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^ 117, 24 Mai 1909. Amtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dlschn. Buchhandel. 6227 hin ihre Erfahrungen, und auch ihre schmerzlichen Erfahrungen haben, die sowohl mit den Schmerzen des Verlages, als auch mit den Schmerzen des Druckers vertraut sind. Ich habe zu dieser Frage gestern bereits im Verlegerverein gesprochen, und es tut mir leid, daß ich gerade meinem lieben, verehrten Kollegen Herrn Meiner in diesem Falle widersprechen muß. Meine Herren, es ist gesagt worden — und das ist auch gestern im Verlegerverein betont worden —, diese Maß regel solle sich nicht gegen die sozial so wichtige und wohltätige Einrichtung des deutschen Buchdruckertarises — nämlich des Lohntarises — richten. Wir nehmen Wohl alle diese Erklärung gern an; denn soweit ist doch auch der gesamte Buch handel von sozialen Notwendigkeiten überzeugt, daß er sich sagen wird: man kann doch nicht einen Lohntaris bekämpfen, den ein großes organisiertes Gewerbe zum Nutzen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beiderseits im Frieden vereinbart hat. Das erscheint vollkommen ausgeschlossen. Aber selbst wenn die Sache in der Praxis so gehandhabt werden sollte, so bleibt doch ein großes Bedenken, das ich nicht verschweigen möchte, nämlich ein Bedenken taktischer Art. Meine Herren, es ist gestern im Verlegerverein beschlossen worden, daß eine Kommission eingesetzt werden soll, die über die einzelnen positiven Beschwerden des Verlagsbuchhandcls gegenüber dem neuen Buchdruckerpreistarif — also dem Kundenpreistaris — mit einer gleichgroßen Kommission des Buch druckervereins verhandeln soll. Nun fragt es sich, meine Herren: ist es notwendig, daß man in dem Moment, wo man in Verhandlungen tritt, von denen man doch Wohl hofft und hoffen dars, daß sie zu einem Resultat führen, gleich eine Maß regel ergreift, die doch mehr oder weniger eine unfreundliche ist oder doch wenigstens bei den nicht ganz so in allen Details informierten Herren des Buchdruckerstandes als eine Unfreundlichkeit wirken kann und wirken muß. Dazu kommt noch eines. Es handelt sich doch hier wirklich nicht um eine sehr große und weltführende Maßregel, sondern die Maßregel, mit der wir es hier zu tun haben, ist doch wirklich eine etwas kleinliche. Es ist eigentlich eine Politik der Nadelstiche, und solche Nadelstiche wirken sehr oft, wie wir das sogar in der hohen Politik sehen, viel zer störender als selbst große Maßregeln. — Der Herr Landtagsabgeordnete schüttelt zwar den Kopf; er hat es anders erlebt; er wirkt ja auch mit größeren Mitteln. (Heiterkeit.) Aber ich glaube doch, daß ich meine Behauptung ausrecht erhalten kann. Deshalb bitte ich aus taktischen Gründen, damit wir nicht in dem Moment, wo wir verhandeln wollen, eine Ver ärgerung herbeiführen: lassen Sie diesen Paragraphen stehen! Ein Kollege, mit dem ich vorhin sprach, sagte mir: Ich bin auch dafür, daß wir den Paragraphen stehen lassen; wenn wir ihn jetzt neu aufnehmen sollten, würde ich vielleicht da gegen stimmen. Es ist aber in der Tat etwas anderes, wenn man die Bestimmung ausdrücklich herausstreicht und dadurch unterstreicht, daß man in dieser Sache einen ganz bestimmten Standpunkt einnehmen will. Es ist nicht daran zu drehen und zu deuteln: die Worte, die hier stehen, heißen »Deutscher Buchdruckertarif--. Der Deutsche Buchdruckertarif ist der Lohntarif, und das Odium werden Sie nicht los werden, daß Sie gegen die Bezahlung unserer Arbeiter etwas getan hätten; auch wenn Sie es noch so gut meinen, das Odium wird auf dem Börsenverein hängen bleiben. Es wird immer wieder gesagt werden: man hat einen Passus herausgestrichen, der die Einhaltung des Deutschen Buchdrucker tarises, des Lohntarifs, garantieren sollte, und das würde ich im Interesse des Ansehens des Börsenvereins wirklich bedauern. Ich möchte deshalb bitten, daß der Kampf, der — vielleicht nicht ohne eine gewisse Berechtigung in einzelnen Punkten — gegen den Buchdruckerpreistarif geführt wird, spezialisiert wird aus die Punkte, an denen der Verlagsbuchhandel etwas auszusetzen hat, daß diese Punkte der Kommission der Buchdrucker vorgelegt werden, und das sind doch schließlich auch soweit ganz vernünftige und intelligente Menschen, sollte man meinen, so daß man sich der Hoffnung hingeben dars, es wird sich eine Verständigung erzielen lassen! Ich würde es nicht sür zweckmäßig halten, daß hier ein Kampf herauf beschworen wird mit einem ziemlich kleinen Mittel, das aber auf der anderen Seite großen Ärger verursachen kann. Auf demselben Brette steht eigentlich der Vorschlag, der gestern im Veclegerverein gemacht worden ist, man solle sich mit dem Verbände der Industriellen in Verbindung setzen, um die bösen Buchdrucker etwas herumzukriegen. Das ist auch ein sehr zweischneidiges Schwert, weil man damit die bewährten Organisationen des Buchgewerbes als solche, von Organisation zu Organisation, lahmlegt und von einer dritten Seite her zu attackieren im Begriffe steht. Es würde das mehr oder weniger dasselbe sein, wie wenn der akademische Schutzverein, um gegen uns vorzugehen, sich mit Warenhäusern oder mit andern Handelszweigen in Verbindung setzen wollte. (Ruse: Oho!) Das würde man doch gewiß nicht als korrekt empfinden. Ich wenigstens würde es nicht als sehr nett empfinden, wenn man da Dinge hineintrüge, die mit der Sache selbst nichts zu tun haben. Doch es gibt noch eine andere Seite der Sache. Es werden vielleicht speziell die Sortimenter nicht einsehen, warum gerade in das Börsenblatt ein-solches Element hineinkommen soll, das doch unter Umständen wirklich ein bißchen nach Schleuderei riechen kann. Ich bin überzeugt, daß der Ausschuß für das Börsenblatt nicht von der Absicht beseelt ist, Schleuderei einreißen zu lassen. Wenn aber die guten Bestimmungen herauskommcn, ist doch der Schleuderei Tür und Tor geöffnet. Ich fürchte, daß dieser Antrag doch ein klein wenig im Zorn formuliert worden ist, und im Zorn soll man solche Sachen besser nicht überlegen, sondern in Ruhe, damit der Friede angebahnt wird. Herr Or. Walter de Gruhter-Berlin: Meine Herren, die Maßnahme, die Ihnen an dieser Stelle auf Anregung des Verlegervereins, dem ich seit gestern als Vorsitzender anzugehören die Ehre habe, vorgeschlagen wird, zählt zu denen, die niemand mit Enthusiasmus vertritt. Die Leidenschaftlichkeit, im guten oder bösen Sinne, hat ihr auch in den Motiven durchaus fern gelegen. Es ist keine Maßnahme ab irato, sondern ox neoosso. Meine Herren, ich bin selbst auch Verlegerdrucker, meine Offizin gehört zu denjenigen, die sich mit einem gewissen Stolze zu den lohntaristreuen Druckereien zählen, und ich weiß, daß der neue Buchdruckerpreistarif, der den Anlaß zum Zwist gegeben hat, nicht nur aus der Willkür, sondern auch aus wirtschaftlicher Not geboren ist: aus einer Zersplitterung des Gewerbes, (Sehr richtig!) und aus einer an Terrorismus grenzenden Entschlossenheit der Gehilsen. Meine Herren, es ist die Wahrheit, das Druckercigewerbe, und insbesondere dasjenige des wissenschaftlichen Werk drucks, hat jahrelang unter einem schweren Druck gelitten, und man kann es ihm nicht verdenken, wenn es solchem Zustande ein Ende zu machen bestrebt ist. Aber, meine Herren, der Verlagsbuchhandel hat ein Lebensinteresse daran, daß er dafür nicht die Zeche zu zahlen hat. (Sehr gut.) Meine Herren, der Deutsche Buchdruckerverein, so will mich dünken, hat, als er daran ging, die Lebcnsbedingungen seines Standes zu verbessern, nicht das rechte Maß gehalten; er hat insbesondere zu viel im Vollgefühl seiner Kraft so«»