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Vie „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners» tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch di« Post bezogen 1,20 Mark. Annahme von Inseraten bi, vormittag io Uhr. Inserate werden mit w Pf, für die Spaltzetle berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdors und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode" Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 20. Mittwoch, den 15. Februar 1905. 4. Jahrgang. Die Anmeldung der schulpflichtigen Kinder soll Vonnerztag. Sen >6. fedruar, nachm. r-4 Ubr für Sie gnaden, freilag, Sen 17. februar, nachm. r-4 Uhr kür Sie Manchen im Amchmmr de» Unterzeichneten (neue Schule 1. Stock) stattfinden. Für kieroets geborene Kinder ist nur der Impfschein, für auswärts geborene aber die Geburtsurkunde mit Taufbescheinigung und der Impfschein beizubringen. Ottendorf, den 10. Februar 1905. Der Schuldirektor. 6 n ä l e r. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, Februar ,zos. — Aenderung oder Streichung der Nach nahme auf Postsendungen. Nach der Post ordnung ist es zugelasten, daß die Absender von Postsendungen nachträglich die auf einer Sendung hastende Nachnahme streichen oder ändern lassen können Von diesem Recht wird häufig beim Eingehen von Unbestellbarkeits- meldungen auf Wunsch der Empfänger Gebrauch gemacht. In diesen Fällen wurde wie bei sonstigen Anträgen von der Post die Vorlegung eines Duplikats der Paketadresse bezw. der Aufschrift in Anspruch genommen. Diese Erfordernis ruft aber häufig Verzögerungen in der Erledigung derartiger Anträge und nicht minder häufig lästige Weiterungen für den Absender hervor. Da die Sendungen in den UnbestellbarkeitSmeldungen schon genügend bezeichnet sind so ersch int eine Verwechselung indes ausgeschlossen und die Postvermaltung hat infolgedessen in entgegenkommender Weise genehmigt, daß künftig den auf grund einer UnbestellbarkeitSmeldung gestellten Anträgen auf Streichung oder Aenderung der Nachnahme ein Duplikat der Packetadresse usw. nicht mehr beigefügt zu werden braucht. —- Zur Montignoso - Affaire verzichten wir darauf, die sensationellen Meldungen, in denen sich namentlich die auswärtigen Blätter über bieten, hier zu verzeichnen, weil wir uns der sicheren Erwartung hingeben, daß wie über den Plan der Reise des Justizrats Dr. Körner nach Florenz so auch über deren Ergebnisse verläßliche Aufklärung gegeben werden wird. Außerdem riecht alles da«, was über Sachsens ehemalige Kronprinzessin geschrieben wird so verdächtig nach Klatsch, daß wir für eine Wiedergabe danken, umsomehr, da dieser Klatsch auch noch mit bedenklichen Pikanterien und offenbaren Bvtisen gewürzt ist. Der schlichte Tatbestand ist zur Zeit der: König Friedrich August hat von dem ihm zustehenden Rechte Gebrauch gemacht und nach Ablauf der sr. Zt. au-gedungenen Frist Prinzeß Anna Monika Pia au« dem Erziehungsbereiche der Mutter wegholen lassen. Die Gräfin Montignose, die z. Zt die Villa Papignano in Florenz be wohnt, weigert sich diesem rechtlich begründeten Wunsche zu entsprechen und hat die Prinzeß bei sich behalten, sodaß des Königs Vertreter Justizrat Dr. Körner unverrichteter Dinge wieder heimkehrte. Die Folge ist, daß die Gräfin der ihr zugesicheUen königlichen Rente verlustig geht und — ihren ziemlich mittellosen Angehörigen wieder auf die Tasche zu liegen kommt. Diese scheinen deswegen bereits entsprechende Angstgefühle bekommen zu haben, denn nach einer gutverbürgten Nachricht auö Salzburg »sieht der toskanische Hof kein anderes Mittel zur Verhütung weiterer Skandale, als die Unterbringung der Gräfin Montignose in einer Heilanstalt. Man s-i davon überzeugt, daß sie geistig nicht normal ist." So wi>d Luise von Toskana schließlich das Schicksal Luises von Koburg teilen und das alles wegen zu großer Amorisität. Dresden. Ein Schadenfeuer, das, wenn die Feuerwehr nicht so schnell zur Stelle ge wesen wäre, leicht verhängnisvoll für die Be wohner des Dachgeschosses werden konnte, brach Sonntag vormittag in der zwölften Stunde im Treppenhause im vierten Stock des Grund stückes Marienstraße Nr, 26 aus. In einem unter der Bodentreppe befindlichen Raume, in dem Putzmaterial aufbewahrt wird, auf noch unermitlelte Weise entstanden, hatte das Feuer, nicht sogleich bemerkt, in kurzer Zeit die Bodentreppe mit Verschlügen in Braud gesetzt, so daß die Flammen den nur schmalen Gang nach der Haupttreppe bestrichen und dadurch den Rückzug der Dachbewohner unmöglich machten. Da aber aus demselben Grunde auch die Feuerwehrleute nicht sofort zu den geängsteten Bewohnern vordringen konnten, so wurde an der Hausfront ein Hakenleitergang geschlagen und der Simübock vorgenommen, um über den Hauptsims in die Wohnungen zu gelangen. Außerdem waren aber auch das Rutschtuch, sowie der Rettungsschlauch zur eventuellen Benutzung in den großen Vorgarten der die Benutzung einer mechanischen Leiter nicht zuließ, bereit gelegt worden. Sobald die im Innern des Gebäudes vorgenommene Schlauchleitung Wasser hatte, gelang es aber Mannschaften, in die verqualmten Wohnungen einzudringen und die Mieter zu beruhigen. Alle anderen vorgesehenen ReltungSmaßregeln erübrichten sich sodann. Die Gefahr selbst konnte in kurzer Zeit mit der einen Leitung beseitigt werden. Außer der Bodentreppe waren einige Bodenverschläze zerstört und der Dachstuhl, mehrere Llchlschächte und eine Anzahl Wäschestücke beichädigt worden. In der Kammer einer Dachwohnung, deren Fenster auf die Bodentreppe führt, waren außerdem ein Federbett und eine Menge Kleidungsstücke in Brand gesetzt worden. Dresden. Das hiesige Kgl. Schöffengericht verurteilte am Sonnabend den Fürst Leon Kotschoubey in Petersburg wegen Körper verletzung zu 1000 Mk. Geldstrafe. Der russische Fürst hatte, wie seinerzeit berichtet, den Portier eines hiesigen Hotels deshalb körperlich mißhandelt, weil dieser ihm auf Verlangen von Zeitungen eine Nummer des „SimplizisfimuS", auf deren Schlußseite sich das Bild eines russischen Großfürsten befand mit der Unterschrift: „Aeh, 30000 Tote, Kellner noch'n Schnaps!" einhändlgte. Kötzschenbroda. Vom Königlichen Amts gericht Dresden ist die ZwangSversteierung des hiesigen Bahnhotels für den 6. April 1905 angekündigt worden. Das Grundstück ist 29,7 Ar groß, besteht aus dem Gasthofs- Tanzsaal- und Wohngebäude mit diversen An bauten, großem Garten und Hofraum und wurde vom gerichtlichen Sachverständigen au 202 697 Mork einschließlich des Inventars geschätzt. Das Etablissement zählte vor dem Bahnhofsneubau mit zu den besuchtesten unseres Ortes, dürfte aber durch den Wegfall des Verkehrs der Bahnpaffanten und durch die Hochleguvg des Bahnkörpers (soweit das Gartengeschäft in frage kommt) ziemlic gelitten habe. Eisenberg-Moritzburg. Am Donnerstag brach der achtjährige Sohn des Herrn Hoyer auf dem Eise des hiesigen Schloßteiches ein und ertrank. Radeburg. Herr Pastor Rau im nahen Wern beging am Sonnabend sein 25 jähriges Ortsjubiläum, wobei ihm wohlverdiente Beweise der Anhänglichkeit und Liebe seiner Amts brüder wie Parochianen in reichem Maße »teil wurden. Lohmen. In der Nacht zum 8. Februar ind Diebe in das hiesige Pfarrhaus ein- zebrochen. Es fielen ihnen 700 Mark in Hundertmarkscheinen, sowie eine goldene Taschenuhr mit Kette als Beute in die Hände. Am Tatorte fand man das Küchenbeil und den Schlüsselbund des Hausherrn vor. Man vermutet, daß hier derselbe Verbrecher tätig gewesen ist, welcher dem Pfarrhause zu Bühlau einen nächtlichen Besuch abstattete, dort aber infolge Anschlagens eines Hundes unverrichteter Dinge verscheucht ward. Kamenz. Den auf die Kunde von dem am Mittwoch abend auf dem Hennersdorf- Kamenzer Wege verübten Raubanfalle sofort seitens der Gendarmerie angestellten Nach forschungen ist es gelungen, den Täter am Freitag im Walde zwischen Hennersdorf und Gersdorf in einem 34 jährigen Landstreicher K. aus Schlesien festzunehmen. Derselbe ist an das Kgl. Amtsgericht Kamenz eingeliefert worden und hat die Tat bereits eingestanden. Chemnitz. Vom hiesigen Kriegsgericht wurde der Leutnant Schulze vom Infanterie regiment Nr. 181 zu drei Wochen und einen Tag Stubenarrest verurteilt, weil er beim Turnen einem Unteroffiziere, der beim Klimm zuge die Fußspitzen nicht genügend herunter- gevrückt hatte, sechs bis sieben Schläge mit dem angehängten Säbel auf die Fußspitzen versetzte und ihn einen „Schlappschwanz" nannte. Aus der Woche. Es gibt Zeiten, in denen sich die Ereignisse förmlich überstürzen, und andere, die trübe und träge dahinschleichen, und nur zur allmählichen Reise zu bringen scheinen, was lange zuvor gesät war- In der politischen Welt sollte eS eigentlich keine Ueberraschungen gc-ben, außer wenn sich höhere Gewalten hineinmischen; denn alles, was geschieht, ist nur die zuweilen sogar leicht vorauszusehende Folge früherer Ge schehnisse oder der natürlichen Entwicklung der Dinge. Die vergangene Woche nährte sich von den Trebern ihrer Vorgänger und für Deutschland sind besonders zwei Ereignisse von hoher Wichtigkeit: die Annahme der Kanal- Vorlage durch den preußischen Landtag und die Beendigung des Generalstreiks im Ruhrkohlen revier. Dit Kanalvorlage! Nun ja, sie ist angenommen, aber rechte Freude wird niemand an ihr haben. Von hoher und höchster Stelle waren vor Jahren schon verbindliche Worte geäußert worden, und gerade diejenigen Parteien, die sonst treu zum Throne stehen, wollten endlich aufhören, „Kanalrebellen" zu sein. Aber das, was da vom preußischen Landtage nach jahrelangen Kämpfen gutgeheißen worden ist, kann nur als „denaturierten" Kanal gelten, wie man ja auch den Spiritus denaturiert, um ihn zum leiblichen Genüsse unbrauchbar zu machen. Früher hieß es, der Kanal sei bestimmt, um die neuen Provinzen Preußens mit den alten ostelbischen zu ver binden und das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Ost und West zu verstärken. Nun aber soll der große Kanal schon bei Hannover aufhören. Indessen was nicht ist, kann noch werden, mag die Negierung gedacht haben, und auf einen Hieb fällt kein Baum. Ist der Kanal erst bis Hannover fertig, so wird eine spätere Z it auch für seine Fortsetzung bis zur Elbe besorgt sein, welches Ziel allerdings wahrscheinlich erst nach ebenso langwierigen Kämpfen erreicht wird, wie bisher. Na, man muß der Nachwelt auch etwas zu tun über lasten und der Panamakanal ist ja auch nicht rn einem Jahre erbaut worden. Das andre große deutsche Ereignis der Woche ist die Jeeydigung des Bergarbeitersstreiks im Ruhr revier; diese Beendigung war vorauszusehen, venn auch nach der offiziellen Wiederaufnahme der Arbeit noch mehrere Bergarbeiter versammlungen über „Verrat" seitens der Führer schreien. Gewiß haben die Sympathien eines großen Teiles des deutschen Volkes und nickt nur der Arbeiterkreise auf feiten der Streikenden gestanden. Aber bei aller Opfer- willigkest; woher sollten die zwei Millionen Mark kommen, die wöchentlich zur notdürftigen Unterstützung der Streikenden nötig waren? Der letzte Hoffnungsanker der armen Bergleute ist j-tzt die Regierungsvorlage zu ihren Gunsten, für die sich erfreulicherweise auch der Kaiser interessiert, denn er selbst hat an den betreffenden Ministerberatungen teilgenommen. Der hohe Herr, der sich für die ehrenvolle Ge schichte seines Hauses so lebhaft interessiert, kennt zweifellos auch den Satz aus dem Testamente Johannes Ciceros: „Deinen Thron wirst du nickt bester befestigen, als wenn du den Unterdrückten hilfst, wenn du den Reichen nichts nachsiehst, wo sie die Geringen über wältigen, und wenn du Recht und Gleichheit einem jeden angedeihen löstest." Daß die Bergarbeiter aber ihre Hoffnung nicht täuschen möge, dazu rufen wir ihnen ein herzliches „Glückauf" zu. — Der Säbel, das klein kalibrige Gewehr und die Karbatsche der Kosaken haben in Rußland wieder die „Ord nung" hergestellt, und wenn der selige PaSkie- witsch noch lebte, könnte er wieder wie vor siebzig Jahren seinen Zaren telegraphieren: „Warschau ist ruhig." Der Mann hatte recht: Tote machen keinen Skandal. Aber ein Volk von 70 Millionen kann man nicht töten und das stromweis vergossene Blut ist ein guter Dungstoff für die Revolution. Die russische Zensur hält Telegraphen und Zeitungen fest im Zaume und man erfährt aus den inneren Gouveinements nur tropfenweise was dort an „rebellischer" Gesinnung laut wird. Hier gilt das Wort: Einer sagt's dem andern; die lange cnwalisam zurückgehaltene Entrüstung schafft sich überall zunächst in Worten und Beschlüssen Luft, die alle in den Erdreim zusamenhallen: „So darf es nicht weiter gehen!" Diese tief gehende Bewegung eines Volkes in allen seinen Teilen kann nicht eher wieder zu: Ruhe kommen, als bis es wenigstens teilweise die Erfüllung seiner bescheidenen Forderungen sieht. Zu den größten Fatalitäten Rußlands gehört nun noch die absolute Ergebnislosigkeit des Krieges gegen Japan. Jetzt soll ein Vetter des Zaren, der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch nach dem fernen Osten gehen, um Feuer hinter die Kriegführung zu bringen. Nicht gerade angenehm berührt die Nachricht, daß jetzt auch Prinz Friedrich Leopold, der Vetter Kaiser Wilhelms nach Ostasien gehen soll. Man hat so die Empfinduug, daß von der Kriegführung des rüchsichtslosen Draufgängers Nikolai Nikolajewitsch nicht viel gelernt werden kann oder höchstens, wie es nicht gemacht werden darf. Der alte General v. Steinmetz war gewiß ein tüchtiger Heerführer, aber nach Vionville und Gravelotte wurde er plötzlich. . nach Posen versetzt und durfte sogar noch froh sein, daß er Helm und Degen nicht mit Zylinderhut und Regenschirm zu vertauschen brauchte. Allerdings Rußland braucht notwendigerweise einige Erfolge und da darf es auf einige Tausend Menschenleben mehr oder weniger nicht ankommen. Es braucht diese scheinbaren Erfolge, um mit Ehren an den Friedensschluß gehen zu können. Daß man in der Umgebung des Zaren die Absicht dazu hege, wird aus Petersburg offiziös auf das entschiedenste bestritten. Darum aber gerade ist es sehr wahrscheinlich!