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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Ilmgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag so Uhr. Inserate werden mtt so Pf für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be> sonderen, Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühl« in Groß-Vkrilla. Nr. 134. Mittwoch, den 9. November 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendors-Vkrilla, 8. November 190^. — Kommenden Donnerstag findet die Ueber- nahme der neucrbautcn Wartehalle, sowie die Eröffnung de« Billettverkaufs auf der hiesigen Hallestelle statt Eisenberg-Moritzburg. Am Montag wurde unsere neue, nach dem Entwürfe des Herrn Architekten Schleinitz-Dresden erbaute evangelische Kirche feierlich geweiht. Königsbrück. Auf dem hiesigen Gefcchts- schießp'atze wird das Königliche 13. Infanterie- Regiment Nr. 178 in der Zeit vom 7. bis mit 1l. November 1904 täglich von 9 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags Einzel- gefechtS- und Gruppewchießen abhalten. Dresden Der Elbwasserspiegel ist seit Sonnabend bis heute um 8 Zentimeter ge fallen. Der hiesige Elbpegel zeigte heute einen Wasserstand von 174 Zentimeter unter Null. — Ueber die Lößnitz-Ortschaften ist in der Nackt zu Montag morgens gegen 3 Uhr ein ziemlich heftiges Gewitter beobachtet worden, daß außer Blitz und Donner sich besonders durch heftige Regen- und Graupelwetter be merkbar machte. — Der erste internationale medizinische Kongreß für Arbeiterunsälle soll im Juni 1905 zu Lüttich veranstaltet werden. Cossebaude. Der Geflügelzüchter-Verein „Elbtal" (Sitz Stetzsck) veranstaltet vom 3. bis 5. Dezember im Saale des Gasthofes zu Cossebaude seine erste große allgemeine Ge flügel-Ausstellung, verbunden mit Prämiierung und Verlosung. Kamenz. Auf hiesigem Bahnhofe ist am Sonntag gegen 3 Uhr nachmittags der Hilfs weichensteller Nitzsche bUm Rangieren zwischen die Puffer gekommen und dabei schwer verletzt worden. Löbau. Eine zum Rittergut Unwürde ge hörige Strohfeime ist am Freitag früh nieder- gebrannt- Bei den Aufräumungsarbeiten soll in der Asche der abgebrannten Feime das ver kohlte Skelett einer männlichen Person gefunden worden sein. Anscheinend handelt es sich um einen Wandrer, der in der Feime genächtigt hüt und sich ein Streichholz anzündete, wodurch der Brand entstand, bei dem der Unbekannte einen grauenvollen Tod fand. Bautzen. Sonnabend vormittag wurde hier im Brauhausgarten die vom sächsischen Fischerei verein veranstaltete Fischausstellung von Zucht- kolleklionen und VerkaufSmustern mit Preis- bewerd eröffnet. Kohlwesa b. Bautzen. Von einer bisher unbekannten Krankheit scheint ein junger Dienst knecht des Mühienbes. Lukas ergriffen worden sein. Der Aermste liegt seit einigen Tagen starr und steif da. Er wurde in das Stadt- krankenhauS zu Bautzen überführt. Zittau. Ueber die Auffindung der Leiche des Professors Dr. Theodor Feller, der be kanntlich am 4. August an den Valser Wänden des Padauner Kogels in Tirol abgestürzt ist, liegen noch folgende Mitteilungen vor: Der Verunglückte wurde am Fuße einer gewaltigen Felswand, unter den sogenannten Padauner Schroffen aufgefunden. Die Leiche, welche au dem Gesicht, und zwar mit dem Kops bergab auf einer bemoosten Platte lag, sah schrecklich aus; alle Glieder waren gebrochen, die Schädel decke aufgesprungen; man muß also annehmen, daß der Tod sofort eingetreten ist. Offenbar Halle sich Professor Feller beim Abstiege ver irrt und zu nahe an den Rand des erwähnten Abgrundes gewagt, worauf er auf dem dort wuchernden Naien ausgeglittea und abgestürzt sein dürfte. Der Bauer welcher die Leiche fand, ist ein gewisser Jennewein aus Vals. Er verständigte sofort den Gendarmerirposten von Steinach, worauf sich der Wachtmeister der Arzt und Vo stand der deutsch-österreichischen Alpmseklion im Wipp Hal, Dr. Schmidt, sowie «in Gemeinderat an Ort und Stelle begaben. Sie fanden neben der Leiche ziemlich viel Geld einen Feldstecher, einen Rnsepaß, ein Rund reisebillet usw. Die Kleider des Verunglückten waren noch gut erhalten. Uhr, Hut und Pickel vermochte man trotz eingehender Nachforschungen nicht zu entdecken. Wahrscheinlich hängen sie oben im Gewände. D-r Bauer Jennewein, der den von den Verwandten des Toten aus gesetzten Preis von 1000 K onen erhalten wird, ist ein armer Familienvater. — Ein räuberischer Ueberfall wurde auf einen die Landstraße von Hirschfelde nach Zittau passierenden Mann unternommen. In )er Nähe der „Goldenen Krone" kamen drei Handwerksburschen aus einem Versteck auf ihn u und packten ihn. Einer dieser Wegelagerer wachte ihm mit einem Messer eine tiefe Wunde am Halse bei während die beiden anderen die Taschen des Ueberfallenen durchsuchen. Als Leuie hinzukamen, ergriffen die Burschen die Flucht. Skassa. Ein verwegener Diebstahl wurde dieser Tage in der Hommelschen Mühle hier- elbst ausgesührt. Nachts hörten die Be- vohner des Mühlengrundstücks aus der Stallung kommenden ziemlich erheblichen Lärm. Als sie daher sich nach dem Stallgebäude be gaben, fanden sie, daß aus diesem eine Kuh gestohlen worden war. Die sofort auf genommene Verfolgung hatte den Erfolg, daß die Diebe zwei unbekannte Männer die Kuh im Stiche ließen und entflohen. Sie sollen die zu stehlende Kuh bereits vorher einem Großenhainer Fleischermeister verkauft gehabt haben. Strehla. Vor einigen Tagen wurde in den Abendstunden auf dein Fußwege zwischen Gaunitz und Kiötitz ein 14 jähriges Mädchen, Tochter eines Klölitzer Hausbesitzers, von einem in der Mitte de: 20 er Jahren stehenden Strolch überfallen und vergewaltigt. Der Wüterich stopfte dem schreienden Mädchen, um sie daran zu verhindern, das Taschentuch in den Mund. Die Gendarmerie hat die Spur des Uebeltäters entdeckt, welcher seiner gerechten Strafe nicht ent gehen dürfte. Mühlberg a. d. E. In der Domnitzscher Tonröhcenfabrik trug sich ein gräßlicher Un glücksfall zu, indem der aus Elsnig gebürtige Arbeiter Franz zwischen die Puffer zweier Eisenbahnwagen geriet, wodurch ihm der Brust kasten derartig gequetscht wurde, daß auf der Stelle der Tod eintrat. Freiberg. Ein guter Fang ist der hiesigen Kriminalpolizei gelungen. Sie hat die un verschämten Spitzbuben gefaßt, durch deren schwere Einbruchsdiebstähle in dortigen Ge schäften eine gewisse Beunruhigung in der Ein wohnerschaft entstanden war. Die Kriminal polizei verhaftete in der Person des angeblichen Schlossers und Eisenwerksarbeiters Paul Hack aus Warschau einen der Einbrecher und bald darauf auch in der Person der angeblichen Arbeiterin Marianne Lepinsky aus Lodz in Rußland eine Hehlerin. Daß man es mit äußerst gefährlichen Personen zu tun hatte, zeigte der Umstand, daß der angebliche Hack mit scharf geladenen Revolver und Schlagring versehen war; eine größere Anzahl Patronen fand sich noch lose in seinen Taschen vor. Beide Personen trugen gestohlene Sachen auf dem Leibe. Ferner befand sich in ihrem Besitz noch eine große Menge von Gegenständen, durch die ihnen vermutlich eine ganze Anzahl von Straftaten nachzuweisen sein wird. Zu der Diebesgesellschaft gehört noch eine zweite männliche Person, die bereits vor der Festnahme der beiden Komplizen die Stadt verlaßen haben dürfte. Chemnitz. Am Freitag Mitlag war in einem Grundstücke an dec Königstraße in dem Niederlagsraume eines Woll- und Weißwaren- geschäfis dadurch Feuer ausgekommen, daß Waren zu nahe an einem überheizten Ofen aufgestapclt waren. Zur Unterdrückung des Feuers mußte die Feuerwehr längere Zeit tätig i- Der Geschäftsinhaber hat sich bei den Lösch versuchen nicht unerhebliche Brandwunden an den Händen zugezogen. — Ein recht erfreuliches Bild zeigt die Statistik über die Beobachtung der Tuberkulose im Bezirke der Amtshauptmannschaft Chemnitz. Während sich in den letzten drei Jahren die Bevölkerung um 7 °/§ vermehrte, ist in dem- elben Zeiträume eine Abnahme der Tuberkulose- älle von 10 o/g zu verzeichnen. Dieser Um land verdient um so mehr Beachtung, als durch die Anzeigepflicht der Aerzte und Leichen frauen nahezu jeder Tuberkulosefall zur Kenntnis der Behörde kommt. Schwarzenberg. Auf dem hiesigen Bahn hofe ist am Sonnabend nachmittag der Streckenarbeiter Weigel aus Bernsgrün beim Auswechseln des Ladegleises tödlich verunglückt Auerbach. Am Donnerstag abend ging die Fischersche Brauerei in der Sorgaer Straße hier in Flammen auf und brannte zum Teil nieder. Ein Teil des umfangreichen Etablissements konnte erhalten werden. Bös willige Brandstiftung liegt vor. Finsterwalde. Die Obduktion der Leiche des ermordeten Waldwärters Kamenz aus Rehain hat ergeben, daß der Wilderer Vogel nach dem Schüsse, der nicht einmal tödlich war den Waldwärter niedergedrückt und ihm als dann mit dem Kolben seines Gewehres den Schädel eingeschlagen bat. Deshalb wird auch höchstwahrscheinlich die Anklage auf Mord lauten. Roda. Etn gemeingefährlicher Verbrecher, der 28 Jahre alte Ernst Paul Baum aus Langenwetzendorf, ist vor einigen Tagen aus dem Genesungsheim zu Noda entsprungen. Baum war wegen Straßenraubes zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt worden und schon am 28. November 1895 aus dem Zuchthause Kräfentonna entsprungen. Nachdem er am 15. Dezember 1898 in der Irrenanstalt zu Roda untergebracht worden war, ist er von dort am 2. Juli ebenfalls entwichen. Alsdann hat der Bursche eine größere Anzahl Verbrechen und Vergehen, namentlich in der Schleizer Gegend verübt, bis er wieder ergriffen und abermals nach Roda gebracht wurde. Die Ver mutung liegt nahe, daß der verwegene Ein brecher der in der Nacht zum Mittwoch in Rodersdorf bei Plauen den Bäckermeister Windisch durch Messerstiche verletzt hat, mit dem entsprungenen Zuchthäusler Baum identisch gewesen ist. Uns der Woche. Die große Port Arthur-Pastete, die erwartet wurde, ist vom Geburtstagstisch des Mikado ferngeblieben. Vielleicht trifft sie mit etwas Verspätung ein. Die Situation der Be lagerten ist die denkbar schlimmste geworden. Das ist eine andere Belagerung, wie die von Paris 1870/71,. wo man sich bis zuletzt nach Möglichkeit amüsierte und das Aushungern mit gutem Humor trug. Die Russen in Port Arthur sehen vor sich das offene Grab, keine Minute haben sie Ruhe oder können sie sich ihres Lebens sicher fühlen. Stück um Stück des umgebenden schützenden Hügellandes fgeht ihnen verloren, ein Fort nach dem andern fällt, nachdem seine Wälle zuvor von den schweren Geschützen der Japaner in Grund und Boden geschaffen sind, eine Kanone nach der andern wird ihnen zum Schweigen gebracht und die Leichen der Nuffen häufen sich so, daß man nicht Z-it und Arme genug mehr hat. sie der Erde zu .übergeben und die Reste der Ueberlebenden von dem pestilenzialischen Ver wesungsgeruch zu schützen. Die entsetzensvollen Bilder, die dieser erste große Krieg mit modernen Waffen zeigt, werden hoffentlich das Gute im Gefolge haben, daß dieser erste „moderne Krieg" auch der letzte ist. Denn kein Fürst, und wäre er auch der mächtigste, wird in Zukunft die Verantwortung für ein solch fortgesetztes Blutbad auf sein Gewissen laden wollen. Aber aus diesem hoffentlich etzten Kriege wird bis in die fernsten Zeiten )er Name des Generals Stöffel als der eines der größten Helden und der aufopferndsten Patrioten hinausleuchten. — Die Tragikommödie von Hull, aus der sich anfangs ein Weltbrand zu entwickeln drohte, wird wahrscheinlich aus- laufen in das Hornberger Schießen. Was orderten nicht alles von Rußland im ersten Zorn die englischen Zeitungen! Ausdruck des Bedauerns, Entschädigung für die Opfer, so- ortige Bestrafung der schuldigen Offiziere, Rückkehr der baltischen Flotte nach Kronstadt I Aber die stolzen Engländer sind ein großes Handelsvolk, Handeln und Bieten macht Kauf- eute. Und so wollte man sich, abgesehen von den beiden ersten Forderungen, damit be gnügen, daß nur die beteiligten Schiffe einst weilen in Vigo zurückbleiben müßten. Die Ruffen haben sich nicht daran gekehrt und sind mit ihrer ganzen Flotte weitergefahren. Die Engländer hatten indessen wenigstens die eine Genugtuung, daß die vier beteiligten Offiziere nicht mitfuhren, sondern nach Petersburg zurückgerufen wurden Also wenigstens so konnte man erwarten, daß die Schuldigen ab gestraft und dem empörten englischen National gefühl Genugtuung gegeben werden würde. Die vier russischen Herren indessen fassen ihre Rolle ganz anders auf- Der erste von ihnen ein gewisser Clado, hat einem Pariser Journalisten sein Herz ausgeschüttet. Es sei alles in bester Ordnung, versicherte er, es wären zweifellos japanische Torpedoboote ge wesen, auf die geschaffen worden sei. Er wolle nur dem Zaren eingehenden Vortrag halten seine drei Begleiter würden als „Zeugen" von dem Schiedsgericht vernommen, und dann sich nach Suez einschiffen werden, um der Flotte zu folgen. Man sieht, das tatsächlich diplomatische Ergebnis der englischen Staats männer ist schon auf ein Nichts zusammen- geschrumpft und wenn es in diesem Tempo weitergeht, wird England noch in Petersburg um Entschuldigung deswegen nachsuchen müssen daß es wegen dieser einfachen, nichtssagenden Huller-Affäre anfänglich so ungeheuren Lärm geschlagen hat. — In unsrer denkmals freudigen Zeit mutet es sonderbar an, daß nicht alle Denkmäler, die schon vorhanden sind, auch wirklich aufgestellt werden. Damit wird nicht etwa auf das Goethe-Standbild in Nom oder die Statue des alten Fritz in Sashington abgespielt, die ja nun auch schon ihre feierliche Weihe gefunden hat. Nein, es handelt sich um einen gewissen Schiller, dessen 100 Todes tag man im nächsten Jahre begehen kann und dem die Stadt Wiesbaden ein Denkmal er richtet — hatte. Dem betreffenden Platze wurde auch der Name „Schiller"-Platz bet gelegt. Indessen: andre Zeiten, andre Sitten. Es war eine Generation herangewachsen, die von Schiller nicht mehr viel wußte, oder der Meinung war, das Denkmal habe lange genug dagestanden. Kurz und gut: die Statue wurde in die Rumpelkammer gestellt, an ihre Stelle auf dem Schillerplatze wurde ein Denk mal Kaiser Friedrichs aufgerichtet und der Platz selbst in Kaiser Friedrichsplatz umgenamst. „Es soll der Sänger mit dem König gehen, denn beide wandeln auf der Menschheit Höhen" und eine dem Dichter Schiller angemeffene Menschheitshöhe ist die Rumpelkammer gewiß. Vielleicht verkloppt die städtische Verwaltung in Wiesbaden die nun überflüssig gewordene Schiller-Statue als altes Metall? Manche Stadt würde sich ganz gern mit solchem Trödelkram begnügen und noch ordentlich Staat damit machen. Das bedauernswerte Schicksal der Schillerstatue in Wiesbaden kann die Folge haben, daß so manches heutzutage errichtete Standbild im Innersten vor der eigenen Zukunft zittert, besonders wenn nicht der Genius der Schönheit den Meißel seines Schöpfers geführt hat. Und das soll häufig vorkommen.