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Vie „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, rag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Alontzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inserat bis vormittag w Uhr. Inserate werden w<t >o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Latz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Nr. 81. Freitag, den 8. Juli 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Dkrilla, 7. Juli 1904. *** Racksten Sonntag Nachmittag zwischen 3—4 Uhr findet die Inspektion der Freiwilligen Feuerwehr statt verbunden mit einer Uebung der Pflichtfeuerwehr und Sanitätsabteilung. Die Inspektion erfolgt durch die Herren Brand meister Herrmann-Dresden und Kelling-Rabenau im Beisein eines Vertreters der Königlichen AmtShauptmonnschast und der Fcucrwehr- kommandos von Rad bürg und Cunnersdorf. Die Krilik wird im Saale des Gasthofes zum schwarzen Roß abgehalten. Am Abend findet Ball statt. — Unsere Erde erreichte am 4. Juli den Punkt ihrer Bahn, in dem sie von der Sonne am weitesten entfernt war. Unser Abstand von dem Zentralgestirn beträgt dann 152 Mill. Kilometer mehr als um die Jahreswende. Die Folge davon ist, daß uns die Sonne jetzt kleiner erscheint als zu Weihnachten. Der scheinbare Durchmesser der Sonnenscheibe beträgt nur 311/2 Bogenminuten, während er zu Neujahr 321/2 Bogenminuten mißt. Daß es trotz der größeren Entfernung der Sonne bei uns jetzt wärmer ist wie im Winter, liegt daran, daß die Sonnenstrahlen jetzt viel steiler auf unsere Gegenden fallen, und daß das Tagesgestirn viel länger über unserem Horizonte verweilt und daher auch mehr Wärme zusendet. — Der Wasserstand der Elbe ist wohl selten so anhaltend niedrig gewesen, wie dieses Jahr. Wenn er sonst zurückging, so geschah daS doch meist nur für kürzere Zeit. Gewöhnlich tritt der niedrige Wasserstand auch erst zu späterer Jahreszeiten ein. Dieses Jahr ist aber der Wassermangel in der Elbe schon seit Anfang des Sommers so stark, daß die Schiffahrt nur unter sehr erschwerten Um ständen ihre Fahrten ausführen kann. Der Pegel an der Augustusbrücke zeigt einen Tief stand von 183 am unter Null. Passierbar für Schiffs ist die Elbe nur noch unter dem dritten Bogen auf der Altstädter Seite der Augustusbrücke. Der erste Pfeiler von der Altstädter Seite liegt fast trocken, während Man auf Neustädter Seite bequem bis zum dritten Strompfleistr vordringen kann. Die Sandbänke, welche sich dort bei niedrigen Wasserstande zeigen, ragen hoch empor. Die Trockenheit wird benutzt, um Reparaturen an den Pfeilern der Augustusbrücke vorzunehmen. Selbstverständig leiden auch die Badeanstalt- besitzcr unter dem Wassermangel. Meist wird außerhalb der Anstalten gebadet, da es gegen wärtig auch für Nichtschwimmer durchaus nicht gefährlich ist. In verschiedenen Gemeinden wird infolge der Trockenheit über Mangel an Trinkwafser geklagt. — Für die Nachtruhe der Eistnbahnpassagiere ist in Preußen eine bemcrkungSwerte Anordnung getroffen worden. In verschiedenen Effenbahn- bezirken ward nämlich jedensfalls im Auftrage des EiscnbahnministerS, die Verfügung erlassen, daß während der Nachtzeit eine Prüfung der Fahrkarten der in den Zügen befindlichen Reisenden nicht zu erfolgen hat, desgleichen auch bei einem Wechsel der Schaffner nicht. Motiviert wird die Maßnahme damit, daß den Reisenden daö bischen Schlaf in der Nacht zu gönnen sei. Minister Budde ist der Wissen schaft halber des öfteren in der vierten Klaffe gefahren, wenn auch nur kurze Strecken, und scheint hieraus allmählich Konsequenzen zu ziehen. — Daß zu viel Gesetze gemacht werden, ist eine alte Klage. Um ein- „Schonzeit" in der Gesetzgebung wurde schon vor einer Reih- von Jahren gebebn, nicht etwa aus Kreisen der Opposition, sondern von Personen durchaus regierungsfreundlicher Gesinnung. Daß die Gesetze der notwendigen Klarheit und Ge- meindeverständtlchkeil entbehren, diese Wahr nehmung wird neuerdings auffallend häufig gemacht. Die Gerichte, die sich mit dem Verstoß gegen ein neueres Gesetz beschäftigen, müssen häufig eine besondere Mühe und lange Arbeit daran wenden, um zu erforschen, was der Gesetzgeber hat ausdrücken wollen. Da werden die amtlichen stenographischen Berichte über die betreffenden parlamentarischen Ver handlungen cingesehen, um daraus des Rätsels Lö'ung zu finden — aber man mackt dabei die Entdeckung, daß schon während der Gesetz fabrikation die Auffassungen hin und her schwankten, und daß man sich schließlich damit beruhigte, die Praxis des Lebens werde schon das richtige zu finden wissen- Zuguterletzt kommt der oberste Gerichtshof mit einer außerordentlich feinen, glänzend ausgetiftelten Entscheiduna, die unter Umständen eine ganz neue Auffassung schafft. Dann ereignete sich, daß die Gesetzgeber, sei eS nun das Parlament oder die Regierung, erklären: Nein, so haben wir die Bestimmung nicht gewollt; wir meinten so und so. Nun beginnt der anmutige Krauslauf von neuem- Um entgültig fest zustellen, was rechtens ist, erscheint eine „Novelle" zu dem klärungsbedürftigen Gesetz auf dem Plan. Ja, wenn es noch dabei bliebe, daß eine solche Novelle kurz und bündig die er forderlichen Zusatzbestimmungen gäbe. Aber im Handumdrehen wächst der Umfang des neuen GesetzwrrteS. Die Beratungen beginnen- Hier wird angeblich etwas hineingesügt angeblich zum Zwecke besserer Verständlichkeit; da wird ein ganz neuer Paraphaph vorgeschlagen und mit Mehrheit durchgedcückt, da „man einmal dabei ist", und wenn das ganze glücklich fertig ist und Aufnahme in tue Gesetzsammlung ge funden hat, dann stellt sich vielleicht wieder eine „Unstimmigkeit" heraus, ,ein Widerspruch beispielweise zwischen dem zuerst beschlossenen Gesetz uud dessen Novelle. Sehr fatal! Diese neue „Unstimmigkeit" ist in der Eile, daß Ge setz zu stände zu bringen, nicht bemerkt worden, ist dieser ganzen Vereinigung hervorragender scharfsinniger Juristen entgangen. Eine kleine Unstimmigkeit kann zur Nol stehen bleiben; aber was bleibt übrig, als bei einem erheblichen Versehen wiederum die Gesetzgebungsmaschine in Gang zu setzen? So knüpft sich an das fröhliche Ende der fröhliche Anfang. — Die „Natl. Korr." bespricht die Pläne über die Bier- und Branntweinsteuer und teilt dann mit: „Was- das Bier betrifft, so soll in der nächsten Arbeitsperiode der gesetzgebenden Faktoren der Versuch unternommen werden, durch Annäherung der Art und Besteuerung Staffelung im Bereiche der norddeutschen Brausteuergemeinschaft an den in Süddeutschlaud bestehenden Zustand der Dinge, das zur An erkennung zu bringen, was im Artikel 35 der Reichsverfassung als das eifrigste zu erstrebende Ziel hinge stellt wird." — Versetzt wurde Bureaugendarn Gen darmerie-Brigadier Meißner beider Gsndarmnie- Obsrinspektion in Dresden als Distriktsgendarm nach Obercunnersdorf, Gendarm Zieger II in Krakau als Ordonnanzgendarm zum Gen darmerie-Oberinspektion in Dresden, Gendarm Noack ll in der Brigade Weißer Hirsch als Distriktgendarm nach Krackau. — Der aus der Irrenanstalt Colditz aus gebrochene gefährliche Geisteskranke Ernst Paul Wagler, der bekanntlich vor Jahren mit seinem Bruder den Riedinger Gendarm erschlug und den ein verbreitetes Gerücht vor acht Tagen als in P.iestewitz festgenommen be zeichnete, ist am 29. Juni in Rothenburg an dec Tauber aufgegriffen worden und bereits in die Jcrenabtellung des Zuchthauses zu Waldheim eingeliefert worden. Dresden. Der Vormittags 4 Uhr 12 Min. von Meißen nach hier verkehrende Personenzug ist Montag auf dem Bahnhofe Radebeul einem Bahnmeistermagen in die Flanke gefahren. — Auf dem Postplatz glitt gestern ein Herr über einen Ki, schleim aus und zog sich einen Schenkelhalsbruch zu. Der Vorfall zeigt wieder deutlich, wie leicht man seine Mit menschen dadurch zu Schaden bringen kann, daß man Kerne und überhaupt Obstreste auf die Straße wirft. Es kann nicht eindringlich genug vor dieser Unsitte gewarnt werden. — Die PrivatbeleidigungSklage der Direktoren der Siemensschen Glasfabriken gegen die „Sächsische Arbeiterzeitung" wird nochmals vor der '4. Strafkammer verhandelt werden, da die am 25. Juni vom hiesigen Schöffengericht zu je 1200 Mark Geldstrafe verurteilten Re dakteure der „Arbeiterztg.", Nitzsche und Fleißner Berufung eingelegt- — In der Brauerei zum Plauenschm Lagerkeller an der Chemnitzer Straße haben am Mittwoch früh die Brauer, Böttcher und Brauereiarbeiter die Arbeit eingestellt. Kürzlich waren drei dort seit Jahren beschäftigte Schmiede wegen Auflösung der Schmiedewerkstatt ent lassen worden. Die Brauereiarbeiter verlangten ihre Wiedereinstellung, obwohl die Direktion dafür Sorge getragen hatte, daß die älteren Schmiede mit demselben Lohne bei der Firma eingestellt werden, bei der die Brauerei künftig ihre Schmiedearbeiten verrichten lassen will Dieses Entgegenkommen wurde aber von ihnen nicht beachtet und die Direktion brach die Ver handlungen ab, worauf das gesamte Brauer- personal mit Ausnahme von drei Brauern die Arbeit einstellte. Am heutigen abend wird sich eine deswegen einberufene Versammlung mit der Angelegenheit beschäftigen. Wilsdruff. Hier geht der Tischlerstreik seinem Ende entgegen. Seit den letzten Tagen werden erneute Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und den Holzarbeitern gepflogen. Den Anlaß zur Wiederaufnahme gaben die streikenden Tischler. Röderau. Ein schlimmer Eisenbahnfrevel, der glücklicherweise von zwei Eisenbahnb-diensteten rechtzeitig entdeckt und beseitigt wurde, ist in der Nacht znm Dienstag auf der Eisenbahn strecke Riesa-Langenberg, unweit Röderan, dort wo die Bahn nach Bah.chof Röderau abzweigt, ausgeführt worden, indem man einen großen schweren Stein auf das Hauptgleis gelegt und ferner die Signallaternen herabgelassen hat- Jedenfalls hat der Täter einen Eisenbahnunfall herbeizuführen beabsichtigt. Oschatz. DaS Dunkel, das bisher über dem Verschwinden des Pfarrers Füllkrutz aus Lawperswalde bei Oschatz schwebte, der am 22. Juni 1900 auf einer Urlaubsreise von Admont in Steiermark aus einen sonst ganz ungefährlichen Ausflug nach dem Natterriegel unternahm und in das Gasthaus, wo er sein Gepäck zurückgelaffen, nicht wieder zurückkehrte, kann mö;licherwü!e noch aufgehellt werden Nach einer Mitteilung des „Tags" hat im Krankenhause zu Graz kürzlich ein Lederarbeiter, auf dem Sterbebette das Geständnis abgelegt, daß er vor ein paar Jahren im Juni unter wegs in Gemeinschaft mit einem wandernden Maurer einen Reisenden, der sich ihnen an geschloffen, ermordet und beraubt habe. Schon bisher hatte man annehmen zu müffen geglaubt, daß der vermißte Pfarrer einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein müsse. Mittelbach. Als Ersatz für die durch Räuberhand aus der hiesigen Kirche entwendeten Altarleuchter hat Herr Kaufmann Paul Vieh weg aus Chemnitz der Kirchgemeinde seines Geburtsortes Mittelbach am Johannisfest ein paar wertvolle Leuchter zum Geschenk ge macht. Leipzig. Der Rat hat, wie gemeldet, be schlossen, die Verkaufs- und Schaumeffe zu verlegen. Als Platz für die künftige Klein- meffe sind die Wiesen rechts vom Frankfurter Tor in Aussicht genommen. Der Platz soll hochwafferfrei gemacht und planiert werden; die Straßenbahnen sollen bis zum Ende des MeßplatzcS weitergeführt werden- Auch soll der Platz eine Feuer- und Sanitätswache und eine Postanstalt erhalten. Die Gesamtkosten sind auf etwa 400 000 Mark veranschlagt. Leipzig. In Sachen des großen Nauch- warendiebst ahls am Brühl, bei dem für etwa 100 000 Mark Zobel-, Chinchilla- und Nerz- fclle gestohlen worden waren, haben die Ge schädigten die für die Wiedererlangung der ge stohlenen Rauchwaren ausgesetzte Belohnung auf 5 000 M- erhöht. — Heute begannen die Verhandlungen des hiesigen Schwurgerichts, dessen Tätigkeit sich nicht mit erstrecken wird auf die Aburteilung des Schuhmachers Günther, welcher des Mordes an den Trödler Cohn beschuldigt, aber nicht geständig ist; die erst im November vor die Geschworenen kommende Anklage ist vielmehr lediglich auf schwerwiegenden Indizien aufgebaut. — Die durch den Druckereiarbeiter Ackermann angeschossene Arbeiterin Köhler ist im Hospital ihren Verletzungen erlegen. — Ein 26 jähriger Drogist wollte sich in ein besseres Jenseits befördern; er wählte dazu den etwas eigentümlichen Weg, sich herzhaft mit einem Messer in die rechte — Wade zu stechen. Zu seiner Verwunderung erreichte er den ge wollten Zweck nicht und wird sich nun im Hospital wieder heilen lassen. Glauchau. An einem hiesigen Hause wurde beim Bewerfen eines Dachforstes mit Kalk ein Sperlings-Nest mit einer Anzahl Jungen unversehens mit zugeworfen. Zu seiner Ueberraschung entdeckte nun zufällig dec Hausbesitzer, wie durch ein kleines in den frischen Bewurf gehacktes Loch von außen ein fest angcklammerter alter Spatz die ein gemauerten jungen Nesthäkchen fütterte. An scheinend haben die besorgten Spatzeneltern den Kalk durchbohrt, um ihre Jungen von dem Hungertods treulich zu bewahren. Auch bei dem Spatzenvolke gibt es treue Elternliebe. — Eine Schiebung der Erbmassen unter Zwickau ist abermals zu verzeichnen. In dec inneren Dresdner Straße, Ecke Graben, trat sie mit solcher Stärks auf, das sich zwei Steinplatten des Bürgersteiges unter dem Drucke etwa 15 om über denselben hochschoben; sie bilden jetzt einen spitzen Winkel zu einander- Crottendorf. Die Bluttat im hiesigen Gemeindehause erhält die Gemüter in der ganzen Gegend fortgesetzt in Aufregung und die Tatsache daß sich der Mörder noch auf freiem Fuße befinden aber doch noch nicht auf- gsfunden werden konnte, erhöht die Erregung der Bevölkerung. In vielen Ortschaften des Erzgebirges soll der Raubmörder Schramm gesehen worden sein, nachträglich haben sich jedoch die Behauptungen immer als sehr un glaubwürdig erwiesen. Annaberg. Der bei Cranzal stationierte Bahnwärter Grummt ist Montag nachmittag aus noch unaufgeklärter Ursache von dem Eisenbahn-Viadukt abgestürzt. Der Unglückliche war sofort tot. Oelsnitz i. V. Zwei tschechische Hand werksburschen haben am Montag zwischen hier und Adorf im Tümmlerschen Sägewerk Elster tal die Ehefrau des Schneidemeisters Schlott in der Wohnstube überfallen und ihr Gewalt anzutun versucht. Das Geschrei der Frau veranlaßte den Ehemann Schlott, sowie den Aufseher Eichler, ihr zu Hilfe zu eilen. In zwischen hatten sich die beiden Tschechen mit einer Eisenstange und einer in Schlotts Wohnung vorgefundenen Axt bewaffnet. So wohl Eichler als Schlott wurden zu Boden ge schlagen und dem letzterem durch einen Axthieb das linke Schulterblatt zerschmettert. Erst nach dem Eingreifen einer größeren Anzahl Säge werksarbeiter wurden die beiden Handwerks burschen festgenommen, gefesselt und durch die inzwischen herbeigerufene Gendarmerie ins Amtsgerichtsgefängnis eingeliefect. Oelsnitz. Der Besitzer des mediko« mechanischen Instituts zu Bad Elster und Zwickau. Dr. med. Köhler, ist am Montag nachmittag bei einer Automobil-Probefahrt bei Tirpersdorf durch Sturz in den Mühlgraben verunglückt, ist aber mit einer Handverstauchung davongekommen.