Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 16.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190412168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19041216
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19041216
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-12
- Tag 1904-12-16
-
Monat
1904-12
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 16.12.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
politische Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. *Nach Belichten aus den Hauptquartieren haben am Schahe wieder Vorposten gefechte stattgefunden, bei denen die Russen überall zurückgeschlagen wurden; bei einem dieser Gefechte, heißt es in den Berichten, schienen die Russen schwere Verluste gehabt zu haben. (Die feindlichen Heere am Schahe sollten doch für den Winter Waffenstillstand schließen!) * Eine offizielle Mitteilung der Bela- aerungsarmee von PortArthur sagt: 4 russische Linienschiffe, zwei Kreuzer, 1 Kanonen boot und 1 Minenschiff find vollkommen kampf unfähig gemacht worden; eine weitere Be schießung der Schiffe ist unnötig; jetzt wird die Stadt beschofsenund ihr schwerer Schaden zugefügt. * Statt beglaubigter Nachrichten aus Port Arthur empfängt man nur solche englischer Herkunft und diese find stets mit Vorsicht zu genießen. So melden die,Daily News' wieder aus Tientsin: „Russische Gefangene berichten, die Vorräte an Lebensmitteln in Port Arthur seien ungenügend, die Garnison erhalte ver kürzte Rationen und ein Brot, das aus Mehl mit Beimischung gröberer Kornsorten hergestellt wird. Die Offiziere erhielten zweimal wöchent lich Pferdefleisch. Infolge des schlechten Wetters herrschten Typhus und Dysenterie. Frische Gemüse seien nicht zu haben, die Konserven seien erschöpft, die Vorräte dürften in einem Monat zu Ende sein." * Der japanische Kreuzer „Saiyen" stieß vor PortArthur auf eine Mine und sank. * ,Rußkoje Slowo' zufolge soll General Kuroki tatsächlich gestorben und durch den Prinzen Saznavo, einen Bmder des Mikado, ersetzt worden sein, der erst 21 Jahre alt sei. *,Daily Expreß', der sich nie durch Zuver lässigkeit auszeichnet, läßt sich aus Petersburg melden, das baltische Geschwader Roschdjestwenskys habe Befehl erhalten, die Weiterfahrt nach dem Osten einzu - stellen. Wäre das wahr, so glaubt man in Petersburg an den baldigen Fall von Port Arthur, nach welchem die neue Flotte im Osten keine rechte Verwendung mehr fände. *Vom dritten russischen Ge schwader für Ostasien heißt es, die russische Regierung sei bestrebt, die Abreise dieser neuen Flotte möglichst geheim zu halten. Private Meldungen geben für die Abreise die verschiedensten Termine an. So heißt es ein mal, daß einige Schiffe in zwei Wochen aus Libau auslaufen werden, zweitens, daß das ganze Geschwader Ende Februar, drittens, daß es Ende August auslaufen soll. In Wirklich keit dürfte überhaupt noch kein Termin festge setzt sein, da die in Betracht kommenden Schiffe zum Teil noch fertiggestellt werden müssen. * * * Deutschland. *Nach dem bisherigen Verlauf der Be ratungen der Neichskommisfion zur Vorprüfung von Fragen der Revision des Straf prozesses ist mit Sicherheit zu erwarten, daß der nach Abschluß der Sachverständigen beratungen aufzustellende Entwurf wegen Ab änderung der Strafprozeßordnung die Ein führung derBerufung enthalten werde. * Die Weihnachtsferien des Reichs tages werden am Freitag (16. d.) beginnen und bis Dienstag, den 10. Januar dauern. * Durch die Zeitungen ging kürzlich die Meldung, zwischen der Reichsregierung und dem Vatikan sei eine Differenz entstanden, die ihre Ursache in dem Verhalten des Bischofs Benzler habe. Er solle nach dem Wunsche der Regierung von seinem Posten entfernt werden; der Papst weigere sich dessen, habe den Bischof aber nach Rom gerufen. Hiezu schreibt die .Südwestd. Korr/, der wir die Verantwortung dafür überlassen müssen: „Die Meldung ist, soweit sie die Regierung betrifft, sicherlich falsch. Das geht schon daraus hervor, daß der Kaiser vor einiger Zeit die persönlichen Beziehungen zum Bischof, der sich in einer Privat angelegenheit an ihn gewandt hatte, in freundlicher Weise wieder ausgenommen hat. Daß aber die Lage im Bistum Metz der Gegenstand ernster Be ratungen im Vatikan sein wird, ist sehr wahr scheinlich." * Der bekannte Parlamentarier und Senior der nationalliberalen Partei Dr. Hammacher ist im 81. Jahre gestorben. * Die Frage, ob Kriegervereine in ihrer Mitte Angehörige sozialdemokra tischer Gewerkschaften dulden sollen, ist nunmehr von der Leitung des Deutschen Kriegerbundes in verneinendem Sinne entschieden worden. Im Kriegerverein Hannover teilte der Vorsitzende mit, daß laut Entscheidung der Bundesleitung diejenigen Kriegervereins mitglieder, die zugleich Mitglieder einer sozial demokratischen Gewerkschaft find, bis zum Leutnant Fritz Rostvach -s. Unter den tapferen Streitern, die mit ihrem Herzblut in Südwestafrika die Treue für Kaiser und Reich besiegelt haben und nun in fremder Erde ruhen, befindet sich auch ein Leutnant Fritz Roßbach. Er war am 31. Mai 1878 zu Leipzig ge boren und erhielt seine Ausbildung im Kadettenkorps zu Dresden. Er trat in das 6. sächsische Infanterie- Regiment zu Straßburg i. E. ein und wurde im Juli 1904 zur kaiserlichen Schutztruppe in Südwest afrika kommandiert. Hier machte er die Gefechte der 2. Ersatzkompanie des 1. Feldregiments mit. Nachdem er ein Patrouillengefecht am 20. November bei Kuis glücklich überstanden hatte, fiel er am 6. Dezember auf einem ErkundungSritt beiAnicharibib. Der junge, hoffnungsvolle Offizier war bei seinen Untergebenen, Kameraden und Vorgesetzten gleich beliebt. 1. Januar ihren Austritt aus der letzteren zu erklären haben. Tun sie das nicht, so haben fie bis zum 1. März aus dem Kriegerverein aus zutreten, widrigenfalls fie auszuschließen find. Es ist nur gestattet, einer christlichen Gewerk schaft beizutreten. *Nach dem kürzlich erschienenen Jahrbuch des „Zentralverbandes deutscher Konsum- Vereine" hatte der Zentralverband am Jahresschluß 1803 684 Vereine (jetzt bereits 750), die in acht Unterverbände gegliedert find. Die Zahl der berichtenden Vereine betrug 63S mit einem Mitgliederbestände von rund 575000 einem Umsatz von 160 000 000 Mk., einem Überschuß von 14 700000 Mk. und einem eigenen Kapital von 17 700 000 Mk. *Bei Verfolgung flüchtiger Witbois find Briefschaften Hendrik Witbois und 12 000 Stück Vieh von den deutschen Truppen er beutet worden. Österreich-Ungarn. * Zwischen Österreich - Üngam und der Schweiz ist der jetzt modern gewordene Schiedsgerichtsvertrag abgeschlossen worden. * Der Abg. Graf Sternberg ließ den alldeutschen Abg. Wolf wegen eines Zwischen rufes in der Sitzung des Wiener Abgeordneten hauses zum Zweikampf fordern und schrieb, er chieße sich mit jedem Schweinehund, also auch mit Wolf. Sternberg sandte seinem Gegner zwei jüdische Dienstmänner als Sekundanten. Frankreich. *Die Leichenfeier für den Deputierten Syveton fand am 10. d. in der Kirche St. Pierre von Neuilly statt. Der Leiche wurden militärische Ehren erwiesen. (Auf solche haben alle Deputierte Anspruch, wenn sie — tot sind.) Ruhland. * Großfürst Alexander Sergius ist von seinem Posten als Generalgouverneur von Moskau zurückgetreten. Die Meldung ist poli tisch von hohem Interesse; Großfürst Sergius Alexandrowitsch ist nämlich der Führer der extremen Konservativen und ein Gegner des Ministers des Jnnem Fürsten Swiatopolk-Mirski. * Zwischen Rußland und Schweden- Norwegen ist ein Schiedsgerichts vertrag auf Basis der Haager Konvention abgeschlossen worden. * Justizminister Murawiew hat sein Abschiedsgesuch eingereicht und damit begründet, daß das Prinzip der Selbst herrschaft während seiner ganzen Dienstzeit seine leitende Basis gewesen wäre. Er könne keinen Dienst mehr tun, weil sogar die Justizbeamten von andern Ideen durchdrungen seien und im vollen Widerspruch zu den seinen ständen. Als getreuer Untertan könne er daher seine Tätigkeit nicht länger fortsetzen. Balkanstaaten. *Die Ministerkrisis in Serbien ist beendet. Es ist ein radikales Kabinett Pafitsch gebildet worden. (Mit andern Worten: Es bleibt beim alten!) clsm Neickstage. Der Reichstag setzte am 10. d. die erste Lesung des Etats und der Militärvorlagen fort. Abg. Blumenthal (Hospitant der südd. Vp.) wünschte, daß die Mahnung des Reichskanzlers zur Vorsicht in der Behandlung der auswärtigen Politik an der Stelle Beachtung finden möchte, an der die Worte des ersten Beamten des Reichs vor allem gehört werden wüßten. Redner kam dann auf die Famecker Friedhofsaffäre zurück, verliest Äußerungen der katholischen Presse über die Mischehen und wirft im Anschluß daran dem Zentrum vor, daß es Parität nur für sich selber verlange, sie aber andern nicht gewähren wolle. Abg. Heim (Ztr.) geht auf die Finanzlage ein. Für eine Vermögenssteuer sei er durchaus, halte aber die Anregung für beachtens wert, die Landwirte davon auszunehmen. Abg. Paasche (nat.-lib.) beklagte sich über die allseitige Aufmerksamkeit und Beachtung, die die sozial demokratischen Redner finden. Abg. Bebel (soz.) er klärte namens seiner Freunde, daß seine Fraktion die Verantwortung des vom Reichskanzler zitierten Artikels der Leipziger Volkszeitung^ nach jeder Richtung hin ablehne. Redner erhielt vom Präsi- demen Graf Ballestrem einen Ordnungsruf, als er dem Frh. v. Mirbach offenbaren Meineid vorwarf. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Graf Rebentlow (Antis.), Osel (Zlr.) und Gröber (Ztr.) wurden der Etat und die Militärvorlagen an die Budgetkommission verwiesen. Am 12. d. wird die vor der Vertagung abge brochene Beratung der Resolutionen Stötzel (Ztr.) und Auer (soz.) fortgesetzt. Diese wünscht Einführung einer täglichen Schicht in Bergwerken von acht, in Betrieben mit über 28 Grad Celsius von sechs Stunden, obligatorische Einführung von Arbeitskontrollsuren, die teilweise in geheimer Wahl gewählt werden sollen, Verbot der Frauenarbeit und in den der Berginspektion unterstellten Be triebe» eine einheitliche Regelung des Knappschafts wesens. Diese Resolution beantragt der Abg. Spahn als Material zu überweisen. Die Resolution Stötzel wünscht reichsgesetzliche Regelung des Bergrechts, um fassenden Schutz der Bergarbeiter und wirksame Be kämpfung der Wurmkrankheit. Abg. Burckhardt (wirtsch. Vgg.) spricht sich für die Resolutionen aus, wünscht aber, daß die Wahl der Äufsichtsbeamten zwar eine geheime aber keine allgemeine sein solle und regt sodann eine Steuer für nicht genügend abgebaute Gruben felder an. Abg. Korfanty (Pole): Die Ansichten meiner Freunde decken sich mit dem Antrag Auer. Die Arbeitslöhne in Oberschlesien sind besonders schlecht. Unter der übermäßigen Arbeitszeit der Eltern leiden auch die Kinder, zumal sie auch auf der Schule schlecht erzogen werden, da ihnen alles in der für sie fremden deutschen Sprache gelehrt wird. Abg. Paasche (nab-lib.): Der Zentrums resolution auf Schaffung eines einheitlichen Berg ¬ rechts stimmen meine Freunde ohne weiteres zu. Im allgemeinen ist die Lage der Arbeiter im Berg bau nicht so schlimm, wie hingestcllt worden ist. Besonders die Arbeiter in Rheinland-Westsalen haben Zeit genug, für ihre Bildung und auch sür ihre religiösen Bedürfnisse zu sorgen! Abg. Stötzel (Zentr.): Das Kohlensyndikat ist für die schlechten Verhältnisse im Bergbau nicht ver antwortlich zu machen, wenn auch eine Folge erscheinung der Syndikatsvolitik, da? Stillegen der Zechen, sehr zu beklagen ist. Eine Unzufriedenheit und Erregung hat sich in Arbeiterkreisen durch die noch immer nicht erfolgte Regelung des Knapp schaftswesens bemerkbar gemacht, Wir haben den Antrag auf Überweisung als Material gestellt, weil wir wünschen, daß die Regierung die ganzen Ver hältnisse im Bergbau einer gründlichen Prüfung unterziehen möge. Geheimer Oberbergrat Meißner wendet sich gegen verschiedene Ausführungen der Vorredner. Von der Preuß. Bergwerksverwaltung wird streng darauf gehalten, daß nicht zu viel llberschichten ge macht werden. Die Vorschriften in den Bergwerken, in denen viele Polen arbeiten, sind auch in polnischer Sprache vorhanden. Im persönlichen Verkebr zwischen den Beamten und Arbeitern die polnische Sprache anzuwenden, halten wir direkt für über flüssig. Daß die Sicherheitszustände nicht schlechter geworden sind, ergibt sich aus der Unfallstatistik; die von sozialdemokratischer Seite für die hohe Unfallzahl in Preußen geltend gemachten Gründe muß ich bestreiten. Abg. Mugdan (frs. Vp.): Wenn man auch der sozialdemokratischen Resolution nicht in allen Punkten zustimmen könne, so sollte man doch wenig stens für Überweisung zur Berücksichtigung oder Er wägung stimmen; den polnischen Arbeitern müssen die Unterweisungen in polnischer Sprache gegeben werden. Auch die Beseitigung der Frauenarbeit halte ich für unbedingt geboten. Die Arbeitszeit muß wenigstens auf 8 Stunden eingeschränkt werden. Die Regierung soll daran denken, energische Maß nahmen gegen die Wurmkrankheit zu treffen. Staatssekretär Graf Posadowsky: Wir haben bisher im Reichkgesundheitsamt eingehende Versuche zur Bekämpfung der Wurmkrankheit ge- gemacht. Es war bisher die Ansicht verbreitet, daß die Wurmkrankheit nur dadurch eintrete, daß das Tier seinen Eingang in die Mundöffnung findet. Ein Gelehrter hat nun die überraschenden - Ergeb nisse gefunden, daß der Krankheitserreger nicht nur durch die Mundöffnung allein, sondern auch durch die Haut seinen Weg nimmt. Wir haben dementsprechende Versuche mit Affen gemacht, die die Richtigkeit dieser Annahme unzweifelhaft erweisen. Der Bergarbeiter, der in einer Temperatur von 18 bis 37 Grad Celsius arbeitet, muß sehr leicht gekleidet oder fast unbekleidet sein. Die Gefahr, daß der Arbeiter auch von außen infiziert wird, ist also außerordentlich groß. Wir wollen nun diese Studien noch fortsetzen, um festzustellen, ob in der Tat die Versuche, die bei dem Tier das unzweifel hafte Resultat gebracht haben, auch beim Menschen zutrcffen. Sobald alle diese Erhebungen abgeschlossen sein werdet:, wird dem Reichstage eine Denkschrift vor gelegt werden. Richt Desinfektionsmaßregeln, sondern möglichste Reinhaltung im Bergwerk und möglichst strenge Überwachung der Wurmverdächtigen im Ruhrrevier haben zu erfreulichen Resultaten geführt; von 80 Prozent ist die Ziffer aus 33-/2 Prozent zurückgegangen. Abg. Bömelburg ssoz.): Die Verhältnisse im Bergbau kann doch Wohl niemand verteidigen. Von 1895-1903 haben wir 14 250 Unfälle über haupt und 5801 mit tödlichem Ausgang gehabt. Nur reichsgesetzliche Maßnahmen sind das richtige Mittel zur Abhilfe der Mißstände im Bergbau. Trotzdem die Leistungen der Arbeiter für die Kranken- und Jnvalidenlsffen von Jahr zu Jahr gestiegen sind, sind die Renten gleich geblieben. Das ist ein Verfahren, welches geradezu an Gaunerei grenzt. Inzwischen ist ein Antrag Kopsch (fs. Vp.) eingegangen, die sozialdemokratische Resolution der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Nach weiterer Debatte schließt die Erörterung. Die Zentrumsresolution wird angenommen, die der Sozialdemokraten dem Reichskanzler als Material überwiesen. — Darauf vertagt sich das Haus. Von I^ak unä fern. Die Hundertjährige«. Auch in Elbing wurde dieser Tage der Geburtstag einer Hunderijährigen gefeiert, einer Frau Küster. Ihr wurde an ihrem Ehrentage durch den Oberbürgermeister Elditt ein Glückwunsch schreiben aus dem Zivilkabinett des Kaisers und eine Tasse mit dem Bildnis des Kaisers überreicht. Ok SmSpielbaU äesöckicklals. 15s Roman von C. v. Berlepsch. (FortsedMlg.) „Vielleicht ist es doch möglich, daß fie uns etwas singt. Was meinst du, mein Herz?" Edith sieht sich nach einer Stütze um, um die wenigen Schrille bis zum Klavier zurück legen zu können. Aber der Doktor bittet: „Strengen Sie Ihren Fuß nicht an, gnä diges Fräulein, es könnte Ihnen nicht gut sein. Ein andermal habe ich wohl das Vergnügen, Sie fingen zu hören." Sie errötet bei seinen Worten. Er bemerkt es. Zwei Augen sehen ihn an, zwei ernste, vorwurfsvolle Augen, die mahnen: „Du sollst nicht dein Vergnügen haben an den Schwächen deiner Mitmenschen; das ist deiner nicht würdig.". Da wacht er wohl über sich, damit kein unüberlegtes Wort diesen Schwächen neue Nah rung gibt. Nur Else, das Kind, die kaum Zwanzig jährige, bemüht sich nicht um seine Gunst, pro duziert auch trotz des Stirnrunzelns der Mutter ihre Talente nicht. Sie wirft den hübschen Kopf mit dem niedlichen Stumpfnäschen trotzig in die Höhe, sobald sie sich zu ihm wendet. Wohl haben seine schönen grauen Augen auch in ihrem Köpfchen eine Zeillang gespukt, sich sogar zweimal in ihre Träume gemischt; aber dann haben zwei braune Augen tief in die ihren geraucht; seitdem wollen ihr diese Augen nimmer aus dem Sinn. Gertrud und Käthchen find mit Fräulein Waldburg an den Strand gegangen, wo letztere während der ganzen Ferien zu bleiben gedenkt. Dr. Haller hat sie pflichtgemäß bis zur Jour- naliere begleitet, hat kühlen Abschied von Gertrud genommen und ist dann mit leisem Gruß zmückgetreten. Dann ist er fortgegangen und hat sich nicht ein einziges Mal umgesehen; und Käthchen hat doch mit der kleinen Hand nach ihm gewinkt, so lange fie ihn sehen konnte. Er hat Gertrud seit jenem Spaziergange nicht wieder gesprochen. Oft hat die Hoffnung, fie dort zu finden, ihn zu seiner Tante getrieben und jedesmal, wenn er sich enttäuscht sah, ist der alte Groll gegen fie in ihm erwacht. Es ist egen nichts mit der Liebe, warum hängt er sein Herz an dieses Mädchen! Sie hat's gut, fie schreibt sich ihre Gefühle vom Herzen herunter und steht in unerschütterlicher Ruhe da! Er hat viel zu tun, seitdem er einige glückliche Kuren gemacht hat. Er stürzt sich, nachdem er Abschied von ihr genommen, mit ganzer Kraft in das Studium; es ist so trost los leer um ihn geworden, da muß die Arbeit helfen. * * * Es ist ein stiller, warmer Abend, wie ihn dieser Sommer selten bringt. Alles regt sich am Strande. Fräulein Waldburg ist nicht ganz wohl, die lange Wagenfahrt hat fie etwas an gegriffen. So sind Gertrud und Käthchen allein ausgegangen. Als fie eben durch den Kurgarten gehen, um von dort aus an den Strand zu gelangen, treffen fie Oertzen, den Gertrud, in Gedanken versunken, nicht gleich erkennt. Er bleibt stehen und ruft mit gut gespielter Verwunderung: „Sie hier, Fräulein Wemer?" „Herr Landrichter!" Sie reicht ihm die Hand; er kommt ihr hier, unter so vielen fremden Menschen, wie ein alter Bekannter vor. Seit dem Tage im Walde hat fie ihn nicht gesprochen, nur hin und wieder gesehen und seinen respektvollen Gruß empfangen. Sie würde vielleicht etwas mißtrauisch sein, wüßte fie, daß er von dem Geheimrat erfahren hat, daß sie eine Woche am Strande verleben würde, und daß ihn dieser Umstand bestimmt hat, auch auf eine Woche hierher zu kommen; noch mißtrauischer, wenn fie wüßte, daß er sich die Kurliste hat vorlegen lassen, um ihre Wohnung auszu kundschaften, und daß er sich eine Wohnung in ihrer unmittelbaren Nähe ausgesucht hat. Er hat sich nicht an den vielen Mängeln der selben gestoßen, der sonst so bequeme Herr rst ungemein bescheiden in seinen Ansprüchen geworden. „Gestatten Sie mir, Sie zu begleiten?" „Mein Weg geht dort hinaus. Ist es Ihnen nicht zu sentimental, das Spiel des Mondes auf dem Wasser zu beobachten und sich von der See etwas vorrauschen zu lassen? Ich denke, Sie lieben dergleichen nicht." „Doch, wenn Sie erlauben —" „So kommen Sie. — Fräulein Waldburg, deren Gast ich hier bin, ist etwas unpäßlich, da find wir ganz verwaist." Sie gehen hinab zum Strande und schaufeln sich ein Bett in den reinen Sand. Sie ist schweigsam und achtet nicht auf Oertzen, sondern blickl nur immer mit großen, traurigen Augen auf das Wasser. Eine Hand spielt mechanisch mit dem Weißen Sande, während die andre Käthchen an sich zieht. „Gehört das Kind einer Ihrer Bekannten ?" Sie sieht ihn verwundert an. „Wußten Sie denn nicht? . . doch nein, wie sollten Sie! Käthchen ist eine Waise, ihre Eltern standen mir sehr nahe, waren mir innig befreundet. Sie ist jetzt mein ausschließliches Eigentum." „Fürchten Sie sich nicht vor den Ver pflichtungen, welche die Erziehung des Kindes Ihnen auferlegt?" „Fürchten? Die Pflichten sind mir lieb und leicht und das beste von meinem Leben. Dergleichen Pflichten schützen vor jeder Welt müdigkeit." „Wer das auch von sich sagen könnte !" Sie sieht im Licht des Mondes einen traurigen Ausdruck auf seinem Gesicht und sühlt mit dem Instinkt des Herzens, daß der, dem die Sehnsucht blieb, so gar schlecht nicht sein kann, trotzdem manch' abenteuerliches Gerücht aus seinem früheren Leben auch an ihr Ohr ge drungen ist. „Wenn ich Sie recht verstehe," fuhr er fort, „dann haben auch Sie des Lebens Bitternisse schon alle durchkostet. Ihre Augen sagen es und auch der Mund. Sie haben gekämpft — aber gesiegt." „Ja, Herr Landrichter, ich habe gekämpft. Schon als kleines Mädchen fing der Kampf
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)