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Ottendorfer Zeitung : 17.08.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190408173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040817
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040817
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-08
- Tag 1904-08-17
-
Monat
1904-08
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.08.1904
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Llbgelehnte Ehrung. Der Gemeinderat in Ilmenau i. Th.'hatte seinerzeit mit Stimmen gleichheit abgelehnt, iür die Schmückung der Straßen beim Einzua des großherzoglichen Paares von Sachsen-Weimar die erforderlichen Mittel zu bewilligen. Nunmehr hat der Groß- Herzog Wilhelm Ernst über die Gründe dieses ablehnenden Verhaltens einen ausführlichen Bericht enüwdern lassen. Lynchjustiz der Schwäne. Auf dem Ga- tower See bei Schildhorn hat sich folgendes seltsame Vorkommnis zngetragen: Es sammelte sich eine Anzahl Schwäne an', die um einen jungen Schwan diesjähriger Brut einen Kreis bildeten. Die am wer stehenden Augenzeugen des Vorganges hatten den Eindruck, als wenn d>e Schwäne in ernster Weise Rat hielten. Plötzlich lösten sich wie auf Befehl aus dem Kreise drei Schwäne los und gingen dem Jungen zu Leibe. Das Tier wurde mit Schnäbeln und Flkaeln unbarmherzig geschlagen, bis es, nach häufigem, gewaltsamen Untertauchen, leblos an der Oberfläche lag. Nach vollbrachter Exekution, der die andern Schwäne zuschauten, schwammen sie sämtlich nach verschiedenen Richtungen davon. Auf Bilses Pfaden. Wie den .Braunschw. N. N/ aus Meiningen gemeldet wird, ist gegen den Leutnant Hemmann vom 32. Infanterie regiment in Meinigen die kriegsgerichtliche Untersuchung wegen Beleidigung Vorgesetzter durch Verbreitung von Schriften eingeleitet worden. Lewnant Hemmann hat nach dem Muster von Bilse einen Roman unter dem Titel „Erfahrungen einer Amerikanerin in einer kleinen preußischen Garnison", der bei Sattler erschienen ist, geschrieben, in dem eine Reihe erster Familien ziemlich stark kompromittiert erscheint. Der Verfasser des Buches, in dessen Wohnung eine Haussuchung belastendes Material ergeben hat, ist geständig. Hemmann war eine Zeitlang zur deutschen Botschaft in Rom kommandiert. Eine Kugel kam geflogen. Von einem Gendarmen erschossen wurde während der Nacht zeit auf offener Straße in Rheine der Arbeiter Ungru, ein Veteran der Kriege von 1864, 66 und 70/71. Gelegentlich der dort stattfindenden Kirmes, mit der eine Nachfeier zum Kriegerfest verbunden wurde, kam es zu einem Straßen tumult, den der Gendarm Schone schlichten wollte; der Beamte würde jedoch mit Steinen beworfen, worauf er von seinem Karabiner Ge brauch machte und in die Volksmenge feuerte. Hierbei fand der obengenannte Veteran seinen Tod. Ob und inwieweit der Erschossene bei dem Tumulte beteiligt war, konnte noch nicht festgestellt werden. Durch ausströmende Gase getötet wurden in der Mittwoch-Nacht an dem Hoch ofen der Mathildcnhütte bei Bad Harzburg zwei Mann. Bei den Rettungsversuchen kamen weitere zwei Personen ums Leben; eine größere Anzahl Personen wurde betäubt, aber wieder belebt. Die Wette l Vor einigen Tagen trank ein in Buschhausen bei Hamborn beschäftigter Maurer infolge einer Wette zwei Liter Schnaps. Er ist nunmehr an Alkoholvergiftung gestorben. Auster Verfolgung gesetzt wurde der Geistliche Dr. Rieger aus Pforzheim, der seiner zeit das Attentat auf den Erzbischof von Frei burg beging. Wie die ,Freiburger Ztg.' hört, stützt sich dieser Beschluß auf ein Gutachten des Direktors der Psychiatrischen Klinik, Professor Hoche, der feststellte, daß die Tat in einem Zustande krankhafter Störung der Geistes- tätigkeit ausgeführl wurde. Dr. Rieger wurde in einer Irrenanstalt untergebracht. In den Alpen ermordet. Professor Straubinger aus Wien, der vor einiger Zeit eine Tour aus. den Untersberg unternahm, und seitdem verschollen war, ist auf österreichischer Seite ermordet und beraubt aufgesunden wor den. Die Leiche zeigt zwei Stichwunden in der Brust. Tropfsteinhöhle. In der Gemeinde Hens dorf bei Olmütz wurde eine Tropfsteinhöhle von ungeheurer Ausdehnung entdeckt. Über das tragische Ende eines Braut paares wird aus Budapest berichtet: Der Geschäfts ¬ leiter der hiesigen Dammkonfektionsfirma Girardi, der 26 jährige Joseph Eay, war bis vor kurzem mit einem hübschen Mädchen, der Tochter des Brückenmaut einnehmers Paul Boros, verlobt. Die Hochzeit war auch schon für den 10. d. festgesetzt. Vor einer Woche starb der Vater des Mädchens an einer Lungen entzündung. Die Tochter wachte die Nacht bei dem Toten und überhäufte den Leichnam mit zärtlichen Küssen. Am nächsten Tage erkrankte das Mädchen plötzlich unter Symptomen einer Blutvergiftung und verschied nach wenigen Tagen. Die Arzte konstatierten, daß das unglückliche Mädchen durch Leichengift an den Lippen vergiftet worden sei. Der über den Tod seiner Braut ganz verzweifelte junge Mann ließ sich durch eine LeichenbcstattungSgesell» schäft eine zwischen den Gräbern seiner verstorbenen Braut und ihres Vaters gelegene Grabstelle kaufen. Tags darauf begab er sich in die Wohnung der Mutter des Mädchens und machte dort durch einen Revolverschuß seinem Leben ein Ende. Der Dauerschwimmer Weidmann durch schwamm vor kurzem die Strecke Dover-Rams gate in sechs Stunden und schlug damit den bisherigen Rekord des bekannten Kapitäns Webb, dessen Schüler er ist. Nunmehr ist er durch eine neue hervorragende Schwimmleistung an die Öffentlichkeit getreten. Er legte am Mitt- Dauerschwimmer Weidmann. woch die etwa 23 engliche Meilen betragende Strecke von der Mitte des Ärmelkanals bis zur Küste in der schnellsten bisher erreichten Zeit zurück, trotzdem er mit der Ebbe und Flut zu kämpfen hatte. Weidmann schwamm durch- ' schniltlich zwei Seemeilen in der Stunde, ohne irgend eine Erfrischung zu sich zu nehmen. In englischen Sportkreisen nimmt man an, daß der selten starke und schnelle Schwimmer mit dem bekannten Dauerschwimmer Holbein durch den Kanal um die Wette schwimmen wird, und man glaubt auch allgemein, daß er große Aussichten hat zu gewinnen. Eigentümliche Leidenschaften muß ein Millionär haben, den man in Nizza verhaftet hat. An der Riviera kamen fortwährend Ein bruchsdiebstähle vor und die Geschicklichkeit, mit der sie ausgeführt wurden, zeigte, daß alle die Verbrechen von ein und derselben Hand bewerk stelligt wurden. In der Villa eines sehr reichen Parisers fand man nun allerhand Diebeswerk zeuge der raffiniertesten Art, elektrische Apparate, Diebesschlüssel usw. Der Mann gab ohne weiteres zu, alle die Einbrüche behangen zu haben. Man hat keine Ahnung, aus welchen Gründen der reiche Mann diese Taten be gangen hat und man dürfte es wohl mit einem Geisteskranken zu tun haben. Neue Smaragdlager im Ural. Tele gramme aus Jckaterinenbura berichten, daß 60 Werst von dort im Flußgebiete des Ural Smaragdlager von großer Reichhaltigkeit ent deckt würden. Die gefundenen Smaragde sollen an Größe und Farbenpracht die berühmten Smaragde aus Kolumbia noch weit über treffen. Vergangener Glanz. Wie aus Belgrad gemeldet wird, findet am 17. d. die Ver steigerung der Jacht der Königin Draga, die im Save-Winterhafen vor Anker liegt, durch die serbische Dampffchissahrts-Gesellschaft statt. Der Ausrufsprsis beträgt 40 000 Frank in Gold. Hund- Vegräbniste in New Per?. Hundc- und Tierasyle überhaupt sind ja schon lange keine Neuheit mehr. Der französischen Hauptstadt war Lie Strolche ließen mit sich reden. Nach langem Feilschen entschloß fich endlich der Trommler, die Kauisumme üm ein paar Sous zu erhöhen. Dann würde ihm das Opfer aus- gehändigt. Endlich! endlich! hatte Meister Schielauge die Quelle seines Erwerbes wieder in seinem Besitze. Er packte Jehann fest am Kragen und zog ihn dicht zu sich, als müsse er sich unwider leglich überzeugen, daß er den so schmerzlich vermißten Flüchtling auch wirklich wieder- gefaugen Habe. „Du' mußt den Knaben sehr gern Haben," sagte Bec de Lievre grinsend. „So gern," erwiderte der Trommler, „daß ich, sobald ich nach Hause komme, . . . o nein, rch werde seine schönen Kleider schonen, — auch sein Gesicht — und auch seine kleinen braunen Hände — denn das alles braucht er auf dem Seile, um die Augen der feinen Jungfern auf sich zu lenken. Habt keine Sorge! Doch ich werde. . . jawohl, ich werde ein Eisen im Feuer heiß machen . . . und dann wird der vornehme Herr Jehann die Güte haben, seine Kleidung abzulegen, denn die Brand flecken würoen fich schlecht auf dem Samt ausnehmen, und dann . . . dann werde ich ihm mit dem Eisen ein paar neue, von mir selbst erfundene Kunststücke lehren, wie man sie nicht alle Tage zu sehen bekommt!" „Du bist mir ein sonderbarer Kauz," meinte Hasenscharte. „Du siehst gerade so aus, wie ein Mann, der eine reichliche Mahlzeit vor fich hat und sich zu Tische setzt." „Der Vergleich behagl mir. Ich habe so manchen Tag ohne Mahlzeit verbringen müssen, weil mein kleiner undakbarer Freund hier vor zog, mich, seinen guten Meister, im Stiche zu lassen. Ich habe dieser Laune wegen viel Geld verloren, denn ich war gerade daran, mein Glück zu machen. Aber nun wird alles anders. Von jetzt ab werde ich wieder voll auf zu essen haben und zwar soll er mir selbst die Nahrung liefern mit seinen flinken Händen und schnellen Beinen und blauen Augen!" „Guten Appetit!" spottete Hasenscharte. Meinetwegen kannst du ihn dir braten nnd mit Haut und Haaren verzehren! Verschlucke dich nur nicht! Vielleicht hat er Gräten !" „Guten Appetit!" riefen die beiden andern Gesellen, die endlich eine Gelegenheit sahen, ein Wort einzuwerfen. „Den habe ich auch ohne euer Zutun!" antwortete der Trommler, indem er Jehann am Kragen faßte und mit einem plötzlichen Rucke beinahe zu Fall brachte. Er zog und stieß den Kleinen über den offenen Teil des Marktes und verschwand mit ihm in einer der vielen dunklen Gassen, die zu dieser Zeit im Osten des Marktes ausmündeten. Sein Weg führte ihn durch einen wahren Maulwurfsbau von Gängen und Querstraßen, in denen Elend und Verbrechen ihr Heim auf geschlagen hatten. Der Trommler wußte wohl, daß sich dem Knaben eine prächtige Gelegenheit bot, seine Freiheit wieder zu erlangen, wenn es ihm erst einmal gelingen würde, in diesem Chaos von Schlupfwinkeln unterzutaucheu. Er krallte deshalb seine Finger in den Nacken des Knaben wie ein Raubvogel und erwartete eS Vorbehalten, Hundefriedhöfe in? Leben zu rufen. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten jedoch schoß, wie auf allen Gebieten, so auch hier den Vogel ab, indem es Hunde-Begräbnisse einsührte mit all dem Prunk und Gepränge, wie sie bisher nur bei Beerdigungen von bedeuten den und berühmten Menschen üblich waren. In New Dork hat ein findiger Danker ein Beerdi gungsinstitut sür Hunde eröffnet, und daß der gute Mann keine schlechten Geschäfte macht, ersieht man am besten aus einer Rechnung über ein solches Hundebegräbnis, die er einer zartbesaiteten Miß präsentierte. Diese ließ ihren Teckel, der ihr 15 Jahre lang treu gedient hatte, in großer Zeremonie dieser Tage zu Grabe tragen. Die Einbalsamierung des Hundes kostete 220 Mk., der Sarg, reich verziert mit silbernen Ornamenten, 480 Mk., das Leinenzeug 280 Mk, Stellen deS Trauergefolxes, der Träger und des Leichenwagens 630 Mk, die Blumen 230 Mark, die Wagen für die Trauergemeinde 355 Mk., das macht zusammen die statiliche Summe von 2195 Mk. sür die „würdige" Beerdigung eines Teckels. Eine unglaubliche Szene hat fich vor dem Tribunal in Plainsteld (New Jersey) abge spielt. Ein Advokat, der in seinem Plaidoyer einige Ausdrücke gebrauchte, die dem Richter nicht gefielen, wurde von diesem aufgefordert, sein Plaidoyer zu unterbrechen und sofort den Sitzungssaal zu verlassen. Als der Advokat aber dieser Aufforderung keine Folge leistete, sprang der jähzornige Vertreter der Gerechtig keit von seinem Sitze auf und traktierte den Advokaten mit Faustschlägen und Fußtritten. Nur mit Mühe gelang es dem im Gerichtssale anwesenden Publikum, den Advokaten blut überströmt und mit zerrissener Kleidung aus den Händen seines Vergewaltigers zu befreien. Begreiflicherweise hat der übelzugerichtete Rechtsanwalt gegen den Richter sofort eine Klage eingereicht nnd dessen Amtsentsetzung be antragt. Gericktskalle. Danzig. Die hiesige Strafkammer verurteilte den Rechtsanwalt v. Palsdzki in Danzig und den Redakteur WentowSki von dem polnischen Blatte .Gazeta Gdansks wegen Beleidigung des Ober försters und Amtsvorstehers Neuser durch die Presse zu je einem Monat Gefängnis. Zwickau. Wegen einer in Peking verübten Unterschlagung wurde der Reservist Dietz vom Kriegs gericht zu zwei Wochen Mittelarrest verurteilt. Der Angeklagte hatte im Jahre 1900 bei den Auf räumungsarbeiten im Pekinger Arsenal zwei chine sische Geschosse sich widerrechtlich angeeignet. Nach dem er den Fund in der Heimat verschenkt hatte, kam seine Verfehlung an den Tag; er wurde vor das Kriegsgericht gestellt, das gegen ihn auf obige Strafe erkannte. wie ein Zarewitsch erwartet wird. d. Einige Einzelheiten über die Vorberei tungen, mit denen man den künftigen Erben Rußlands erwartet, teilt der Petersburger Korrespondent eines Londoner Blattes mit, der seine Informationen von Peterhof erhalten haben will. Der junge Romanow wird in jeder Beziehung modern erzogen werden und sogleich auch in ein modernes englisches Bett gelegt werden. Der Zar hat das selbst angeordnet. Die jungen Prinzessinnen hatten noch die alt modischen aufgepolsterten hohen Betten, jene prächtigen nnd riesigen Ungetüme, die man das „blaue Samtbett der Kaiserin Elisabeth" be nannte. Das Gemach der Kaiserin liegt der Kühle wegen nach Norden, es hat drei hohe Fenster, die über das blaue Wasser des Finnischen Golfes nach dem unüberwindlichen Kronstadt bin gelegen find. Das Gemach hat einen Parkettboden, auf dem einige prächtige persische Teppiche liegen, und hat keine Fenstervorhänge, die nur dunkel machen. In dem unvermeid lichen Gebetswinkel, in dem in Rußland stets ein Heiligenbild hängt, findet sich eine silberne reich vergoldete Statue von Nikolaus dem Wundertäter, auf dessen Gesicht eine grüne Lampe flackernde Lichter wirft. Zwischen zweien der Fenster steht ein drehbarer Bücherschrank, in dem englische und deutsche Dichter ausgestellt sind, unter denen Heine und Shelley der Zarin Liebling? sind. An der Wand über dem Ofen hängt ein schöner Stich nach Gays Kreuzigung, und Gemälde halbreligiöser Art schmücken die jeden Augenblick, daß Jehann plötzlich be ginnen werde, verzweifelten Widerstand zu leisten. Aber das willenlose Opfer in seinen Händen war nicht der Jehann von früher, der auf dem höchsten Seile fich darin gefallen hatte, die kühnsten Sprünge zu wagen und der auch im Schmerze der grausamsten Miß handlungen niemals vergessen hatte, daß er scharfe Zähne besaß, zu beißen, und Nägel, zu kratzen. Seine Seele schien betäubt. Während der letzten vierunzwanzig Stunden hatte er keine Nahrung zu sich genommen; die Nacht hatte er auf dem harten Kehrichthaufen ver bracht, umweht von dem eisigen Winde; die furchtbaren Gemütserschütterungen hatten ihn in schneller Reihenfolge ergriffen: Hoffnung, Triumpf, Grausen und Verzweiflung. Und so stolperte er vorwärts, sich gleich einem Automaten bewegend, den Schrei der schönen Frau in seinen Ohren. Hungernd, frierend, todesmüde begegnete er den Drohungen des Trommlers mit Gleichgültigkeit. Der Wahnsinn streckte seine Hand nach ihm aus, bereit, im nächsten Augenblick zuzupacken — noch fester als der Trommler. Der fahrende Geselle schenkte dem seltsamen Verhalten des Knaben zuerst keine Beachtung. Seine Phantasie war zu sehr mit der Strafe beschäftigt, die er an dem Knaben zn voll strecken gedachte, sobald er in seinem Quartiere angelangt war. Er brütete mit Genugtuung über das Problem, Qualen für sein Opfer zu erfinden, ohne die Erwerbsfähigkeit desselben zu beeinflussen. Wenn er ihn nur erst ge bunden Hatte — die Türen verriegelt und das andern Wände. Die kleinen Schwestern des erwarteten Zarewitsch find in zahllosen Photo graphien dargestellt und ein Schrank mit schöner ausgelegter japanischer Arbeit enthält vier „Kindertagebücher", in die alle bedeutenden Vorkommnisse im Leben der kleinen Prin zessinnen eingeschrieben werden. An das Schlaf gemach schließen sich die Ankleide- und Bade zimmer. In dem ersteren Gemach sind in zwei großen Schränken die niedlichen Kleidungs stücke aukgeschichtet, mit denen man den künftigen Thronfolger — nur von einem solchen ist immer die Rede — schmücken will, sie sind alle mit cremefarbenen Schleifen sorgfältig zu sammengebunden, — denn Creme ist der Zarin Lieblingsfarbe, — und könnten wohl auch für zehn kleine Kinder ausreichen. Alexandra Feodorowna fühlt fich sehr wohl und unternimmt jeden Tag kleine Ausfahrten in einer Pony- Equipage. Sie hat eine Vorliebe sür astatische Dienerschaft und hat fich mit einem gewaltig großen Mann aus Buchara, einem Indier aus Pondicherry und mehreren Kaukasiern aus dem Gebirge umgeben. Die dummen Bauern um Peterhof halten diese dunkelfarbigen Riesen für Teufel und sie lauerten eines Nachts dem Manne aus Buchara auf und prügelten ihn tüchtig. Der, Asiate bat nun die Kaiserin um die Erlaubnis, mit einem Messer an seinen Feinden Rache nehmen zu dürfen, und konnte nur schwer davon überzeugt werden, daß die Sitten seines Landes in Rußland nicht beobachtet werden dürfen. Gemeinnütziges. Essig als Heilmittel. Der Essig hat in der Heilmethode die Bedeutung eines gewich tigen Heilmittels erlangt. Besonders dienen Buchungen des Rückgrates dazu, verschiedene Schwächezustände des Körpers zu beseitigen und auch wohltuend auf denselben einzuwirken. Ferner ist das Esstgwasser ein ausgezeichnetes Mittel, um alle faulenden Organismen aus dem Munde und aus der Rachephöhle zu entfernen, und spüle man zu diesem Zwecke die ge nannten Organe täglich mehrere Male mit Essig wasser aus. Ein Mittel gegen Bienenstich. Wenn man von einer Biene oder Wespe gestochen ist, soll man sofort den äußeren Rand eines Schlüssels herzhaft auf die gestochene Stelle drücken. Je k, ästiger der Druck ausgeführt wird, desto sicherer kommt der Stachel, den das Insekt in der Wunde zurückgelassen hat, zum Vor schein; man kann ihn dann ohne Mühe völlig herausziehen. Nach wenigen Minuten vergeht jeder Schmerz, ebenso ist eine Geschwulst gänz lich ausgeschlossen. buntes Allerlei. Schumann und Wagner. Eduard Hanslick, der kürzlich verstorbene Musikkritiker, ist im Laufe seines Lebens mit vielen hervor ragenden Zeitgenossen intim bekannt geworden und weiß aus deren Leben mancherlei Anek doten zu erzählen. So trat er als junger Student der Rechte bereits zu Richard Wagner und Robert Schumann in Dresden in Be ziehungen. Schumann sagte damals von Wagner: „Für mich ist Wagner unmöglich; er ist gewiß ein geistreicher Mensch, aber er red e t in einem fort. Man kann doch nicht immer reden!" Wagner äußerte fich dagegen über Schumann: „Wir stehen äußerlich gut mit einander; aber mit Schumann kann man nicht verkehren — er ist ein unmöglicher Mensch, er redet gar nichts." * * * Verhauen. Vater: „Meine Tochter, wenn du dir einen Gatten wählst, so sieh vor allen Dingen auf Geist und Unbescholtenheit. Deine Mutter, leider muß ich es sagen, sah mehr auf das Geld!" (Lust. Weist.) Nadler (mit einem jungen Fräulein per Tandem fahrend): „W>e wär' es denn, Fräu lein Paula, wenn wir uns beide heiradcln Eisen glühend! Ah! Welch einen Triumph würde er dann feiern! Der Schurke leckte gierig seine Lippen. Seine Augen brannten vor Lust uNd er be- schleunigte seine Schritte, den Knaben halb stoßend, halb tragend. Aber nach einiger Zeit begann er fich über Jehanns stumme Ergebung zu ärgern. Er stand stille, betrachtete Jehann < mit verwunderter Miene, schüttelte und schlug ' ihn dann, bis der Kleine wankte, unfähig, fich auf den Beinen zu halten. Dann schleppte er ihn weiter, schimpfend und scheltend. Niemand kam dem Knaben zu Hilfe. Die Bewohner dieser schmutzigen Gassen, in denen die Giebel der gegenüberstehenden Häuser fich so dicht gegeneinander neigten, daß ein Sonnen strahl nur mit Mühe zwischen ihnen hindurch dringen konnte, spielten bei der Mißhandlung von Kindern meistens eine zu aktive Rolle, um bei einem derartigen Anblick ein menschliches Rühren zu empfinden. Die Sache war nicht einmal des überlegens wert. Was kam es denn auf ein paar Schläge an? Ja, wenn man fich überhaupt Gedanken machen wollte, so war es doch gleichgültig, ob ein paar Kinder mehr oder weniger in Paris existierten. Die zerlumpten Gestalten, die fich fröstelnd in den Ecken umherdrückten, betrachteten die Szene vielmehr als eine Art amüsanten Schauspiels, das ihr einförmiges Leben angenehm unterbrach. Sie nickten zustimmend mit dem Kopse und fügten den Scheltworten des Trommlers ihre eigenen Verwünschungen hinzu. ZP " (Fortsetzung folgt.)
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