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Die „Mtendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okriüa mit Atoritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag w Uhr. Inserate werden wtt w Pf. für die Spaltzetls berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 96. Freitag, den 12. August 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, q. August 1904. — In den Sitzungen des sächsischen Land tages und des Landeskuiturratcs sind mehrfach Klagen über die Auswüchse des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen laut geworden, und man ist an die Königliche Staatsregierung mit dem Ersuchen herangetreten, den Mißständen im Gesetz- bezw. Verordnungswege zu begegnen. Die Königliche Staatsregierung hat infolge dessen dem Automobilverkehr ihre Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße zugewendet und bereits seit einiger Zeit eine Statistik über die mit Kraft fahrzeugen herbeigeführten Unglücksfälle auf gemacht, sich im übrigen aber von einem Gesetz zurückgehalten, weil man ein solches von Reichswcgen erwartet- Im Verordnungs wege ist jedoch den Kraftfahrzeugen eine ge wisse Geschwindigkeitsgrenze im allgemeinen und in besonderen Fällen gezogen worden; allein es fehlt hierbei an einer Kontrolleinrichtung über die Geschwindigkeit, Um diese Lücke aus zufüllen, hat das Königliche Ministerium des Innern ein Preisausschreiben für die Erfindung eines Geschwindigkeitsmessers für Kraftfahrzeuge erlösten, und cs sind bereits mehere hervor ragende Ingenieure mit der Lösung der ge stellten schwierigen Anfgabe beschäftigt. — Die Briefträger sollen nach der „Germania" im Herbst dieses Jahres mit wasserdichten Umhängen für ihren Dienst bei Regen oder Schnee ausgcstattet werden. Damit würde die Postbehörde einem dringenden Bedürfnis der Briefträger entsprechen, die durch ihren Dienst Wind und Wetter so ausgesetzt sind, und bisher, auch wenn sie vom Regen durchnäßt waren, ihren Dunst auszuüben genötigt waren. — In den „Grimmaer Nachrichten" steht zu lesen: Prinz Friedrich von Schönburg- Waldenburg und seine Gemahlin Alice, die Tochter des Ton Carlos, haben sich wieder versöhnt und gelobt, zur Buße von Sankt Veit in Kärnthen nach Rom zu Fuß zu pilgern. Das Gepäck wird den Pilgern, die bereits Bologna erreicht haben, auf einem Mautner nachgeführt. — In Oesterreich-Ungarn soll ein Ausfuhr verbot für sämtliche Futtermittel erlösten werden. Dasselbe dürfte alle bereits getroffenen Exportabschlüsse beeinflussen, da nur die am Tage des Verbots bereits zur Aufgabe gelangten Sendungen exportiert werden dürfen, andere aber nicht mehr zur Ausfuhr gelangen. Ferner wird aus Belgrad gemeldet: das die Regierung wegen der Mißernte die Ausfuhr von Mais Maismehl und Heu verbot. Dresden. Am 24. Juli wurde im Schlachthofe zu Tetschen ein Einbruch verübt und aus der Kasse des Schlachthofsaufsehers ein Betrag von 800 Kronen gestohlen. Einer der Täter ist jetzt hier verhaftet worden- Es ist dies der noch nicht 16 Jahre alte Glas bläser Reichelt aus Schöbritz bei Aussig. — Einen Beweis für den kolossalen Verkehr- nach der Dresdner Vogelwiese gibt die Tat sache, daß die rote Straßenbahngesellschaft allein 1 439 246 Personen nach dem Festplatze beförderte. Tie Einnahmen betrug in der Vogelwiesenwoche die ansehnliche Summe von 127 183 M. Am ersten Sonntag wurden allein 213 021 Personen nach dem Festplatz^ durch die genannte Gesellschaft befördert. Gegen das Vorjahr bedeutet dies eine Erhöhung der Frequenz um 100 000 Personen. Rechnet man hierzu die Personenbeförderung durch die gelbe Straßenbahn, die in diesem Jahre ebenfalls eine direkte Linie nach dem Festplatze eröffnet hatte, ferner durch Droschken Omnibusse Mw, so kann man sich einen Begriff von dem Riesenverkehr machen, der auch in diesem Jahre trotz der vermeintlichen schlechten Zeiten auf der Vogelwiese geherrscht hat. — Bekanntlich hat die Königin-Marienhütte, Aktiengesellschaft zu Cainsdorf, im Jahre 1890 die Loschwitz-Blasewitzer Elbbrücke genannt, das -laue Wunder, erbaut. Beim Transport von Brückeneisen elbaufwärts von Dresden nach Blasewitz fuhr ein voll geladener Kahn an einen Pfeiler der AugustuSbrücke und schlug um, wodurch etwa 12 000 lr§ eisernes Brückenmaterial in die Tiefe sanken- Dem Vernehmen nach wird nunmehr beabsichtigt, dieses 'Eisen bei dem gegenwärtigen abnorm niedrigen Wasserstande der Elbe zu heben. Steinbach b. Moritzburg. Am Montag mittag wurden unweit des Restaurants „Mist- chänke,, im Walde einige Militärkleidungs- tücke aufgefunden, und zwar ein Tuchrock mit )em Namen Stein I, 4. Kompanie, gezeichnet, vom 139. Infanterieregiment in Döbeln, eine Mütze und ein Seitengewehr- Aus der Mütze war der Name entfernt worden. Es wird vermutet, daß die Sachen von einem Deserteur, der sich Zivilkleider verschafft hat, herrühren. Tauscha. Unser Ort wurde am ver gangenen Sonntag Mittag von einem größeren Schadenfeuer heimgesucht. Gegen 1/212 Uhr entstand im Dachgeschoß des vom Waldarbeiter Türke bewohnten Hauses (Besitzer Paul Piersig) ein Brand; von der herrschenden Dürre be günstigt, erfaßte das Feuer rasch alles Brennbare, und bald stand das ganze Dach in Flammen. Binnen kurzem sprang das Feuer auf das benachbarte Wirtschastsanwesen der Frau verw Böhme über, wo sich das Strohdach ent zündete. Die angestrengten Arbeiten der Löschmannschaften zur Bekämpfung des Feuers wurden durch großen Wassermangel sehr erschwert, sodaß nur Niederreißen der Brand- objekte die Weiterverbreitung des Feuers verhindert und besten Beschränkung auf die brennenden Baulichkeiten erreicht werden konnte. Beide Anwesen sind bis auf die Umfassungs mauern zerstört: auch die stehengebliebenen Reste werden abgetragen werden müssen. Verbrannt sind bei beiden Betroffenen die eingebrachten Ernte- und Fultervorräte voll ständig, vom Inventar sehr viel; das Vieh ist gerettet. Beide Abgebrannte sind hart be troffen, da nichts versichert war. Verursacht ist das Feuer von dem sechsjährigen Stiefsohn Türkes, der auf dem Dachboden Mit Streich hölzchen gespielt hat. Von auswärts waren anwesend die Feuerspritzen von Sacka, Dobra, Kleinnaundorf und die freiwilligen Feuerwehren von Radeburg und Königsbrück. Radeberg. Eine Submissionsblüte, welche einzig dastehen dürfte, hat sich kürzlich in hiesiger Gegend ereignet. Eine Nachbar- gemeinde schrieb in beschränkter Konkurrenz aus und lud zwei Firmen zur Beteiligung ein. Der Anschlag des einen Bewerbers war von lakonischer Kürze und lautet; „Drei Mark billiger als N. N." Anstatt nun, was das Richtige gewesen wäre, dem drei Mark billigeren Bewerber seinen Anschlag zurück zugeben und dem Konkurrenten, der einen richtig durchdachten Anschlag eingereicht hatte, die Arbeit zu übertragen, ging die Gemeinde auf das drei Mark billigere Angebot ein. Kommentar überflüssig. Copitz. Die von der Königlichen Amts- hauplmannschaft zu Pirna ergangene Bestimmung daß während des vom 14. bis mit 16 d. M. in Copitz stattsindenden Vogelschießens die Verkaufsstände abends 9 Uhr zu schließen haben, ist auf Vorstellung des Bogenschützen- vercins zu Copitz bei der Königlichen Kreis- hauptmannschafl in Dresden dahin abgeändert worden, daß dieser Verkauf bis nachts 11 Uhr staatfinden darf. Pirna. In unseren Elbsandsteinbrüchen ist völlige Ruhe eingetreten, nachdem seitens des Verbandes der vereinigten Sandsteinbruch inhaber in den Betrieben des vierten Bezirkes, umfassend die Brüche Liebethal, Herrenleithe, Alte Posta, Posta, Zeichen und Struppen, am vorigen Sonnabend die Betriebseinstellung mit Beginn dieser Woche bekannt gegeben wurde. Diese Aussperrung seitens der Arbeitgeber ist die Folge des in den Betrieben von Schmidt und Hein in Alte Posta am 1. August eingetretenen Ausstandes, Lei welchem die Arbeiter der an sie ergangenen Aufforderung, die Arbeit wieder aufzunehmen, nicht nachgekommen waren. Dem Ausstande ging dis Vorlegung eines Tarises wegen Regelung und Erhöhung der Lohnsätze von eiten des Steinarbeitersverbandes Posta an die gesamten Arbeitgeber des Bezirkes voraus, welche Sätze aber von den letzteren nicht an genommen wurden. Bei Bekanntgabe der Betriebseinstellung ist noch darauf hingewiesen worden, daß, wenn von den Arbeitern in den von dem Ausstand betroffenen obengenannten Betrieben die Arbeit zu den vorherigen Lohn ätzen bis zum 13 August nicht wieder aus genommen wird, die Betriebseinstellung in amtlichen Brüchen im Bezirke der Amts- Mptmannschaft Pirna erfolgen soll. Zittau. Ueber das Eisenbahnunglück der Zittau —Oybin—Jonsdorfer Bahn schreibt die „Zittauer Morgenzeitung": Infolge der scharfen Kurve vermochten die Lokomotivführer erst im letzten Moment den entgegenkommenden Zug zu bemerken. Die Bahnlinie hat bei Bertsdorf außerdem non beiden Seiten her ein starkes Gefälle, und so mag es wohl geschehen sein, daß die beiden Züge in voller Fahrgeschwindigkeit aufeinanderfuhren, obwohl die Führer der beiden Lokomotiven im letzten Augenbick stark bremsten und Gegendampf gaben. Nach dem Zusamwen- toß bot sich ein entsetzlicher Anblick dar. Die leiden gegeneinander gerannten Maschinen „Lausche" und „Töpfer" und die ineinander- geschobenen Wagen boten ein Bild der Ver wüstung. In das schnaufende Geräusch der Lokomotiven mischten sich das Jammern und die Hilferufe der Verwundeten. Während der Lokomotivführer des Leerzuges, Bobe aus Bertsdorf, schwere Verletzungen erlitten hatte, war Lokomotivführer Funke von dem dicht be setzten Oybiner Zuge auf den Bahndamm ge schleudert worden und fast unverletzt geblieben. Von der Lokomotive „Töpfer" war der Schorn stein abgebrochen; die in Mitleidenschaft ge zogenen Wagen waren in der Weise beschädigt, daß bei sämtlichen die vorderen und Hinteren Plattformen, teilweise auch die Wände ein gedrückt und Bänke und Scheiben demoliert wurden. Die Zahl der erheblich Verletzten beträgt 13: außerdem sind noch viele weniger bedeutende Verletzungen, Verstauchungen usw. zu verzeichnen. Die schwer Verunglückten che- fanden sich sämtlich auf der Hinteren Plattform des ersten und der vorderen Plattform des zweiten Wagens. Die Pastagiere im Innern der Wagen sind glimpflicher davongekommen. Die Nettungsarbeiten wurden alsbald eingeleitet und galt es zunächst, die auf den Plattformen Eingeklemmten aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien. Die Verwundeten wurden zunächst auf der Bahnböschung am Waldrande gebettet und nach Anlegung von Notverbänden nach Zittau überführt. Abends */, 8 Uhr war die Strecke wieder frei, so daß der Betrieb zwischen Bertsdorf und Oybin wieder ausgenommen werden konnte. Ebersbach. Eine rohe Tierquälerei ließ sich dieser Tage der bei einem Viehhändler in Stellung befindliche Viehtreiber Kiebscher zu Schulden kommen. Derselbe hatte im Auftrage seines Herrn in Herrnhut eine Kuh abgeholt die er nach Niederkunnersdorf transportieren sollte. Da die Kuh schlecht lief, hat dieser rohe Mensch das arme Tier mit einem Weichsel stocke fortgesetzt derart geschlagen, daß es in Oberkunnersdorf eingestellt und sofort geschlachtet werden mußte. Der Fleischbeschauer stellte fest daß der Schwanz des gequälten Tieres zwei mal gebrochen und ein Teil des Fleisches in folge der Mißhandlung ungenießbar war. Eins empfindliche Bestrafung des rohen Gesellen dürfte nicht ausbleiben. Strehla. Der hier gegenwärtig im Flußbett der Elbe freiliegende sogenannte Hungerstein soll gesprengt werden. Verschiedene siesige Einwohner, die ihren Namen in diesen Stein meißeln ließen, sehen seine Vernichtung nicht gern. Leisnig. In dem Papierwarengeschäft der Witwe W. ward im Frühjahr eine Durchsuchung der Geschäftsräume vorgenommen und der Geschäftsführer Sitlinger, welcher bei der Durchsuchung nicht anwesend war, behauptete dann in einem Schreiben an das Justiz ministerium und die Kgl. Staatsanwaltschaft, daß die beiden suchenden Referendare nicht nur Karten, und Kuverts zerrissen, sondern 'ich auch noch die Taschen damit gefüllt hätten. Tittinger wurde wegen Beleidigung unter Anklage gestellt und zu zwei Monaten Ge fängnis verurteilt. Döbeln. Mittwoch Abend in der 6. Stunde kürzte beim Spielen am Wehr beim Schloßberg las 1^/2 jährige Söhnchen des Bittorfschen Ehepaares in die Mulde. Trotzdem schnell Hilfe zur Stelle war, konnte das Kind leider nur tot aus dem Master gezogen werden. Ottenhain. Bei der Erntearbeit am Freitag vor acht Tagen wurde Frau Zimmer meister Spür durch einen Fliegeustich am rechten Oberarme verletzt. Obwohl sofort mehrere Aerzte hinzugezogen worden waren, muß;e dis Unglückliche infolge Blutvergiftung unter schrecklichen Schmerzen am vergangenen Sonnabend ihr Leben aushauchen. Dörnthal. Der hiesige Restaurateur R. vergaß sich am Sonnabend so weit, daß er den )ei ihm zur Pfändung anwesenden Vollstreckungs beamten anfaßte und zur Tür hinaus warf, um ihn auf dem Hose noch mit einem Stock zu bearbeiten. Nur mit Hilfe der Gendarmerie und Polizei war es möglich, den renitenten Menschen festzunehmen und dem Amtsgericht zuzuführen. Leipzig. Die neuen Aerzte der Orts krankenkasse, das heißt die von ihr angestellten Dfftiiktsärzte, haben einstimmig beschlosten, den von der Kreishauptmannschaft vorgelegten Sondervertrag anzunehmen. Sie verzichten bis auf weiteres auf ihre Beamteneigenschaft als festangestellte Distriktsärzte, beziehen bis zum Ablauf ihres ersten Vertragsjahres ihren fixierten Jchresgehalt von 6000 Mark weiter, lasten sich aber das, was sie an der Familienbehandlung verdienen, darauf anrechnen. Es gibt also äo kaoto keine Distriktsärzte mehr. Die staatliche Oberaufsichtsbehörde verlangt von den bisherigen Distriktsärzten und das ist wesentlich nicht einen prinzipiellen, sondern einen taktischen gewissermaßen provisorischen Verzicht und der Beamtenvertrag soll sofort wieder in Kraft treten, wenn das die freie Arztwahl einführende Dekret der Kreishauptmannschaft vom 7. Mai aufgehoben werden sollte. Annaberg. Von der ca. 20 Meter hohen eisernen Eisenbahnbrücke im sogenannten „Grund" auf der Strecke Chemnitz-Annaberg stürzte sich am Sonntag Abend ein 24 jähriger Kartonagenarbeiter herunter. Der Unglückliche, der seit einigen Tagen Witwer ist, war über den Tod seiner Ehefrau tiefsinnig geworden. Er erlitt eine Gehirnerschütterung und Rückgrat verstauchung neben schweren äußeren Ver letzungen. Lübbenau. Durch die gewaltige Dürre wird der Grund des Spreewaldbodens er schlossen. Dinge, die sonst nie beobachtet wurden, treten jetzt zu tage. Schon längst wurde erzählt, daß im Spreewalde auch Sumpf schildkröten wohnen. Seit langer Zeit aber ist es nicht geglückt, ein Exemplar zu erbeuten. Vor einigen Wochen wurde eine solche Schild kröte gesunden. Sie hat nur die Größe eines Talers und scheint doch ein altes ausgewachsenes Exemplar zu sein. Das Tier ist mittlerweise eingegangen. Auch Riesenwasterschnecken treten jetzt in ihren großen Muscheln zu Lage, wie sie noch niemals hier gesehen worden sind.