwehr an die Lust. Diese Exekution machte auf die übrigen stets einen dermaßen tiefen Eindruck, daß sie alle Lust verloren, den Raushandel fortzusetzen Veronika war sich aber auch ihrer Macht und außergewöhnlichen Silvio wohl bewußt, ja fie tat fich auf dieselbe viel zugute und prahlte gern damit. Sie scheute fich sogar nicht, Herausforderungen der stärksten Burschen u» Ort und der Nachbardörfer anzunehmen und fie hatte bis jetzt noch jeden, der fich mtt ihr einließ, zu Boden gerungen. Der Bader vo« Sachacang konnte dies bestätigen, er hatte s» manche verrenkte Schulter einzurichten und so mancke Kovfwunde zu verbinden, die sich in» Burschen beim Ringkampf mtt der Bauer»» brunhilde zugerogeu batten. Aus den angegebenen Gründen gehörte eS begreiflicherweise zu den Seltenheiten, daß i» „Grauen Bären" Slreit entstand, man kamt« die Wirtin und hütete fich, fie zu reizen. Da» gegen versuchte mancher wohlhabende Bauers» lohn Herz und Hand der Bärenwirtin zu a» ringen, freilich ohne jeden Erfolg. Veronik» wies fie alle ab, ohne Ausnahme. „Woaßt, i kann an Mo, der mi net nieder» ringt, der mi net Herr wird', net mög'n nnd net achten. Und oan, der dös z'sammbringt, hab' i no net g'fund'u. Wannst aba stärk« bist wia i, na' derfst wieder kemma. Na' red'» ma weita l" Mit diesen Worten verabschiedete fie lachond stets ihre Freier, deren denn bald tmmoc weniger wurden. So ist es gekommen, l aß Veronika Neumayer ledig geblieben ist. Aber fie hat fich auS diesem Mißgeschick nicht wo! gemacht, fie führte mit Strenge und Umsicht das Regiment im Hause Wetter, und die blanke« Taler, die fie in einem alten Strumpf uL Fußende ihres Bettes verbarg, vermehrten sich von Jahr zu Jahr. Da meldete fich eines Tages ein neuer
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