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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen >,20 Mark. Annahme von Inseraten bi» vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzell- berechne! Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mir wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode" Druck unü Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 10. Sonntag, den 22. Januar 1906. 4. Jahrgang. Aekannünachung. Die für das laufende Jahr fällige Hundesteuer ist bis zum 30. Januar 1905 gegen Entnahme der Hundesteuermarke auf dem Gemeindeamte zu entrichten; bei Vermeidung der zwangsweisen Beitreibung. Ottenäons-jVIoritLäors, am 20. Januar 1905. Der Gemeindevorstand. P i r n b a u m. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Gkrilla, 2;. Januar izos. — Die „Grimmaer Nachrichten" schreiben: Es macht sich neuerdings in Sachsen bisweilen ein recht engherziger Geist bemerkbar. Dresdener Künstlerkreise planten zu Wohl- tätigkeitszweken ein Winterfest am Hofe Augusts des Starken in Warschau aufzusühren. Hiergegen schlug ein Blatt Lärm, „da durch ein solches Fest eine der bösesten Zeiten in Sachsens Geschichte verherrlicht werde, denn August der Starke sii bekanntlich zum Katholismus übergetreten und habe ein be rüchtigtes äußerst kostspieliges Pascharegiment geführt." Und wirklich — dieser Einspruch siegte. Das Fest, das mit Konfession und Politik nichts zu tun gehabt hätte, sondern nur den feinen Kunstgeschmack jener Zeit neu aufleben lassen wollte, findet nicht statt. — r/, Mark- In nächster Woche wird die neueste Münzsorte im Verkehr sein. Wie Staatssekretär Freiherr v. Stengel im Reichs- tage erklärte, konnte die Umprägung der Fünfzigpfennigstücke nicht mehr hinausgeschoben werden, und es wurde daher Anfang des Jahres mit der Prägung neuer Fünfzig pfennigstücke begonnen. Die neue Münze trägt auf der einen Seite die Bezeichnung */, Mark; sie wird sich durch einen scharf gezackten Rand merklich von den alten Stücken unterscheiden, wodurch auch eine Verwechslung mit den Zehnpfennigstücken sehr erschwert, wenn nicht ausgeschlossen ist- Die Metall mischung ist ebenfalls eine andere. — Nach angestrengten Bemühungen ist es gelungen, die Verwehungen auf den Strecken Annaberg—Weipert und Freiberg — Groß hartmannsdorf soweit zu beseitigen, daß Mitt woch mittag der Verkehr zwischen Annaberg und Cranzahl und Donnerstag früh zwischen Freiberg und Brand wieder ausgenommen werden konnte. Dagegen traten Mittwoch zwischen Buchholz und Waltersdorf in kurzer Zeit wieder derartige Verwehungen ein, daß die Aufrechterhaltung des Betriebes nicht mehr möglich wahr. Ferner mußte der Verkehr auf dem böhmischen Strecken Morgenstein— Gablonz, Jicin—Jurnau und Friedland — Hermsdorf i. B. eingestellt werden, während er auf der Strecke Trautenau—Freiheit — Johannisbad wieder ausgenommen werden konnte. — Dem Taubenzüchtern zur Warnung möge folgende Tatsache dienen: Einem Haus besitzer war vor kurzem der Taubenbestand plötzlich zum größten Teil verendet. Die tier ärztliche Untersuchung hat ergeben, daß die Tiere alle einem Darmkatarrh zum Opfer ge fallen sind. Die Krankheit ist dadurch herbei geführt worden, daß ihnen zu reichlich ge kochtes Futter verabreicht wurde, das weil es der Kälte zu lange ausgesetzt gewesen ist, bei dem wiederholten Freßen davon bereits gefroren war. Dresden. Am 16. d M ist ein 34 Jahre alter Musiker (Zigeuner) festgenommen worden, der sich dadurch Geld verschaffte, daß er hiesigen Einwohnern ein wertloses Stückchen Wurzel, welches er in einem Säckchen bei sich trug, in Papier gewickelt, übergab und dabei äußerte, daß es gut für Krankheit sei, es müße aber in die linke Tasche gesteckt und daran geglaubt werden. Sodann hat er vier Silber münzen gefordert, ist nach Empfang in die Knie gefallen und hat unverständliche Worte gesprochen, worauf er sich entfernt mit den Worten: er werde in drei Wochen wieder kommen, bis dahin möge es ihnen wohl ergehen. — Die „schwarze Bande." Man schreibt: Eine den Gerichtspersonen und im Auktions wesen bewanderten Personen wohlbekannte Gesellschaft ist die sogenannte „schwarze Bande", von deren unreellen und schädlichem Treiben weile Kreise keine Ahnung haben. Die „schwarze Bande ist eine Ringbildung von Trödlern und ähnlichen Leuten und treibt in den gerichtlichen Versteigerungen ihr Unwesen, indem sie ahnungslose Bieter, welche gern etwas erstehen wollen, derart mit dem Gebot in die Höhe treiben, daß ihnen ein für allemal die Teilnahme an der Versteigerung verleidet wird. Dadurch schaffen sich die Mitglieder der „schwarzen Bande" deren jedes in seinem Fache eine Spezialität ist, das Monopel bei den gerichtlichen Auktionen zum Schaden derjenigen, denen die Versteigerungsgegenstände gehören, und derjenigen, welche die Sachen versteigern laßen, um zu ihrem Gelde zu kommen. Durch die „schwarze Bande" werden aber auch die soliden Geschäfte in ihrem Erwerb beeinträchtigt und zwar auf folgende Weise: Ist die Auktion vorbei, so ver auktioniert die Gesellschaft die erstandenen Gegenstände noch einmal. Der Erlös wird danach unter die Mitglieder des Ringes ver teilt. Sehr oft gehen die Zeitungsinserate, wonach „Krankheits halber", „wegen Todes falls", „wegen Um- oder Wegzuges" und aus ähnlichen Gründen Gegenstände der ver schiedensten Art, „mit großem Verlust" oder „zu jedem Preis" zu verkaufen sind, von den Mitgliedern der „schwarzen Bande" aus. Es handelt sich dann immer um aufgefrischte Auktionsgegenstände und der Käufer ist, wie er bald gewahr wird, immer der Betrogene. Ein genaues Durchgehen der Inserate dieser Art zeigt vielfach, daß dieselbe Adreße oft wiederkehrt^ So wurden zum Beispiel in einem hiesigen Blatte an ein und derselben Stelle in verschiedenen Einzelinseraten Betten und ein fast neuer Gasmotor zum Verkauf angeboten. Die Harmlosigkeit der Anzeige und das Bestreben, billig zu kaufen, lockt viele Leute in die Netze der „schwarzen Bande". Dadurch geht den Geschäftsleuten ein gut Teil Kundschaft verloren. Gesetzliche Maß regeln gegen das unsolide Gebaren gibt es gegenwärtig nicht, wohl aber beginnt in den Kreisen hiesiger Geschäfsleute eine Bewegung, deren Endziel die Herbeiführung eines Gesetzes zur Beseitigung derartiger -und anderer Mißstände im Auktionswesen ist. Auch auf dem letzten Parteitage der Deutschen Reformpartei wurde ein Beschluß gefaßt, wo nach die Reichetagsfraktion der Reforme ersucht werden sollte, sich dieser Angelegenhei anzunehmen. Da die „schwarze Bande" überall ihr Wesen treibt und Schaden anrichtet wäre zu wünschen, daß überall der Kampf gegen dieselbe energisch von allen anständigen Bürgern ausgenommen wird. Radeberg. Die Dresdner Heide hat infolge der letzten Stürme vielen Schaden an Windbruch erlitten. Kolossale Baumriesen, e der Sturm entwurzelt hat, haben im Fallen schwächere Bäume einfach geknickt und ledergerissen. Besonders das Ullersdorser Staatsforstrevier ist von den Stürmen schwer etroffen worden und der ungerichtete Schaden t durchaus nicht unbedeutend. Uebrigens ist in Besuch der Dresdner Heide zur Winters- eit gar nicht so ungefährlich. So wurde vor migen Tagen ein Dresdner Waldklub von der zeitig einbrechenden Dunkelheit und vom Schneegestöber überrascht. Die Wanderer kamen vom Nachtflügelweg ab, verirrten sich und langten schließlich ganz erschöpft erst nach 21/2 stündiger Irrfahrt in Radeberg anstatt in Bühlau an. Radeberg. Die Stadtverordneten wählten Herrn Justizrat Oertel, der bereits 28 Jahre ununterbrochen die Sitzungen des Kollegiums leitet, erneut zum Vorsitzenden. Kamenz. Bezüglich der in der Weihnachts zeit in den Waldungen der Reichsgräflich Stollbergschen Forstverwaltung auf Liebenaner Revier ausgeführten umfangreichen Diebstähle von Fichten haben die angestellten Nach forschungen jetzt zur Entdeckung der Diebe ge führt. Es überrascht jedenfalls zu erfahren, daß es fünf Bremser der preußischen Staats bahn sind, welche in den Vororten von Berlin, Niederschönweida und Jobannesthal, stationiert sind. Bei ihrer Anwesenheit auf hiesiger Station haben sich dieselben der groben Ver gehen schuldig gemacht. Insgesamt sind 44 der schönsten Weihnachtsbäume aus den Kulturen gestohlen worden. Die eigenartigen Diebe sind vorerst nur des Diebstahls einer Anzahl Bäume geständig, Bautzen. Beim Brand in der Kellingschen Färberei und Reinigungsanstalt sind in der Hauptsache nur Handschuhe und Schuhe ver nichtet worden. Der Fortbetrieb des Elablißement erleidet keine Störung. Der Schaden ist durch die Versicherung gedeckt. Mühlberg a- d. E. Ein größeres Schadenfeuer wütete am Dienstag in Dommitzsch. Die mit Stroh, Futter und landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten gefüllten Scheunen der Besitzer Poyda, Fichte und Töpfer, sowie sämtliche Stallgebäude der Genannten wurden ein Raub der Flammen. Das Vieh konnte gerettet werden. Es wird Brandstiftung vermutet. Roßwein. In einer Webwaren - Fabrik war der Wäscher Spirkenöter damit beschäftigt, in der Nähe der großen Antriebswelle eine Rolle Decken abzulegen. Hierbei geriet ein Zipfel der Decke in die Welle und wurde in das Getriebe hineingezogen. In seiner Dienst eifrigkeit versuchte Spirkenöter allein die Decke wieder herauszuziehen, wobei er jedoch selber mit in das Getriebe kam und ihm der rechte Arm und das linke Bein abgerißen wurden. Nossen. Die außerordentliche General versammlung der hiesigen Papierfabriken vormals Roßberg und Co, A.-G., lehnte die Sanierung ab und beschloß die Liquidation des Unternehmers. Ferner wurde beschloßen, die Fabrik an Heinrich Adolf Müller sen. in Naßen zu verkaufen. Döbeln. In der Bürgerschaft und in den städtischen Kollegien in Döbeln beschäftigt man sich gegenwärtig mit der Frage des Fort bestandes der dortigen Bauschule. Der aus Bürgern bestehende Bauschulverein will die Schule eingehen laßen, wenn sie nicht in städtische Verwaltung übernommen wird. Der Stadtrat hat die Uebernahme der Schule ab gelehnt, weil er befürchtet, daß städtische Zu schüsse nötig werden. Ein großer Teil de Bürgerschaft hat aber ein materielles und ideelles Interesse an dem Fortbestand der Schule und wünscht die Erhaltung derselben. Am Freitag haben nun die Stadtverordneten über tue Angelegenheit zu entscheiden. Freiberg. Vom ärztlichen Bezirksverein Freiberg bezw. deßen Ehrenrat wurde Dr. med Holm Franck in Frankenstein zu 1000 Mar Geldstrafe und zur Aberkennung des Wahl rechts und der Wahlsähigkeit auf zwei Jahre verurteilt, weil er mit einer Krankenkasse einen Vertrag abschloß, ohne ihn vorher dem ärztlichen Bezirksverein zur Begutachtung vor zulegen. Ferner habe Franck durch allzu familiären Verkehr mit „tief unter seinem Stande stehenden Personen und durch sein Verhalten in öffentlichen Lokalen s den Unwillen des gebildeten Publikums und besonders seiner Kollegen erregt, das Ansehen des ärztlichen Standes geschädigt und somit auch gegen § 1 der Standesordnung gefehlt. Dte zweite hrengerichtliche Instanz hat sich dieser Tage unter Vorsitz des Geh. Rats Dr. Rumpelt mit der Sache zu befaßen gehabt. In zwei Punklen bestätigte der Ehrengerichtshof das erste Urteil, lieber den standesunwürdigen Verkehr mit Arbeitern war er aber anderer Meinung. Es sei kein Stand unseres Volkes so gering, daß ein vertraulicher Umgang mit ehrenhaften Mitgliedern desselben an sich dem ärztlichen Stande zur Unehre gereichen könnte. Seien doch schließlich aus allen Ständen unseres Volkes auch tüchtige und ehrenwerte Aerzte hervorgegangen. Der Ehrengerichtshof setzte die Strafe auf 500 M. herab. Priesnitz. Der grimmigen Kälte ist der Rohproduktenhändler W. Scheffler aus Froh burg zum Opfer gefallen. Er hatte seinen Sohn in Hermsdorf besucht und wurde von Kindern auf einer Wiese bei Priesnitz in bwußtlosem Zustande aufgefunden. Als der Arzt zur Stelle war, war es leider schon zu spät. Chemnitz. Ein stellenloser 20jähriger Kaufmann, gebürtig, aus Nödlitz bei Lichten stein. schoß sich in Chemnitz, als er wegen Wechselfälschung verhaftet werden sollte, eine Kugel aus einem Revolver in die rechte Schläfe. Er war sofort tot. Mügeln. Recht appetitliche Wurst muß der Fleischermeister Söldner oftmals an seine Kundschaft abgegeben haben, denn er stand vor dem hiesigen Schwurgericht unter der Anklage, in wiederholten Fällen Lebern, welche, als tuberkulös verworfen, bereits auf dem Düngerhaufen lagen, wieder „ausgegraben" und zur Leberwurst verarbeitet zu haben- Zwei mitangeklagte frühere Lehrlinge bestätigten )en Inhalt der Anklage, Söldner bestritt dieselbe. Das Urteil gegen letzteren lautet auf drei Monate Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft für verbüßt erachtet wurden und 300 Mark Geldstrafe, während die beiden Mitangeklagten namens Zieger und Klingen berger kostenlos freigesprochen wurden, da bei ihnen die strafbare Einsicht verneint worden war. Leipzig. Ein intereßanter Fall von Blutvergiftuug spielte in einer hiesigen Schwur gerichtsverhandlung eine Rolle. Bei einer Rauferei hatte der Angeklagte, der Dachdecker Albert, seinen Gegner ins Ohr gebißen. Der Verletzte preßte darauf sein schmutziges Taschentuch wiederholt gegen die Wunde. Als sich kurz nach der Heilung Fieber und Reißen in den Schulter- und Kniegelenken einstellte, konstatierte man Blutvergiftung, woran er bald darauf starb. Ob diese nun durch die Uebertragung schädlicher Stoffe ver mittels des Tuches oder durch die Wirkung etwaiger in dem Speichel Alberts enthaltener Gifte Entstanden ist, konnte nicht festgestellt werden. Zwickau. Eine Konferenz von Vertretern der sächsischen Bergarbeiter hat sich gegen jede Streikbeteiligung und nur für Unterstützung der Ausständigen in Westfalen rc. ausgesprochen. In dieser Weise sollen die sächsischen Berg arbeiter durch öffentlsche Versammlungen ver ständigt werden.