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Ottendorfer Zeitung. Vie „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode" Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr, Inserate werden m't w Pf für die Spaltzeiie berechne« Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-DkriLa. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 149. Mittwoch, den 14. Dezember 1904. 3. Jahrgang. Bekanntmachung. Das Nmeilhilig.der Michtfrumvehriilannschaften liegt von heute ab eine Woche lang wahrend der Erpeditionoreit im Gemeindeamt — Registratur — zu Mendors-Morihdorf aus. Ottendorf-Okrilla, am 10. Dezember 1904. Der Feuerlöschverband. Gemeinde-Vorstand Lincke —_— Vorsitzender. Bekanntmachung. Donnerstag, den 15. Dezember 1904 abends 6 Uhr öffentliche GemeinderntEmng. Ottendorf-Msritzdorf, am 13. Dezember 1904- Der Genreindevorstand. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Wkrilla, iz. Dezember 190z. — Am Sonnabend Abend fuhr der 6 Uhr 29 Minuten hier ankommende Personenzug an dem Straßenübergange kurz vor unserem Orte an einem Geschirr des Mühlenbesitzers Höntzsch aus Reichenau bei Königsbrück an. Der Hintere Teil des Wagens wurde zer trümmert, der Kutscher und die Pferde kamen ohne jede Verletzungen davon. Nach Weg räumung der Wagentrümmern konnte der Zug seine Fahrt nach Königsbrück fortsetzen. — Bei der am Sonntag stattgefundenen Gemeinderatswahl in Groß-Okrilla wählten von 96 wahlfähigen Personen ein reichliches Drittel und wurden von den Hausbesitzern die Herren Ernst Leonhardt und Ernst Vetter von den Unansässigen Herr Bruno Bürger gewählt. — Bei der am Sonnabend in Ottendorf stattgefundenrn Gemeinderatswahl an welcher sich von 418 Wählern 118 beteiligten, wurden folgende Herren 'gewählt: I. Klasse der An sässigen: Gutsbesitzer Gustav Thieme mit 24 Stimmen, und Fabrikant Hugo Walther mit 20 Stimmen als Gemeinderatsmitglieder, Gutsbesitzer Ernst Zumpe mit 26 Stimmen als Ersatzmann, außerdem erhielten Guts besitzer Emil Birnstengel 6 Stimmen, Gärtnerei- dcsitzer Fr. MottheS und Gutsbesitzer Moritz Guhr je 1 Stimme als Gemeinderatsmiiglieder. II. Klasse der Ansässigen: Maurer und Haus besitzer Tamme mit 19 Stimmen als Ersatz mann. Außerdem erhielten Schuldirektor Endler 9. Maurer Max Walther 8, und Maurer August Lodrich 2 Stinimen. III. Klasse Unansäisiche: Maurer Ernst Mißbach 52, Glasmacher Richard Gaida 51 Stimmen. Dresden. Montag früh in der dritten Stunde ist in Klotzsche der in DreSden- Friedrichstadt wohnende Bremser Mohn tödlich verunglückt. Er fuhr mit dem Nacht güterzuge zwischen Bautzen und Dresden stürzte während der Fahrt vom Wagen und wurde überfahren, wobei er am Kopfe gräßlich verstümmelt wurde und einen Arm bruch erlitt. Mohn stand im 60. Lebensjahre. — Am Freitag früh gegen 7 Uhr stellten sich zwei hiesige Studierende auf dem Wiener Platze vor einen stadtwärts fahrenden Straßenbahnwagen mit auSgebreitelen Armen plötzlich auf die Gleise, um dadurch den Wagen zum Halten zu bringen, wobei sich einer sogar am Vorderstandplatze sesthielt. Ein Gendarm versicherte sich der angetrunkenen „Spaßmacher" und stellte deren Personalien fest. Krakau. Freitag nachmittag erhängte sich der hiesige Flebcher Max Ziegler im Schlacht haus seiner Fleischerei. Er war im 26. Lebensjahre und noch unverheiratet Schwepnitz. In der Nacht vom 6. zum 7. Dezember a. c. wütete hier ein organartiger Sturm, der an Gebäuden und in Gärten großen Schaden anrichtete. Auf dem Bahnhöfe hatte der Sturm drei Lowrys, wovon eine geladen war, in Bewegung gesetzt und bis au den Hemmschuh am Fabrikgleis entführt. Die zuerst angefahrene Lowry wurde durch die nachfolgenden über das Hindernis gedrängt und kam völlig zur Entgleisung, wodurch dieselbe beschädigt wurde. Niedersteina b. Pulsnitz. Ein furchtbares Unglück ereignete sich in der Nacht zum Montag in unserem Orte. Das dem Bauerngutsbesitzer Freudenberg gehörige Anwesen wird von diesem und seinem Schwiegersöhne Thomschke bewohnt. In der Nacht gegen »/i1 Uhr brach in dem Wohnhause ein Feuer aus, das nicht nur das Anwesen vollständig vernichtete, sondern dem Besitzer selbst, seiner Frau und seinen Kindern, sowie seinem Schwiegersöhne, besten Frau und zwei Enkeln den Flammentod brachte. Ueber die Ursache des Feuers be stehen nur Vermutungen. Verschiedene Gründe sprechen dafür, daß Freudenberg seine Familie umbrachte, dann das Anwesen in Flammen steckte und sich selbst ins Feuer stürzte. Die Beweise hierfür sind aber noch zu erbringen. — Weiter wird hierzu gemeldet, daß von den acht Bewohnern des Hauses nur der Schwiegersohn des Besitzers, der Steinbruch besitzer Thomschke, sich habe retten können. Thomschke wohnte mit seiner Frau und zwei Kindern im Hause seines Schwiegervaters. Alle übrigen sieben Hausb-wohner sind in den Flammen umgekommen. Nach dem Aussagen Thomschkes sei dem Brande ein furchtbares Verbrechen vorausgegangen: Sein Schwieger vater Freudenberg sei plötzlich infolge be deutender Geldverluste irrsinnig geworden und habe seine Ehefrau, seine drei Kinder un zwei Enkel mit einer Radehacke erschlagen und hierauf die Wirtschaft in Brand gesteckt, dann habe er sich selbst in die Flammen gestürzt und sei darin verbrannt. Thomschke rettete sie nur notdürftig bekleidet. Er habe die Schläge seines Schwiegervaters abgewehrt uud sei die Treppe hinuntergesprungen. Am Sonntag früh wurde Thomschke verhaftet. Man schenkt seinen Angaben nicht allenthalben Glauben un vermutet, daß er selbst als Täler in Frage kommt. Sein Schwiegervater Freudenberg wird als ein ruhiger, gut beleumundeter alter Mann bezeichnet. Thomschke dagegen steht nicht im besten Rufe; die Verhältnisse lassen zu wünschen übrig. Am Sonntag vor mittag traf eine gerichtliche Kommission an der Brandstelle ein, die während des ganzen Tages eine große Menschenmenge umstand. Die Ueberreste der in den Flammen Umgekommenen sind noch nicht ausgehoben. Montag früh trafen Beamte der Königlichen Staatsanwalt- chaft am Tatorte ein. Der Bevölkerung bat ich große Aufregung über die furchtbare Tat bemächtigt. Schmiedefeld. Der Besitzer des Gasthofes „Zum Fuchs" darf sich rühmen, ein besonders ertragreiches Ackerstück zu haben. Dasselbe pendet seinem Besitzer außer reicher Feldfrucht ast alljährlich einige Goldstücke. Auch in diesen Tagen fand die Gattin des Besitzers wieder einen prächtig erhaltenen bayerischen Goldgulden aus den 17. Jahrhundert. Die Zahl der gefundenen Goldstücke übersteigt nun sie 20- Auf dem betreffenden Felde, das bis m die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit Wald bestanden war, dürfte sicher im Dreißigjährigen Kriege ein Soldat sein Grab gefunden haben, dessen Börse reich mit Gold stücken gespickt war. Für diese Ansicht pricht auch der Umstand, daß ganz in der Nähe der Fundstelle dieser Goldstücke bei dem Bau der Dnsden-Görlitzer Bahn ein großes Schwert gefunden wurde, das damals nach Dresden in eine der dortigen Sammlungen kam. Neustadt. Schauplatz eines Dramas war das Dorf Neustadt in der Sächsischen Schweiz. Der 22jährige Arbeiter Hen tzmann war mit seiner Mutter, einer b. jährten Witwe, in Streit geraten, füllte ein Glas mit Cyankali und leerte es halb mit den Worten: „Mutter, ich vergifte mich!" Die alte Frau nahm den Rest zu sich Mutter und Sohn gaben ihren Geist auf. Dohna. In der hiesigen Strohstofffabrik erfolgte auf bisher noch unermittelte Weise eine Explosion im Schmelzofen. Glücklicher weise wurde bei diesem Unfälle nur eine Person verhältnismäßig leicht verletzt. Moritzburg. Infolge des unaufhörlichen Regens war der am Mittwoch hier statt gefundene Kram- und Viehmarkt nur schwach besucht. Pferde befanden sich 348 auf dem Platze, Der größte Teil war in den Ställen geblieben. Auch fanden nur wenig Geschäfts abschlüsse statt. Rinder waren 14 Stück und Schweine (Läufer und Ferkel) 315 auf dem Markte, letztere erzielten keine hohen Preise. Großenhain. Das durch Zusammenstoß einer Leerlokomotive mit einem Güterzuge entstandene Ruhlander Eisenbahnunglück hat drei weitere Opfer gefordert, sodaß nunmehr vier Menschenleben zu beklagen sind. Der Führer Hertel und der Heizer Kluge von der Lserlokomotive, die beide bei dem Unfall ihr Leben einbüßten, wurden am Sonntag in Hoyerswerda beerdigt. Ihren erheblichen Verletzungen erlegen sind ferner der Führer und der Heizer des Güterzuges. Sie erlitten schwere Arm- und Rippenbrüche, während die beiden Bremser mit leichteren Verletzungen davonkamen. Sämtliche Verunglückte sind verheiratet und Familienväter. Der Material schaden beläuft sich auf etwa 2000 Mark. Leipzig. Am Freitag mittag gegen 12 Uhr hat, wie schon kurz, gemeldet, in der Gasanstalt zu Leipzig-Sellerhausen an der Wurzener Straße eine Gasexplosion statt gefunden, wobei drei Personen schwer verletzt worden sind und großer Materialschaden angerichtet worden ist- In der Nähe der Gas öfen befindet sich ein sogenannter Reinigungs raum, der in drei Teile geteilt ist und aus der Scheidegrube, Teer- und Ammoniakraum besteht. Unter diesem ganzen Raum befindet sich eine etwa 4 m tiefe und 25 irr lange Grube, in die die von der Gasbereitung ver bleibenden 'Flüssigkeiten geleitet werden. Die ganze Grube, die etwa 2 in hoch mit der Flüssigkeit gefüllt gewesen ist, ist überwölbt. Es heißt, daß sich unter dieser Wölbung Gase gebildet und aus einer noch nicht bekannten Ursache entzündet haben. Durch die Explosion ist die Wölbung hochgehoben, die Mauern sind zum Teil herausgeworfen und alle Fenster eingedrückt worden. Aus der Woche. Die Meldungen aus Ostasien und Süd westafrika gleichen sich durch ihre Bedeutungs losigkeit und ihre Lehre von den Schrecken des Krieges. Legt uns der Aufstand unsrer halb wilden Landsleute in Afrika sehr empfindliche Opfer an Gut und Blut auf, so scheint sich auch der ostasiatische Krieg so sehr in die Länge zu ziehen, daß der Ausgang von der Frage abhängt, wer es bezüglich des Geld beutels am längsten aushält. Für das russische Volk hat der Krieg insofern sein Gutes, als ohne ihn und seine Nackenschläge das. halbe Entgegenkommen der russischen R gierung gegenüber der Reformbewegung nicht denkbar wäre. Die Beitragsabschlüste wegen zweier neuen deutsch-russischen Bahnverbindungen -egen das Vertrauen, das die russische Regierung auf Deutschland setzt, dessen Regierung sich ja auch stets voller Zn- aorkommenheit gegen den Zarismus zeigt. Der Liberalismus in Deutschland neigt sich ja sonst immer zu England hin, aber die deutsch feindliche Stimmung unsrer angelsächsischen V-ttern macht es schwer, da Entgegenkommen zu zeigen, wo ein gleiches nicht zu erwarten ist. — Die Reichötagsverhandlungen bieten wenig Anregung; wenigstens lasten sich die Leser dadurch nicht ausregen. Das Roketfeuer, das Bebel mit seiner Etatsrede angebrannt hat, ist spurlos verpufft. Nun wollen seine Partei- sreunde das Glückwunsch - Telegramm des Reichstagspräsidenten Grasen Ballestrem aus Anlaß der Verlobung des deutschen Kronprinzen zum Gegenstand einer Interpellation machen. Allerdings ist noch fraglich, wen sie interpellieren wollen. Den schönsten Witz hat ihnen ja schon der Süddeutsche Stocz weggenommen, der dem Grafen Ballestrem zu seiner Gesundheit gratulierte, ihm, der in seinem gedachten Glückwunschtelegramm bereits „ersterben" zu wollen erklärte. Das ist eine alte, mittel alterliche Form, die allerdings in unsre heutige Zeit nicht mehr so recht paßt, und wenn man noch so viele Anhänglichkeit und Verehrung für ein Herrscherhaus empfindet. — Der Ausgang des Ruhstrat-Prozesses in Oldenburg bietet die Ursache zu heftiger Preßpolemik. Die Be rufung ist eingelegt und ohne die geringste Sympathie für das Skandalblatt „Residenzbole" und seine Macher darf man doch wohl eine Aenderung des Urteils erwarten. Dieser Prozeß ist nicht der einzige, besten AuSgang ein bedenkliches Kopfschülteln verursacht. DaS Vertrauen zur Justiz ist die Grundlage der Staaten, ktzririmossiws, basta, ast suäsx inzustus! So lautet der Wahlspruch des kurbrandenburgischen Kanzlers v. Breitenbach — „Die schrecklichste Bestie ist ein ungerechter Richter!" — v. Breitenbach ist seit viertehalb Jahrhunderten tot, aber sein Wahrspruch gilt heute noch und es ist dringend zu wünschen, daß er überall beherzigt werde. Der deutsche Richterstand steht viel zu hoch, als daß auch mi' die Vermutung entstehen könnte, das auS Liebedienerei gegen Höherstehende ein falsches Urteil zustande kommen könnte. Tatsächlich wird das auch von keiner Seite behauptet. Aber gar zu häufig hat man die Empfindung, laß sich unser Richterstand aus Leuten zu sammensetzt, die den kleinen Mann und seine Empfindungen nicht recht verstehen, die Beweg gründe seines Tuns und Unterlastens nicht richtig zu würdigen und zu werten wissen- Das Recht ist aber nicht immer nur der ge schriebene Buchstabe, sondern die Gesamtheit besten, wie die große Mehrheit als Recht empfindet. Dies ist besonders in einer Zeit von Bedeutung, in der große soziale und politische Gegensätze um Geltung ringen und die Justiz hat da alle Ursache, sich auch von der geringsten Spur der Verdächtigung frei zuhalten, daß sie Partei sei und eine Volts- klaste gegen die andre begünstige.