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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. Xi 8t. 29. April 1919. richt von ihrem Kommissionär erhalten. Die Versammlung nahm in dieser Frage einstimmig folgende Entschließung an: »Der Mitteldeutsche Buchhändler-Verband erhebt durch Be schluß der Frühjahrs-Hauptversammlung vom 6. April 1919 namens seiner Mitglieder Einspruch gegen den vom Verein Leipziger Kommissionäre aufgestellten neuen Gebtthren-Taris vom l. April 1919. Selbstverständlich ist auch der Kommis sionsbuchhandel genötigt, diejenigen Änderungen zu treffen, die sein Fortbestehen auch unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ermöglichen, und'Sache von Verlag und Sorti ment ist es, mit derartigen Änderungen die Verkehrs- und Ver kaufsordnung in Einklang zu bringen. Grundsätzlich muß aber dagegen Einspruch erhoben werden, daß innerhalb des Buchhandels Ringbildungen entstehen, die kraft ihrer Machtmittel diktatorisch dem Gesamtbuchhandel die Annahme neuer Bedingungen ohne Rücksicht auf ältere Verträge aufzwingen. Weiter erheben wir dagegen Einspruch, daß den erhöhten Forderungen weder die Übernahme entsprechender Ge genleistungen noch dis Wahrung der Gesamt-Interessen des Buchhandels gegenüberstehen. Zur Begründung nuferes Einspruchs sei folgendes ange führt : Der Tarif sieht Erhöhungen bis zu 1907» der seitherige!) Sätze vor, da.unter Ilg die Bar-Provisionen von t vzw. 2 auf 2 bzw. 47° erhöht sind. Zu anderen gegen früher bereits er höhten Sätzen treten außerdem 30—597» Zuschläge hinzu, manche Positionen sind dehnbar und kaum zu kontrollieren. I§ zeigt den Verein der Leipziger Kommissionäre als festgefügten Ring, für dessen Mitglieder nur die Beschlüsse seiner Hauptversammlung maßgebend sind, keineswegs etwa die Beschlüsse der Hauptversammlung des Börsenvereins! Ver suche und Beschlüsse des Börsenvereins, wie z. B. hinsichtlich der Fernhaltung der Nichtbuchhändler oder Einschränkung der Auchbuchhändler, müssen fortgesetzt scheitern, wenn der Verein der Kommissionäre seine wirtschaftlichen Interessen über die des Gesamtbuchhandels stellt und einseilig in seinem eigenen Interesse verfährt. In Io sieht der Tarif des Vereins der Leipziger Kommis sionäre zwar eine Zinsenbelastung bei Schulden, aber keine Zin- senbergütung bei Guthaben vor. In Ib entzieht sich der Kommissionär jeder Verantwor tung, wenn er von Streik evtl, nur »bedroht ist«. Zwischen Be drohung durch Streik und Ansbruch von Streik dürfte aber doch ein wesentlicher Unterschied sein. Wir erwarten daher, 1. daß der Börsenvcrein den neuen Tarif und die Berech tigung der darin aufgestellten Sätze nachprüft, 2. daß Guthaben dem Sortimenter und Verleger verzinst werden, 3. daß die unter Ick festgesetzten Sätze, die für wirkliche Buchhändler kaum in Betracht kommen, evtl, weiter erhöht wer den, um die Züchtung der Auchbuchhändler durch Leipziger Kom missionäre zu erschweren, 4. daß Kommissionen nur für die im Börsenverein befindlichen und im Adreßbuch aufgenommencn Firmen besorgt werden dürfen, 5. daß der Verein Leipziger Kommissionäre die Beschlüsse der Hauptversammlung des Börsenvereins auch für sich als ent scheidend und bindend ansieht, namentlich im Verkehr mit Gros sisten, die Auchbuchhändler, Wiederverkäufer und Publikum mit Büchern versorgen, 6. daß der Sortimenter im Falle des Eintreffens von IK (Streik, Krieg usw.) ebenfalls dem Verleger nicht haftbar ist 'fz. B. verspäteter Eingang von Remittenden, verspätetes Ein treffen von Bestellungen usw.), sodaß die gleichen in Ib vorge sehenen Gründe auch den Sortimenter gegenüber dem Verleger schützen, - 7. daß der Verein Leipziger Kommissionäre die ihm zu kommende Arbeit selbst besorgt und hierfür geschultes Personal einstellt (Versehen der Fakturen und Verlangzettel mit den Na men der Kommissionäre), 8. daß die Einrichtung »empfohlener Bestellungen« mög lichst bald wieder ausgenommen wird, 9. daß die Paketaustauschstelle baldigst zu einer schneller und sicherer arbeitenden Einrichtung ausgsbaut und eine grö ßere Aufmerksamkeit der Beförderung der Rechnungspakete und Zeitschristen-Rest-Seudungen geschenkt wird. 10. Zu erstreben ist endlich, daß die für den Verkehr über Leipzig ausschlaggebenden Machtmittel Bestell-Anstalt und P a k e t - A u s t a u s ch st e l l e möglichst aus den Händen des Vereins der Leipziger Buchhändler in die Verwaltung des Börsenvereins übergehen. Sollten den einseitigen Forderungen der Leipziger Kommis sionäre nicht entsprechende Gegenleistungen, schnelle und zuver lässige Arbeit, sehr bald folgen, so werden Verlag und Sortiment genötigt sein, sich im gegenseitigen Verkehr von Leipzig in Zu kunft möglichst unabhängig zu machen oder neue, von den Leip ziger Firmen unabhängige Einrichtungen zu schaffen. Der Ge« samtduchhaudel darf weder zum Spielball großstädtischer Lohn treibereien noch der Diktatur des Leipziger Kommissionär-Rings unterworfen werden.« Damit hatte die Versammlung um 4 Uhr nachmittags ihr Ende erreicht, und leider mußte eine Anzahl Kollegen unmittel, bar danach abreisen. Die übrigen blieben noch so lange in ge mütlicher Stunde beisammen, als die über Frankfurt infolge der Unruhen verhängte Polizeispcrre dies gestattete. Man schied mit dem Wunsch, daß die Herbstversammlung alle Teilnehmer gesund in einem ruhigeren Deutschland wieder vereinigen möchte. Hundert Jahre Fr. Ludwig Hcrbig, Kommissions, buchhandlung, und Fr. Wilh. Grunow, Verlags buchhandlung in Leipzig. Von Hanns Martin Elster. Es wäre nicht nur eine interessante^lufgabe, sondern eine' Arbeit, die sich durch Gewährung neuer Einblicke in die kultur geschichtlichen Zusammenhänge und Entwicklung lohnen würde, wollte man einmal den Einfluß hervorragender Buchhändler, Verlegerpeisönlichkeiten auf das geistige Leben ihrer Zeit un tersuchen. Wie weitgehend er ist, ersieht man immer wieder, wenn die Jubiläen alter Firmen gefeiert und aus diesem Anlaß, die Verlagsgeschichte einmal im Zusammenhang festgestellt wird. So kommt auch jener Gründung von Fr. L n d w. Eusebius Hcrbig (1781 — 1839), der am l. Mai 1819 in Leipzig ein Kommissionsgeschäft eröffnete und damit einen mehr und mehr aufstrebenden Verlag sofort verband, zweifellos kulturgeschicht liche Bedeutung zu. Denn der Bau, der auf den Grundsteinen aus der Zeit der Restauration erwuchs, nahm solchen Umfang an, daß er ein ragendes Zeichen des deutschen Geisteslebens im 19. Jahrhundert wurde. Als der einer anhaltisch-harzischen Familie entstammende Gründer, nach dem sich Kommission wie Verlag die ersten zwan zig Jahre allein benannten, nach einem einsamen, Beruf, und Jagdliebhaberei gewidmeten Junggcsellenleben in der Kantate- Woche 1839 seinem Neffen FriedrichWilh. Grunow sein Werk hinterlieh, war es zu solch bedeutendem Umfang ansgc- baut, daß der junge Erbe sofort an die größten Aufgaben Heran gehen konnte. Herdig hatte keine besondere Verlagsrichtung ge pflegt, auch in seiner Kommission keine ausgewühlte Verlegerart vertreten; was gut, brauchbar, zeitgemäß war, übernahm er. So finden wir unter seinen Verlagswerken neben einer bis 1824 erscheinenden Zeitschrift für den tierischen Magnetismus Handbücher über den Tellurismus, ein französisches Werk mit historischen Porträts, eine kompilatorischc Arbeit, die vom Mittel gegen Wanzen und Flöhe bis zu medizinischen Rezepten alle nur denkbaren Hausmittel enthält, dramatische Beiträge in Kotzebueschem Stile, theologische Streitschriften, eine Geschichte der Neu-Griechen von Julius Curtius, ein Handbuch cher Me chanik u. a, m., eine reichlich bunte Sammlung, die aber im Publikum Anklang genug fand, denn Herbigs Schwester, Hen riette Grunow, die Mutter von Fr. Wilh. Grunow, war bei des Bruders Tode erstaunt über seine Wohlhabenheit. Herbig