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Ottendorfer Zeitung : 11.11.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190411114
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19041111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19041111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-11
- Tag 1904-11-11
-
Monat
1904-11
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 11.11.1904
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polirilcke Kunäscbau. Der englisch-russische Zwischenfall. *Das baltische Geschwader hat Tanger verlassen und ist durch die Gibraltar- Straße in den Atlantischen Ozean zmückgekehrt. Man scheint sich also sür die Fahrt um Afrika oder um Südamerika entschlossen zu haben. * Der aus Vigo in Petersburg ein getroffene Kavitän Klado wurde am Sonntag vom Kaiser empfangen. * Die Gerüchte, daß japanische Tor pedo f.ahrzeuge sich in schwedischen undnorwegischenGewässern befunden hätten, entbehren nach den bestimmten Äuße rungen der schwedisch-norwegischen Behörden jed weder Grundlage. * * * Der russisch-japanische Krieg. *Bei den Feldarmeen ist die Lage unverändert. Aus Mukden wird gemeldet, daß „alles ruhig" und keine Kanonade von den Truppenlagern zu hören sei. In Mukden selbst herrscht reges Leben. * So ungeheuer die Verluste sind, die die Japaner bei den letzten Angriffen auf Port Arthur erlitten haben, so zweifellos sind ihre Erfolge, die die Feste dem Falle sehr nahe gebracht haben. „Die Eroberung des inneren Kreises der Verteidi gungswerke von Arthur," so sagt ein zusammeu- faffender Bericht, „war eine großartige Leistung der Japaner, sie war das Resultat sorgfältiger Mineur- und Sappeurarbeit. Der allgemeine Angriff wurde von Erlungschan aus geleitet, wo die ausgedehnten russischen Trancheen von den Angreifern nach vielfachen Abweisungen endgültig besetzt wurden. Das japanische Granatfeuer schlug eine Bresche in die fast senkrechte Front von Erlungschan und verschaffte so eine Stufe und Schutz für die vordringenden Truppen. Von Erlungschan aus wurde dann ein schweres Bombardement auf die russischen Forts nach allen Richtungen hin er öffnet. Die alte Stadt von Port Arthur ist zum Teil zerstört. Ein Magazin flog in die Luft. Das Magazin in Hsitaijangkan ist eben falls zerstört. Viele Russen desertierten. Seit Donnerstag mittag wurde ein furchtbares Bombardement auf die Docks und das östliche Hafenbafflu konzentriert, wo eine große Feuers brunst wütet." Man traut Stössel zu, daß er sich im äußersten Notfälle in der Z i t a d e l l e mit der gesamten Mannschaft in die Luft sprengen werde! * Interessant ist es, wie sich die Japaner mit ihren t eiIw eis en Mi ß erf o l gen vor Port Arthur abzufinden wissen. Ihre Zeitung ,Kokomiu' schreibt: Es ist in gewisser Hinsicht sogar gut, daß es nicht so schnell und einfach mit Port Arthur geht. Unsre Soldaten hätten nach den vielen mühelosen Erfolgen stolz werden können. Das Sprichwort sagt: „Über mütige Soldaten find schwache Soldaten." Um dies Unglück zu vermeiden, müssen wir sür den starken Widerstand des Feindes in Port Arthur dankbar sein. (Gar nicht so übel!) *Das politische Komitee der Partei des Barons Okuma hat am 2. November die Be dingungen ausgestellt, die eS für den etwaigen Friedensschluß erfüllt zu sehen wünscht. Diese Bedingungen find: 1) Die Mandschurei ist nach dem Friedensschluß an China auszuliefern. 2) Alle russischen Konzessionen und Pachtungen in der Mandschurei gehen aufIapan über. 3) Die russischen Eisenbahnen in der Mandschurei werden von Japan als Kriegsbeute betrachtet. * * * Deutschland. * Die Bedenken des Kaisers gegen Reichstagsdiäten sollen nach den ,Deutschen Stimmen' überwunden worden sein. „Die Zustimmung des Kaisers zur Ver fassungsänderung soll erfolgt sein, aber — „Kompensationen" glaubt man fordern zu können." Mit Recht bezeichnen es die .Deutschen Stimmen' als untunlich, die uner läßlichen Mittel zur Sicherung eines beschluß ¬ fähigen Reichstages um den Preis der Ein schränkung des Reichstagswählrechts gewähren zu wollen. *Das neuralgische Leiden des Prinz- Regenten Luitpold hat in den letzten Tagen eine Verschlimmerung erfahren. * Fürst Georg von Schaumburg- Lippe und Gras-Regent Leopold haben sich auf Anrufung des Reichs gerichts zur schiedsrichterlichen Entscheidung des lippischen Thronfolgestreits geeinigt. * Der neue bayrische Finanz minister v. Pfaff steht im 58. Lebens jahre. Der .Fränk. Kur.' schreibt über ihn: „Irgendwie politisch ist v. Pfaff bis jetzt nie hervorgetreten. Er ist jedoch entschieden liberal Bayrischer Finanzminister Ritter v. Pfaff. Der bisherige Ministerialrat im bayrischen Finanz ministerium Ritter von Pfaff ist zum Nachfolger des Freiherrn von Riedel ernannt worden. Finanz minister von Pfaff war seither HauytLerater des zurückgetretenen Staatsministcrs Freiherrn von Riedel und ist daher mit den Traditionen der Riedellchen Verwaltung wohl am innigsten verwachsen. Herr von Pfaff nahm auch bereits an den verschiedenen Konferenzen teil, die zwischen den einzelstaatlichen Finanzministern in den letzten Jahren stattgesimdm hoben. Zugleich war er Mitglied der Vermögens- Verwaltung des Königs Otto und gilt auch als eine bet Hofe einflußreiche Person. gesinnt. Herr v. Pfaff ist Protestant und mit einer Katholikin verheiratet, lebt also in einer gemischten Ehe; soviel wir wissen, werden die Kinder katholisch erzogeu." Der neue Minister ist nach Herrn v. Feilitzsch der älteste im bayrischen Ministerkollegium. * Die Unterzeich nung des deutsch- schweizerischen Handelsvertrages durch den deutschen Gesandten und den Ver treter des schweizerischen Bundesrats erfolgt in den nächsten Tagen in Bern. *Die neue Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, die im Bundesrat zur Annahme gelangte, nimmt auch darauf Rücksicht, daß in absehbarer Zeit stellenweise zum elektrischen Betrieb übergegangen werden kann. * Zur weiteren Deckung der bisherigen Kosten zur Niederwerfung der Unruhen in Deutsch-Südwestafrika werden, wie der ,Berl. Lokalanz.' erfahren haben will, vom Reichstag zunächst 86 Mill. Mk. verlangt werden. * Zu der angeblichen Interpellation der polnischen Landtagsfraktion betr. die Namensänderung Jnowraz- law in Hobensalza bemerkt der .Dziennik Berlinski': „In verschiedenen deutschen und pol nischen Zeitungen befindet sich die Nachricht, daß die polnische Fraktion im Preuß. Landtage eine Inter pellation einbringen wolle in der Angelegenheit deS in Hohensalza umgctauften Jnowrazlaw. Nach unsern eingeholten Informationen hat sich die pol nische Landtagsfraktion mit dieser Frage Überhaupt noch nicht beschäftigt. Die Einbringung der Inter pellation wäre auch nur dann möglich, wenn sie eine Unterstützung durch das Zentrum fände, und das ist sehr zweifelhaft." * Der Feldzug in Südwestafrika Hal sich vollständig in einen Kleinkrieg aufgelöst, in dem es fast tägliche kleinere Gefechte gibt, ohne daß erhebliche Erfolge erzielt werden können. In einem dieser Kämpfe mit den Hereros sollen vier Großlcuie gefallen sein. Österreich-Ungar«. *Jn Innsbruck wiederholten sich am 5. d. die Volkskundgebungen in allergrößtem Umfange, so daß die Gendmmerie mit gefälltem Bajonett vorgehen mußte. Man fürchtet weitere blutige Ereignisse. Es ist mehr Militär nach Innsbruck beordert worden und wahr scheinlich wird der B e l a g e ru n g s zu st a n d verhängt werden. Frankreich. *Der Deputierte Syveton hat einen Ausruf an seine Wähler erlassen, in dem er erklärt, er habe den Angriff auf den Kriegsminister mit voller Überlegung verübt, um Andrä zu brandmarken. (Aber diese Art der „Brandmarkung" hat nicht nur dem Ministerium Combes die Existenz gerettet, sondern die anständigen Leute aller Parteien sind in der Verurteilung der Brutalität Syvetons der früher Preisringer war, einig!) Italien. * Bei den K amm erw ah l e n in Italien sind am Sonntag rund 300 Ministerielle, 46 Konstitutionell-Oppositionelle, 27 Radikale, 16 Republikaner und 25 Sozialisten gewählt worden, während noch 84 Stichwahlen statt- zufinden haben. (Die Kammer zählt 508 Mit glieder.) Beachtenswert ist, daß die Sozialisten in den großen Städten wie Mailand, Genua, Parma, Turin, Ancona und Livorno unterlegen sind. Balkanftaaten. *Auch zwischen Rußland und Bul garien ist ein S ch i e d s g e ri ch t s - V e r - trag abgeschlossen worden. Nsten. *Am 3. d. versammelten sich in Japan die ältesten Staatsmänner, die Kabinetls- ministcr und andre hervorragende Bürger der Stadt mit einer Volksmenge von etwa 50 000 Köpfen im Parks Hibya. Nach begeisterten Kundgebungen für den Mikado, das Heer und die Flotte wurde eine Resolution ange nommen, daß jeder in seinem Berufe nach Kräften tätig sein Me, um die Mittel zum Kriege zu beschaffen, damit das nationale Ziel, wie lange Zeit dazu auch beansprucht werde, erreicht werde. Vrrußirchir In der Sitzung des Abgerrdnejenbawes vom 5. d. wurde zuerst ohne Diskussion der Gcfftzmtwmf wegen Abänderung des hannoverschen Volksschul gesetzes in zweiter Lesung angenommen. Obwohl man einig darüber war, den Landabtretungsverlrag mit Bremen einer Kommission zu überweisen, gestaltete sich die erste Lesung doch zu einer ausgedehnten Debatte aus, in der Übereinstimmung worüber hervortrat, daß die See- und Handelsinteressen Bremens voll zu schützen, dabei aber auch die be teiligten preußischen Gebietsteile vor Schaden zu bewahren find. Minister des Innern Frh. von Hammerstein behielt sich nähere Ausführungen sür die Kommission vor. Der Vertrag wurde an eine besondere Kommission verwiesen. Nach Annahme des zuerst erwähnten Gesetzentwurfs in dritter Lesung wurde ein vom Regierungstisch bekämpfter Antrag Eckels (natl.) auf Änderung des Ent- eignungsgesetzes der Justizkommission überwiesen. Hierauf folgten Petitionsberichte. Am Montag wurde im Abgeordnetenhause zu nächst der Antrag der Konservativen auf Gleich stellung der Militäranwärter im Staats- und Kommunaldienst mit den Zwilanwärtern an die Budgctkommission verwiesen. ' Finanzminister Frei herr v. Rheinbaben machte finanzielle Bedenken gegen die Durchführung des Antrages geltend. Hierauf wurde noch eine Reihe von Petitionen erledigt, über die Festsetzung des Termins der nächsten Sitzung kam es zu einer längeren Geschäftsordnungs debatte. Schließlich wurde mit Rücksicht auf die Arbeiten der Kaualkommission die nächste Sitzung auf Montag, den 21. November anberaumt. Vas neue preußische Lotteriegesetz. Bekanntlich finden gegenwärtig Verhand lungen zwischen Peußen und den andern Bundesstaaten zwecks Verschmelzung oder Gegen seitigkeit statt. Preußen selbst hat seine Stellung bei diesen Verhandlungen durch ein sehr strenges Lotteriegesetz gestärkt, das wir in nachfolgendem wiedergeben. Es ist am 24. v. in Kraft ge treten und wesentlich strenger als früher trifft es das Spielen in „auswärtigen" Lotterien. 8 1. Wer in außerprenßischcn Lotterien, die nicht im Königreich Preußen zu gelassen sind, spielt, wird mit Geldstrafe bis zu 600 Mk. oder im NichtbettreibungssMs mit Hast bestraft. 8 2. Wer sich dem Verkauf oder der sonstigen Veräußerung eines Loses, eines Losabschnittes oder eines Anteils an einem Lose oder Los abschnitte der im 8 1 bezeichneten Lotterien unterzieht, insbesondere auch, wer ein Los, einen Losabschnitt oder einen Losanteil dieser Art zum Erwerb anbietet oder zur Veräußerung bereit hält, wird mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark bestraft. Die gleiche Strafe trifft den jenigen,- der bei einem solchen Geschäft oder einer solchen Handlung als Mittelsperson mit wirkt. Ist die Zuwiderhandlung durch eins Person begangen, die Losehandel gewerbs mäßig betreibt, oder bei ihm gewerbsmäßig Hilse leistet, oder ist sie durch öffentliches Aus legen, Ausstellen oder Aushängen oder durch Versenden eines Loses, eines Losabschnittes, eines Anteilscheins, eines Angebots, einer Anzeige oder eines Lotterieplanes, oder durch Einrücken eines Angebots, einer Anzeige oder eines Lotterieplans in eine in Preußen er scheinende Zeitung erfolgt,, so tritt Geldstrafe von 100 bis zu 1500 Mk. ein. Jede einzelne Verkaufs- oder Vertriebshandlung, namentlich jedes einzelne Anbieten, Bereithalten, Auslegen, Ausstellen, Aushängen, Versenden eines Loses, eines Losabschnittes, eines Bezugsscheins, eines Anteilscheins, eines Angebots, einer Anzeige oder eines Lotterieplans wird als besonderes selbständiges Vergehen bestraft, auch wenn die einzelnen Handlungen zusammenhängen und auf einen einheitlichen Vorsatz des Täters oder Teilnehmers zurkckzuführen sind. 8 3. Wer, nachdem er wegen eines der im 8 2 bezeichneten Vergehen rechtskräftig verurteilt worden ist, abermals eine dieser Handlungen begeht, wird in den Fällen des ß 2 Abß 1 mit Geldstrafe von 100 bis 1500 Mk . in den Fällen des 8 2 mit Geldstrafe von 200 bis zu 2000 Mk. bestraft 8 4- Jeder fernere Rückfall nach Voraus gegangener rechtskräftiger Verurteilung im ersten Rückfälle zieht Geldstrafe von 300 bis zu 3000 Mk. nach sich. § 5- Dis Bestim mungen der Paragraphen 3 und 4 finden An wendung, auch wenn die früheren Geldstrafen noch nichtt oder nur teilweise gezahlt oder ganz oder teilweise erlassen sind; sie bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Zahlung oder dem Erlasse der letzten Geldstrafe oder der Ver büßung der eventl. Freiheitsstrafe bis zur Be gehung der neuen Zuwiderhandlung drei Jahre verflossen sind. Z 6. Wer Gewinnergebnisss der im 8 1 bezeichneten Lotterien in einer in Preußen erscheinenden Zeitung veröffentlicht oder durch öffentliches Nuslegen, Ausstellen oder Aushängen bekannt gibt, wird mit Geldstrafe bis zu 50 Mk. bestraft. Gestört der Täter oder Teilnehmer zu den im 8 2 Absatz 2 be zeichneten Pettonsn, so tritt Geldstrafe von 100 bis zu 600 Mk. ein. 8 D Den außer- vreußischen Lotterien sind alle außerhalb Preußens veranstalteten Ausspielungen beweg licher oder unbeweglicher Gegenstände gleich zu achten. Von unä fern. Ei« Scharnhorstdeukmal soll am 12. November 1905, also am 150. Geburts-. tage des großen Generals, in Bordenau bei Neustadt a. Rübenbg., dem Geburtsorte Scharn horsts, enthüllt werden. Nntergsgangen ist mit der ganzen 18 Mann starken Besatzung auf der Fahrt von Bremen nach Buenos Aires der mit Leinsaat beladene Segler „Pionier". Die Verwendung von Hunden zum Ziehen beschloß der Polizeisenat des Nürn berger Magistrats vom 1. Januar 1906 ab zu verbieten. O 6m familien-Sekeimnis. S2f Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. Hartung starrte das Mädchen an, als sähe er eine übernatürliche Erscheinung. Was war das? Wo hatte er dieses Gesicht schon ge sehen? — Sein Auge glitt von dem Mädchen zu der Frau hinüber und Plötzlich durchzuckte es ihn mit blitzschneller Erkenntnis. Er sprang auf, sank aber gleich darauf wieder auf seinen Sitz zurück. „Es ist nicht möglich," murmelte er zweifelnd. „Aber wenn fie es dennoch wäre?" — Und abermals erhob er sich und ging unsicheren Schrittes, wie ein im Traum Wandelnder vorwärts. Eineungeheure Spannung malte sich in seinen blassen Zügen; man sah es ihm an, daß er in diesem Moment seine ganze Umgebung vor einem gewissen Etwas vergaß. Die Vorübergehenden blieben stehen und sahen verwundert bald auf den zögernd Vor wärtsschreitenden, bald auf die beiden Damen, in welchen man den Gegenstand seiner Auf merksamkeit vermutete. Die beiden hatten sich erhoben und blickten erschrocken, bestürzt dem Nahenden entgegen. Die ältere Dame um klammerte ängstlich den Arm der jüngeren und lehnte sich zitternd an dieselbe, ihre weitge öffneten Augen mit dem Ausdruck grenzenlosen Erstaunens auf den Mann richtend. Hartung war bis dicht an die beiden Damen herangetreten. Seine Brust arbeitete krampf haft. Wie ein erstickter Jubelschrei rang sich jetzt ein einziges Wort aus seiner Kehle, der Name: „Friederike!" . . . Das war gleichsam der elektrische Funke, der die ältere Dame aus ihrer Erstarrung emporfahren ließ. Sie zuckte heftig zusammen und forschte mit irren Blicken in dem Antlitz des vor ihr Stehenden. Aber bevor sie einen Laut von sich gegeben, stürzte ein junger Diann auf die Gruppe zu und lenkte die Aufmerksam keit auf sich durch den an Hartung gerichteten Freudenruf: „Papa!" Es war Willi, der durchaus nicht zufällig hierherkam, sondern infolge einer Verabredung mit Hedwig und ihrer Mutter — diese waren die beiden Damen — und der jetzt mit einem Blick auf die Umstehenden, die drei Personen in eine Seitenallee hineinzog, zwischen ihnen die Mitte nehmend, und dann wieder stehen stehen bleibend, die nötige Aufklärung gab. Die Frauen hörten ihm mit angehaltenem Atem zu. Der Ausdruck von Verwunderung und Freude wechselte mit dem der Verlegenheit in ihren Menen, aber auch auf Hartungs Zügen malte sich immer größeres Erstaunen, je weiter sein Sohn im Erzählen fortfuhr. Ihm war ja alles neu, was er hier zu hören bekam. Willis Liebe zu Hedwig, die Kämpfe beider und die Aufdeckung des Familien- geheimniffes. Das alles wirbelte ihm im Kopfe herum, und er vermochte sich nicht so schnell darüber klar darüber zu werden ; nur das eine war ihm gewiß: er hatte hier die so lange ver lorene Schwester gefunden. Ein Strahl Heller Freude verklärte sein Gesicht, als er ihr jetzt die mageren Hände entgegenstreckte, und in seinen Augen schimmerte es feucht. Und dann, als Friederike noch etwas schüchtern und verwirrt diese beiden Hände ergriff, zog er fie an sich, umschlang fie rasch und küßte fie auf die Stirn. „Endlich haben wir uns wiedergefunden," sagte er, „und jetzt bleiben wir zusammen!" Uud mit einem Blick auf Hedwig und Willi setzte er hinzu: „Wir wollen fie glücklich machen, nicht wahr, Schwester?" . . . Eine Stunde später befanden sich die beiden Frauen und Willi daheim im Salon. Hartung war in das Zimmer seiner Frau gegangen und weilte bei dieser schon seit einer Viertelstunde. In gespannter Erwartung und leicht begreiflicher Aufregung harrte man seiner Rückkehr. Wie mochte die vornehme Dame die Kunde von ihrer Anwesenheit aufnehmen? dachten Hednug und ihre Mutter beklommenen Herzens. Auch Willi befand sich in großer Unruhe. „Ich hole fie!" sagte er mit plötzlichem Entschluß und ging hinaus. Friederike setzte sich, angegriffen von der fieberhaften Erregung, in einen Fauteuil. Hedwig stand unbeweglich mitten im Salon, fie hatte nur den Hut abgenommen und lauschte auf den Zurückkehrenden. Und da flog die Tür des Nebenzimmers auf. Frau Hartung kam zögernden Fußes, gefolgt von ihrem Gatten und von Willi heraus. Hedwig tat ihr einige Schritte entgegen, ihre Blicke kreuzten sich mit denen der Dame. Das Mädchen sah mit gefalteten Händen, fromme Ehrfurcht im Auge, zu der Tante auf, wie zu einem über- irdischen, heiligen Wesen. Eine mächtige Bewegung schien diese jetzt zu erfassen. „Komm in meine Arme, Kind!" Damit wollte Beatrice sie an sich ziehen, aber Hedwig wehrte ihr mit einer schüchternen, flehenden Gebärde und sank ihr zu Füßen. „Nicht so, nicht so!" konnte Beatrice kaum lispeln, denn Rührung erstickte ihre Stimme. Sie hob die Kniende auf, und Brust an Brust, Wange an Wange mischten die Leiden Frauen ihre Tränen. - Dann begrüßte Beatrice in ebenso herz licher Weise die Schwester ihres Mannes — ihre Schwägerin, und endlich saßen fie alle zu sammen, Hedwig zwischen Willi und seiner Mutter, deren Hände in den ihren, und so be rieten sie über die nächste Zukunst ... Das war eine endliche Versöhnung, in die sich auch der Oberst, der später erschien, leichter fand, als er es selbst geglaubt. Beatrice war wie umgewandelt, ihre heftige Abneigung gegen Hedwig war einer so zärtlichen Liebe gewichen^ wie fie nur in einem wahrhaft edlen Herzen so bÄd erstehen konnte. Sie befürwortete jetzt eifrig die Abficht Willis, die Hochzeit tunlichst zu beschleunigen. Im übrigen kam man dahin überein, daß Hedwig mit ihrer Mutter sogleich in das Hartungsche Haus überfiedeln sollten. . Dagegen konnte man Rudolf Grabow un möglich aufnehmen, eine nähere Berührung mit ' ihm war ja auch keinem erwünscht. Da an eine Umwandlung seiner Lebensweise nicht zu denken war, mochte er ruhig wie bisher weiter vegetieren; Hartung wollte ihm eine auskömm liche Pension zahlen, und er würde wohl mit seinem Lose voraussichtlich ganz zufrieden sein.
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