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Ottendorfer Zeitung. Vie „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, lag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften GLtendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag za Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be> sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 106. Sonntag, den 4. September 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, z. September 190^. — Der hiesige Ortsverein unternimmt morgen, Sonntag, den 4. September, vormittags 8 Uhr vom Gasthof zum Hirsch aus, unter Leitung des Herrn Postsekrotär Hauptmann einen Ausflug (Herrenpartie) nach dem Keulen berge und nach Pulsnitz. — In der die Interesse von Industrie und Handel vertretenwollenden Presse ist man wenig zufrieden mit dem Ergebnis .der Unterredung welche konservative und nationalliberale Land tagsabgeordnete mit den Minister von Metzsch und Dr. Rüger wegen Gewährung eines Not standstarifs für Handel und Industrie gehabt haben. Die „Dresdner Zeitung" ist unge halten darüber, daß die Besprechung als eine vertrauliche behandelt werden soll; daß sei eine Ausschaltung der Oeffentlichkeit und der Presse in einer das Gemeinwohl betreffenden Frage, wie sie nur in Sachsen, den „klassischen Lande der Geheimmittel", vorkommen könne. Der preußische Verkehrsminister habe aller Welt milgeleilt, was er mit dem Bunde der In dustriellen verhandelt habe. „Wir fürchten sehr", schließt der geharnischte Artikel, „daß die schroffe Absage des Herrn v. Budde in der Zusage „erneuter wohlwollender Prüfung" der sächsischen Minister material ihre Auserstehung gefeiert hat und wünschen Industrie und Handel — Regent" So, wie die „Dresdner Zeitung" die Sache darstellt, liegt diese nicht. Der sächsische Eisenbahn- und Verkehrsminister hat die Petenten in Sachen der Nolstandstarife für die Industrie sehr entgegenkommend empfangen und behandelt. Sachsen würde die gewünschten Tarife haben, wenn nur Preußen wollte. Aber das wird nicht. Diese Infor mationen sind Herrn Landtagsabgeordneten Knobloch-Radeberg zu danken, welcher der be treffenden Audienz persönlich beiwohnte. Schon das beweist, das man auch an eine Ausschaltung der Presse in dieser Angelegenheit nicht gedacht hat. — Zur Zeit bestehen in Deutschland sieben Staatslotterien, nämlich in Preußen, Sachsen, Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig, Hamburg, Lübeck und in den hessisch-thüringsichen Staaten. Die preußische Klaffenlotterie gibt 196000 Stammlose und 28000 Freilose aus, welche bis zu ihrer Ausgabe für Rechnung der Lotteriekaffe mitspielen, die sächsische Landes lotterie hat 100000 Lose, Mecklenburg- Schwerin 90000 sogenannte halbe Lose, die Braunschweig-LüneburgischeLandeslotterie70000 die Hamburger Stadtlotterie 96000 Lose, die lübcckische Staatslotterie 50000 „halbe" Lose und die hessisch-thüringische Staatslotterie 100 000 Lose. Letztere ist nach den bekannten Waldungen jetzt von den Großherzogtümern Hessen und Sachsen, den Herzogtümern Sachsen-Meinigen, Sachsen-Altenburg, Sachsen- Koburg und Gotha, Anhalt, den Fürstentümern Schwarzburg - Sondershausen, Schwarzburg- Rudolfstadt, Reuß ä L. Schaumburg-Lippe und Lippe garantiert. Der Abzug von den Ge winnen für die Lotteriekasse und die Ein nehmer beträgt in Preußen 15^/zO/o, in Sachsen 1b, in Mecklenburg 20, in Braun schweig 17 bei den größeren und 15 bei den kleineren Gewinnen, in Hamburg 20 be ziehentlich 1b, in Lübeck 20 beziehentlich 19^/g und bei Hessen-Thüringen 15^/gO/g. Die Einnahme des Reichs (Neichsstempelabgabe) aus den Lotterien ist infolge der Erhöhung der Reichsstewpelabgaben und Vermehrung der Lotterielose von 7 856000 Mark im Jahre 18u3 auf 38042200 Mark im Jahre 1902, also auf das Fünffache gestiegen. — Eine Steigerung der Zuckerpreise wird sich wahrscheinlich bald bemerkbar machen. Auch diese unangenehme Erscheinung ist mit auf das Schuldkonto der anhaltenden Dürre zu setzen, die das Gedeihen der Zuckerrüben in erheblichem Maße beeinträchtigt hat. Da auch in Amerika und England Mißernten einge treten sind, so ist der Preis für den Zentner schon um 3 Mk. gestiegen. — In unbarmherziger Weise räumt die Mode unter der Tierwelt auf. Im nächsten Winter sollen Frouenhüte aus dem leichten Pelzwerk des Maulwurfs modern werden. In einem Hut gehören aber mindestens zwanzig Felle. Eine Berliner Firma soll 100000 Felle verarbeiten lassen. Neben den Vögeln also auch die Maulwürfe, welche den Landmann im Kampfe gegen Schädlinge unter stützen. Und unsere Frauen, die das wissen sollten, werden diese barbarische Mode jedenfalls mitmachen. — Zur Beherzigung für Tierfreude schreibt die Halbmonatsschrift „Der Tourist": Touristen seien darauf aufmerksam gemacht, daß sie, wenn sie hilfloses oder junges Wild finden, nicht anrühren, sondern ruhig liegen lassen. Junges Wild, das von Menschenhand berührt worden ist, wird vom Muttertiere nicht mehr angenommen und muß daher, soweit es sich nicht selbst helfen kann, elend zu gründe gehen. Dresden. Am gestrigen Donnerstag traten in den Dresdner Kunstwerkstätten in Firma K. M. Seifert in Löbtau gegen 50 Arbeiter in den Ausstand. Der Chef der Fabrik hatte am Montag einige Arbeiter wegen Trunkenheit entlasten müssen. Mit diesen erklärten sich nun am Donnerstag etwa 50 Kollegen solidarisch und stellten die Arbeit ein. — Die Prinzessin Luise von Koburg, die bis vor drei Wochen in dem Sanatorium des Sanitätsrats Pierson in Coswig bei Meißen untergebracht war, und seitdem in Begleitung eines Arztes und einer Hofdame in Bad Elster zur Kur weilte, ist in der vorverwichenen Nacht von dort spurlos verschwunden. Es wird vermutet, daß sie von dem Oberleutnant Mattachich-Keglevich durch ein offenes Fenster oder vom Balkon aus entführt worden und mittels Automobils über die Grenze geflüchtet sei. Es wurden sofort alle Hebel zur Wieder- ergreisung dec Flüchtigen in Bewegung gesetzt — Die Nachforschungen nach den» Verbleib der Prinzessin Luise von Koburg, die von den zuständigen Behörden angestelli wurden, sind bisher erfolglos geblieben. Bis Wünschen scheint die Flucht der Prinzessin jetzt mit einiger Sicherheit festgestellt zu sein. Die angebliche Frau Schubert in Dresden, die am Dienstag Abend den Wagen zur Flucht bestellte, ist mit viesem zur Villa „Neu-Schwanstein" gefahren, wo drei Herren, darunter der angebliche Herr Weltzer aus Graz, und die Prinzessin ein stiegen. Die Fahrt ging zuerst nach Brambach an der böhmischen Grenze, dann wurde plötzlich dem Kutscher befohlen, über Hundsgrün, Oelsnitz nach Hof zu fahren, wo die Ankunft um 8/«6 Uhr erfolgte, und wo die Flüchtlinge im Hotel Prinzregent abstiegen. Der Kutscher ist Freitag bereits nach Bad Elster zurückgekehrt. Festgestellt ist jedenfalls, daß die Prinzessin und ihr Begleiter mit dem Schnellzug 8,24 früh nach München gefahren sind. Der angebliche Weitzer hatte, wie mitgeteilt, zuletzt auf seinen besonderen Wunsch ein Zimmer im Erdgeschoß mit einem Ausgang ins Freie erhalten. Durch dieses Zimmer ist die Flucht erfolgt, wie ein gefundener Handschuh der Prinzessin beweist. Andere Darstellungen sind unrichtig. Die Flucht war wohlvorbereitet und wurde zweifel los durch den Fremden mit Hilfe einiger anderer Personen ins Werk gesetzt. In diesem Manne namens Meitzner glauben Eingeweihte den Grafen Orssich zu erkennen, der im Auf trag von Mattachich die ganze Entführung inszeniert haben durfte. Königsbrück. Ueber das Befinden des auf dem hiesigen Gefechtsschießplatz durch einen Schuß in den Kopf schwer verwundeten Soldaten, ist ein verhältnismäßig gutes. Das Projektil drang in die Stirn ein und am Hinterhaupt aus, ging also mitten durch den Kopf. Die nach seiner Verwundung einge tretenen Lähmungen gehen glücklicherweise immer mehr zurück, so das, von ärztlicher Seite jetzt eine völlige Genesung erwartet wird. Dresden. Als am Dienstag vormittag am Terraffenufsr ein Straßenbahnschaffner im Begriff war, auf seinem Straßenbahnwagen den Stromabnehmerbügel, der sich seitlich ver drückt hatte, wieder in Ordnung zu bringen, sprang derselbe plötzlich entzwei und schleuderte den Mann auf die Straße herab. Er erlitt außer mehreren Quetschungen einen Schlüffel- beinbruch und fand die erste Hilfe in der Sanitätswache auf der Marschallstraße. Dohna. Zum Bürgermeister unseres alten Burggrafenstädtchens wurde der Gemeinde vorstand Lincke aus Ottendorf-Moritzdorf ge wählt. Es lagen 59 Bewerbungen vor. Wehlen. Da Wehlen, wie auch die anderen Elbortschaften, den Kohlenbedarf auf dem Wasserwege deckt, so ist durch den beinahe sechswöchigen Stillstand der Elbfrachtschiffahrt Kohlenmangel eingetreten. Auch die Bestände der Kohlenhändler sind aufgebraucht. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, muß die Kohlenzufuhr mittels Eisenbahn bis Bahnhof Lohmen und von da bis Wehlen bewirkt werden, wodurch die Preise bedeutend höher zu stehen kommen. Noch viel schlimmer dürften die Kohlenverhältniste sich gestalten, wenn die Schiffahrt vor Eintritt des Winters nicht wieder eröffnet werden könnte. Bertsdorf. Der Stationvorsteher Wilhelm Weber, welcher seit dem auf der Zittau-Oybin- Bahn am 7. August stattgefundenen Eisenbahn unglück im Zittauer Amtsgefängnis in Unter suchungshaft gehalten wurde, ist am Mittwoch Vormittag aus der Haft entlasten worden. Der bedauernswerte Beamte, welcher durch die wochenlange Haft sehr gelitten hat, besuchte per Wagen seine Verwandten in Zittau und kehrte sodann zu seiner Familie nach Bertsdorf zurück. Meißen. Weil er Hundefleich als Kalb- fleich verkaufte, ist vom hiesigen Schöffengericht ein Hausbesitzer in Obermeisa Namens Haus mann zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Außerdem erhielt er noch wegen Ungebühr vor Gericht drei Tage Haft. Seine Frau wurde wegen Beihilfe des Fleischhandels zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Der Hund war dem Hausmann von einem Fleischer- meister zur Beseitigung übergeben worden. Riesa. In der Nacht zum Mittwoch wurde im Gasthofe zu Bobersen ein Einbruchsdiebstahl ausgeführt und sind außer verschiedenen Eß waren mehrere Pakete Zigarren und eine An zahl Flaschen Wein gestohlen worden. Leipzig. Während des verflossenen Klempnerstreiks blieben auch die üblichen un angenehmen Nebenerscheinungen, Belästigung, Arbeitswilliger u. s. w-, nicht aus. So be lästigte am 7. Juli der Klempnergeselle Paul Laube zwei Arbeitende und schlug dieselben sogar. Wegen letzteren Delikts unter Anklage gestellt, verurteilte ihm das Landgericht zu vier Monaten Gefängnis. Leipzig. Die Kriminalpolizei hat fünf Personen festgenommen, die in der Nacht zum 20. Mai d. I. den Lomerschen Rauchwaren diebstahl am Brühl ausgeführt haben. Die Täter sind schon mit Zuchthaus vorbestraft. Bis jetzt sind für etwa 30 000 Mark ge stohlenen Waren im Werte von über 100000 M. wieder herbeigeschafft worden. Wegen Verlauf dieses Postens war nämlich der Leiter des großen Diebstahl, ein 27 jähriger Rauchwaren zurichter aus Großzschocher, mit einem zur Messe hier weilenden Geschäftsmann in Be ziehungen getreten und hatte so die Polizei auf den richtigen Weg geleitet. Seine Helfershelfer sind ein 42jähriger Zigarrenarbeiter aus Naundorf, der mit 13 Jahren Zuchthaus vor bestraft ist, ein ebenso alter Rauchwarenzurichter aus Groß-Schkeuditz, der mit dem oben er wähnten 27 jährigen Zurichter schon einen ähnlichen Diebstahl (es handelte sich damals um Felle im Werte von ungefähr 40 000 M.) ausgeführt hat, ein 45 jähriger Arbeiter und ein 41jähriger Ofensetzer aus Finsterwalde. Von diesen ist nur der Letztere nicht vorbestraft. Der übrige Teil der gestohlenen Sachen ist bis jetzt noch nicht gefunden worden. Von der Firma Lomer war eine Belohnung von 1500 Mark auf die Entdeckung ausgesetzt worden. Naundorf b. Grimma. Eine Ueber- raschung bietet das Verschwinden des Tischler meisters P., welcher seit Freitag unverhofft ab gereist ist- Von einigen Gläubigern soll der Konkurs beantragt worden sein. Lößnitz. Seit dem 31. August weilt hier eine Abteilung Pioniere aus Riesa, um unter Leitung eines Offiziers im Manövergelände artesische Brunnen anzulegen. Ho Henstein-Ernstt Hal. Ein bedauerlicher Unfall trug sich hier an dem Erneuerungsbau der dortigen Trinitatiskirche zu. An der unteren Seite der Kirche war der 21 Jahre alte Handarbeiter Max Grundmann aus Oberlungwitz damit beschäftigt, auf dem un gefähr zehn Meter hohen Gerüst Kalk abzu nehmen, welcher in Eimern von unten herauf gezogen wurde. Plötzlich kippte das Brett, auf welchem Grundmann stand, und dieser stürzte in die Tiefe. Der Verunglückte scheint glücklicherweise schwere Verletzungen nicht davon getragen zu haben. Wildenfels. Durch eigene Schuld ver unglückte Dienstag der 19jährige Klempner geselle Max Sickinger dadurch, daß er, um einem Mädchen gegenüber seinen Mut zu zeigen an den Steigeisen des 30 m hohen Schorn steins des Oberhohndorfer Schachtes hinauf kletterte; in der Höhe von 20 m wurde er schwindlich und stürzte lautlos herab. Seine Verletzungen waren so schwer, daß er starb. Erlbach b. Stollberg. Nachdem bereits vor wenigen Tagen Brandstifter ihr Unwesen getrieben haben, wodurch das Anwesen deS Gutsbesitzers Reichenbach niederbrannte, brach, jedenfalls durch Brandstiftung, in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch in der Scheune des Gutsbesitzers Ehrisch ein Feuer aus, daß alle vier zur Gutswirtschaft gehörigen Gebäude vernichtete. Während es gelang, das Vieh aus den Ställen zu retten, sind die ganze ein- gebrachse Ernte, sowie Wagen und alle land wirtschaftlichen Geräte verbrannt. Neudorf i. Erzgeb. Binnen sechs Tagen in der Zeit vom 21. bis 27. August starben hier fünf alte Leute, die zusammen ein Lebens alter von fast 398 Jahren erreichten. Die jüngste Person davon zählte ziemlich 69 Jahre, zwei Männer standen im 81., eine Frau im 83. und die älteste Person im 85. Lebens jahre. Plauen. Ein Bergwerksbetrieb ist vor etwa drei Monaten auf der Besitzung des Gutsbesitzers Hirsch in Röttis wieder eröffnet worden. Gemutet wird nach Nickelerz und Farbe (Manganspat). Vor 13 Jahren war das Bergwerk von der Königin-Marienhütte in Cainsdorf bei Zwickau, die bis dahin in der Hauptsache nach Eisenerzen gegraben hatte, geschloffen worden, nachdem vorher der Stollen und der Förderschacht mit dem Material der alten Halde zugefüllt worden waren. Das Mutungsrecht ist von den Herren Zschierlich und Fröbe gekauft worden. Das alte Füllungs material ist wieder aus der Erde herausgeholt Schacht und Stollen sind frisch ausgebaut worden, und man ist an dem zuletzt verlassenen Ort bereits wieder angelangt. Plauen. Der Student Arno Arthur Seidel aus Crimmitschau wurde in Asch (Böhmen) ermordet aufgefunden. Er besuchte die hiesige Königliche Kunstschule für Textilindustrie und war einer der befähigsten Schüler der Anstalt. Nachrichten von ihm fehlen schon seit acht Tagen.