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Verbrecherischer Anschlag auf einen Giseubahnzug. Durch die Achtsamkeit des Zugpersonals eines zum Barmer Schlacht- und Vieh Hof fahrenden Zuges wurde eine Ent gleisung verhütet. Bübische Hände hatten die Gleise verbarrikadiert und mit Steinen gefüllte Kessel mittels Telegraphendrähte an die Schienen festgebunden. Angesichts der im bergischen sowie niederrheinischen Bezirke sich «ehrenden Eisenbahnanschläge wird gegenwärtig Mischen den beteiligten Eisenbahndirektionen verhandelt, wie den verbrecherischen Anschlägen beizukommen und ob es empfehlenswert ist, sme angemessene Verstärkung des die Strecke beaufsichtigenden Bahnpersonals herbeizuführen. Doch augesteckt! In Kiel ist ein Student der Medizin bei der Beobachtung eines an schwarzen Pocken erkrankten russischen Ehe paares angesteckt worden und schwer erkrankt, Mvohl er sich erst vor wenigen Jahren einer Schutzimpfung unterzogen hatte. Die weit gehendsten Vorsichtsmaßregeln find angeordnet worden. Zirkusspiele und Keilerei. In Gronau (Hannover) ist es bei der Abschiedsvorstellung des Zirkus Kolter-Malmström zu einem großen Krawall zwischen dem Publikum und den Zirkus- «gestellten gekommen, wobei eS auf beiden Seiten blutige Köpfe setzte. Es wurde nicht «ehr nach den Regeln der Athletik gekämpft, sondern mit Stuhlbeinen, Pfählen und zuletzt mit dem Messer. Als die Rauferei im besten Gange war, erlosch das Licht, aber bei dem schwachen Schimmer einiger Notlampen wurde weiter gerauft. Viele ganz unbeteiligte Zu schauer wurden wider ihren Willen in die Schlägerei hineingezogen. Kinder und Erwachsene flogen in die Arena, und ein jeder furchte in der Dunkeheit den Ausgang zu ge winnen. Der Lärm dauerte von 10Vr Uhr bis nach Mittemacht. In den Straßen und Gassen, die auf den Marktplatz münden, sammelte sich die kampfeslustige Menge, um den Zirkus zu stürmen. Die Polizei mußte schließlich von der blanken Waffe Gebrauch machen, aber auch so gelang es ihr erst nach vieler Mühe, Ruhe zu schaffen. Der Geschäftsführer des Zirkus er hielt von einem Arbeiter einen Messerstich in die Schläfe und wurde besinnungslos vom Platze getragen. Ursache der Ausschreitungen war eine unbeglichen gebliebene Bierzcche von 1,20 Mk! Aus Eifersucht erstochen hat in Bremer haven der Arbeiter Emken den Arbeiter Mollo, der seit längerer Zeit zu Emkens Frau un erlaubte Beziehungen unterhielt. Der Stoß wurde durch ein Dolchmesser mit solcher Heftig keit ausgeführt, daß die Klistge 11 Zentimeter durch die Hirnschale hindurch in den Kopf drang. Mollo starb sofort. Der Täter wurde verhaftet. Wieder das Schießgewehr! In Wetzlar erschoß der 15 jährige Gymnasiast Amend aus Fahrlässigkeit seinen gleichaltrigen Mitschüler Kloos aus Rombach. Ein zehnjähriger Knabe als Einbrecher. In Mainz wurde ein zehnjähriger Junge ver haftet, der in der letzten Zeit sechs Einbrüche und schwere Diebstähle verübt hatte. Bei dem Diebstahl einer goldenen Uhr wurde er ertappt. Entsprungen. Der Raubmörder Joseph Hirschvogel, der demnächst in Regensburg ab geurteilt werden sollte, ist Montag abend aus dem Gerichtsgefängnis entsprungen. Aus der Waldschlacht. Der Jagdhüter Mm in Geispolsheim, der, wie berichtet, bei einem Zusammenstoß mit sechs Wilderern zwei Wilderer tötete und mehrere schwer verwundete, ist verhaftet worden. Einer der Schwerver wundeten ist gestorben. Erzherzogin Maria Josepha hat das Protektorat über die Gesellschaft „DaS blaue Kreuz" in Wien niedergelegt, angeblich, weil die Vereinsleitung „nicht korrekt" gehandhabt wurde. Die Bluttat des Feldwebels. Zu der Bluttat in Troppau werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: Der Feldwebel Schwab, der den Leutnant Gruß erschoß, war von diesem wiederholt wegen schlechter Behandlung der Mannschaft zurechtgewiesen worden. Am Mon tag trank der Feldwebel übermäßig in der Kaserne, obwohl er Inspektion hatte. Als der Leutnant ihm deshalb einen Verweis erteilte, feuerte der Feldwebel vier Revolverschüsse auf ihn und erschoß sich dann selbst. Beide waren sofort tot. Elf Arbeiter getötet. Beim Bau der neuen Tauernbahn nach Triest fand im großen Karawanken-Tunnel, der zwischen Kärnten und Krain durch kohlenhaltiges Gebirge geführt wird, eine Gasexplosion statt, wobei elf Arbeiter getötet wurden. Studentinnen-Streik in der Schweiz. Die russischen Studentinnen der Lausanner Universität find in den Ausstand getreten, weil ihnen die guten Plätze in den Laboratorien ver Der Stadtrat von Ascoli Piceno hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, den ameri kanischen Millionär Pierpont Morgan zum Ehrenbürger der Stadt zu ernennen. Morgan hatte, wie man weiß, ein aus der Hauptkirche von Ascoli gestohlenes antikes Meßgewand von unschätzbarem Kunstwerte für den Preis von 325 000 Lira gekauft. Als ihm mitgeteilt wurde, daß das Meßgewand von den Leuten, die es ihm verkauft hatten, nicht auf ehrliche Weise erworben, sondern von bisher unentdeckt gebliebenen Dieben aus dem Gewahrsam der Kirche entwendet worden sei, gab er eS be dingungslos zurück. Eine tollkühne Flucht aus dem Schiffe unternahmen im Suezkanal 15 französische Der Dampfer „Gertrud Wörmann", der bekannt lich nördlich von Swakopmund strandete, hatte eine Feldvermessungstruppe, die 4. Ersatzkomvanie, die zweite Ersatzbatteric, zusammen 24 Offiziere und 382 Mann sowie 300 Pferde an Bord. Das Schiff selbst soll verloren sein, während man alle Pferde an der Strandungsstelle mit Flößen gelandet hat. Man hofft auch die Ladung zu retten, da günstigerweise S. M. S. „Mneta", das Flaggschiff des deutschen Kreuzergeschwaders auf der ostamerikanischm Station, auf der Mimreise begriffen, zu Hilfe eilen und seine Der bei Swakopmund gestrandete Dampfer „Gertrud Wörmann". großen Hilfsmittel zur Verfügung stellen konnte. Der Führer dieses Transportes Hauptmann von Hahnke ist ein Sohn des Generalobersten v. Hahnke. Ein andrer Sohn des letzteren ist bekanntlich seiner zeit während der Norblandsreise des Kaisers am Oddefjord verunglückt. ES sei noch erwähnt, daß im August 1903 bereits ein deutscher Dampfer mit dem Namen „Gertrud Wörmann" zwischen Swakop mund und Kapstadt gestrandet ist, der vollständig wrack wurde. weigert wurden. Es wurden nämlich durch einen Rektoratsbeschluß die guten Plätze in den Physik- und Chemievorlesungen den Studenten gegeben, die vor ihren Prüfungen stehen. Diese Maßnahme empfanden die Damen als Zurück setzung und beschlossen einstimmig den Streik. Sie haben auch bisher die Vorlesungen noch nicht wieder besucht. Eine neue Ballonfahrt Svslterinis. Der kühne Lustschiffer Spelterini, dessen frühere Überschreitung der Alpen im Luftballon, wie seinerzeit berichtet, nicht im vollen Umfange er folgreich war, hat jetzt eine neue, diesmal glück lichere Ballonfahrt ausgeführt. In Begleitung zweier Mitglieder der deutschen aeronautischen Gesellschaft machte Spelterini mit seinem Ballon „Stella" einen Aufstieg von Zürich aus. Der Ballon flog in westlicher Richtung und erreichte eine Höhe von 3500 Meter. In dieser Höhe herrschte starke Kälte, aber völlige Klarheit der Atmosphäre und herrlicher Sonnenschein. Es konten infolgedessen eine große Anzahl photo graphischer Aufnahmen mir bestem Erfolg ge macht werden. Die Landung erfolgre ohne jeden Zwischenfall bei dem Dorfe Corbatiöre im Kanton Neuenburg. Fremdenlegionäre, indem sie ins Wasser sprangen. Zwei der Soldaten wurden zurückgebracht, die übrigen entkamen. Alice Roosevelt, die Tochter des Präsi denten, ist am Dienstag während einer Auto mobilfahrt aus dem Wagen gestürzt und hat ernstere Verletzungen erlitten. (ZericktskaUe. Braunschweig. Der seltene Fall, daß ein Richter sich zugunsten des Angeklagten für be fangen erklärt, kam in der Sitzung deS Kriegs gerichts der 20. Division vor. Ein Unteroffizier war der Verleitung zum Meineide beschuldigt. Im Laufe der Verhandlung, in der dem Angeklagten von seinen Vorgesetzten ein sehr günstiges Zeugnis erteilt wurde, bemerkte der Oberleutnant Mollen hauer, Beisitzer des Gerichts, er kenne sowohl den Angeklagten wie den Hanptbelastungszeugsn, einen früheren Musketier, genau, werde aber niemals auf das Zeugnis des letzteren hin einer Verurteilung des Unteroffiziers zustimmen. Er erklärte sich des halb für befangen und müsse aus dem Richter- ! kollegium ausscheiden. Die Sache wurde vertagt, i damit der Gerichtsherr einen andern Richter be stimmen kann. Der Verhandlungsleitcr bezeichnete den Vorfall, daß ein Richter sich zugunsten eines Angeklagten für befangen erklärt, als wohl einzig dastehend. Nürnberg. Während eines Streiks schrieb der Zimmermann Dreh an den Zimmermeister Birkmann einen Brief, in dem mit Enthüllungen in der Presse gedroht wurde, falls Birkmann die Forderungen der Arbeiter nicht erfülle. Die Strafkammer erblickte in dem Brief einen Erpressungsversuch und ver urteilte Dreh zu vierzehn Tagen Gefängnis. Vie Kraut cies äeutscken Kronprinzen. Im ,Reich' schildert Pastor Schmidt, der Lehrer der Braut des Kronprinzen, den Charakter der Herzogin Cecilie. Er rühmt ihr munteres, offenes, gutherziges Mesen, das sie überall be liebt gemacht hat. „Der engere Kreis ihrer Freundinnen ist freilich sehr klein. Besonders seit dem Tode des Vaters Lud der Verheiratung ihrer Schwester Alexandrine war sie sehr einsam. Ihre Mutter, Großherzogin Anastasia, hat den Grundsatz, daß Fürstenkinder von allen so un beachtet wie möglich in der Stille und Ver borgenheit aufwachsen müssen. Es ist auch jetzt ihr ausgesprochener Wunsch, daß die Herzogin nicht zu viel an die Öffentlichkeit tritt. Die» Mutter hielt streng auf äußerste Einfachheit in der Kleidung; über Fehler des Kindes hat sie mit den Lehrern stets offen gesprochen. In dem ganzen Wesen der Herzogin durchdringt sich fürstliche Würde mit großer Liebenswürdigkeit, Herzensgüte und Anmut, welche ein unverkenn bares Erbteil ihres ihr leider so früh entrissenen Vaters, des Großherzogs Friedrich Franz III., find. Mit großer Liebe hängt sie gleich ihren Geschwistern an ihrer Mutter, der Großherzogin Anastasia. Es bewahrheitet sich auch hier, daß strenge Väter und Mütter von ihren Kindem am meisten geliebt werden. Gern liest sie in der Heiligen Schrift und hat für die sozialen Fragen ein lebhaftes Interesse. Sie spricht vier Sprachen, darunter die russische." Pastor Schmidt urteilt am Schluß: „Ich glaube, das deutsche Volk hat viel Ursache, dankbar zu sein sür die Wahl, welche sein Kronprinz getroffen hat! Die Braut arbeitet treu an sich und ist von dem cm'nchügm Wunsche beseelt, ihrem hohen Gemahl, ihrem Volk und Vaterlande ein Segen zu werden." buntes Allerlei. Auch eins Abnormität. Der junge Graf X., Fahnenjunker in einen Regiment der öster reichischen Infanterie, verlebte auf dem Gute seines Onkels in den Karpathen seinen Urlaub. Hier bot sich ihm viel Gelegenheit, mit dem Förster das edle Weidwerk auszuüben. Eines Tages erlegte der Förster, mit einer Kugel einen Steinadler. „Was ist das für ein Tier?" fragte der junge Graf. — „Herr Graf, ich möchte doch darum bitten, sich mehr weid männisch auszudcücken," erwiderte der Grünrock. „Erstens ist es in diesem Falle kein Tier, sondern ein Vogel, und zwar der König unter diesen — also ein Adler". - „Nicht möglich," sagte der junge Herr, der Kerl hat ja nur einen Kops!" — „Schadet nichts," sagte der Förster, „Adler ist er doch, und da er nur einen Kopf hat, so haben wir wahrscheinlich mit dem Um stande zu rechnen, daß er aus dem „Preußischen" zu uns herübergewechselt ist." I« der Schule sucht ein Lehrer die Jungen gelegentlich der Besprechung eines Lesesiückes auf den Ausdruck „Schmaus" zu bringen. Ver gebens hat er schon alle möglichen didaktischen Hilfsmittel herangezogen, da greift er zur letzten Rettung, dem „Primus", Sohn eines Hauptmanns: „Nun, wie sagt ihr denn zu Hause, wenn ihr recht was Gutes gegessen habt?" Schnell springt der Bengel auf und ruft: „Jötterfraß." osug.-) Günstige Gelegenheir. Frau: „Es ist empörend! Aus dem sozialistischen Frauen kongreß gab eine Rednerin an, daß vierjährige Mädchen von Fabriken mit Annähen von Knöpsen beschäftigt werden." — Mann: „Ich möchte mir doch gern so ein vierjähriges Mädchen kommen lassen. (.Lust. „Fräulein Werner!" Sie hörte nicht den sanften Vorwurf in seiner Stimme, sondern fuhr bitter sott: „Ich gehöre zu dem Haufen derer, die aus der Torheit ihrer lieben Nächsten Münze Wagen — ich verwende sie nicht einmal zu wohltätigen Zwecken, sondern in meinem eigenen Jutereffe. Ich —" „Ich bitte Sie, nicht weiter! Es steht einem Weibe nicht wohl an, mit so scharfen Waffen zu kämpfen. Es soll Vergebung üben, werm man von ganzem Herzen bittet." Er hält ihr seine Hand hin und es ist etwa i» feinem Blick, das sie zwingt, die ihre wider standslos hineinzulegen. „Ich kannte Sie ja nicht, als ich die bösen Worte sprach." „Sie haben gelesen?" Es klang gepreßt. Hat er gelesen, dam hat er in ihr Herz geschaut, und diesen Blick gestattet man nur seinen vertrautesten Freunden. Ja." Sie fragte nichts mehr. Sein Auge wich d«m Blicke des ihren aus. „Warum treten Sie nicht mit Ihrem Namen « die Öffentlichkeit?" fragte Haller nach einer Weile. „Weil mein Werk ein Stück meines Selbst ist und weil ich ein Weib Lin. Außerdem — einer Schriftstellerin wird man immer mit Mißtraue» begegnen, wird sie immer als un- Lranchbar sür das Leben erachten. Was würden wohl die Mütter meiner Zöglinge sagen, wüßten sie, daß so ein Unding von einem Mädchm an den zarten Seelen ihrer Töchter arbeitet? Schriftstellerinnen haben „überspannte Ideen" und eine „laxe Moral"; denn sie verschmähen es, die breitgetretenen Wege der Alltäglichkeit zu gehen. Bei andern fällt es nicht auf, weil sie im Dunkel stehen, da erregt es höchstens ein mitleidiges Achsel zucken. Mit den Werken der Schriftstellerinnen vertreibt man sich die Langeweile, und sie selbst sieht man als eine Art Wundertiere an, die man in seinen Salons gerne Kunststückchen produzieren ließe — und hinterher schleudert man ihnen Steine nach, hageldicht. Ich fürchte diese Steinwürfe nicht, ich bin bereit, für meine Schriften und Handlungen einzutreten, ich denke, sie find nicht gemeingefährlich; aber es ist für uns Frauen schrecklich, einen öffentlichen Charakter zu tragen." „So verzichten Sie freiwillig auf den Ruhm Ihrer Arbeit?" „Ich bin nicht so frei von Eitelkeit, daß es mich nicht freute, meine Schriften lobend nennen zu hören. Ob die Leute wissen, daß sie Gertrud Werner damit loben, ist mir gleich gültig. Wenn ich mir sagen darf, daß ich einen guten Samen gestreut, ein Herz zum Guten gereift habe, dann bin ich belohnt. Nach Ruhm mögen die Männer ringen, uns Frauen kommt es nicht zu, uns soll allein das Herz adeln. Es ist nun einmal nicht anders, und es ist gut so. Sehen Sie, von dem Vorwurf, daß ich nach Berühmtheit geize, weiß ich mich frei. Es klebt auch keine Tinte an meinen Fingern." Ein Lächeln, halb lustig, halb traurig, über flog ihr Gesicht. „Vielleicht würde mancher dem armen un ¬ bedeutenden Mädchen mehr Beachtung schenken, wüßte er um mein Geheimnis. Aber die Menschen, an deren Achtung mir etwas liegt, haben sie auch der obskuren Lehrerin geschenkt. Vor ihnen hülle ich mich nicht in ein Geheimnis. Es macht so sicher und stolz in sich, einem Menschen gegenüberstehen, der hochmütig auf auf uns herabfieht und dabei zu wissen, daß es uns Mr ein Wort kosten würde, ihn umzu stimmen. — So, das war eine lange Rede. — Denken Sie noch immer so schlecht von uns schriftstellernden Frauen?" „Nicht jede von ihnen ist Gertrud Werner. Erlauben Sie mir nur noch eine Frage: Wie kamen Sie darauf, zu schreiben?" „Da müßten Sie mich auch fragen, wie ich darauf kam, zu lachen und zu weinen. Mir geht es damit wie unserm Altmeister Goethe: ich muß mir das Herz frei schreiben. Und dann — es> klingt nicht sehr hübsch — schließlich kam die Not und zwang mir die Feder in die Hand und ich versuchte, die jahrelang im Geiste bewegten Gedanken zu Papier zu bringen. Weichen Sie nicht von der zurück, die das Himmelslicht Poesie zum Mittel des Geld erwerbs herabwürdigte?" Er antwortete ihr nicht, er sah sie nur an, mit so wunderbar schimmerndem Blick, daß sie verwirrt die Augen senkte. Von oben her tönte Käihchens Lachen, die mit Sultan im Garten herumiollte. „Käthchen!" Das Kind kam geschwind herbei und hängte sich an Gertruds Arm. Sie strich ihm mit der andern Hand die Locken aus der erhitzten Stirn: „Wie du heiß bist! Du mußt nicht so wild sein, mein Liebling." Das Kind und immer nur das Kindl — dachte Haller. Die Geheimrätin, die sich, kurz bevor der Doktor kam, ins Haus begeben hatte, kehrte zurück und war freudig erstaunt, den Besucher im Garten zu finden. Ein Weilchen später kam auch Fräulein Waldburg und zuletzt der Geheimrat. Gertrud war sehr still geworden; es schien, als ob ihre Rede fich in dem Ge spräch mit dem Doktor erschöpft habe. Dieser schlug vor, eine Spazierfahrt auf dem Teich zu machen; er zählte dabei darauft daß die alten Herrschaften nicht von der Partie sein würden. Er hatte fich nicht geirrt, nur Gertrud und Käthchen gingen auf seinen Vorschlag ein. Aber er hatte fich doL getäuscht, wenn er ge hofft hatte, Gertrud auf dem Wasser, allein mit ihm und dem Kinde, gesprächiger zu finden. Sie belehrte wohl Käthchen, die unaufhörlich zu fragen hatte, wie es käme, daß der Himmel blau sei, warum das Wasser im Winter so hart werde und warum die Schwäne stumm find; aber an ihn selbst richtete sie kein Wort. Ein mal überhörte sie eine Frage des Kindes und er trat für sie ein. Seildem wendete fich Käthchen ausschließlich an ihn; die liebe Tante sei gewiß müde. Es ging Dr. Haller wie Oertzen; auch, er konnte fie nicht durch Frage» stören, wenn ihre Augen so wie jetzt an ihm vorbei blickten, schwermutsvoll, unergründlich. SS 7 (Fortsetzung solgt.)