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Ottendorfer Zeitung : 07.06.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190506077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19050607
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19050607
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-06
- Tag 1905-06-07
-
Monat
1905-06
-
Jahr
1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 07.06.1905
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politische Kunälchau. Ter r«sfisch'japa«ischc Krieg. * Unermüdlich find die Japaner am Werk, ihr großes Zerstörungswerk an der russischen Flotte, das sie bei Tsuschima begannen, fort zusetzen und zu vollenden. Ihre flinken Kreuzer und Torpedoboote jagen rastlos den aus einandergesprengten Trümmern der poch vor Tagen so gewaltigen russischen Armada nach, bringen sie auf oder vernichten sie. Und so kann man denn schon jetzt sagen: Das G e - schwader RyschdjestwenskyS nicht nur, nein, die russische Flotte überhaupt ist ge wesen. Es wird jahrzehntelanger Arbeit und Milliarden von Rubeln bedürfen, um die russische Flotte wieder zu einem im inter nationalen Wettbewerb ernsthaften Faktor zu gestalten. * Das japanische Marinedepartement macht bekannt, daß während der Schlacht in der Koreastraße nur drei Torpedoboote auf Seite der Japaner verloren gegangen find. Die Verluste der ersten Division werden auf etwas über 400 Mann geschätzt. Prinz Iosihito ist bei bestem Wohlsein. Admiral Misu ist leicht ver wundet worden. * Uber das Befinden Roschdjest - wenskys, der schwer verwundet als Ge fangener in das japanische Marinehospital von Sasebo gebracht wurde, wird gemeldet, daß der Admiral einen Schädelbruch, der eine Operation nötig mache, erlitten habe. Sein Zu stand sei ernst, aber mcht lebensgefährlich. *Der gleichfalls gefangene Chef des Hilfsgeschwaders, Admiral Nebogatow, er klärt, er habe sich deshalb ergeben, weil er ent rüstet über das Vorgehen Roschdjestwenskys ge wesen sei, der entgegen allgemeiner Ansicht die Meerenge von Korea passieren wollte. *Vom Landkrieg meldete General Lenewitsch dem Kaiser unter dem 29. Mai: Russische Kavallerie nahm am 24. Mai bei dem Dorfe Gangowtzi, 15 Werst nördlich von Vankhego, eine kleine Proviantkolonne weg, welche von bewaffneten Chinesen begleitet war. (Ist solch kleiner Erfolg denn schon des Tele- graphierens wert?) *Wie jetzt in Petersburg amtlich zugegeben wird, find in der Seeschlacht bei Tsuschima sechs russische Schlachtschiffe, fünf Kreuzer, zwei Spezialschiffe und drei Torpedobootszerstörer gesunken; zwei Schlachtschiffe, zwei Küsten- panzer und ein Torpedoboot find von den Japanern genommen worden. Also hat Rußland 22 Schiffe mit einem Gesamttonnen gehalt von 158411 Tonnen verloren. *Der verflossene Statthalter Alexejew kommt wieder zu Ehren, nachdem so viele tüchtige und noch mehr untüchtige Männer die Unheilskette nicht zu brechen vermochten, die er vor allen für Rußland zu flechten begonnen hatte. Alexejew hat sich am Mittwoch nach Zarskoje Selo zum Kaiser begeben. — (Ob der Rat und Hilfe bringen wird?) *Der am Donnerstag unter dem Vorfitz des Zaren abgehaltene Ministerrat beschloß die ungeschwächte Fortsetzung des Krieges! * Immer klarer wird es, welchen schweren Fehler die Russen dadurch begangen haben, daß sie sich nach der Schlacht von Mulden nicht zum Friedensschluß herbeilassen wollten. Damals war der geeignete Moment, wo sich Japan durch die Demonstration der herannahenden baltischen Flotte noch hätte im ponieren lasten, und wo es sich zu billigeren Fried ensbedmgungen verstanden haben würde, als dies vermutlich heute der Fall ist. Heute, wo die baltische Flotte so gut wie vernichtet, wo Admiral Roschdjestwensly, der letzte Hort der russischen Opümifien, Japans Gefangener ist, heute kann der Mikado seine Forderungen nach Belieben übertreiben, ohne daß seinen Be dingungen andre Grenzen gezogen wären als die, die daS Interesse der Mächte notwendig erscheinen läßt. Daß der Zar beharrlich eine energische Fortsetzung des Krieges will, hat keine besondere Bedeutung, weil der Selbst herrscher sehr wankelmütig ist und ferner, weil den Russen die Mittel zum Kriegsühren aus gehen werden. Londoner Blätter veröffentlichen folgende Bedingungen, die Japan zu stellen be- abfichtigt: Kriegsentschädigung von zwei Milliarden Mark, Schleifung der Festungswerke von Wladiwostok, dessen Hafen in einen Handelshafen umgewsndelt werden soll, Verpflichtung seitens Rußlands, während einer noch festzulegenden Periode keine Kriegsschiffs nach chinesischen oder japanischen Gewässern zu ent senden, die Abtretung Sachalins, Port Arthurs und der Liautung-Halbinsel, Abtretung eines großen Teils brr mandschurischen Eisenbahn und endlich An erkennung des japanischen Protektorats über Korea seitens Rußlands. * Da die Notwendigkeit, die früheren japa nischen Schiffsverluste zu verheimlichen, nicht mehr besteht, gibt das japanische Marineamt jetzt den Verlust des Schlachtschiffes „Jaschima" vor Port Arthur im Mai 190t sowie die übrigen bis her zurückgehaltenen Verlusts bekannt. Die Liste ist folgende: „Jaschima" auf eine Mine am 15. Mai 1904 bei der Blockade von Port Arthur geraten, der Torpedobootszerstörer „Matsuki" gleichfalls vor Port Arthur am 17. Mai, das Kanonenboot „Oschima" infolge eines Zusammenstoßes, als es mit der Landarmee vor Liautung zusammenwirkte, am 17. Mai; der Torpedobootszerstörer „Hayatori" stieß auf eine Mine und sank am 3. September während der Blockade von Port Arthur, das Kanonenboot „Ataja" stieß auf einen Felsen und sank am 6. November bei der Blockade von Port Arthur, der Kreuzer „Takasago" stieß auf eine Mine und sank am 12. Dezember gleichfalls vor Port Arthur. * Ter KonfliktJapan-Frankreich wegen des Unterschlupfs, den Frankreich dem baltischen Geschwader in seinen indochinesischen Häfen so bereitwillig gegeben hatte, gilt jetzt als völlig ausgeglichen. Japan scheint jetzt, wo es Sieger geblieben, großmütig auf weitere Vorstellungen in Paris verzichten zu wollen. Im französischen Ministerium des Auswärtigen wird formell das Gerücht für unbegründet erklärt, nach dem Japan an die französische Regierung eine Entschädi gungsforderung für die Verletzung der Neutralität in dem russisch-japanischen Kriege hätte gelangen lassen. Vergessen aber werden die Japaner den Franzosen ihre Haltung nie mals, und Delcassö mag diesen Erfolg getrost zu seinen übrigen diplomatischen „Triumphen" legen. * * * Zu den russischen Wirre«. *Jn Lodz nehmen die Unruhen kein Ende. Am Mittwoch ging Infanterie gegen eine 600 köpfige Volksmenge vor, die sich beim Hospital des Roten Kreuzes angesammelt hatte. Ächt Arbeiter wurden verwundet. Ein Schutz mann wurde durch vier von Unbekannten abge gebene Revolverschüsse verletzt. * * He Deutschland. * Der Bund esrat hat den Gesetzentwürfen betr. Änderungen des Gerichtsverfassungsgefetzes und der Zivilprozeßordnung zugestimmt. Ebenso fanden die Gesetzentwürfe für Elsaß-Lothringen über das öffentliche Vereins- und Versammlungs recht und über die Synodalordnung für die reformierte Kirche in den Reichslanden Annahme. * Der erstedeutscheMinendampfer soll auf der Weserwerst gebaut werden. Die Bedeutung des Minenwesens für den Seekrieg, die namentlich im russisch-japanischen Kriege zu tage getreten ist, hat die Marineverwaltung ver anlaßt, ein modernes, mit allen technischen Ausrüstungen versehenes Minenschiff erbauen zu lassen und ihm eine starke Antitorpedo- bewafinung zu geben. Das jetzige Minenschiff „Pelikan", als Transportschiff 1889/91 gebaut, führt nur vier 8,8 Zentimeter-Schnellfeuer geschütze und vier Maschinengewehre. Die ge samten Baukosten des Minendampfers find auf 2,7 Millionen Mark festgesetzt, davon entfällt eine halbe Million auf die Bestückung. Der Neubau wird Ende 1906 vollendet sein. * Die vom preußischen Abgeordnetenhaus« beschlossenen Verschärfungen der Waren haussteuer find vom Herrenhause abge - lehnt worden. Frankreich. *Auf König Alfons von Spanien, der in Paris zum Besuch des Präsidenten Loubet weilt, ist am Donnerstag abend ein Bombenattentat verübt worden. Der König blieb unverletzt, auch Loubet, der ihn begleitete, kam mit dem Schrecken davon. Etwa 15 Personen sind verletzt. Der Täter ist bis her noch nicht ermittelt worden. Afrika. * Von Burentrecks nach Deutsch-Süd- westasrika und Deutsch - Ostafrika wollen nam hafte Bureuführer selbst nichts wissen. Ein von Botha, Schalk-Burger, Brysrs und Delarey unterzeichneter Aufruf erklärt, nach Prüfung der Verhältnisse in Deutsch-Südwest- und Deuisch- Ostafrika seien sie zu der Überzeugung ge kommen, daß diese Gebiete sich nicht zur Ein wanderung von Buren eigneten. Sie erklären, jetzt, wo die Verwaltung in den früheren Burenstaaten auf demokratischer Grundlage gebessert werden soll, müßten die Buren in dem Lande verbleiben, das ihre Angehörigen mit ihrem Blute getränkt haben. Von I^ak unä fern. Neue Signale. In Gegenwart von Ver tretern des Preuß. Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, des Reichs-Marineamts, der hollän dischen und englischen Marinebehörden zahl reicher Wersten und Reedereien fanden dieser Tage vor der Wesermündung die ersten prak tischen Versuche mit dem neuen Unterwasser- Glockenschallfignal zwischen dem mit diesem Apparat ausgerüsteten Außenweser-Feuerschiff und dem Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd „Kaiser Wilhelm II." statt. Auf eine Entfernung von 7'/r Seemeilen konnten die Schläge der etwa 20 Fuß unter Wasser hängenden Glocke deutlich vernommen werden. Sämtliche an Bord befindlichen Fachleute be urteilen die Erfindung außerordentlich günstig und bezeichnen sie als bedeutende Verbesserung des bisher in mancher Beziehung ungenügen den Nebelfignalwesens. Folge großer Hitze. In der siebenten Abendstunde trat am Mittwoch zum Leidwesen der Reisenden in dem gesamten Stadtbahn betriebe Berlins eine empfindliche Stockung ein. Die Veranlassung dazu gab die übermäßige Hitze, die zur Folge hatte, daß sich die Schienen am Bahnhof Börse warfen. Die Züge mußten daher bedeutend langsamer fahren. Bei der tropischen Temperatur gehörte die unfreiwillige Wartezeit auf der Strecke in den dunstigen Ab teilen keineswegs zu den Annehmlichkeiten. Der Raubanfall auf einen Kaffenboten. In dem Verfahren gegen den Bauunternehmer John aus Fürstenwalde wegen versuchten Raubes ist eine eigenartige Wendung eingetreten. John hatte bekanntlich in Berlin auf einen Kassenboten einen Raubanfall verübt. Da die ganze Tat schon damals einen sonderbaren Eindruck machte, nahm man von vornherein an, daß I. die Tat nur in einem Anfall von Geistesstörung verübt haben konnte. Er wurde auf Antrag des Rechtsanwalts Marcuse der Irrenanstalt Herzberge überwiesen. Hier ist er nach längerer Beobachtung als geistesskrank er kannt worden. Der Erste Staatsanwalt hat nunmehr selbst die Einstellung des Verfahrens verfügt und beantragt, John dauerno in einer Irrenanstalt festzuh alten. I. An den Folgen einer Blutvergiftung gestorben ist der Oberst v. Gropper, Kom mandeur des bayrischen Infanterieregiments Nr. 5 in Bamberg. Oberst v. G. mußte sich vor kurzem einer Zahnoperation unterziehen, nach der er alsbald schwer erkrankte. Es hatte sich eine sog. Strahlenpilzerkrankung eingestellt, deren Wucherung am Kiefer auf operativem Wege glücklich entfernt werden konnte. Nachdem im Laufe der nächstfolgenden Tage eine wesent liche Besserung eingetreten war, verschlimmerte sich der Zustand des Patienten plötzlich der artig, daß er in der Nacht seinem Leiden erlag, v. G. war erst vor drei Monaten zum Oberst und Kommandeur des 5. Infanterieregiments ernannt worden; er hat ein Alter von 51 Jah«» erreicht. Frau Major Sydow begnadigt. Der wegen Kindesmrßhandlung zu vier Monat fängnis verurteilten Frau Major Sydow H nachdem sie zwei Drittel ihrer Strafe verbW hat, mit Rücksicht auf ihren leidenden Zustand das letzte Drittel derselben im Gnadenwege «' lassen worden. Masse« von Seehunde« sollen sich abev mals in der Ostsee zeigen, sie belästigen dir Fischer stark und holen ihnen dis Fische von den Angeln und aus den Netzen. Auf der Insel Amö find 80 Dorschreusen von ihnen zerbissen worden. Die Seehunde sollen, w« die Delphine, die man auch auffallend zahlreich bemerlt, den überaus häufigen Herings- und Sprottenschwärmen folgen. Auch von der mecklenburgischen Küste werden gleiche Be> obachtungen gemeldet. In der Narkose verstorben ist eine« Zahntechniker in Gollnow während einer Zahn' operation ein Buchhalter. Der Zahntechniker wird fich vor Gericht zu verantworten haben. I. Der frühere Oberleutnant Wessel, der von der Staskammer in Thorn wegen schwerer Urkundenfälschung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde, hat nachträglich auf Einlegung weiterer Rechtsmittel Verzicht geleistet. Wessel batte auf eine diesbezügliche Frage des Prä' stdenten erwidert, daß er das Urteil nicht an nehmen und Revision einlegen wolle. Er W demnach nach Anrechnung der Untersuchungshaft noch drei Monate zu verbüßen. Den Ausgang des Prozesses ließ er noch am Tage der Urteils' sällung seiner in Nizza weilenden Gattin tele' graphisch mitteilen. Einem Mordbube« ist der Radfahrer Blömer in Köln zum Opfer gefallen. Del Jagdhüter Braß legte fich in angetrunkenes Zustande auf die Lauer, um den ersten besten des Weges kommenden Menschen zu erschießen- Mehrere Radfahrer sahen ihn schußbereit ,is Gebüsch liegen und entkamen nur durch schleunige Flucht. Den Radfahrer Blömel, der mit seine« fünfzehnjährigen Sohn vorüberfuhr, ereilte das Geschick. Durch eine Kugel ins Herz getroffen, stürzte er tot vorn Rade. Tod durch Überfahre«. In Krefeld wurde die 19 jährige Tochter einer Webel' familie von einem Radfahrer umgestoßen und geriet unter einen elektrischen Straßenbahn' wagen. Die erlittenen schweren Verletzungen hatten den alsbaldigen Tod deS Mädchens B Folge. An Verblutung gestorben ist in Ha«' born ein vierjähriger Knabe, der beim Spiel von einem Eisenbahnwagen der Arm abgefahren worden war. Seine Spielgenossen ließen ihn im Stich, und als endlich Hilfe kam, war del Knabe tot. Selbstmord eines Defraudanten. Ein Schutzmann in Mannheim bemerkte unweit der Friedr ichsbrücke daselbst einen elegant gekleideten Herrn, dessen scheues Wesen ihm ausstel und in dein er einen steckbrieflich verfolgten Defraudanten ven mutete. Al« der Fremde wahrnahm, daß er de' obachtet wurde, nahm er schleunigst Reißaus, vsn folgt von dem Schutzmann. Plötzlich verschwand der Flüchtige in den Flur eines Hauses. Als der Beamte zu seiner Verhaftung schreiten wollte, ein Revolvcrschuß. Der Fremde hatte sich in de« Vorkeller jenes HauseS mit dem Revolver erschossen- Nach den bei der Leiche vorgefundenen Legitimation?' papieren handelt es sich um den Kassierer Schmid' des „Brauhauses Würzburg" der am 5. Aprilo- nach Unterschlagung von 16 000 Mark von do« flüchtig geworden war. In den Taschen des Tot« wurde außer einigem Kleingeld nur eine 100 Fr am' note gefunden. Die Würzburger Staatsanwaltschaft wurde sofort von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt' Selbstmord einer Mutter. In Königs' bach bet Pforzheim setzte fich ein 19 jährig^ Mädchen in einer Scheune auf ein Strohbünd^ und zündete dieses on. Hinzueilende Leu« konnten das Mädchen nicht mehr retten. Da» Feuer, das auch die Scheune ergriffen Hai«' wurde bald gelöscht. Die Ursache dieses eige«' artigen Selbstmordes soll darin zu finden seM- daß man dem Mädchen ihr kürzlich geborenes Kind von ihr genommen hat. OK Twei frauen. 84) Roman von E. Borchart. iFortsetzung.) „Dorn begegnete der Schwester seines Freundes artig und höflich. Er war so an Frauengunst gewöhnt, daß ihn Beates Ent gegenkommen nicht sonderlich berührte. Ander seits war er aber auch sehr verwöhnt, und wenn etwas oder jemand seine Pläne durch kreuzte, konnte er rücksichtslos offen und schroff sein. So komplimentierte er Beate einfach hinaus aus dem Musikzimmer, wenn die Zeit meines Unterrichts, die er gewissenhaft innehielt, gekommen war, und Beate fühlte fich dadurch stets tief verletzt. Sie zeigte es klugerweise nicht, aber sie verfolgte uns mit Argwohn und brennender Eifersucht und wußte es immer geschickt so einzurichten, daß fie anscheinend zu fällig oder nichtsahnend im Mufikzimmer zu tun hatte und also unsre Stunde störte. Nur mit Mühe beherrschte Dorn, der viel leicht den wahren Sachverhalt ahnte, seinen Unmut. Beate war eben die Schwester seines Freundes, und Herbert hielt sehr viel von dieser einzigen Schwester. Darum ertrugen wir geduldig und freundlich ihre drückende Gegenwart, die unserm frohen Kreise alle Harmlosigkeit genommen hatte. Wir atmeten auf, als fie endlich nach wochenlangem Aufent halt nach Landegg zurückkehrte. Die alte schöne Zeit schien damit wiederge kommen zu sein. Ich studierte eifrig, und meine Stimme entfaltete sich mehr und mehr. Einmal — es war gewiß nicht Dorns Ab sicht, unmögliche Wünsche in mir zu erwecken — brach er in den Ausruf aus: „Es ist ewig schade, daß diese Stimme der Welt verloren gehen, daß sie ungehört und unbewundert in der Einsamkeit verklingen soll." Er hatte damit nur meinem eigenen Empfinden Ausdruck gegeben. Ich geizte nicht nach eitlem Ruhm, aber meine Kunst konnte fich nur auf der Bühne zu ihrem vollen Glanze entfalten, das fühlte ich. „Warum muß sie denn in der Einsamkeit verklingen?" fragte ich kühn. „Ich will meine Stimme in den Dienst der Kunst stellen, ich will ihr den Platz weisen, auf den fie gehört: auf die Bühne. Sie erschrecken? Sie meinen, als Gattin eines Grafen Landegg wäre das nicht möglich?" „Herbert wird nie seine Zustimmung geben," erwiderte er ernst. „Auch nicht, wenn ich unter anderm Namen sänge? Würde es Ihnen schwer sein, mir ein Gastspiel an der hiesigen Oper auszu wirken ?" „Nichts leichter als das, aber Herbert wird auch das nicht gestatten." „Sie find ein Pessimist. Haben Sie denn nicht gesehen, daß er mich mit der Erfüllung meiner Wünsche bisher unverantwortlich ver wöhnt hat? Nein, nein, sagen Sie nichts, ich setze es durch. Ich sehne mich danach, mit Ihnen zu fingen und zu spielen, wenn Sie mich Ihrer Partnerschaft für würdig halten." So suchte ich noch eine Weile seine Be denken zu zerstreuen und seine Einwendungen zu widerlegen. Schließlich nahm er mir aber das Ver sprechen ab, vorläufig noch nichts von meinen Wünschen gegen Herbert laut werden zu lassen und eine günstige Gelegenheit abzupassen. Meine Studien betrieb ich jedoch eifriger denn je, bis der Frühling ihnen ein Ziel setzte oder doch wenigstens einen Stillstand gebot. Meine Schwiegermutter war schon lange ernstlich leidend, und der Arzt wünschte für fie dringend einen längeren Aufenthalt im Süden. Mein Schwiegervater schrieb daher an meinen Gatten, er möge fich Urlaub erwirken und für einige Zeit nach Landegg kommen, um die Leitung des Gutes während seiner Abwesenheit zu übernehmen; er selbst wolle seine kranke Gemahlin begleiten und ihr für einige Wochen Gesellschaft leisten. Herbert kam sogleich diesem Wunsche nach, ich aber war unglücklich, von München fort zu müssen. Herbert tröstete mich bald; er ließ den herrlichen Bechstein-Flügel nach Landegg transportieren und lud Dorn zum Besuch ein. Die Ferien in der Oper begannen bald und Dorn kam mit Beginn derselben zu uns. Es war eine herrliche, leider nur zu kurze Zeit, die wir zusammen verbrachten, mehr denn jemals in der Kunst aufgehend. Wir sahen nicht die Schlange, die unser Paradies umlauerte, wir genossen, was der Augenblick uns bot, nicht fragend nach klein lichen Rücksichten, unsre Worte und Ge danken nicht wägend, unser Tun nicht ver schleiernd. Wir sahen nicht oder wollten es nicht sehen, daß Beate uns mit Argwohn auf Schritt und Tritt nachging, daß fie unsre Worte Mienen studierte. Wir wußten ferner nM daß fie den Stachel des Argwohns langsA aber sicher in Herberts bis dahin arglose» Herz gesenkt hatte und daß er darin Wucher« und gedieh. Einer Schuld muß ich mich zeihen, die «* schon heiß und bitter bereut habe: ich ve« nachlässigte meinen Gatten, ich fragte NM viel nach ihm in dieser Zeit und ging nur am in meiner Kunst. Er hatte so viel mit Gut»' angelegenheiten zu tun, war so viel außer' halb des Schlosses, daß mir mein Versäum«« nicht so bewußt wurde. Für ihn war es em Grund mehr zu seiner bereits aufgestachel«« Eifersucht. , Unser Aufenthalt auf Land egg neigte U bald dem Ende zu, und ich hielt es nun endM an der Zeit, Herbert von meinen Wünschen S« sprechen; ich ahnte ja nichts von seinen Gefühlen um so mehr befremdete mich sein hefE Widerstand, ja er erwiderte sogar strenge, das er einen ferneren Unterricht bei Dorn nicht «E dulden würde. « Verletzt zog ich mich in mein Zimmer zurM und als ich nach einer Stunde den Park ve trat, um frische Luft zu schöpfen und meM Nerven zu beruhigen, fand ich an einer einsam^ Stelle Dom in tiefen Gedanken an den Stamm einer Eiche lehnend. Sein düsterer Blick weissagte mir «M Gutes. Ich fragte nach seinem Kummer, machte erst Ausflüchte, gestand aber endlich, d°« er eine Aussprache mit Herbert gehabt habe daß er morgen abreisen wolle.
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