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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- rag und Sonnabend abends, Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag so Uhr. Inserate werden mtt so Pf. für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 98. Mittwoch, den 17. August 1904. 3. Jahrgang. Oerttichrs und Sächsisches. Vtlen-orf-VkOlla s6. August 1804. — Am Sonnabend nachmittag wurde durch einen hier durch fahrenden Motorradfahrer in Moritzdorf ein Mädchen des Glasmachers Hartmann umgerissen und nicht unerheblich verletzt. — Die ersten leisen Anzeichen des Herbstes beginnen sich bereits geltend zu machen. Die anhaltende Trockenheit während der beiden verflossenen Monate hat das Ihrige dazu bei getragen. Weht erst der Wind über die kahlen Stoppelfelder, dann ist es mit dem schönsten Teil der Sommerherrlichkeit ja sowieso vorüber; in diesem Jahre nehmen Baum und Strauck und Blume ein herbstliches Aussehen zu sonderlich früher Zeit an. Welke Blätter be ginnen zu fallen. Vertrocknete Blumen neigen ihr Haupt. Vorüber ist es mit den lieblichen Blüten, dem Veilchen und der Tulpe wird die Rose und Georgine folgen, in bunter Pracht grüßt uns der Aster reicher Flor. Boten des Herbstes! — Auf verschiedenen Seiten rechnet man schon mit der Möglichkeit, daß die in Aussicht genommenen Truppenübungen wegen des Mangels an Futter und Wasser ausfallen müßten. Daran ist, wie aus guter Quelle ver lautet, nicht zu denken. Vielmehr soll den tatsächlich bestehenden Schwierigkeiten dadurch vorgebeugt werden, daß das Futter aus den Magazinen geliefert, den Wassermangel aber dadurch abgeholfen wird, daß sogenannte abessinische Brunnen angebracht werden und den Truppen Wcherwagen ins Gelände folgen. — Unser wichtigster Nadelholzbaum, die Fichte erreicht im allgemeinen ihre wirischaftliche Hiebsreife, wenn sie in Brusthöhe einen Durchmesser von 40 om erreicht hat Dies tritt durchschnittlich bei achtzigjährigen Umtrieb ein. Die gleiche Stärke erreicht in diesem Alter die Weißtanne, während die Kiefer etwa 60, die Lärche nur 70 Jahre braucht um jene Stärke zu erreichen, geeigneten Stand ort vorausgesetzt. — Die VervollkomtnuNg der funken- telegraphischen Einrichtungen Hal die Ver wendung der Brieftauben in der Kriegsmarine etwas eingeschränkt, immerhin stehen noch 6500 Brieftauben zur Verfügung. Vollständig eingehen werden die Taubcnposten wohl niemals Die Funkentelegraphie ist Störungen unter worfen, außerdem arbeitet sie noch nicht mit Sicherheit auf Entfernungen von 300 bis 350 Kilometer welche von den Brieftauben in drei bis vier Stunden zurückgelegt werden. Jedenfalls ist es im Kriege notwendig, daß verschiedene Möglichkeiten zur Nachcichten- Uebermittelung vorhanden sind. — Der Landes-Odstbauoerein für das Königreich Sachsen wird am 2. Okwber ge legentlich der Jubiläums-Obstausstellung des Bezirksobstbauvereins „Oberes Elbthal" in Donaths Neuer Welt zu Tolkewitz eine allgemeine Versammlung seiner Mitglieder unter Vorsitz des Herrn Amtshauptmann Dr. Uhlemann-Großenhain abhalten. Für die Versammlung ist ein Vortrag des Herrn Rentiers Pckrun-Weißer Hirsch über „Die Vorteile der korrekten Formierung der Obst bäume" mit Demonstrationen und Vorführung von Lichtbildern in Aussicht genommen. Dresden In der vergangenem Nacht erstach der 20 jährige schlecht beleumundete Arbeiter Franz auf dem Königbrücker Platz Nach vorangegangcnem Streite den Johann Meyerstraße 10 wohnenden 24jährigen Arbeiter Eugen Beyer. Der Mörder, welcher Notwehr vorschützt, wurde bereits in das Gerichts- gesängnis eingeliefer'. Die Sektion des Er mordeten fand heute früh im hiesigen Land' gerichtsgebände statt. — Das Opler einer Messerstechers, des Handarbeiters Clemens Franz, der infolge Schnapsgenusscö jeder geregelten Tätigkeit abhold war, wm de am Sonnabend abend gegen 9 Uhr der 25 Jahre alte, bei seinen Eltern im Hause Johann-Meyer-Straße 10 wohnhafte Arbeiter Albert Eugen Beyer. Letzterer war ein guter Bekannter des Franz und wurde von seinen Genossen wegen seiner Teilnahme am Feldzuge in China als „China-Beyer" benannt. Der im Hause Alaunstraße 84 wohnhafte und am 15. März 1872 hier geborene Max Clemens Franz war an jenem Abend auf einer Promenadenbank des Königsbrücker Platzes in einen heftigen Streit geraten bei dem Beyer gegen Franz tätlich geworden sein soll. Franz geriet hierüber dermaßen in Zorn daß er nach seinem Taschenmesser griff und es seinem Gegner unter dem Herzen in den Leib stieß. Der schwer Verletzte wankte und brach tot zusammen. Franz versuchte zu fliehen und warf das Mordinstrumcnt in die Anlagen. Der Gendarm des 13. Bezirks, Herr Steinbach kam jedoch noch rechtzeitig auf den Schauplatz des Verbrechens und holte Franz ein. Nach dem Bezirk gebracht gab er an, in Notwehr gehandelt zu haben. Der erstochene Beyer wurde an der Mordstelle bald nach der Tat von Herrn Dr. med. Schramm untersucht und als tot erklärt. Der Leichnam wurde nach dem Bezirk und später, als ihn auch der Gerichtsarzt Herr Obermedizinalrat Dr. Donau besichtigt hatte, nach dem Landgerichtsgebäude gebracht. Das Messer wurde am anderen Morgen von Gendarmen gefunden. Der Stich ist zwischen der 6. und 7. Rippe tief in die linke Seite gedrungen hat den Tod Beyers unmittelbar verursacht. Der Messerstecher wird sich wegen Totschlags vor dem nächsten Schwurgericht zu verantworten haben. — Als auf der Windmühlenstraße eine Gärtnersehefrau den zum Milchwärmen be nutzten Spirituskocher zu verlöschen im Begriffe war schlug aus demselben infolge eines Luft zugs plötzlich eine Flamme heraus und setzte die Kleider der Frau in Brand. Sie lief, laut schreiend, nach dem Treppenflur, wo ihr von Hausbewohnern die brennenden Kleider vom Leibe gerissen wurden. Man brachte die am Oberkörper mit schweren Brandwunden bedeckte Frau mittels Unfallwagens in das Friedrichstädter Krankenhaus. — Am Neubau der Königlich Technischen Hochschule brach gestern vormittag ein Gerüst zusammen. Zwei Arbeiter wurden schwer verletzt dem Friedrichstädter Krankenhaus über führt. Ein dritter Arbeiter kam mit einigen unbedeutenden Wunden, die ihm auf der Unfallstation verbunden wurden, davon. Bühlau. Am Sonnabend abend in der 10. Stunde brach im Oberdorfe im Hause des Fleychbeschauers Beger auf bis jetzt unermittelte Weise Feuer aus. Trotz der schnellen Hilfe vieler herbeigeeilter Feuerwehren konnte zumal auch hier Wassermangel ist, der Brand nur kolalisiert werden. Das ganze Haus brannte nieder. Priestewitz. Ein Passagier des gegen r/, 11 Uhr abends hier durchfahrenden, be schleunigten Personcnzugs Leipzig-Dresden hatte die Unverfrorenheit, an der Kreuzung der Eisenbahn und der Striepener Straße die Notbremse zu ziehen, um, nachdem der Zug prompt gehalten, abzuspringen und unerkannt im Dunkel der Nackt das Weite zu suchen. Nachforschungen nach dem Entwichenen, der sich unbefugtermaßen, um schneller heimzu kommen, seine persönliche Station gemacht, sind im Gange. Döbeln. Ein Schadenfeuer zerstörte Sonn abend abend das Dach des Gnßereigebäudes der Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen von Franz Richter. Der Betrieb wird nicht dadurch gestört. Oschatz. Ein Grvßfeuer wütete gestern Abend von 9 Uhr an in dem zum hiesigen amtshauptmannschaftlichen Bezirke gehörigen Dorfe Zävertitz bei Mügeln. Die beiden Bauerngüter Nr.. 4 und 5, Richard Kießig und Clemens Werner gehörig, brannten mit allen Erntevorräten und den Wirtschafts gebäuden vollständig nieder. Auch 5 Pferde, 3 Kühe und 26 Schweine sind in den Flammen umgekommen. Die am Brandplatze erschienenen Spritzen hatten Mühe, die schwer gefährdeten Nachbargüter zu retten. Die Entstehung des verheerenden Brandes ist noch unbekannt. Plaue b- Flöha. Kürzlich wurden im hiesigen Forstrevier zwei ausgewachsene, besonders große Exemplare (weibliche) Kreuz ottern gefangen. Jedes dieser beiden Reptile führte elf junge mit sich, so daß zusammen 24 Stück solcher giftigen Tiere auf einmal an an Amtsstelle abgegeben wurden. Heidelberg. Ein Schadenfeuer, bei dem leider auch ein Menschenleben vernichtet wurde, brach am Freitag im hiesigen Armen hause aus und äscherte dieses vollständig ein. Das Feuer verbreitete sich so schnell, daß die ganzen Baulichkeiten in kurzer Zeit in Flammen standen. Durch Flugfeuer wurde auch das Braunsche Gutsanwesen in Brand gesetzt. Ein alter, kranker Armenhausbewohner, der sich bei Ausbruch des Brandes in einer Bodenkammer befand, kam in den Ftammen um. Ein anderer Armenhausbewohner erlitt schwere Brand wunden. Olberuhau- Durch ein Schadenfeuer wurde das Pfarrhaus im nahen Pfaffroda teilweise eingeäschert. Eine wertvolle Altar bekleidung ist mit verbrannt, während die Akten, Schriftstücke und Urkunden gerettet werden konnten. Das Feuer, dessen Entstehung ursache nicht erklärt werden kann, kam im Dachstuhle zum Ausbruch und äscherte diesen vollständig ein. Adorf. Der Wassermangel macht sich hier immer fühlbarer. Jetzt wird die städtische Wasserleitung von abends 8 Uhr bis früh 5 Uhr gesperrt. Zum Brauen kann vorläufig Wasser überhaupt nicht mehr abgegeben werden. Klingenthal. Ein heißer Kampf um die Reichspost ist seit mehreren Wochen hier im Gange. Die Gemeindeverwaltung hat sich dahin entschieden, den Postneubau auf einem am Markte gelegenen Platze zu errichten, was aber der Mehrzahl der Bewohner, und ins besondere den Jnstrummtenfabrikanten, die in der Nähe der alten Post und des Bahnhofes wohnen, nicht recht ist. Es wurden sowohl an die Königliche Aufsichtsbehörde, als auch an die Reichspostverwaltung Beschwerdeschriften abgesandt, und in den letzten Tagen wurde ein den Postbau am Marktplatze betreffender Fragebogen in Umlauf gesetzt. Für den Post bau erklärten sich nur 3, gegen denselben aber 309 Bürger. Zur näheren Erläuterung muß noch erwähnt werden, daß der erst in neuerer Zeit angelegte Marktplatz sich nicht inmitten des Ortes befindet und daß gegenwärtig die Post in ermieteten Räumen im Bahnhofs gebäude untergebracht ist. Nus der Woche. Ein seltsames Jubiläum hätte die politische Welt am Freitag feiern können: den 100jährigen Bestand des Kaisertums Oesterreich, das aus dem deutschen HauSbesitz der Habsburg-Lothringer entstand, nachdem das heilge römische Reich deutscher Nation unter dem Drucke des Korsen in Trümmer gegangen war. Oesterreich, bis dahin ein Erzherzogtum, wurde unter Ueber- springen mehrerer Hoheitsgrade zum Kaisertum erhoben, wie wenige Jahre später neben Preußen in Deutschland noch vier weitere Königreiche entstanden, wie Herzogtümer zu Großherzogtümean, Fürstentürmer zu Herzog tümern wurden, fast alle auf Kosten der kirchlichen Grundherren und jener „Kleinen" die man seither die Mediatisierten nennt. Die österreichischen Länder sind in ihrer hauptsäch lichsten Gebieten, wie Böhmen und Ungarn, zusammengeheiratet worden in einer Zeit, in der man Staaten noch als Privateigentum der fürstlichen Häuser ansah; heutzutage könnte ein Staatengebilde wie Oesterreich aus hundert Flicken und Lappen zusammengesetzt, nicht mehr entstehen; kann es doch kaum bestehen. Sechsundfünfzig Jahre sitzt Kaiser Franz Joseph auf dem Thron, den sein Vater verschmäht hatte, nachdem sein Onkel 1848 der Krone entsagte. Die alten deutschen Kaiser nannten sich „immer siegreich und Mehrer des R-iches", eine Bezeichnung, die Kaiser Franz Joseph für sich anzuwenden keine historische Ursache hat; denn unter ihm hat Oesterreich seine Oberherrschaft in Deutschland und Italien gänzlich eingebüßt, hat auch nicht nur seine italienischen Besitzungen, die Lombardei und Venetien, an Italien abtreten müssen, sondern auch seine Sekundogeniluren, die Versorgungen seiner Seitenlinien in Modena, Toskana und Parma, verloren. Aber vielleicht dadurch allein, daß es sich auf seinen deutschen und ungarischen Besitz beschränken mußte, wurde die habsburgische Monarchie wieder kräftiger und steht heute als gefürchteter europäischer Schutzmann mit einem Fuße auf der Balkan halbinsel, um dort die ewigen kleinen Friedens störer in Schach zu halten. — Vom fernen Kriegsschauplätze im Osten sind wesentliche Veränderungen nicht zu melden. Die Port Arthurflotte ist aus dem Hafen entkommen, wo ihr fast sichere Vernichtung durch den Geschoßhagel der japanischen Steilfeuergeschütze drohte; sie gibt damit ihre bisher so wertvolle Beihilfe für die Verteidigung der Festung auf deren Schicksal nunmehr besiegelt scheint, besonders da Menschenleben bei den Japanern keine wesentliche Rolle zu spielen scheinen. Kuropatkin zieht sich noch weiter nach Norden zurück und die ganze Sachlage läßt sich für die Japaner fortgesetzt günstig an Nur muß man bedenken, daß das Kriegsglück launisch ist und oft genug mit einem einzigen Griffe entreißt, was es tropfenweise gespendet hat. Von den russischen Höchstkommandierenden ist man von jeher große Worte gewöhnt und „Vorschuß-Lorbeeren" sind gewiß im heiligen Rußland mehr als sonstwo beliebt. „Unsre Weiber werden uns verlachen, wenn wir heim kehren, ohne die Japaner geschlagen zu haben; bisher zahlten wir Lehrgeld um die Taktik der Japaner kennen zu lernen; binnen kurzem wird das anders sein!" So oder doch ähnlich hat Kuropatkin vor kurzem in stolzem Selbst gefühl zu den Seinen gesprochen; alle Welt ist in der Erwartung, wann und wie er sein Wort einlösen wird. — Die Abordnung unsrer südwestafrikanischen Farmer ist am Donnerstag zur Audienz bei Kaiser Wilhelm gewesen und was der Monarch ihnen gesagt Hai, das wird überall Beifall und Zustimmung finden. Der Kaiser hat nicht mehr versprochen als er leisten kann, aber man darf überzeugt sein, daß alle Parteien des Reichstages sich beeifern werden, ihm zur Erfüllung seines Versprechens behilflich zu sein. Und dann berührt es auch angenehm, daß er die Farmer so recht eindringlich an die Pflichten erinnert hat, die ihnen als Pioniere deutscher Kultur und Sitte obliegen, besonders an die Pflicht des Ausharrens. — An politischen Ereignissen ist der Hochsommer nicht arm- Das Attentat gegen Plehwe zittert noch nach; eine Aenderung seines Regierungssystems hat der Zar abgelehnt I Plehwes Nachfolger ist noch nicht ernannt. Es gehört auch ein gewißer Mut dazu bedingungslos den Poston anzutreten, auf dem schon zwei Vörgänger gefallen sind! — Wichtiger für Rußland ist, daß am Freitag nach zehnjähriger Ehe dem Zaren ein direkter Leibeserbe geboren wurde! Großfürst Michael Alexandrowisch, des Zaren jüngerer Bruder, ist durch den jüngsten Sproß des Zarenhauses seines dornenvollen Amtes entsetzt worden. Dem Zaren ist menschlicherweise nach den furchtbaren Schlägen, die ihn in letzter Zeit getroffen, auch 'mal eine Freude zu gönnen.