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Vie „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werden mit io Pf. für die Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck unö Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 6. Mittwoch, drn 11. Januar 1905. 4. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendors.Vkrilla, s. Januar izos. — Infolge heftigen Schneetreibens sind am Sonnabend mehrere Linien unseres Staats bahnnetzes teilweise verweht worden, so daß der Verkehr auf denselben eingestellt werden mußte. Vollständig verweht ist d'e Schmalspmstrecke Carlsfeld—Wilzschhaus, Der Betrieb ist bis auf weiteres unmöglich; auf der Strecke Chemnitz—Anvabcrg—Weipert ist nachmittags zwischen Königswalde und Bärenstein der Schneepflug stecken geblieben, so daß zunächst der Verkehr zwischen Cranzahl und Weipert ge sperrt werden mußte, abends aber konnte auch der Verkehr zwischen Buchholz und Weipert infolge des Schneewetter« nicht mehr aufrecht erhalten werden. Der von der Staatsbahn verwaltung für Sonntag vorgesehene Sondcrzug von Chemnitz nach Annaberg—Cranzahl—Ober wiesenthal konnte deshalb nicht abgelassen werden. Auf der Linie Berthelsdorf—Großhartmannsdorf war der Verkehr zwischen Brand und Groß hartmannsdorf am Abend eingestellt. Erkannte aber am Sonntag früh wieder ausgenommen werden. Dagegen war dies bei den ebenfalls verwehten Strecken Mulda — Sayda und Frauenstein—Klingenberg leider noch nicht wieder möglich. — Eine neue Dienstanweisung für die Leichenfrau ist vom König!. Ministerium des Innern erlassen worden. Darnach erfolgt die Verpflichtung der Leichenfrau in den Städten mit revidierter Städteordnung durch den Stadtrat, in allen übrigen Gemeinden durch die Amtshauptmannschaft. Der Bezirksarzt ist zur Verpflichtung, die in ortsüblicher Weise be kannt zu geben ist, einzuladen. Ueber das pflichtmäßige Verhalten der Leichenfrauen haben die Bezirksärzte Aussicht zu führen, sich auch durch Prüfungen von dem Vorhandensein der erforderlichen Befähigung zu überzeugen. Dresden. Au» Furcht vor einer wegen Diebstahls zu erwartenden Strafe sprang am Donnerstag nachmittag gegen 4 Uhr eine 17 jährige Zigarrenarbeiterin von der Carola- Brücke in die Elbe. Der Baggermeister Lerche fuhr in einem Kahne der in der Mitte de» Stromes Treibenden nach und vermochte sie lebend in seinen Kahn zu ziehen, worauf sie zunächst in die zweite Bezirkswachs und von hier aus im Unfallwagen in das Siechenhaus gebracht wurde. — Auf der AugustuSbrücke hat man jetzt, nachdem die beschädigten Tragsteine völlig be seitigt worden sind, mit der Aufstellung einer Gangbahn aus Holz begonnen. Die Herstellung dieser Holzkonstruksion wird in acht Tagen be endet sein. Voraussichtlich wird die provisorische Gangbahn bis zum bevorstehenden Neubau der Brücke dem Verkehr dienen. — Eine Eisversetzung im Weißeritzbett in Hainsberg gefährdete eine über den Fluß führende hölzerne Brücke. Am Donnerstax wurden daher Pioniere zur Hülfeleistung be- ordnet, welche die angestauten EiSmasten durch Sprengen beseitigten. Boxdorf. An Stelle des bisherigen ersten Gemeindeältesten Herrn Klotzsche, welcher die Geschäfte der Gemeinde schon seit geraumer Zeit verwaltet, da die Bestätigung des wider- holt zum Gemeindevorstand gewählten Herrn Beeger noch auüsteht, wurde kürzlich der Guts besitzer Pfützner gewählt. Die Wahl des Herrn Pfützner ist jedoch ebenfalls nicht bestätigt worden, vielmehr hat der bisherige erste Gemeindiälteste Herr Klotzsche Anweisung erhalten, die Geschäfte der Gemeinde auch bis auf weiteres zu erhalten. Niedersedlitz. Der Drogist Bensch aus Neusalza, der in Niedersedlitz einen Mordversuch auf die im dortigen Gasthofe bedienstete Kellnerin unternahm und sich dann einen Revolverschuß in den Kopf jagte, ist am Donnerstag im Johannitcrkrankenhause zu Heidenau, wohin man ihn geschafft hatte, an seinen schweren Verletzungen erlegen. Aus dem oberen Elbtale. Infolge der seit Sonnabend erneut eingetretenen Kälte haben die Eisdecken bei Herrnskretschen und vor Wehlen Rothen wiederum an Festigkeit zu genommen, so daß es immer schwieriger wird, den Elbdampfer „Henriette" und den mit Stückgütern beladenen Deckkahn aus der Eis decke von Wehlen zu befreien. Zur Zeit ist ein Kettendampfer der in einer offenen Furt steht, bemüht, das noch zwischen ihm und beiden Fahrzeugen befindliche Eis zu heben. Montag früh noch 4 Uhr herrschten hier 3 Grad Kälte die Elbe treibt daher wieder frisches Eis. Bischofswerda. Ein Anfänger in dem edlen Räuberhandwerk gab am vergangenen Sonnabend Nachmittag gegen 3 Uhr auf der Straße von hier nach Weickersdorf eine Gast rolle, indem er eine kräftige ältere Frau aus Kleindrebnitz anfiel und ihr das wohlgefüllte Geldtäschchen zu entreißen suchte. Die resolute Frau empfing ihn aber mit den derben Worten: „Lausejunge verfluchter, ich kratze dir die Augen aus!" und rief dann, nachdem sie ich längere Zeit mit ihm herumgebalgt hatte, aut: „Hillmann, dort kommt Hillmann, Hillmann, Hillmann!" Dadurch erschreckt, nahm der Angreifer Reißaus, merkte aber bald daß Hillmann nicht kam, daß er also von der chlauen Angefallenen nur geäfft worden sei und schrie ihr von Ferne drohend zu: „Warte nur, du L - - . „ du kannst mich ein ander mal zum Narren halten!" verduftete jedoch, da ich Leute näherten, schnell über die Wesenitz- wiesen nach hier zu. Schade daß der saubere Patron entkommen ist- Lommatzsch. Hier hatte ein Gastwirt Decke und Wände eines Zimmers mit Tannen reisig und darüber gestreuter Watte dekoriert Durch die Länge dee Zeit und die Wärme der Stube war da» Reisig trocken geworden. Als die Tochter des Wirtes das Gas anzündete fing das Reisig Feuer, plötzlich stand die Stube in Flammen, alles vernichtend, was zu erreichen, war. Freiberg. Das hiesige Elektrizitätswerk mit Straßenbahn, der Stadtgemeinde gehörig, war bis zum 31. März 19!2 an die All gemeine Elektrizitätsgexellschaft in Berlin ver pachtet, wird aber vom 1. April 1905 in städtische Verwaltung übernommen. Man ist nach monatelangen Erwägungen technischer und finanzieller Art zu der Ansicht gelangt, daß bei künftiger veränderter Einrichtung der Eigenbetrieb sich für die Stadt nutzbringender gestalten wird. Döbeln. Während des Gottesdienstes fiel am Montag Vormittag eine 'Kirchenbesucherin die Zigarrenarbeiters-Ehefrau Kunaschk, auf ihrem Platze im Schiff der Kirche der dortigen Hauptkirche plötzlich um. Sie wurde nach dem Pfarrhause getragen, war aber bereits ver storben, als man sie auf ein Sofa bettete. Ein Herzschlag hatte ihrem Leben ein Ende bereitet. Reitzenhain. Unser inmitten mächtiger Wälder gelegener Sommerkurort ist durch ein mächtiges Feuer heimgesucht worden. Das einem Konsortium gehörende Müllwerk ist niedergebrannt. Chemnitz. Erst zu Ostern 190o sollte die Konferenz der sächsischen Textilarbeiter abge halten werden. Besondere Umstände ließen es jedoch als wünschenswert erscheinen, die Konferenz schon jetzt stattfinden zu lasten. Zu der am Sonnabend begonnenen Tagung sind aus Sachsen zahlreiche Delegierte in Chemni eingctroffen. Als Tagesordnung wurde vor läufig festgesetzt: I) Geschäfts- und Kasten bericht des Zentral - Agitationskomitees. 2) Berichterstattung der Unter-Agitationskomitee. 3) Berichterstattung der Delegierten. 4) Agitation: a. Agitation im allgemeinen; b Gauleiter betreffend. 5) Die Fachpresse resp. Stellungnahme zu dem diesbezüglichen Anträge der letzten Generalversammlung. 6) Anträge, 7) Neuwahl des Zentral-Agitations- komitees und der Unter-Agitationskomitees. Verschiedenes, 9) Diskussion zu jedem tunkte der Tagesordnung. Lauter. Innerhalb 6 Wochen haben im siesigen Orte drei Kinder ihren Tod durch Verbrennung gefunden. Ein größeres Mädchen ebrauchte beim Feueranzünden Petroleum, m zweijähriges Kind geriet am Ofen in Brand und ein 2^/2 jähriges Mädchen des Korb machers E. verunglückte durch das Spielen mit einer brennenden Stearinkerze auf gleiche Leise. Alle drei Kiuder starben nach mehreren "agen unter großen Schmerzen. Leipzig. Die Markthelfer Knoll und Zille haben mit Hilfe des MarkthelserS der Wildpret-Handlung Pfeifer am 24. November eine Kasteite mit 2200 Mark aus der Markl- xalle gestohlen und das Geld in Gemeinschaft zweier Dirnen hier und in Frankfurt a- M. verjubelt. Knoll ward zu zwei Jahren Zucht- saus, Zille zu 1 ^2 Jahren Gefängnis und der dritte Markthelfer namens Hauschild zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, während gegen die beiden Dirnen auf 21 bez. 23 Tage Ge- ängnis und Ueberweisung an die Korrektions anstalt erkannt wurde. Ehrenfriedersdorf. Hier brach im Hintergebäude des Restauateur Lindnerschen Grundstückes, in dem Vieh und Getreide untergebracht waren, Feuer aus. Von dem Vieh sind durch den starken Rauch zwei Kühe und drei Schweine erstickt. Der Besitzer brack bei den Rettungsversuchen infolge des intensiven Qualmes bewußtlos zusammen, wurde aber noch rechtzeitig gerettet. Er liegt krank darnieder. Buchholz. Der älteste Offizier des Land- Wehrbezirks Annaberg, Major z. D. Zennig, Direktor der zu unserer Stadt gehörigen Bezirksanstalt, ist gestorben. Für seine Tapfer keit im deutsch-französischen Kriege wurde er mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Das Offizierskorps widmet ihm einen warmen Nachruf. Wernitzgrün. Der Gemeindevorsteher eines böhmischen Grenzortes wurde von einem Grenzbeamten aus Wernitzgrün als Schmuggler ertappt. Es entspann sich ein heftiger Kampf zwischen den Männern, wobei dem Grenzjäger das Gewehr entrissen wurde. Der später dem Amtsgericht Markneukirchen zugeführte Schmuggler wurde am nächsten Tage erst nach Stellung einer hohen Kaution auf freien Fuß gesetzt- Nus der Woche. Die Woche und das neue Jahr wurden mit einem Ereignis eingeleitet, das mit ehernem Griffel in die Tafeln der Weltgeschichte ein gegraben werden wird: mit der Kapitulation von Port Arthur. Belm Beginn des Krieges, vor 11 Monaten, war diese Festung in un angreifbaren Besitz der Rusten: der Hafen von Port Arthur war die Operationsbasis fast der gesamten russischen Flotte des Ostens. Diese Flotte ist nunmehr bis auf kaum nennenswerte Reste, die noch dazu abgetakelt in den Häfen der Neutralen festgelegt und für den Krieg nicht Mehr verwendbar sind, vollständig ver nichtet. Die Japaner die seinerzeit an mehreren Punkten der Halbinsel Liautung gelandet waren setzten sich in den Besitz der Port Arthur mit Charbin verbindenden Eisenbahn, eroberten die ganze Halbinsel, auch den zweiten größeren Hafen: Niutschwang, und schlossen Port Arthur von der Land- und Seeseite ein. Kuropatkin schickte Stackelberg zum Entsatz vor; derselbe wurde aber von den Japanern zurückgeschlagen. Kuropatkins vorrückendes Gesumtherr wurde nach achttägigen Kämpfen bei Liaujangtschuh geschlagen und bis nach Mukden zurückgedrängt, wo sich nun das Gros der beiden feindlichen Heere seit Monaten gegenübersteht. Der ganze bisherige Feldzug hat sich um den Entsatz oder die Niederzwingung Port Arthurs gedreht zum Ersatz wurde, da die Landarmee versagte, auch die baltische Flotte ausgesandt. Jetzt hat Port Arthur nach heldenmütiger Verdeitigung kapitulieren müssen; das KriegSglück hat auch in diesem Falle zugunsten der Japaner ent schieden und es ist keine Aussicht mehr vor handen, daß der wenn auch noch lange geführte Krieg eine wesentliche Wendung erfährt. Die Gründe der japanischen Erfolge liegen klar auf der Hand. Tapferkeit ficht gegen Tapferkeit. Aber aus der einen Seite steht ein intelligentes europäisch geschultes Heer, das sich alle modernen Hilfsmittel des Krieges zu eigen ge macht hat: auf der andern Seite das russische Heer, das sein Sebaswpel nichts gelernt und manches vergessen hat und das sich nicht wie 1878 von einer intelligenten Armee, wie der rumänischen, gestützt sieht, die bei Plewna die russische Sache rettete. Im gegenwärtigen Kriege vertreten die Japaner die Kultur, die Rusten aber die asiatische Halbkultur. Das ist das ganze Geheimnis des Erfolges der Japaner und daran wird sich nichts mehr ändern lasten. Aber so bereitwillig sich auch immer die öffentliche Meinung auf Seite der Schwachen oder auch nur scheinbar Schwachen stellt, so verlangt doch die gesunde Vernunft und das eigene Interesse, in der Voreingenommenheit und Bewunderung für die Japaner nicht all zuweit zu gehen- Bleibt Japan in den Riesenringen unbestrittener Sieger, so ist unsre Kiautschou-Pachtung, in die wir schon Millionen für Hafenbauten, Befestigungen, Eisenbahnen u.-a. m. hineingesteckt haben, ein totes fressendes Kapital, ohne jede Aussicht auf spätere Ver zinsung. Der Einfluß der Japaner in China wächst mit jedem kriegerischen Erfolge. Schon jetzt haben sie es durchgesetzt, daß alle europäischen Instruktoren in China durch japanische Lehrmeister ersetzt worden sind. Sie werden sich in Folge des ganzen öffentlichen Lebens, des Handels uud der Industrie in China bemächtigen; sie können bei der un gemeinen Genügsamkeit ihrer heimischen Arbeiterschaft nicht nur billiger produzieren, auch ihre Transportkosten nach China schrumpfen fast auf Null zusammen gegenüber denen, die europäische Kaufleute zu tragen haben und selbstverständlich auf den Preis ihrer Waren schlagen müssen. Kurzum die Aufschließung Chinas für den Außenhandel würde für alle außer den Japanern illusorisch bleiben und darum können wir nicht wünschen, daß die japanischen Bäume in den Himmel wachsen. Es versteht sich, daß die Port Arthur-Katastrophe in Rußland einen gewaltigen — nieder schmetternden und zugleich erhebenden — Ein druck gemacht hat. Mit erschreckender Deutlich, keit zeigt sich, daß das bisherige System völlig bankrott ist und mit tausendfachem Echo geht der Rus nach einer Verfassung durch das Land. Der liberale Hochadel — nicht „Juden und unreife Studenten", wie bisher oft genug von den Verteidigern der tatsächlich zusammen gebrochenen zartschen Selbstherrlichkeit behauptet wurde — stellt sich an die Spitze der Reform bewegung. Der Präsident des Moskauer Semstwo, Fürst Trubetzkoi, hat den Mut ge funden, in einem offenen Briefe an den Minister des Innern die verzweifelte Lage Rußlands ungeschminkt darzustellen und als einziges Heilmittel die Mitwirkung des in telligenten Teiles der russischen Bevölkerung an Gesetzgebung, Verwaltung und Kontrolle zu be zeichnen. Er bezeichnet die innere Lage Rußlands als Anarchie und sagt eine blutige Revolution voraus, wenn die herrschenden Kreise gegenüber den vieltausendstimmigen Rufen des Volkes taub bleiben sollten. Dabei ist Fürst Trubetzkoi ein unbedingter Anhänger des Zaren. Es wär« entsetzlich, zu denken, daß die Gemäßigten in Rußland die Führung der unaufhaltsamen Reformbewegung an die Nihilisten, Anarchisten und Verelendeten ab treten Müßten.