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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag so Uhr. Inserate werden mit w Pf für die Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 139. Sonntag, den 20. November 1904. 3. Jahrgang. Aekannünachung. Die Anfuhre von 140 ebm Steinen ab Hermsdorfer Bruch für den Massenschutt der Lomnitzerstraße soll Sonnabend, den 19. d. M. ab. 9 Uhr an den Mindestfordernden vergeben werden. Sammelort der Bieter: „Gasthof M schwarM floß". Ottendorf-Moritzdorf, am 17. November 1904. Der Gemeindevorstand. Lincke. Oertlirhes und Sächsische«. Dttendorf-Dkrilla, November ISOh. — Den tiefernsten Buß- und Betlage, den wir am Mittwoch begingen, folgt nun bald der stille, feierliche Totensonntag. In den fröstelnden November-Tag hinein schreiten an ihm Tausende und Abertausende zum Friedhof den schlafenden Lieben ein Zeichen der Er innerung und des Dankes zu bringen, um an den Hügeln noch einmal die entschwundenen Tage in sich wach werden zu lassen, in denen vereint waren in Liebe und Freundschaft, die nun seit manchem Jahr getrennt sind. —- Die Natur ist jetzt auf ihrem Tiefpunkte angelangt. Wissenschaftliche Beobachtungen haben ergeben, daß ungefähr Mitte November die Zeit ist, wo Blattentwickelung, Blüte und Fruchtbildung gleich Null sind. Es herrscht in der Vegetation jetzt größere Ruhe, die Zeit des Winterschlafes ist gekommen. Nicht bloß die Pflanzenwelt, auch die Tierwelt ruht, namentlich das Kleingetier, das schon seit Wochen einen schützenden Unterschlupf aufsucbte. Das fröhliche Leben in Wald und Flur ebbte immer mehr nach und nach ab, bis hinein in die trüben nebeligen Tagen, wo das Leben in der Natur ganz erstorben scheint. Nicht einmal das Tagesgestirn begrüßt uns jetzt regelmäßig Mit seinem freundlichen, aber belebenden Gruß. Rauh, trüb, nebelig ist vielfach der Tag wie die Nacht. Die öde, abgestorbene Natur wird jetzt die Predigerin der Vergänglichkeit. Was Wunder, wenn auch der Mensch jetzt von solchen Gedanken beschlichen wird und in dieser traurigen Zeit ein stilles Gedenken den Toten widmet? Das große Sterben draußen in der Natur will uns ein Symbol bedeuten, daß neben den Gedanken der Vergänglichkeit zugleich die fromme Hoffnung ist, daß auf die Zeit des Niederganges und der Ruhe wieder die Zeit fröhlicher Entfaltung und herrlichster Blüte folgt. Schon keimt unter mancher Hülle neues Leben, und wer sich desselben eher erfreuen will, als Mutter Natur zu tun vermag, der treffe jetzt im November dazu Vorbereitungen. Die Zweige des Flieders treiben bereits die Knospen, an den Kirschbäumen quellen schon dicke Augen hervor. Die Kastanien sind von neu-m mit ihren klebrigen Sprossen bedeckt, auch die Weiden und Haselnußsträucher tragen sicht bare Zeichen des neuen Lebens. Von allen diesen Gewächsen und noch von einigen anderen die gerade hoffnungsvoll erscheinen, schneide man sich die jungen Triebe ab, stelle sie zu Hause im erwärmten Raume in lauwarmes Wasser, besprenge sie täglich, und bald wird man daran seine Helle Freude haben. Es fängt an zu grünen und zu sprosseu, daß es eine wahre Lust ist. Hellgrüne zarte Blättchen, wohl auch gar Blüten und weiche Kätzchen 'werden bald tu wunderbarer Weise hervorgezaubert er scheinen und in diesen kurzen trüben Tagen den Trost auf das Wiedererwachen des Frühlings lebendig erhalten I — Der Bezirksausschuß der Königlichen ÄmtShauptmannschaft Dresden-Neustadt be willigte für da« laufende Jahr aus Bezirks- Mitteln für Wegebaubeihilfen und zwar der Gemeinde Gommlitz 200 M., Grünberg 300 M. Hermsdorf 200 M. und der Gemeinde Ottendorf-Moritzdorf 200 M. — Vom 16. November an darf in Sachsen auch die Jagd auf KrammetSvögel, ne nebst dem weiblichen Rehwild und den Rebhühnern die längste Schonzeit genießen, ausgeübt werden, und die Wildbretsaison steht also gegenwärtig auf voller Höhe, da vom 1. Dezember ab sowohl i Sachsen, als auch auf allen preußischen Jagdgebieten die Reb- mhner nicht mehr abgeschossen werden dürfen, und am 16. Dezember auch das weibliche Reh wild wieder in die Schonzeit eintritt, Leider werden in vielen Jagdgebieten, wie zum Bei- piel in Thüringen, im Frankenwalde, im Fichtel- und Erzgebirge, im Böhmerwalde usw- auch ungezählte Drosseln, so vorzugsweise die Rot- und Weindrosseln, die im Norden nisten, und dort ihres Gesanges wegen die „nordischen Nachtigallen" genannt werden, in Schlingen und Netzen gefangen und auf die Wildbret märkte gebracht. Das Verspeisen solcher Tierchen, die ihres wenigen, wenn auch sehr chmackhaften Fleisches halber auf ihren Reisen nach dem Süden oft auf die grausamste Weise in gelegten Schlingen buchstäblich zu Tode gemartert werden, sollte allein als Roheit verschmäht sein. Die eigentlichen Krammets- vögel gehören allerdings auch der Familie der Drosselvözel, von denen es über 80 Arten gibt, an, sind aber wesentlich größer als die Rot-, Weindrossekst usw. und weichen auch im Ge- teder merklich von den letztbe eichneten Sing vögeln ab, die sich hauptsächlich nicht nur von Waldbeeren, sondern auch von Insekten und Gewürm nähren und demnach zu den nützlichen Tieren zählen. Radeburg. Die Stadtverordneten - Er gänzungswahl findet diesmal am 28. November statt. — Roß- und Viehmarkt wird am 23. November hier abgehalten.y Rähnitz. Prinz Ernst von Schönburg- Waldenburg auf Gauernitz besichtigte vor einigen Tagen unter Führung des Herrn Pastor Altmonn unser neues Gotteshaus und sprach sich sowohl über den Bau und die innere Einrichtung als auch über den Klang der Orgel sehr lobend aus. Dresden. Donnerstag früh in der sechsten Stunde wurde ein Mann auf der Bahnstrecke Dresden—Strehlen überfahren. Der Leichnam war ganz zerstückelt. Der Tote war gut ge kleidet. Ein Brief, der bei dem Toten ge funden wurde, läßt vermuten, daß der Mann ein Tscheche war. — Beim Reinigen von Fenstern auf dem Neustädter Bahnhofe brach ein Fensterputzer infolge eines Fehltrittes durch ein Glasdach und fiel von diesem auf den Fußweg herab. Man brachte den Bewußtlosen, der innerliche Ver letzungen erlitten hatte, sogleich in das Fiiedrich- städter Krankenhaus. — In der Wilsdruffer Vorstadt versuchte am Dieusiag ein Gewerbsgehilfe aus Schmerz über den Verlust seiner ihm wegen Trunkenheit gekündigten Stellung durch Erhängen sich zu entleiben. Er wurde noch rechtzeitig von Hausbewohnern aus der Schlinge befreit und durch die von einem sogleich htnzugezogenen Arzte angestellten Wiederbelebungsversuche zum Bewußtsein gebracht, worauf seine Einlieferung itt das SiechenhauS erfolgte. — Am Dienstag wurde ein Dienstmädchen, das in den Carola-See gesprungen war, um Ich zu ertränken, von zwei 'Gartenarbeitern noch lebend wieder herausgezogen und darauf mittels des Unfallwagens in das SiechenhauS gebracht. Der Beweggrund zu ihrer Tat soll n schlechter Behandlung seitens ihrer Dienst- jerrschaft zu suchen sein. Bühlau. Das Enteignungsverfahren behufs Erbauung einer Eisenbahn von Bühlau über Weißig nach Dürröhrsdorf ist nunmehr vom Königlichen Ministerium des Innern angeordnet worden. Schandau. Ein Liebesdrama hat sich Dienstag vormittag in der Nähe von Herrns- kretschen bei der Straße nach dem Prebischtore zugetragen. Dort fanden vormittags nach 9 Uhr Arbeiterfrauen einen jangcn Mann vor, der stark blutete und stöhnte, nicht weit davon ein Mädchen, daß am Boden lag. Das Mädchen transportierte man nach der Toten halle, den jungen Mann in das Gasthaus, wo er abends vorhw einqekehrt ist und mtt seiner Geliebten übernachtet hatte. Der etwa 27 jährige Mann ist aus Sebnitz, seine 22 jährige Geliebte aus Gohrisch bei Königstein, zuletzt ist sie aber in Sebnitz als Blumenarbeiterin beschäftigt ge wesen. Nach Aussage des schwerverletzten Mannes hatten beide beschlossen gemeinsam in den Tod zu gehen, da der Geliebte schwer lungenleidend geworden, demnach die gewünschte eheliche Verbindung hier ausgeschlossen war. Der junge Mann ist am Mittwoch früh seiner Verletzung erlegen. Kamenz. Hier erschoß sich in seiner Wohnung der beim 178. Infanterie-Regiment stehende Leutnant Täubrich. Leutnant Täubrich war mit der Tochter des Obersten z. D. de Vaux verlobt. Großsteinberg. Am Montag ist in dem hiesigen Sandwerk ein junger Mann namens Schunke aus Pomsen verunglückt. Er gerie zwischen die Puffer zweier Eisenbahnwagen, die ihm die Brust einguetschten, sodaß sein Tod eintrat. Schunke war 20 Jahre alt. Altenberg. Eine feine Pleit» hat der früher hier wohnhafte Kaufmann Pau Hermann Georg Witt, alleiniger Inhaber der Firma Altenberger Holzwarenfabrik Georg Witt, gemacht. Bei der Schlußverteilung sind 1028 Mark 90 Pfg. bevorrechtigte und 313 740 Mark 59 Pfg. nicht bevorrechtigte Forderungen zu berücksichtigen. Die verfügbare Masse beträgt 7818 Mark 7 Pfg., wovon jedoch noch das im Schlußtermin festgesetzten Honorar des Gläubigerausschusses zu be gleichen ist. Kirchberg. Ein gräßlicher Unfall er eignete sich hier. Auf noch unaufgeklärte Weise ist im Parterrezimmer eines Hinterhauses in dem die 84 jährige Frau Christine Karoline verw. Wischrod wohnte, ein Stubenbrand ent standen. Dnrch den entstandenen Qualm ist die alte Frau jedenfalls erstickt und am ganzen Körper gräßlich verbrannt. Man fand dieselbe entseelt in ihrem Zimmer auf der Diele liegend vor. Wurzen. Die Firma Max Schiemann und Ko. in Dresden beabsichtigt, die von ihr geplante gleislose, mittels Elektrizität zu be treibende Straßenbahn zur Güterbeförderung von der Güterbahnhofseinfahrt in Wurzen auf der Dresdner Straße bis zur ehemaligen BooSschen Fabrik in Noitzsch zu verlängern. Schneeberg. Die Sommerfrischen des Erzgebirges waren in diesem Jahre außer ordentlich gut und zum größten Teile stärker als im vorigen Sommer besucht, soweit die beim Vorsitzenden des Preß- und Verkehrs- ausschusses im Erzgebirgsvereins bewirkten An gaben oorliegen. Eine Ausnahme davon bilden die Erholungsorte in der Nähe de Fichtelberges, auf deren Besuch die Gerücht über das Umherschweifen des Raubmörders Schramm aus Crottendorf in den dortigen Wäldern einen nachteiligen Einfluß auSübten Leipzig. In einer Destillation der Hör straße kamen am 4. Juni die Arbeiter Walter und Gerhard in Streit, wobei ersterer den letzteren schließlich aus dem Lokal auf die Straße warf und ihm einen so starken Stoß gab, daß Gerhard stürzte und sofort tot liegen ilieb. Das Schwurgericht verurteilte Walter wegen Körperverletzung mit tödlichem AuS- ange zu lVs Jahren Gefängnis. — In einem Lokale in Leipzig-GohliS nahm w 26 Jahre alter Korrespondent in selbst mörderischer Absicht Gift zu sich. Bewußtlos nach dem Krankenhaus gebracht, gab er dort alsbald seinen Geist auf. Was den jungen Mann zu der Tat bewog, konnte bisher nicht m Erfahrung gebracht werden. Plauen. Ein Liebesdroma, an welchem zwei seit längerer Zeit hier vermißte Personen reteiligt waren, hat in der Gegend von Ziegenrück seinen grausigen Abschluß gefunden. In einer Fichtenschonung des Kühnlaer WaldeS nahe beim Dorfe Kühnla wurde von einem Holzhauer, der dort dürres Reisig sammelte, um ein Feuer zum Erwärmen seines Mittag essens anzuschüren' die Leichen zweier Personen eines Mannes und einer Frau, gefunden; sie wtten sich durch Erhängen entleibt. Die Toten befanden sich in kniender Stellung etwa einen Meter vom Erdboden hängend und satten sich umschlungen; die Köpfe steckten zu- ammen in einer Schlinge, sodaß mit Sicherheit gemeinschaftlicher Selbstmord angenommen werden kann. In der Nähe lagen einige ge leerte Weinflaschen. In den Toten hat man den Bleichereiarbeiter Otto Müller und eine Witwe Ida Pohle, beide aus Plauen i. V. erkannt. Müller hat Ende Juni seine in Plauen wohnende Ehefrau mit der Äußerung verlassen, er wolle sich mit seiner Geliebten Pohle das Leben nehmen. Als Ursache d's Doppelmordes ist der Umstand anzunehmen, daß das Verhältnis der beiden nicht ohne Folgen geblieben war. — Aus dem Vogtland. Donnerstag hat -ine große Anzahl vogtländischer Faktoren und Lohnstickmafchinenbesitzer der Amtshauptmann schaften Plauen, Auerbach und Oelsnitz die am vergangenen Dienstag überbrachten Auf träge bezw. die zu stickende Ware an die Plauenschen Fabrikanten zurückgegeben, da die Fabrikanten die Lohne nicht bewilligt haben. Da sich nun auch unter den Fabrikanten eine Strömung gegen den Vcrein der Lohnschiffchen maschinenbesitzer und gegen ihre Forderungen bemerkbar macht und dem Vorstand des Fabrikantenvereins der Stickerei- und Spitzen- inlustrie Vorwürfe gemacht werden wegen seiner Zugeständnisse für die Lohnmaschinen besitzer, so ist ein unberechenbarer Konflikt in der vogtländischen Stickerei im Gange. Da die Fabrikanten ihre Lieferungsverträge bereits auf mehrere Wochen hinaus abgeschlossen haben, so dürfte an eine sofortige Bewilligung der neuen Löhne nicht zu denken sein. Doch damit ist der Lohnstickerei nicht geholfen. Nun macht sich auch unter den Arbeitern, also den Stickern selbst wieder eine Lohnbewegung be merkbar, um auch ihrerseits einen Vorteil bei der eventuellen sofortigen Bewilligung der Löhne für die Lohnschiffschenmaschienenbesitzer mit zu erringen. Elsterwerda. Streik von Lehrern an der Fortbildungsschule. Aus dem, Städtchen Uebigau (Kreis Liebenwerda) meldet man der „Preuß. Lehrerzeitung": Hier erhält die der Volksschule entwachsene Jugend während des Winterhalbjahres wöchentlich vier Stunden Fortbildungsschulunterricht. Bisher waren diese vier Stunden unter die Lehrfächer Deutsch und Rechnen verteilt. Mit Beginn die>eS Winterhalbjahres sollte nun auch im Gewerbe kunde und Gesetzeskunde unterrichtet werden. Seitens des Bürgermeisteramtes wurde nun der Unterricht in Gesetzeskunde dem 2o jährigen Magistrats-Schreiber mit Volksschulbildung der kürzlich zum Revisor irgend einer Klaffe anvanciert ist, übertragen. Daraufhin waren beim Schulanfange des Winterhalbjahres die Lehrer zu Hause geblieben.