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politilcke Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. * Die Langsamkeit des japanischen Vor gehens gegen Mukden hindert nicht, daß es zwischen den Spitzen der feindlichen Heere immer wieder zu Zusammenstößen kommt. Ein neues, größeres Gefecht hat am Sonntag stattgefunden, bas mit dem Zurückwerfen der Japaner geendet haben soll. Summarisch wird aber gemeldet, daß der japanische Anmarsch gegen Mukden in drei großen Kolonnen erfolge. * Russische Berichte stellen den Sturm der Japaner auf Port Arthur vom 23. September als völlig mißglückt hin; kein einziges Fort sei erobert worden. (Die englischen Berichte nennen das kleinste Erd schanzwerk ein „Fort"; daher mögen die Falsch meldungen von der Eroberung mehrerer „Forts" durch die Japaner entstanden sein.) * Prinz Anton vonHohenzollern hat sich in Tokio einer sehr zuvorkommenden Aufnahme seitens der oberen japanischen Kreise zu erfreuen. Er wird eine 14 tägige Rundreise durch Japan unternehmen, um sich alsdann auf den Kriegsschauplatz zu begeben. * Depeschen aus Tokio besagen, daß die lange Dauer der Belagerung von Port Arthur und Kuropatkins Entkommen die Hoffnung auf baldigen Abschluß des Friedens benommen habe. Man be trachte den Krieg im Volke jetzt mit wachsendem Ernst und beginne die Größe der Ausgabe zu begreifen. Die Zuversicht auf glückliche Be endigung des Krieges bleibe jedoch unbeeinflußt, und das Lank sei entschlossen, jeden Preis für den schließlichen Erfolg zu zahlen. Einige Geschäftszweige haben zwar gelitten, doch über treffe das Gesamtergebnis des in- und aus ländischen Handels das vorjährige, und die Ernte sei vorzüglich. * Die seit dem Beginne des Krieges fort während wiederkehrenden Besorgnisse wegen der Wahrung der Neutralität Chinas er hielten in der jüngsten Zeit neue Nahrung durch die Erwägung der Möglichkeit, daß die in der Mandschurei immer weiter vorrückendc Streit macht Japans ihre Aktion über den bezeichneten Teil Chinas hinaus ausdehnen, somit den Schauplatz des Krieges in ein neutrales Gebiet dieses Reiches verlegen könnte. Es wurde hierbei auf die den Gesamtcharakter der Lage im äußersten Osten verändernde Verwickelung hingewiesen, die sich aus einer solchen, China in den Kampf gegen Rußland mitreißenden Wendung der Ereignisse ergeben wüßte, und von der Gefahr eines Weltkrieges gesprochen. Auf Grund von Erkundigungen, die die ,Pol. Korr/ an unterrichteter Stelle eingezogen, läßt sie jedoch versichern, daß derartige Befürch tungen ganz unbegründet find. » * Lie Deutschland. * Außer von dem Berliner Hofe sind von sämtlichen deutschen Fürstenhöfen Beileids telegramme in Detmold eingetroffen. * Gegen die Übernahme der Regent schaft in Lippe seitens des Grafen Leopold zur Lippe wird, wie aus Bückeburg verlautet, nach Beisetzung des Graf-Regenten von der Regierung des Fürstentums Schaum burg-Lippe Protest beim Bundesrat und den zuständigen Stellen im Fürstentum Lippe ein gelegt werden. * Giolitti war zu einem kurzen Besuch beim Grafen Bülow in Homburg und hat mit diesem Fragen der laufenden Politik besprochen. * Beim R e i ch s g erich t soll am 1. Oktober mit den Einrichtungen zur Anlegung eines PräjudizienbucheS (frühere Urteile, die sich für vorliegende Fälle wieder anwenden lassen) begonnen werden. Damit wäre ein langjähriger Wunsch weiter Kreise des Reichs gerichts erfüllt und vor allem eine wenn auch kleine Arbeitserleichterung geschaffen. Die Be deutung eines PräjudizienbucheS liegt schon darin, daß die Arbeit des einzelnen bei Fest stellung der Vorentscheidungen andrer Senate, zum Teil auch des eigenen Senats, sehr er leichtert wird, überdies könnte die Einrichtung den willkommenen Ausgang geben, latente Konflikte aus der Welt zu schaffen; nach Offen legung der abweichenden Entscheidungen müssen Die Situation um Mukden. Der Grund dafür, daß twm Kriegsschauplatz in der Mandschurei die Nachrichten nur spärlich ein treffen, liegt augenscheinlich darin, daß beide Gegner die Vorbereitungen zu einem entscheidenden Schlage treffen. Die Armes Kurokis macht augenblicklich den Versuch, den russischen linken Flügel durch einen weitausholenden Marsch zu umfassen. Da Kuro- patkin zwischen Mukden und Tieling steht, geht der Marsch von Südosten nach Nordwesten und hat den Zweck, sich der Verbindungslinie Mukden-Tieling zu bemächtigen. Die beiden andern japanischen Armeen marschieren von Süden direkt auf Mukden. Durch den Umgehungsmarsch kann erzielt werden, daß Kuropatkin zum Rückzug genötigt wird. Die Japaner versuchen ein ähnliches Manöver wie bei Liaujang. sich die Widerstreitenden Senate, wenn der gleiche Fall wieder zum Spruche kommt, über die Rechtsfrage einigen, oder sie find gezwungen, die Entscheidung des Plenums anzurusen. General Gripenberg. Der Zar hat die ostasiatische Armee in zwei Teile geteilt. Der eine untersteht auch ferner den Befehlen des Generals Kurupatkin, während zum Chef des andern der General der Infanterie Oskar Kasimirowitsch Gripenberg ernannt ist. Der General ist am 1. Januar 1838 geboren; seine allgemeine wissenschaftliche Ausbildung erhielt er im Eltern- Hause und seine militärische im praktischen Dienst. Eine längere Zeit seiner militärischen Laufbahn ver brachte Gripenberg in Turkestan, wo er in der Folge das Kommando des 5. turkestanischen Linien bataillons erhielt. Nachdem er am Krimkriege aktiven Anteil genommen halte, wurde er nach dem Friedensschluß Kommandeur der 1. Gardebrigade, darauf Chef der Gardeschützenbrigade und 1896 Ge hilfe des Kommandierenden der Truppen des Wilna- schen Militärbezirks. General Gripenberg hat auch am letzten Kriege gegen die Türkei mit Auszeichnung teilgenommen. "Die Kommission zur Vorprüfung von Fragen der Abänderung des Straf prozesses wird am 4. Oktober und zwar zu einer zunächst achttägigen Tagung zusammen- lreten. "Praktische Sozialpolitik hat der Fürst Heinrich XIV. von Reuß j. L. be tätigt. Der Fürst spendete der Schleizer Volks sparkasse, die sich die Aufgabe gestellt hat, gegen Amortisation der Bauaufwendungen Arbeiter familien durch Errichtung von Kleinhäusern mit Garte nanlagen billige Heime zu gründen, eine Summe von 50 000 Mk. Die Schenkung soll zunächst als „Stiftung Heinrich XIV." verwaltet werden. Später soll sie zur Errichtung eines Heims für alte, ganz allein stehende und hilfsbedürftige Personen des Arbeiter st andes, sowie zu versorgende Waisenkinder verwendet werden. * Das Großherzogtum Baden ist der erste deutsche Bundesstaat, der jetzt die Materien des Geheimmittelwesens und der Aus übung der Heilkunde durch nichtappro bierte Personen auf dem Wege der Landes gesetzgebung geregelt hat. Frankreich. * Zur Frage derTrennung vonKirche und Staat in Frankreich will das Pariser Blatt Jurors erfahren haben, daß der Minister präsident keine eigene Vorlage hierzu in der Kammer einbringen, sondern sich damit begnügen werde, verschiedene Abänderungen an dem von dem Ausschuß bereits angenommenen Gesetz entwurf Briand zu beantragen. Durch dieses Vorgehen solle jede Verzögemng der Debatte über den Entwurf vermieden werden. Holland. "Der Minister des Auswärtigen hat der Kommer mitgeteilt, daß er mit England über einen Schiedsgerichtsvertrag und über Forderungen verhandle, die aus dem südafrikanischen Kriege sich ergeben hätten. Mit Portugal werde über die Regulierung der holländisch - portugiesischen Grenze auf Timor verhandelt und mitDeutsch- land über die Regelung von Nationalitäts fragen Staatsangehöriger in bezug auf die Arbeiter-Unfallversicherung und den Militärdienst. Von Rußland sei, so teilt der Minister weiter mit, die Meistbegünstigung für die Einfuhr von Java-Tee erlangt. Ruhland. "Wie verlautet, genehmigte der Zar den Antrag des Ministers des Innern, daß eine im Jahre 1896 erlassene Vorordnung, wonach Personen polnischer Abstammung und römisch-katholischen Glaubens verboten ist, Grundbesitz in Litauen, Wolhynien, Podo- lien und der Ukraine aufzukaufen, aufge hoben werde. "Die russische Schwarze Meer flotte hat den Hafen von Sebastopol mit versiegelter Ordre veilassen. Sie muß ja bald irgendwo auftauchen. Vielleicht in den Dardanellen. Balkanstaaten. * Die griechische Kammer ist durch königliche Verfügung aufgelöst worden. Amerika. "Der nordamerikanische Staatssekretär Hay richtete bereits an alle Mächte vertrauliche An- fragen, um die Zweckmäßigkeit der Einberufung einer Friedenskonferenz für den An fang des nächsten Jahres festzustellen. * DieWiederwahl von Porfirio Diaz zum Präsidenten der mexikanischen Republik wurde von der Deputiertenkammer bestätigt. Aste«. * Die Boxer rühren sich wieder in Nord china. Wieder wie vor vier Jahren verteilen fie offen Zettel, in denen sie den Zeitpunkt ihres allgemeinen Aufstandes und die V e rn i ch tu ng der Fremden ankündigen. Diesmal ist der 17. Oktober dazu festgesetzt. Australien. "Der australische Bundesstaat bekämpft die ausländ ischeJndustrie nicht bloß durch hohe Zölle, die er auf ihre Erzeugnisse gelegt hat, sondern auch dadurch, daß er den ausländischen Fabrikanten und Kaufleuten die Verbreitung von Preislisten und Kata - logen, ja sogar von Geschäftsempfehlungen durch Inserate in Zeitungen unmöglich zu machen sucht. Von unä fern. Einen Zwanzigender hat der Kaiser am 27. d. in Rominten erlegt. Prinzessin Lnise von Koburg verlangt zunächst Absetzung ihres bisherigen Kurators Dr. v. Feistmantel und Ernennung eines un- parteiischen Nachfolgers. Sie ist davon durch drungen, daß der Aufhebung der Kuratel ein Rechtsverfahren vorangehen müsse. Auf dessen Formalitäten beziehen sich die der Prinzessin zugekommenen Vorschläge des Prinzen von Koburg. Sie nahm die Forderung einer neuen Untersuchung ihres Geisteszustandes an, aber nicht in Österreich oder in Sachsen. Auch der Wiener Hof will in loyaler Weise dis Auf hebung der Entmündigung herbeiführen. Prin zessin Luise hat gegenüber dem Berichterstatter der ,N. Fr. Pr/ in Paris erklärt, daß ihr hierbei ein möglichst rasches Tempo erwünscht wäre. Jagdunfall eines Prinzen. Herzog Heinrich Borwin von Mecklenburg-Schwerin ist, wie aus Dresden gemeldet wird, am Montag auf der Hühnerjagd beim Fürsten Schönburg- Waldenburg durch einen Schrotschuß in beide Knie und in die rechte Hand verletzt worden. Der Herzog hat sich in das Johannstädter Krankenhaus in Dresden begeben. Das Be finden ist zufriedenstellend. Die Meppener Schleuse. Die Arbeiten zur Wiederherstellung der eingestürzten Schleuse .des Dortmund-Ems-Kanals bei Meppen find am Montag begonnen worden. Grosser Moorbrand in Schlesien. Seit mehreren Tagen brennt die 200 Morgen große, dem Kloster Marienstern gehörige Torffläche zwischen der Stadt Wittichenau und dem Jndustrieort Bernsdorf. Das Kommando des Infanterie-Regiments Nr. 179 sowie zahlreiche Arbeiter find unaufhörlich bemüht, das Feuer auf seinen umfangreichen Herd zu beschränken, damit es nicht auf die angrenzenden, sehr aus gedehnten und wertvollen Kiefernhochbestände des preußischen Fiskus und des Klosters Manenstern überspringt. Das einzige Wohnhaus auf der andert halb Bi eilen südwestlich von Nordstrand belegenen Hallig Südfall, einem beliebten Ziel Husumer Vergnügungsdampfer, ist vollständig einge äschert worden. Da der Besitzer mit seinen vier kleinen Kindern allein aut der Hallig wohnt, konnte von dem Hausrat fast nichts gerettet werden. Das Feuer ist durch ein Erd öl-Kochgerät entstanden. Vor vier Jahren ist das Haus bereits einmal abgebrannt. Wieder auf freien Fuss gesetzt wurde der Redakteur Schweinert gen. Leo Holly, der, Wie kürzlich gemeldet, wegen Beleidigung deS oldenburgischen Justizministers Ruhstrat, im Hause seiner Mutter, wo er sich besuchsweise aushielt, verhaftet worden war. Schweinert ist inzwischen aus eigenem Antriebe nach Olden burg zurückgekehrt und hat sich der dortigen Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. — Die gleichzeitig erfolgte Verhaftung des Redak teurs Biermann ist dagegen aufrecht erhalten worden. Von drei Sträflingen, die am ver gangenen Dienstag aus dem Gefängnis in Elber feld ausgebrochen find, ist einer, Krassorst, in Düsseldorf wieder dingfest gemacht worden. Die drei waren vor einiger Zeit aus einer aus wärtigen Strafanstalt hierher gebracht worden und hatten bei den Erweiterungsbauten des Ge fängnisses Verwendung gefunden. Sie waren m der Klempnerei beschäftigt, wo sich in dem Kamin eine größere Öffnung für eine Feld schmiede befand. Durch diese Öffnung find fie den Kamin hinaufgekrochen. Von dem Dache find fie auf ein darunter befindliches Sheddach gesprungen und von dort auf den anliegenden Bahndamm. Das Mörder-Ehepaar Hübner, das be schuldigt wird, die Kellnerin Flach ermordet zu haben, ist, wie aus München gemeldet wird, am Dienstag in Wittenberg verhaftet worden. K bin famtlien - Sekeimms. lös Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. «Fortsetzung.) „Wir dürfen ihm das Gift nicht mit einem Male entziehen," sagte der Arzt, sich Beatrice zuwendend. „Ich werde ihm täglich eine ge ringe Dosis Morphium einflößen und dieselbe allmählich verringern. Auf diese Weise hoffe ich, Ihren Gatten noch zu retten, ihm Gesund heit und Wohlbefinden zurückzugeben." Damit erfüllte er das Herz der schwer geprüften Frau mit neuer Hoffnung, und als nach seinem Weggange ihr Vater erschien, fand derselbe fie in zuversichtlicher Stimmung. Der Oberst kam soeben von seinem Besuche bei Wechsler und teilte nun das Resultat der Unterredung seiner Tochter mit. Man hatte ihn zunächst sehr reserviert und kühl empfangen. Das Duell hatte besonders Brunos Onkel sehr verstimmt und gegen Willi eingenommen. Er gab zu verstehen, daß nach diesem bedauer lichen Vorfall um so weniger noch an die ge plante Verlobung zu denken sei, als Willi ja offenbar derselben entgegenstrebte; sein Ver hältnis mit dem Mädchen, um dessentwillen der Streit von ihm provoziert worben, beweise das zur Genüge. Die Mutter Hildas trat mit dieser Anficht zwar nicht so schroff hervor, äußerte jedoch, daß Willi sich endgültig frei machen müsse, bevor man die beabsichtigte Verbindung ins Werk setzen könne. Dafür zu sorgen hatte der Oberst versprochen und darauf die Versicherung erhalten, daß die bis herigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Familien fortbestehen würden und Willis spätere Werbung um Hilda günstige Aufnahme finden sollte. Nachdem der Oberst sich nach dem Befinden Brunos erkundigt nnd einen tröstlichen Bescheid erhalten, hatte er sich, zufrieden mit dem, was er erreicht, verab schiedet. Zur Mitteilung des Familikm- geheimnisses war ihm der Zeitpunkt nicht günstig erschienen, und er hatte darum von demselben noch geschwiegen. Ohne Zweifel war mit dieser Aussöhnung ein bedeutender Schritt zum Ziele vorwärts getan, und wenn die Unterredung mit Hedwigs Mutter ebenso erfolgreich verlief, konnte die Hauptaufgabe als gelöst bettachtet werden. Beatrice atmete auf. Eine neue schwere Last war durch diese Eröffnungen ihres Vaters von ihrer Seele genommen, und sie glaubte hoffen zu dürfen, daß nach den Tagen des Unglücks wieder Sonnenschein einkehren würde. „Wo ist Willi?" fragte der Oberst, nachdem er sich über das Befinden des Kranken aus führlich hatte belichten lassen. „Auf seinem Zimmer, soviel ich weiß," ent gegnete Beatrice. „Er weicht mir seit dem Duell geflissentlich aus." „Hm! Mir scheint, er ist im Begriff, einen dummen Streich zu begehen. Justizrat Sellow teilte mir heute mit, daß Willi beantragt hat, in die Liste der Rechtsanwälte ausgenommen zu werden. Das Examen hat er ja hinter sich, und so steht seinem Gesuch nichts im Wege. Ich kann mir wohl denken, was er damit be absichtigt." „Er wird uns doch nicht verlassen wollen um — jenes Mädchens willen? Wenn er dieses Vorhaben ausführte, ich ertrüge es nicht. Ach und ich vermag nichts über ihn! Er ist ja wie umgewandelt und fast teilnahmlos für alle Vorgänge im Hause, für die Krankheit seines Vaters." „Überlaß ihn mir," beruhigte sie der Oberst, „ich stehe dir dafür, daß nichts dergleichen ge schehen wird. Meine erste Aufgabe ist es, ihn von dem Mädchen zu trennen, und ich werde sofort mit der Ausführung beginnen." Er verabschiedete sich mit diesen Worten von seiner Tochter und wollte soeben das Haus ver lassen, als er Willi die Treppe von seinem Zimmer herabkommen sah. Der junge Mann sah bleich und übernächtigt aus, sein Gang war nicht so fest und elastisch wie sonst. Ber dem Anblick des Obersten beschleunigte er seinen Schritt, und es hatte den Anschein, als suche er einem Zusammentreffen auszuweichen. „Halt!" rief ihm der Oberst nach. „Wohin?!" Aber ohne sich aushalten zu lassen, stürmte Willi zur Haustür hinaus. Kopfschüttelnd sah ihm der alte Herr nach und entfernte sich dann mit einem kräftigen Soldatenfluche gleichfalls. An der nächsten Ecke nahm er eine Droschke und ließ sich nach der Turmstraße fahren, um Frau Bordowich seinen Besuch zu machen. * * * Als der Oberst an der Tür der Bordowich- schen Wohnung klingelte, wurde ihm von einem Manne in zerrissenem Schlafrock und mit nichts weniger als sympathischem Gesicht geöffnet. Dieser Anblick berührte ihn äußerst unangenehm, er glaubte schon, sich in der Etage geirrt zu haben und fragte darum: „Wohnt hier Frau Bordowich?" „Jawohl, bitte, treten Sie näher l" war die Antwort. Zögemd beschritt der Oberst den Korridor und ließ sich naL dem Wohnzimmer führen, wo er sich alsbald der Mutter Hedwigs gegen über sah. Zu seinem Erstaunen war ihm Rudolf Grabow — dieser war der Mann — gefolgt und schien auch nicht die Absicht zu haben, das Zimmer wieder zu verlassen, denn er ließ sich, nachdem er dem Besucher einen Smhl zuge schoben, ungeniert in der Sofaecke nieder. Der Oberst warf einen flüchtigen, halb neu gierigen Blick auf die ärmlichen Möbel und richtete dann sein Auge auf die Frau, die der vornehme Besuch sichtlich in Verlegenheit setzte. War ihm die Erscheinung des Mannes wider lich, so machte die Friederikes in der einfachen sauberen Kleidung einen befriedigenden Ein druck auf ihn. Dazu war ein Zug in ihrem Antlitz, der ihn eigentümlich berührte; es wollte ihm scheinen, als habe er dieses Gesicht schon irgendwo gesehen. Es war eben die Ähnlichkeit mit seinem Schwiegersöhne, die ihn stutzig machte, ohne daß ihm der Gedanke gekommen wäre, hier dessen Schwester vor sich zu sehen. Nachdem sich der Oberst vorgestellt und die nötige Aufklämng über sein verwandtschaft liches Verhältnis zu Willi gegeben hatte, sagte er: „Sie werden ohne Zweifel schon erraten haben, weshalb ich Sie aufsuche. Es wäre mir