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vkki Ottendorfer Zeitung. SL n zahlreich« werk. che »Gttcndorfer Zeitung" Meint Dienstag, Donners- und Sonnabend abends. > Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen l,20 Mark. Druck und ' Nr. 77. Annahm» van Inseraten bi» vormittag ;o Uhr. Inserate werben mit io Pf. für dir Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Lokalzeitung für die Ortschaften Gttendorf-Okrilla mit Aloritzdors und Umgegend. Mir wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „^piel und Sport" und „Deutsche Mode" Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für dis Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mittwoch, dZn 2tt. Juni 1905. 4. Jahrgang. dorf. so. I»«I> W nderch * es en. rniekelv. klatre die Herre« ld Lloritr er Marken ö 6t6„ ss rG -rau. ni- nst- g Mlt uni- hen Londitott,' iche Zungen s^" Sertliches und SächKschrs. Vttendorf-Vkrilla, 27. Juni tsos. Siebenschläfer. Heute, den 27. Juni ?Ar Gedächtnistag an jene sieben römischen Mwge, die sich bei einer Christenverfolgung Awe Höhle flüchteten, worin sie etwa 200 geschlafen haben sollen. Diese Heiligen M insofern auf die Witterung eimvirken, 7 Wochen lang regnen soll, wenn es dein ihnen geweihten Tage regnet. Bei Mohammedanern werden sie als Beschützer Seewesens verehrt. v."- Die Pilzsaison hat begonnen. Die Zerschlage und die Wärme der letzten Tage M dos Wachstum der Frühpilze gefördert. Ah dem pilzarmen vorjährigen Sommer M Man auf eine ergiebige Pilzernte, die gute Einnahme sichert. ,^usa. Am Sonntag stürzte der Guts- Menzel in Gommlitz von einem Baume, an einer Starmeste beschäftigt war, und ^°rb alsbald- Dresden. Lebensgefährliche Verletzungen am Sonntag auf der Ockerwitzer Straße zweijähriges Mädchen dadurch, daß es M Trüben eines Reifens in ein Gärtner- e^irr geriet und überfahren wurde. 'Iönigsbrück. Am 21- d. Mts. ist der ^.Gastwirt Wilhelm Lindner in Zschietsch pirige Holzschuppen niedergebrannt. Der Aaden beträgt ca. 100 Mark- Das Feuer ) durch Unvorsichtigkeit des 6 Jahre alten Anes des Kaiamitosen, Arno Lindner, welcher ? gefundenes Streichholz angebrannt und A» achtlos weggeworfen hatte, verursacht Aden, Großröhrsdorf- Zu der in letzter Nr. A UNS berichteten Mordtat, die auch von Menge anderer Blätter berichtet worden 5 Kilt Herr Fleischermeister Seifert in Groß- Mdorf, bei dem das angeblich ermordete Adchen in Dienst steht, mit, daß die Näch st gänzlich unwahr ist. Das Mädchen be- A!>ch gesund und wohl. Aus der L ößnitz. Herr Rentier Stein- A in Oberlößnitz hat sich bereit erklärt, den AdoudSgcmcinden zur Errichtung einer höheren Mnstcist in der Lößnitz einen ähnlichen Ä an der früheren Stelle zum Bau eines Mgebaudcs schenkungswcise zur Verfügung feilen. ^dirna. Das für die neue große Kaserne "Aussicht genommene Familienwohngebäude aus Wunsch der Militärbehörde vergrößert ;Aen, wodurch sich ein Mehraufwand von ^dyy M. ergibt. Infolgedessen muß auch «ufzunchmcnde Anleihe, welche auf eine Allion Mark festgesetzt war, eine Erhöhung Men. Die Verzinsung Erfolgt durch den ^Militärfiskuö. Schmilka. Die Eröffnung des neuen Mholtepunkts Hirschmühle-Schmilka kann Hs vor Mitte Juli statlfinden. rmttau. Für den Ausbau der elektrischen ^enbahn bewilligte das Stadtverordneten- hjz Summe von 284307 M. ES A «ne neue Linie von der Bahnhofstraße . dem Bahnhof Zittau-Vorstadt hergestellt, s Linie Weberstraße—Görlitzer Straße für 6 Minuten-Verkehr durch Legung von Achen ausgebaut und auf der Bahnhofstraße ' zweites Gleis angelegt. Mühlberg a. d. E. Der hiesige Maurcr- ist numw hr beenbet- Die Maurer haben von den Baumeistern zugestandenen ; 'vvalstundenlohn von 27 bezw. 28 Pfg. Monnmn, doch ist der Lohnsatz für junge A weniger leistungsfähige Leute einer freien lM"darung mit den Meistern unterstellt. Missenden Maurer und Bauarbeiter haben , Arbeit am Sonnabend bereits wieder auf- i Omnien. M'°"d bei Freiberg. Das in Konkurs l«ne hiesige Tafelglashüttenwerk „Saxonia" "Ui dem 23. Juni durch Kauf in den Besitz eines Konsortiums übergegangen welches aus dem Chemnitzer Bankverein zu Chemnitz, aus der Bergmännischen Bank zu Freiberg und zwei auswärtigen Kapitalisten (darunter ein Dresdner) besteht. Der Kaufpreis beträgt etwas über eine Viertelmillion Mark, Es sind auch sofort genügende Betriebsmittel zur Ver- ügung gestellt, daß der Fortbetrieb keine Unterbrechung erleidet. Hypotheken dürften durch den Verkauf nicht ausgefallen sein. Am 16. Juni hatte ein großer Teil der Glas macher die Arbeit eingestellt, da die Lohnzahlung erheblich im Rückstände geblieben war. Doch hat gleich die Stadtverwaltung, die sehr stark an dem Unternehmen beteiligt war, die Lohn auszahlung übernommen. Leipzig. Während der hochgehenden Wogen des Aerztestreikes hatte Dr. Kloberg bezüglich der Behandlung eines Kindes durch den praktischen Arzt Steppuhn zu dem Vater geäußert; „Wie können Sie den nehmen, der ist ja ein Streikbrecher." Dr. St. klagte wegen Beleidigung und erzielte eine Verurteilung des Dr. Kl. zu 75 Mk. Geldstrafe oder 15 Tagen Gefängnis. — Pastor Ebeling von der Nikalaikirche wurde am Sonnabend nach zwölftägiger Ver handlung von der zweiten Strafkammer des hiesigen kgl. Landgerichts wegen öffentlicher Beleidigung des Geheimrats Prof. Wach, des Geh. KirchenratL Dio. Professor Rietschel und des Pastors Rausch von der Markuskirche insgesamt zu einer Geldstrafe in Höhe von 1200 Mark beziehungsweise 120 Tagen Gefängnis verurteilt. — Fieischdiebstähle sind auf dem hiesigen Schlachthofe tägliche Vorkommnisse. In den letzten Tagen wurden wieder halbe aus- geschlachtete Schweine, Nindsrviertel rc. ge stohlen, indessen gelang es, den Dieb in einem aus Radeberg gebürtigen Fleischermeister, welcher hier im Stadtteil Plagwitz sein Geschäft be treibt, zu ermitteln. — Sonnabend abend stießen zwei Wagen der Leipziger Straßenbahn, in raschem Tempo fahrend, mit voller Wucht aufeinander, an scheinend infolge falscher Weichenstellung. Die Fensterscheiben zersplitterten und Teile des Vorderperrons wurden eingedrückt. Die Pasiagiere der vollbesetzten Wagen stießen heftig zusammen, und etwa 10 trugen, namentlich durch Glassplitter, Verletzungen davon. Einige Personen mußten nach dem Krankenhause übergeführt werben. — Ein 81 Jahre alter Selbstmörder! In der Frühe des vorgestrigen Tages machte ein 81 jähriger Witwer dadurch seinem Leben ein Ende, daß er sich aus der vierten Etage eines Grundstückes in der Sidonienstraße auf die Straße herabstürzte, er war sofort tot- Waldenburg. Am Bahnübergangs im Grünfelder Park wurde ein Mann im Alter von 42 Jahren von einem Per^onenzuge über fahren. Hierbei wurde ihm der rechte Arm ab getrennt und die Ferse des rechten Fußes ver letzt. Lug au- Durch eine Gasolinexplosion wurden -hier drei junge Leute schwer verletzt. Beim Restaurateur und Konditor Raschke war aus dem Gasolinkessel für die Lichtanlage Gasolin in die Wasierpumpe gedrungen und hatte das Wasser unbrauchbar gemacht. Zwei Lehrlinge Raschkes und sein Sohn wurden an gewiesen, das Wasser zu untersuchen. Sie schöpften eine Kanne voll und kamen auf den Gedanken, das mit Gas versetzte Wasser an- zuzündcn. Dabei fiel ein noch glimmendes Streichholz in die Tiefe der Pumpe, wodurch die Gase in ihr unter heftigem Knal explodierten. Die beiden Lehrlinge erlitter schwere Brandwunden; der Sohn Raschkes, der auf dem Leckstem der Pumpe stand, wurde durch den Luftdruck in die Tiefe geschleudert. Zwickau. In einem der Tiesbauschächte wurde der Zimmerling Wegncrshaus aus Marienthal, der beim Znbauen eines Füll ¬ ortes beschäftigt war. vom Hunt etwa 60 in weit fortgerisien. Die schweren Verletzungen, die er dabei erlitt, führten den Tod desselben herbei. Rothenkirchen. Durch Feuer zerstört wurde hier das Ströhecsche Wohnhaus. Beim Brande wurden auch noch 115 Mark Geld gestohlen. Es wird Brandstiftung vermutet. Wernitzgrün. Durch einen beklagenswerten Unglücksfall haben die Instrumentenmachers- Eheleute ihr dreijähriges Töchterchen verloren. Das Kind lief in das Rad eines vorbei- ahrenden Radfahrers und wurde so unglücklich vom Pedal getroffen, daß es eine Gehirn erschütterung erlitt und an deren Folgen es verstarb. Aus der Woche. Die vorige Woche hatte uns die endlich in esten Formen auftretenden Friedensbestrebungen ne tatsächlich vollzogene Trennung der Personal union zwischen Norwegen und Schweden, sowie die von allgemeinen Tagesinteresse ziemlich ab- 'eits liegende Ermordung des vormaligen griechischen Ministerpräsidenten Delyannis ge- iracht. Während man die beiden letzangeführten Tatsachen als abgeschlossen betrachten darf, werden natürlich die Friedensverhandlungen die zwar grundsätzlich beschlossen sind, aber noch nicht einmal begonnen haben, unsre Aufmerk- amkeit noch wachen-, vielleicht monatelang in Anspruch ^nehmen. Die Berichtswoche hat da gegen zwei neue überraschende und folgenreiche Ereignisse gebracht: das Versprechen des Zaren zugunsten einer Verfassung und Volksvertretung und die Aufforderung des Papstes an die Katholiken Italiens, sich in Zukunft an den politischen Bestrebungen ihres Vaterlandes in kirchenfreundlichem Sinne zu betätigen. Das ist ein Entschluß von geradezu geschichtlicher Bedeutung und muß als das erste hervor ragende Anzeichen einer Annäherung zwischen dem päpstlichen Stuhle und Italien gelten. Als die Einigungsbestrebungen Italiens im Jahre 1870 mit der Aufhebung der weltlichen Macht des Papsttums ihren Abschluß erreichten, verbot Papst Pius IX. den Katholiken des Landes durch dis bekannte, nach ihren Anfangs worten „Xon axpeäit" bezeichnete Bulle die Anteilnahme am politischen Leben ihres neuen größeren Vaterlandes. Es war daö fast gerade zu derselben Zeit, in der sich im Gegensatz zu dieser Haltung in Deutschland der größte Teil der katholischen Bevölkerung zur Zentrumpartei zusammenschloß, die seither fast zum herrschenden Faktor des deutschen Reichstages geworden ist. („Zentrum ist Trumpf!") Auch Papst Leo, der eine vollendete Tatsache vorfand, und dem man im allgemeinen große Persönlichkeit nach rühmen mußte, gab den in dieser Frage grund sätzlichen Standpunkt seines Vorgängers nicht auf und bestätigte die ,,Xon 6xxväit"-Bulle. Nun liegt ja die Sache im allgemeinen anders in Italien als in Deutschland. Italien ist ein durchweg katholisches Land und wenn es in den letzten 35 Jahren ein sehr reichbewegtes politisches Leben und starke Wahlbeteiligung hatte, so zeigt das uns, wie wenig kirchlick ein großer Teil des katholischen Volkes Italiens empfand, und da wird es wohl niemand dem Oberhaupt der Kirche verdenken, wenn es sich nun entschließt, auch den ihm ergebenen Tei in die politische Arena hineinsteigen und den Lauf .der politischen Dinge auch in seinem Sinne beeinflussen zu lassen. Wie stark sich dieser Einfluß geltend machen wird, das ist es gerade, worauf die neueste Wendung der Dinge in Italien die Aufmerksamkeit lenkt. Diese Beobachtung wird um so fesselnder sein, als sich gerade bei der „ältesten Tochter der Kirche", in Frankreich ein „Kulturkampf" ab spielt, der die gänzliche Ausschaltung der Kirche aus dem politischen Leben wenigstens zum Ziele hat. — Lenken wir nun die Blicke auf das zweite große Ereignis der Woche, auf die Zusage des Zaren, in eine Verfassung und Volksvertretung zu willigen, so ist dies von ;oher Bedeutung für Rußland und zweifellos ein Wendepunkt in seiner Geschichte. Der Zar, nmitten seiner Kamarilla ein schwankende» Rohr, hätte aber doch wohl noch nickt nach gegeben, wenn die drohenden Flutwässer nicht mmer höher anschwellten. Die Offiziers versammlung in Petersburg hat gezeigt, wie weit die zarische Autorität bereits erschüttert st. Wie schon berichtet, wollen die Offiziere der Garde nicht mehr Polizeisoldaten und Henker sein; sie versammelten sich, wie sich Arbeiter zu einer Streikverabredung zusammen- rnden — und sie werden von ihren Vor gesetzten nicht energisch diszipliniert, sondern hnen wird gut zugeredet, in Frieden auS- einanderzugehen, da ihre Zusammenkunft un gesetzliche sei; man verspricht ihnen auch, für eine gesetzliche Aussprache ihrer Wünsche und Beschwerden zu sorgen. Da» war doch früher nicht! Das hätte mal vor einem Jahre in Rußland vorkommen sollen! — In tropischen Raubstaaten, in Romanen und Operetten mögen solche Vorkommnisse am Platze sein; in einem zivilisierten Staate gewiß nicht Auf wen aber soll ein autokratischer Herrscher sich stützen, wenn er nicht einmal seiner Garde- osfiziere unbedingt sicher ist! Man ersieht daraus, daß die Gabe des Zaren an sein Volk keine durchaus freiwillige ist. Trotzdem ist sie gut, denn sie enthält wenigstens Hoffnungökeime für das neue Rußland und sie bedeutet das Ende des alten Rußlands, der alten russischen Selbstherrlichkeit, das Ende des Regiments der Knute, statt das der Gesetze — daö Ende der beliebigen und unkontrollierten „Verschickungen" — da» Ende der organisierten Beamtenbestechlichkeit — und nicht zuletzt da» Ende des unnennbaren, aber entsetzlichen Druckes mit der die Ruffenfrucht seit reichlich drei Menschenaltern auf der Zivilisation de» ganzen westlichen Europas besonders aber auf Deutschland lastete. Der Anfang des vorigen Jahrhunderts hat Preußen-Deutschland gewiß in Schmach und Erniedrigung gesehen. Seine Fürsten (vom Volke garnicht zu sprechen!) hielten noch starr zu Zopf und Gamaschen, nachdem der Strom der modernen Zeit, jenseit des Rheins seinen Ursprung nehmend, mit seinen wildgewordenen Fluten den morschen Bau des mittelalterlichen Feudalismus schon zertrümmert hatte. Deutschland sank damal» vor dem Ueberlegenen Genie und dem Feld- herrntalent des kühnen Korsen zusammen und mußte den Jammerweg von Jena nach Tilsit zurücklegen. Aber es war im ehrlichen Kampfe einem geistig und materiell Mächtigeren er legen; auch Cäsar und Friedrich haben ja Niederlagen erlitten! Gewiß bedeutete also zwar der Anfang des vorigen Jahrhunderts für Preußen-Deutschland eine Zeit tiefen Niederganges, aber die größere Schmach kam fünfzig Jahre später über Preußen, als es trotz der Befreiungskriege zu völliger Macht losigkeit verdammt war durch den russischen Freund Nikolaus, der es als eine russische Satrapie betrachtete und behandelte und auf den schimpflichen Pfad nach Olmütz wies. Der Krimkrieg brachte endlich für ganz Europa die Erleichterung; Sepastopol fiel, der russische Koloß erzitterte in seinen Grundfesten und der barbarische Halbgott Nikolaus sank ins Grab. Hatte sich nun seit dem Krimkriege und während der Regierungsz-it Alexanders II. das Ver hältnis zwischen Preußen-Deutschland und Rußland wieder natürlicher gestaltet, so lastete doch das russische politische Schwergewicht immer noch wie Blei auf seinen Nachbarn und verhütete bei diesen jeden großzügigen Fortschritt. Das hat nun, dem Himmel sei Dank und den Japanern! — aufgehört. Das alte Rußland ist gänzlich und unrettbar zusammengebrochen und der Zar hat dies durch seine Zugeständnisse aller Welt kundgegeben. Wir haben eine außerordentlich wichtige Woche hinter uns!