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v" „Vttendorfer Zeitung" "scheint Dienstag, Donners- und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werden mit ;o Pf. für die Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode" Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 6N. Mittwoch, den 7. Juni 1905. 4. Jahrgang. Vrrtliches und Sächsisches. Mttendorf-Dkrilla, 6. Ium tsos. — Einen bedauerlichen Unfall erlitt am estrigen Vormittag der allgemein bekannte ""d beliebte Fleischermeister Robert Gneuß. Derselbe war früh auf seine Wiese zum Gras Men gegangen, mußte sich jedoch im Laufe Vormittags infolge eingetretenen Un- WseinS nach seiner Wohnung begeben. Mm war er dort angekommen, erlitt er 'Men Schlaganfall, welcher ihm die eine Mperseite lähmte und Bewußtlosigkeit herbei- Wte. Dem Vernehmen nach, soll eine Wrung des Zustands eingetreten sein. — Ein bedeutsames Wort über das Ver- Mnis der evangelisch-lutherischen Konfession !ur römisch-katholischen Kirche hat kürzlich ^nig Friedrich August beim Besuche des Pe'ridomeS in Bautzen, der bekanntlich eine Timultankirche ist. gesprochen, als er auf eine Begrüßungsrede des Herrn Pastor prim, '^tzke antwortete. Der Monarch wies auf das viele Gemeinsame beider Kirchen hin, ^sicherte die evangelische Kirche seines größten Interesses und fortwährenden Wohlwollens "nd mahnte zu gemeinsamer Bekämpfung des gemeinsamen Feindes. Dieses Königswort ist dicht nur ein Zeichen tolerantester Gesinnung, Indern auch ein Beweis dafür, daß König miedrich August die in der christlichen Lehre Agenden sittlichen Kräfte in ihrer vollen Tiefe staunt hat und würdigt. — Vor der II. Strafkammer hatte sich der 2k Jahre alte, in Reichenbach bei Königsbrück wohnende, bisher unbescholtene Kutscher Johann ^rnst Bahle wegen Vergehens nach tz 3l6 dk» Reichsstrafgesetzbuchs zu verantworten. Die Verdeidigung führte Rechtsanwalt Rudolf. Ms der Angeklagte am Abend des 10. De» iember vorigen Jahres mit einem von ihm ge- i'iteten zweispännigen Lastwagen die Land- ^aße zwischen Dresden und Königsbrück Werte, fuhr er trotz Tonen dcS Läutewerkes 'lies herannahenden Eisenbahnzuges auf das ^ahngleis und er führte hierdurch aus Fahr- Wgkeit eine ^Gefährdung desselben herbei Das Gericht hielt 30 Mark Geldstrafe, eventuel b Tage Gefängnis, als angemessene Ahndung. Dresden. Der „Dr. Anz." schreibt: Eine Anzahl Tageblätter brachten vor einigen Dagen den von einem Nachrichtenbureau her- kährcnden Bericht über die letztwilligen Be- mmmungen eines bedeutenden Industriellen Dresdens. Die in diesem Bericht enthaltenen Mitteilungen sind, wie uns von kompetenter Teile mitgeteilt wird, fast durchweg erfunden and scheinen nur dazu bestimmt zu sein, Sensation zu erregen — Ein größerer Waldbrand entstand am Sonntag gegen Mittag in der Haide au Oersdorfer Staatsforstrevier. Dem Brande nü auf einer Fläche von etwa 6 Hektar der 20- bis 30 jährige Kiefernbestaud zum Opfer. — In Vorstadt Striesen ergriff die Frau 'ines hiesigen Gewerbegehilfen nach vorauS- Ssgangencm heftigen Streit mit ihrem Mann die gefüllte Spiritusflasche, schüttele den Inhalt dus ihre Kleider und setzte sie in Brand, um "Urch Verbrennen sich den Tod zu geben. Sie dürste kaum mit dem Leben davonkommen. Königs brü.ck. Zum Viehmarkt waren nufgetrieben: 65 Rinder, 19 Läuferschweine ünd 95 Ferkel. Der Preis für Rinder stellte R pro Stück 250—350 Mk., für Läufer- ichAeine pro Paar 100—150 Mk. und für önkel pro Paar 36—67 Mk. Die am Sonntag nachmittag 2 Uhr düs dem hiesigen Artillerie-Exerzierplatze ab- Wltcnen diesjährigen Nennen des KonigS- drücker Reitvereins waren von besonders ^önem, jedoch ziemlich heißem Wetter be« öünstigt und nahmen unter Anteilnahme eine Mr zahlreichen Publikums aus der Stadt un der weiteren Umgebung einen spannenden un sportlich anregenden Verlauf. — An alle Kraftfahrer Sachsens ergeht eilens des Ausschußes für die am 2. Juli d. I. Seiner Majestät dem König Friedrich August m Dresden darzubringende Huldigungsfahrt >ie Bitte, sich dieser Fahrt mit anzuschließen. Auskünfte erteilen und nehmen entgegen: für Motorräder Herr Dr. med. Krüger, Dresden 29 ür Motorwagen: Herr Direktor Hans Dieterich, S-lfenberg (Sachsen). Meißen. Der am Montag vormittag 1 Uhr 21 Min. fällige fahrplanmäßige Zug Nr. 1550, der 38 Achsen hatte und ans der Kopfstation des hiesigen Bahnhofes einfahren muß, bremste vorschriftsmäßig vor dem Ein- ahrtSziel, kam aber ins Rutschen, überfuhr )ie Drehscheibe und den Prellbock und drückte die den Bahnhof angrenzende Mauer auf die Dresdner Straße hinaus. Maschine, Pack meisterwagen und 5 Personenwagen sind be- chädigt, acht Personen verletzt, Führer und Heizer unbeschädigt. Wem die Schuld bei zumessen, ist noch unaufgeklärt. Vier Personen mußten auf dem Bahnhofe sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Ein alsbald von Dresden-Friedrichstadt telegraphisch beorderter Rettungszug traf bereits 1 Uhr 12 Min. ein und begann mit den Aufräumungsarbeiten, die um 4 Uhr beendigt waren. Döbeln' Ein tragischer Unglücksfall er eignete sich am Sonnabend Nachmittag hier. Der Fabrikklempner Clauß war mittags tandesamtlich getraut worden; am Sonntag ollte die kirchliche Trauung und Hochzeitsfeier ein. Während die Braut, eine Fabrikarbeiterin zu Hause die Vorbereitungen traf, wollte der Bräutigam am Nachmittag in der Mulde baden. Ta die Badeanstalt nur für Frauen geöffnet war, mietete er mit seinem Groß vater eine Gondel und ging von dieser aus in die freie Mulde. Als er gebadet hatte und nun wieder in die Gondel klettern wollte, ver ließen ihn die Kräfte, oder es traf ihn vielleicht auch ein Schlaganfall, und vor den Augen des Großvaters ertrank er. Die Hochzeitsgäste kamen in ein Trauerhaus. Freiberg. Der 27 Jahre alte Kaufmann Eduard Naundorf von hier, über dessen Ver mögen am Sonnabend der Konkurs eröffnet worden war, versuchte Sonntag morgen, an scheinend im Zustande geistiger Unachtung, seiner 22 Jahre alten Ehefrau mit einem Messer die Kehle zu durchschneiden und sie zu ermorden. Die Frau wehrte sich jedoch und schrie laut um Hilfe, so daß Naundorf von ihr abließ. Er brachte sich hierauf Schnitte am Handgelenke und an der Kehle bei. Naun dorf ist nach kurzer Zeit im Krankenhause verstorben. An dem Aufkommen der Frau wird ebenfalls gezweifelt- Leipzig. Fleischvergiftungen in größerer Anzahl sind nun auch im Stadtgebiet Leipzig festgestellt worden. Im Osten Leipzigs sind eine ganze Reihe neuer Erkrankungen fest gestellt worden. Es ist erwiesen, daß sie eine Folge des Genusses von Schweinefleisch sind, daß von dem Fleischer Möbius in Möckern be zogen worden ist. Im Hause Ostheimstr. 16 a sind allein zwölf Personen erkrankt. Alle Er krankten hatten Fleisch gegessen, das von der Frau Baugart, einer Schwester des inzwischen bekanntlich verhafteten Fleischers Möbius, aus Möckern bezogen worden war. Die Art der Erkrankung ist zum Teil schwer. Einige Kranke befinden sich indes bereits auf dem Wege der Besserung. Der Fleischer Ernst Eduard Otto Walther aus Böhlitz-Ehrenberg der ebenfalls infiziertes Fleisch verkauft un dadurch die Krankheitsfälle in Böhlitz-Ehren berg Mit verschuldet hat, ist flüchtig geworden. Der Geselle des Fleischermeisters Otto Walther daselbst wurde Donnerstag nachmittag ebenfalls in Haft genommen. — Neuerdings beginnen Vertreterinnen des „schwachen" Geschlechts sich stark auf Ein bruchsdiebstähle zu legen. Nachdem erst vor wenigen Tagen eine Kontoristenfrau wegen olcher Mausereien eingesteckt worden ist, wurde etzt die Ehefrau eines Wagenauschreibers in Volkmarsdorf verhaftet, die gewaltsam in die Wohnung eines Privatmannes eindrang und me Kassete mit diversen Sparkassenbüchern und 1000 M. barem Gelde stahl. Das Geld ahm sie mit, die Kassette mit den Büchern reß sie im Flur liegen. Bei ihrer Verhaftung wurde die Barsumme noch in ihrem Besitze gefunden. Nus der Woche. Nicht mit Phrasen, Witzen und schöngeistigen Betrachtungen läßt sich das große Ereignis abtun, das sich bei Tsuschima vor den Augen der erstaunten Welt abgespielt hat. Die Ver nichtung der baltischen Flotte ist ein Geschehnis von so ungeheurer Bedeutung, wie wir eS seit Sedan noch nicht wieder erlebt haben. In einen Vorbedingungen aber und seinen wahr- cheinlichen Folgen übertrifft es Sedan noch >ei weitem. Seit 15 Jahren besteht bei allen europäischen Mächten die Spekulation, das uralte Kulturreich China für die westliche Zivilisation, besonders für den Welthandel zu erschließen. Dort, in einem Riesenreiche, dessen Bewohnerzahl weit größer ist als die von ganz Europa, waren noch glänzende Geschäfte zu machen Md so unternahmen die europäischen Handelsnationen einen Wettlauf, um den chine sischen Markt zu erobern. Um sich eine Grund lage für den Handel zu schaffen, begannen sie zu „pachten": Deutschland Kiautschou, England Wei-Hai-Wei, Rußland Port-Arthur. Von letzteren versprach man sich am meisten, denn Rußland hatte die große sibirische Bahn gebaut und sich damit einen bequemen Landweg nach China geschaffen. Port Arthur, in gemäßigter Zone liegend und fast das ganze Jahr hindurch eisfrei, wurde russischer Kriegshafen und über ragte in seiner Bedeutung um ein erkleckliches Wladiwostok, das sieben bis acht Monate vom Eise blockiert ist. Die große Halbinsel zwischen Liautung, auf dem Port Arthur und Dalni liegen, und Wladiwostock bildet das Kaisertum Korea, das in seiner Unabhängigkeit eigentlich erst durch die Erfolge der Japaner in ihrem letzten Kriege gegen China geschaffen worden ist. Um ihre Herrschaft in Ostasien fest zu begründen, mußten sich die Russen vollständigen politischen und militärischen Einfluß in Korea verschaffen. Sie glaubten dabet nichts weiter befürchten zu müssen, als die Eifersuch europäischer Mächte, besonders Englands. Es muß besonders betont werden, daß kein Mensch an den ernstlichen und erfolgreichen Einspruch Japans dachte. Hatte es sich doch Japan vor 30 Jahren gefallen lassen müssen, daß ihm Rußland den schönen südlichen Teil der Insel Sachalin abknöpfte; hatte es doch im Jahre 1895 noch bei Friedensschlüsse von Schimoneseki den vereinigten Forderungen Rußlands, Deutschlands und Frankreich ohne weiteres nachgegeben; und der leichte Sieg über China entschied in den Augen der euro päischen Mächte nichts für die japanische KriegZtüchtigkeit. Das ist der große Nachteil der europäischen Intelligenz, daß sie nur die jenigen Formen der Kultur als solche an erkennt, die der ihren gleichen und die nach ihrer Schablone sich gebildet haben. Die Japaner galten bisher als ein halbwildes Volk, etwa wie die Montenegriner oder die Marokkaner. Für Japan aber waren die starke Einflußnahme Rußlands in Ostasien, die Bedrohung der Selbstständigkeit Koreas un die Pachtungen Rußlands, Englands un Deutschlands in seiner nächsten Nähe Dinc von höchster nationaler Bedeutung; denn durch alle diese Geschehnisse wurden Japans natür liche Beziehungen zum ostasiatischen Festlande stark unterbunden, ja sie drohten ihm das nationale und merkantile Lebensmark zu durch schneiden. Vielleicht haben die europäischen Mächte dies zeitig genug erkannt. Aber was galt ihnen das kleine, schwache, unkultivierte Japan gegenüber den immensen Handelsvor eilen, die sie sich 'm Ostasien versprachen! So kam, was nach Lage der Dinge kommen mußte: Japans bescheidene Forderungen an Rußland blieben unbeachtet, die Antworten des nren wurden ungebührlich und unter nichtigen Vorwänden hinausgezögert und selbst das von >en Japanern gestellte Ultimatum beachtete man m Petersburg kam. Da riß den Japanern endlich die Geduld und sie begannen den Krieg auf "den Rußland tn keiner Weise vorbereitet war. Zwar glaubte die russische Verwaltung ;re volle Schuldigkeit getan zu haben, denn Geld war für die militärische Sicherstellung Ostasiens in Hülle und Fülle ausgegeben worden. Aber es war zum großen Teil in die tugendhaften Hosentaschen der Großwürden' räger verschwunden, wie das in Rußland von eher Sitte war. Es ist nicht nötig, den bis herigen Gang des Krieges im einzelnen darzu- lellen; es genügt, wenn wir an den Ueber- gang über den Jalu und an die Namen Vutschwang, Liaujang, Mukden und Port Arthur erinnern, und daß die größten aller russischen Großsprecher in dem bisherigen Zerlauf des Krieges „stille Leute" geworden Ind. Nun aber hatte Rußland zu einem mächtigen Schlage ausgeholt, dessen Treffen die Lage in Ostasien zu gunsten der Russen gänzlich verändern, die Vorherrschaft der Japaner zur See brechen und ihre VerbindungS» und Rückzugölinien zerschneiden sollte. Fast die ganze baltische Flotte, der Stärke nach die dritte der Welt, wurde unter Roschdjestwensky nach Ostasien entsandt, und wenn auch der zweifellos in sinnloser Trunkenheit begangene Hüller Exzeß keine günstige Vorbedeutung schien, so war doch Roschdjestwensky einer der wenigen Männer Rußlands, in dessen Tapfer keit, Umsicht, Erfahrung und persönliche Ehren haftigkeit der Zar sein volles Vertrauen zu setzen berechtigt war. RoschdjestwenskyS Flotte wurde nicht mit Unrecht die große Hoffnung Rußlands genannt — und nun ist auch diese Hoffnung zerstört, gründlich zerstört! Die traurigen Neste der baldischen Flotte sind außerstande, die Lage in Ostasien für die Russen noch irgendwie günstig zu beinflussen. Ja, mehrere der besten nnd stärksten russischen Schiffe sind in den Besitz der Japaner gelangt und werden unter Togos Führung fortan gegen Rußland fechten. Der japanische See- ieg bei Tsuschima ist aber nicht nur eine Niederlage der Russen. Europa ist dort be siegt worden, denn nach menschlichem Ermessen ist keine Macht fürderhin imstande, den Japanern die Früchte ihres Sieges, die Vor herrschaft im mitleren Ostasien zu entreißen. Wenn der Zar auch jetzt noch auf energische Fortsetzung des Krieges drängt, so wird man über diesen Eigensinn lächeln müssen, der ja doch nur solange anhallen kann, als die französischen Bankiers ihre Kredite für Rußland offen halten. Haben sie sich schon bei der letzten großen Anleihe schwierig gezeigt, so werden sie sich von nun an erst recht dafür bedanken, ihr Gold in den bodenlosen russischen Sack zu werfen. Und England lacht sich ins Fäustchen: es hat in Südchina Schanghai und Hongkong zu seiner Verfügung und für den nördlicheren Teil holt ihm der japanische Bundesgenosse die Kastanien aus dem Feuer. — Als der japanische Prinz Arisugawa am Dienstag zu den Hochzeitsfeierlichkeiten in Berlin eintraf, wurden auf den Straßen gerade die Extrablätter mit der Meldung von dem großen japanischen Seesiege verteilt! Ein ihm höchst sympathischer WillkommengrußI Den Schwarzen Adlerorden, den ihm Kaiser Wilhelm verlieh, hat er zwar dankend angenommen, der Frühlingsparade des Gardekorps auf dem Tempelhofer Felde aber, dem imposantesten Militärschauspiel, das Deutschland seinen Gästen zu bieten oermag, ist er „wegen leichten Unwohlseins" fern geblieben. — Ja ja, die Japaner!