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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends, Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Rloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag zo Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeilk berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 114. Freitag, den 23. September 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, 22. September 190 q. — Fremde und eigene Kinder nach dem Kinderschntzgesetze. Man sollte meinen, über diesen Unterschied sei jedermann im Klaren. Im Sinne des Gesetzes aber ist es nicht leicht zu sagen, zu welcher Art die Pflegekinder, die Mündel und die Waisen gehören. Der Ge werbetreibende, der Kinder beschästigt, muß jedoch Gewißheit darüber haben, wenn er nicht mit. dem Strafgesetze in Berührung kommen will. Eine Uebertretung des Gesetzes zieht Geldstrafe bis zu 2000 Mark oder Haft, oder im Falle gewohnheitsmäßiger Zuwiderhandlung Gefängnisstrafe bis zu S Monaten nach sich. Das Kinderschutzgesetz betrachtet als eigene Kinder diejenigen, die mit dem Arbeitgeber oder dessen Ehefrau bis zum dritten Grade verwandt sind, dann Adoptivkinder und Mündel endlich solche, die ihm zur gesetzlichen Zwangs erziehung überwiesen worden sind. Denken wir uns bestimmte Fälle! Ein Witwer gibt sein Kind bei einer Familie in Pflege, in Pension. Tagsüber hilft ihm dec Junge im Geschäft. Er darf aber sein eigenes Kind nur wie ein fremdes beschäftigen, weil cs nicht bei ihm wohnt. Ein anderer Geschäftsmann nimmt von seiner Schwester ein Kind ins Haus. Es gilt auch ohne Adoption als sein eigenes Kind, wenn er es mit seinen eigenen Kindern erzieht. Ein Vormund nimmt einj Mündel zu sich. Er gesellt es seinen eigenen Kindern zu und kann das Mündel als sein eigenes Kind beschäftigen. Erste Voraussetzung für eigene Kinder ist, daß sie zum Hausstände des Arbeitgebers gehören. Neffen und Nichten angenommene und bevormundete Kinder gelten als fremde Kinder, sobald sie nicht Kost und Wohnung bei dem Gewerbetreibenden haben. So erhält es sich auch mit Kiudern in Zwangserziehung. Diese tritt ein, wenn ein Kind der Verwahrlosung ausgesetzt ist. Es wird den Eltern, die diesen Namen nicht ver dienen, genommen und einer guten Familie übergeben. Diese darf das Kind als ihr eigenes betrachten, sobald sie selbst mit Kinder gesegnet ist. Andernfalls darf sie es nur als ein fremdes beschäftigen. Diese Unterschiede waren nötig, um Mißklänge im Familienleben zu vermeiden. Es würde eigentümliche Folgen zeitigen, dürfte der Haushaltungsvorstand nicht Pflegekinder mit seinen eigenen gleichmäßig beschäftigen. Das Gesetz macht es aber unmöglich, daß Waisenkinder unter den milderen Bestimmungen, die für eigene Kinder gelten, geschäftsmäßig ausgebeutet werden. Die milderen Bestimmungen waren aber nötig, um den Eltern ihre Freiheit den Kindern gegenüber zu wahren. Der Vater darf wie bisher seinen Sohn in seinen Berufe die Mutter ihre Tochter in der Wirtschaft verwenden. Zu Heimarbeit (Strohhutnähen usf.) dürfen aber auch eigene Kinder nur nach vollendetem 12. Lebensjahre und nur unter steter Auf sicht und Mitarbeit der Eltern in deren Wohnung oder Werkstatt verwendet werden. — Der Kartoffelmarkt entbehrt, wie Zu schriften an das Organ des Bundes der Land wirte erkennen lasten, in hohem Maße der Einheitlichkeit. Es gewinnt den Anschein, daß die Preisbildung der natürlichen Bedingungen entbehrt. Die mitgeteilten Preise schwanken für Fabriklartoffeln zwischen 2 Mk. und 2,60 Mk. für den Zentner, für Eßkartvffeln zwischen 2,60 Mk. und 5 Mark. Im Osten wird die Kartoffelernte zweifellos weit hinter dem Durchschnitt zurückbleiben, im Westen da gegen scheinen die Ergebnisse wesentlich günstiger auszufallen. In einem Schreiben aus Ost friesland heißt es: Stellenweise liefert der Boden kolossale Mengen der besten und wohl schmeckendsten Eßkartoffeln. Aus Holland gehen aber bereits Ladungen über Ladungen nach dem deutschen Binnenlande. Der Preis ist deshalb Mshällnismäßig bis jetzt ein recht hoher. Für 2,00 bis 2,50 Mk. lasten sich hier aber noch recht viele verladen. — Auf Ersuchen des Königlichen Ministerums des Innern hat sich der Börsenausschuß der Leipziger Handelskammer eingehend mit der Frage der Ausprägung von Dreimarkstücken beschäftigt. Der Ausschuß empfiehlt dem Fünfmarkstücken eine handlichere, sich mehr dem Taler annähernde Form zu geben, da in erster Linie die Anpassung des Fünfmarkstücks an das Dezimalsystem für den geschäftlichen Verkehr wichtig sei. Zu empfehlen sei die Außerkurs setzung des Talers, da dessen Fortbestehen neben den Münzen des Dezimalsystems zu mannig fachen Uebelständen Anlaß gegeben habe. Für unbedingt erforderlich sei zu erklären, daß mit der Einziehung des Takes eine vermehrte Ausprägung von Zwei- und Fünfmarkstücken Hand in Hand gehen muß. Dresden. Die Kriminalpolizei beschlag nahmte in der Redaktion des „Beobachter an der Elbe" einen Brief der früheren Kron prinzessin Luise an ihre Kinder, der im Besitze des Kronprinzen war und vom „Beobachter" in seiner letzten Nummer abgedruckt wurde. Der Kammerlakai Lehmann, der 17 Jahre lang in Diensten der kronprinzlichen Hofhaltung stand, 'wurde ohne Pension seiner Stellung enthoben, weil in ihm diejenige Person er mittelt wurde, die den Brief an sich nahm und dem „Beobachter" zur Verfügung stellte. Auch die Nummer des „Beobachtens", welche das Faksimile des Briefes enthält, ist konfisziert worden. — Hof-Opernsänger Greder, dessen Ver schwinden aus Dresden viel Aussehen erregte, soll sich auf dem Wege nach Brasilien befinden wo er Konzerte zu geben gedenkt. — Nach fast vierteljähriger Pause ist jetzt die Elbe soweit gestiegen, daß der Pegel 188 om unter Null anzeigt. Damit ist ein Wasterstand erreicht, der es möglich macht, mit weniger tiefgehenden Kähnen und Zillen die Elbe zu befahren. Man wird daher besonders in Böhmen die Gelegenheit nicht verpassen, Frachten zu befördern. An Ladungen dürfte es nicht fehlen, vor allem warten riesige Mengen von Braunkohlen, die unseren Winter- beda-f decken sollen, immer noch auf die wohl- feile Beförderung zu Master, desgleichen stehen größere Obsttransporte von Böhmen aus, denen sich weiter in den Herbst hinein die Zuckertransporte anschließen. Das Bild der Augustusbrücke hat sich infolge des Wasser wuchses auch insofern veränder, als die beiden letzten Pfeil-r in der Altstadt wieder vom Master gespült werden. Auch die große Sand bank ist ziemlich verschwunden. Vollständig trocken steht zur Zeit nur noch der letzte Strompfeiler auf Neustädter Seite. Drei Kettendampfer sind denn auch schon wieder eingestellt, von denen einer die Augustusbrücke passiert hat. — Die vom Kynologischen Verein zu Dresden (v. 6.) auf dem von Sr. Majestät dem König allergnädigst zur Verfügung ge stellten Revier Reichenbach bei Moritzburg veranstaltete Prüfung von Vorstehhunden nahm am Montag Vormittag ihren Anfang. Die Preisrichter, die Besitzer und Führer der ge meldeten Hunde, sowie zahlreiche Vereins mitglieder und Gäste versammelten sich um 9 Uhr auf der Station Dippelsdorf, worauf der Aufbruch erfolgte. Das aufgetretende Hunde material war sehr wertvoll- Nachmittags von 5 Uhr wurde die Suche abgebrochen, um am nächsten Morgen fortgesetzt zu werden. Abends fand im. Bahnhofshotel zu Moritzburg ein gemeinsames Mittagsmahl statt, bei welchem Se. Exzellenz Herr General der Kavallerie von Kirchbach ein begeistert anfgenommenes Horrido auf Se. Maj. den König Georg ausbrachte und dabei den Wunsch auf stetes Wohlergehen des Monarchen aussprach. Ein weiterer Trinkspruch galt Se. Exzellenz Herrn General der Kavallerie v. Kirchbach als stellvertretenden Vorsitzender des Kynologischen Vereins und Herrn Kammerherrn Major z. D. Freiherrn von Spörcksn auf Berbisdorf als den uner müdlichen tatkräftigen Förderer der Suchen des Dresdner (Kynologischen Vereins. Die ganze Veranstaltung war vom herrlichsten Herbstwetter begünstigt und gewann einen besonderen Reiz durch die Schönheit und den Wildreichtum des Reviers, auf dem sie stattfand. Wahnsdorf. Ein recht bedauerlicher Un glücksfall hat sich am Sonntag Nachmittag hier zugetraten. Die beiden verheirateten Arbeiter Große und Bruchhald waren ge meinschaftlich auf eine Leiter gestiegen, um Nüsse zu schlagen, als auf einmal diese zu sammenbrach, wobei Große so unglücklich auf Bruchhold und von diesem auf einen Stein fiel daß er einen Schenkelbruch erlitt und eine gebrochene Sprosse ihm in den hals drang. Die Verletzungen waren so schwer, daß der Verunglückte nach Anordnung des Sanitätsrats Dr. Lenz-Moritzburg mittels Transportwagens vom „Rothen Kreuz"-Radebeul in das Dresdner Krankenhaus überführt werden mußte. Bruchhold ist mit geringen Verletzungen davongekommen. Radeburg. Das Bürgermeisteramt hiesiger Stadt ist zur Neubesetzung ausgeschrieben worden. Das Jahresgehalt beträgt 3500 Mk. Die Anstellung erfolgt zunächst auf sechs Jahre. Meißen. Am Sonnabeud abend in der achten Stunde ist in dem Hause Kühnestraße Nr- 1 der Wohnungsinhaber eine Lampe in der Hand haltend, von der Wohnstube nach der Schlafstube gegangen. In dem Augen blicke, als er durch die Kammertür getreten, ist die Lampe explodiert, weshalb er diese hat fallen lasten müssen. Er hat nur Zeit finden können, sein Kind aus dem Bette zu nehmen und in Sicherheit zu bringen. Bei seiner Rückkehr hat die Wohnung in Flammen ge standen. Durch Eingreifen von Feuerwehr leuten und hilfsbereiten Nachbarn wurde weiteres Unglück verhütet. Der Schaden ist trotzdem nicht unbedeutend. — Hier wurde auf der Neuegasse vor dem Fischerschen Hause das sechsjährige Töchterchen einer an der Görnischen Gaste wohnenden Familie von einem Einspänner überfahren. Das Kind kam mit einem Papierdrachen aus einer Hausflur gelaufen und hatte in seinem Spieleifer das Herannahen des Wagens nicht bemerkt. Es fiel hin und gerade vor das Vorderrad das ihm über den Leib fuhr. Der Kutscher, welcher vorschriftsmäßig rechts und durchaus nicht zu schnell fuhr, konnte sein Geschirr sofort halten. Er sprang herab und zog das Kind, das aus dem Munde blutete, unter dem Wagen hervor. Die Verletzungen sind glücklicherweise nicht tödlicher Natur. Großröhrsdorf. Am Sonnabend wurde im hiesigen Schäfergut ein Stallschweizer beim Anbinden der Kühe von einem Ochsen ange griffen und mit den Hörnern so zugerichtet, daß innere Teile bloßgelegt wurden. Der Schwerverletzte liegt hoffnungslos darnieder. Königstein. Die Kunde von der Wieder eröffnung der Schiffahrt rief in den beteiligten Kreisen die lebhafteste Freude hervor. Schiffs eigner wie Schiffer rüsten sich, ihre so lange entbehrte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Chemnitz. Die größte Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche herrscht in den Jndustrie- dörfern der Amtshauptmannschaft Chemnitz. Sie ist am schlimmsten da, wo die Haus industrie herrscht, wo in dumpfer Stube im niedrigen Hause die ganze Familie mit arbeitet um des Lebens Unterhalt zu verdienen. Hier soll der Familienzuwachs oft nicht die Pflege erhalten, die zur Erhaltung des jungen Erdenbürgers nötig ist. Die geringste Sterblichkeit der Kinder unter einem Jahre ist in der Gemeinde Reichenbrand mit 14"/g vor handen, sie erreicht in der Gemeinde Nieder zwönitz die beträchtliche Höhe von 52°/»! Um dieser Säuglingssterblichkeit in etwas zu be gegnen, werden jetzt im ganzen amtshauptmann schaftlichen Bezirk durch die Standesämter und Hebammen Ratschläge für Mütter über Säuglingspflege ausgehändigt, die vom Be zirksarzt ausgearbeitet worden sind. Chemnitz. In verschiedenen Branchen der Eisen- und Maschinenindustrie macht sich in letzter Zeit ein flauer Geschäftsgang bemerkbar. Schon seit längerer Zeil wird über Mangel an Lokomotivenbau geklagt. Zur Zeit ist er voll ständig von Neubestellungen entblößt, sodaß not gedrungen in diesen Betrieben, wenn nicht baldigst eine Wendung zum besseren eintritt, größere Arbeitseinschränkungen stattfinden dürften. In Kraftmaschinen und elektrotechnischen Maschinen liegt das Geschäft nicht günstig. Infolge des japanisch-russischen Krieges ist der Absatz namentlich in ersteren, von denen Rußland ein Hauptabsatzgebiet war, wesentlich zurückgegangen. Leipzig. Ein hier zugereister Italiener fiel einem noblen Landsmann in die Hände, welcher ihm durchaus eine 500- Mark-Note schenken wollte; er knüpfte daran nur den Wunsch, diese 500 Mark selbst in die Brief tasche entlegen zu dürfen. Als der Beschenkte sich später an dem Anblicke des Kastenscheins weiden wollte, mußte er die Entdeckung machen daß der „Schenkgeber" das Hineinlegen ver gessen, ihm außerdem aber in der Brieftasche enthalten gewesene 200 Mark gestohlen hatte — Ein 18jähnger Photographen-Lehrling aus Konstantinopel versuchte sich mit Cyankali zu vergiften. Da er seinen Zweck hiermit nicht erreichte, griff der Jüngling mit Erfolg zum Revolver. — Der Rennfahrer Robl behauptete sich am Sonntag auf dem hiesigen Sportplätze als Meisterfahrer von Europa. Mit wenig über 400 Meter Abstand folgte ihm der Engländer Tommy Hall, welcher sicher gesiegt hätte, wenn die Zeit nicht abgelaufen gewesen wäre; denn er erschien noch ganz frisch, während Robl „ausgepumpt" war. — Der 24 Jahre alte Kellner Curt Möckel stürzte sich im Treppenhause des Amtsgerichts in den Lichtschacht, blieb aber an einem Gasarm hängen und fiel seitwärts auf den Podest. Möckel, welcher eben dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden sollte, kam schwerverletzt nach dem Krankenhause. Er ist ein mehrmals be strafter Verbrecher, der sich bereits in Zwickau auf gleiche Weise zu töten versucht hat. Falkenstein. In der Nacht zum Montag sank das Thermometer bis weit unter Nullpunkt. Am Montag früh waren die Fluren stark mit Reif bedeckt. In den Gärten sind die Blumen vernichtet. Das Kartoffelkraut ist erfroren. Pölbitz. Im Zwickauer Stadtteile spielten zwei 16 Jahre alte Fabrikarbeiter mit ge ladenen Pistolen, wobei das eine infolge un vorsichtiger Handhabung losging. Dem einen der Burschen drang hierbei eine Kugel in die rechte Brustseite. Auf Anordnung des sofort hinzugezogenen Arztes, der Verletzung des rechten Lungenflügels feststellte, ward der Ge nannte in das königliche Krankenstift über geführt. Klingenthal. Hier stieß der Bergmann M. Barthel aus Eibenberg bei der Arbeit auf ein Stück Dynamit das explodierte und den sofortigen Tod des Mannes h-rbeiführte. Adorf. Lebensgefährlich verletzt wurde ein hiesiger Einwohner auf dem Wege von Hundsgrün hierher durch Messerstiche in den Rücken. Von den Täter fehlt jede Spur. Aus dem Vogtlands. Die Kartoffelernte wird in diesem Jahre im Vogtlande sehr unter schiedlich. Die stark der Sonne ausgesetzten Felder zeigen kleine, dürftige Kartoffeln in geringer Anzahl, an manchen Stauden solcher Felder ist so gut wie nichts. Felder dagegen, die feuchten Untergrund hatten und an Wäldern gelegen find, bringen Zahlreiche, große und gesunde Früchte.