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Ottendor itimß. Vie „Ottendorfer Zeitung" -rscheint v-enstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen z,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inserat bi, vormittag >o Uhr. Inserate werden w't ,o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 78. Freitag, den 1. Juli 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Dkrilla, zo. Juni 1904. Nächsten Sonntag, den 3. Jnli, findet auf dem Uebungsplatze vor dem Hanta'schen Gasthofe eine gemeinschaftliche Uebung der Freiwilligen- und Pfl-cht-Feuerwehr statt. Mannschaften der Pflichtfeuerwehr, welche ohne genügende Entschuldigung den Uebungen fern bleiben, haben ihre Bestrafung zu erwarten. — Ein zeitungs loses Vierteljahr sind für manche Leute die Monate Juli, August und September, weil sie meinen, im Sommer stände ja doch nicht viel neues im Blatte und deshalb brauchten sie auch während der kommenden sommerlichen Wochen keine Zeitung zu lesen. Das ist eine grundfalsche Meinung. Die Ereignisse auf dem Welttheater kümmern sich nicht darum, ob cs Sommer oder Winter ist, die folgen einander ununterbrochen zu jeder Zeit und besonders in der gegenwärtigen, wo es in Ostasien Krieg gibt und es in Deutsch- SüdwFtafrika gilt, den Aufstand der Hereros niederzuwerfen, wo in der innern und äußeren Politik Deutschlands und anderer Reiche große Fragen auf der Tagesordnung stehen und wo auch auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiete ein jeder Tag etwas neues bringt. Wenn darum die schönen Sommertage auch noch so verlockend sind zum Spazierengehen und wenn sie für manche Berufsklassen auch erhöhte Arbeit bringen, zum Zeitungslcsen Hut jedermann ein Viertelstündchen übrig, und sei er noch so sehr beschäftigt. Will und muß er ja außer den politischen Begebenheiten auch die Vorkommnisse in der engeren Heimat verfolgen, denen gerade in der „Ottendorfer Zeitung" die größte Auf merksamkeit gewidmet wird. Bestelle also jeder, der die Erneuerung des Zeitungsabonnementö verzögert oder versäumt, sofort die „Ottendorfer Zeitung" auf das 3. Quartal 1904! — Wenn der Roscnmonat Juni sich ent fernt, so wirft er scheidend seinen Rosenflor, diesmal sogar den eigentlichen Löwenanteil, seinem ihm folgenden Kollegen, dem Kirschen monat Juli, zu. Die Heuernte, die im Ge birge vielfach in den Juli fällt, ist in der hiesigen Pflege fast beendet, ja man hat teil weise schon mit dem Getreideschnitt begonnen, aber die eigentliche Erntezeit wird auch für die hiesige Gegend der kommende Monat bilden. — Einen ziemlich regnerischen Juli wenigstens im ersten und letzten Drittel des Monats haben wir nach Otto Falb zu ge wärtigen. Der 13. wird von ihm als kritischer Termin 1-, der 27. als ein solcher 3. Ordnung bezeichnet- — Der am 18. d. M. vormittags aus der Königlichen Landesanstalt Colditz entwichene gefährliche Geisteskranke Ernst Paul Wagler, der schon in Priestewitz inhaftiert worden sein sollte, hat sich in derselben Nacht in der 11- Stunde bis andern Tages früh gegen 3 Uhr in Mildenau bei Annaberg (ca. 1 Stunde von der böhmischen Grenze) bei seiner Schwester, der Fabrikarbeitersehefrau Christiane Bachmann, geb. Wagler, aufgehalten. Der Entwichene hat sich dort umgckleidet und ist flüchtig, angeblich nach der Schweiz. Er trägt jetzt dunkeln Jucketanzug, grauen welchen Filzhut und Hausschuhe. — Von jetzt ab führen die Stationen Dahlen an der Linie Leipzig —Riesa—Dresden und Lengenfeld an der Linie Zwickau—Falken- stein—Oefsnitz i. V. die näheren Bezeichnungen: Dahlen (Lachsen) und Lengenfeld (im Vogt lande). - Wiederbeginn der Jagd. Nach längerer Pause beginnt am i. Juli, auch in Sachsen wieder die Jagd, und zwar vorläufig die so genannte hohe Jagd, die sich auf männliches Edel- und Dairmwild, sowie auf Rehböcke und wilde Euien erstreckt In Preußen, wo Reh bücke schon seit zwei Monaten erlegt werden dürfen, beginnt am 1. Juli ebenfalls die Jagd auf männliches Not- und Dammwild, sowie auf Wildenten, außerdem dürfen in Preußen nun auch Trappen, wilde Schwäne und Schöpfen geschossen werden. In Oesterreich, wo Rehböcke auch schon seit dem 1- Mai ab geschossen werden können, dürfen vom 1. Juli an jagdbar ist. — 'Bahnhofsbriefe. Auf die in den Kreisen der Geschäftswelt wenig und beim Publikum fast gar nicht bekannte postalische Einrichtung der Bahnhofsbriefe aufmerksam zu machen, dürfte besonders jetzt zur Reisezeit angebracht sein. Während sonst nur Zeitungen und Berichterstatter von diesen, seit 9. Mai 1889 im deutschen Reichöpostgebict zugelassenen Bahnhofsbriefen Gebrauch machen, dürften auch Geschäftsinhaber, Fabrik- und Bankdirektoren, besonders bei längerer Abwesenheit vom Ge schäfte, davon Nutzen und Vorteil ziehen können, wenn ihnen daran liegt, wichtige geschäftliche Nachrichten mit einem bestimmten Zuge und sicher zu erhalten oder ebenso dem Geschäfte mitzuteilen. Wünscht ein Empfänger Briefe von einem bestimmenden Eisenbahn- Postzuges in Empfang zu nehmen, so erhält er nach Anmeldung bei der Postanstalt seines Wohnortes ein Ausschreiben ausgehändigt, das er jedesmal bei Abholung am Bahnpostwagen vorzeigen muß. Für einen solchen Bahnhofs brief ist nach K 23 der Postordnung vom 20. März 1900 pro Kalendermonat 12 Mark oder pro Woche oder für einen Teil derselben 4 Mark besondere Gebühr im voraus zu zahlen. Der Empfänger muß sich vorher mit dem Ab sender verständigen, daß dieser den Brief stets zu demselben Zug ausliefert. Der Bahnhofs brief darf nicht über 250 Gramm schwer, muß ferner stets vom Absender frankiert sein und außerdem mit breitem rotem Rande und mit der Bezeichnung „Bahnhofsbrief" in großen Buchstaben und auf der Rückseite mit der An gabe des Absenders versehen sein. Am Zuge nicht rechtzeitig abgeholte Bahnhossbricfe werden dem Empfänger sofort gegen die Eilbotengebühr durch besonderen Boten bestellt. Einschreibung ist bei den Bahnhossbriefen nicht zugclassen. Da diese Briefe aber stets in das Bund ver packt werden, das die Einschreibbriefe enthält und nicht in die gewöhnlichen Briefpostbunde, so ist für die Bahnhofsbriefe hinreichend Sicherheit für pünktliche Ankunft geschaffen, auch werden sie von den Bahnposten lose an den die Ladung übernehmenden Beamten oder Unterbeamten der Bestimmung-Postanstalt ab gegeben, von der sie der Empfänger abzufordern hat. Dieselbe Einrichtung ist auch im internen österreichischen Postverkehr getroffen, wo die Gebühr 10 Kronen für den Kalendermonat oder einen Teil desselben beträgt. Dresden. An der Ecke der Pfotenhauer und Fritz Reuter-Straße versuchte sich eine Fran mittelst Karbolsäure zu vergiften. Schwerverletzt wurde sie in das Stadtkranken haus gebracht. Ihr Zustand ist hoffnungslos- — Der bis zum Freitag dauernde Xll. Bundestag deutscher Gastwirte nahm am Montag hierselbst unter dem Ehren präsidium des Herrn Oberbürgermeister Geh. Finanzrat a. D. Beutler seinen Anfang. — Oberhalb der Albertbrücke ist am Montag nachmittag ein 34 Jahre alter Arbeiter von einem Kohlenkahne aus in die Elbe gefallen und ertrunken. Er ist etwa 1,70 na groß, hat dunkelblondes Haar, kleine Glatze, blonden Schnurrbart, vollständige Zähne und auf einer Achsel eine uugefähr 10 em lange Narbe. Bekleidet ist er mV schwarzem, abgetragenem Kammgarnjackett, Hose und Weste vom gleichem Ltoff, weiß und blau gestreiftem leinenem Hemd, grauwollenen Socken und Scgeltuch- schuhen. Königsbrück. Nach beendeten Hebungen kehrten die hier weilenden Mannschaften des Infanterie-Regiments Nr. 103 nach ihrer Garnison Bautzen zurück. Der Sonderzug, mit dem die Beförderung erfolgte, verließ den hiesigen Bahnhof nachm. 5 Uhr 17 Minuten und traf gegen einviertel 9 Uhr abends in Bautzen ein. Kleinzschachwitz. Im Hausgrundstück des Produktenhändlers Jähnichen, Laubegaster Straße hier, entstand gestern vormittag unter dem Dache ein umfangreiches Feuer, welches größeren Schaden anrichtete und erst nach zweistündiger Tätigkeit der Feuerwehren gelöscht werden konnte. Radebeul. Die geplante Vereinigung der Gemeinden Radebeul und Serkowitz ist am Montag in der im Rathaus hier abgehaltenen gemeinschaftlichen Sitzung beider Gemeinderäte endgültig abgelehnt worden und zwar auf An trag der Gemeinde Serkowitz. Meißen. Die Weinblüte geht ihrem Ende entgegen. Sie war im großen und ganzen vom besten Wetter begünstigt und nahm den so notwendigen raschen Verlauf. Die Made, eine arge Feindin des Winzers, tritt nur spärlich auf. Alles in allem genommen sind die Aussichten auf einen guten Herbst sehr gute. Die Stöcke, besonders aber die Spaliere, zeigen Kuen reichen Traubenanhang. Insonderheit ist es der blaue Burgunder, der einen großen Traubensegen verspricht. In den alten und berühmten Weingelände des SparrgebirgeS, Has auch toristisch des Besuches wert ist, verspricht dieses Jahr ein besonders guter Tropfen zu reifen. — Beim ersten Taufgottesdienste in der neuen Lutherkirche kam Jordanwasser zur Verwendung, das der Oberlehrer sm. Acker mann. früher Organist der hiesigen Frauen kirche, bei seiner diesjährigen Orientreise eigen händig an der traditionellen Taufstelle im Jordan geschöpft hat. Oschatz. Durch eine bedeutende Feuerbrunst ist gestern in den ersten Morgenstunden die Roßbergsche Mahlmühle im benachbarten Mann schatz eingeäschert worden. Gegen 3 Uhr früh brach vermutlich durch Selbstentzündung das Feuer auö und teilte sich dem ganzen Gebäude mit, das auch die Wohnung des Besitzers, sowie dessen Restaurationslokal umfaßte. Nur mit knapper Mühe gelang es dem Müller, den in der Mühle schlafenden Mühlknappen aus dem brennenden Gebäude zu retten. In der Mühle sind SO Sack fremdes und eignes Getreide verbrannt und die ganze maschinelle Anlage ist zerstört. Dippoldiswalde. Die hiesigen Bau arbeiter nahmen nach dreiwöchigem Ausstande die Arbeit wieder auf. Der Streik ist für sie ergebnislos verlaufen. Löbau. In der Nacht vom Sonntag zum Montag wurde ein Maurer auf dem Nachhause wege vom Gasthof Großdehsa von zwei Knechten angefallen, schwer mißhandelt und seines Geldes und der Uhr beraubt. Es gelang der Gen darmerie, die Täter bald darauf zu verhaften. Zittau. Eine öffentliche Maurerversammlung beschloß, den Maurerstreik nach annähernd 5 wöchiger Dauer zu beenden. Die Unter nehmer haben sich auf Verhandlungen nicht eingelassen und auch keinerlei Zugeständnisse gemacht. — Bei dem abends 9 Uhr 52 Minuten von hier nach Görlitz verkehrenden Personenzug hatte am Dienstag ein Passagier Franz Lucas aus Görlitz das Unglück, von der Plattform eines Personenwagens IV. Klasse herabzustürzen und dabei den linken Unterschenkel zu brechen. Olbersdorf. Unter Vergiftungs-Er scheinungen sind hier in einer Familie drei Kinder im Alter von M/z, 3^/, und 9 Jahren erkrankt. Bei den Kindern trat ein die Körperkräfle aufs äußerste erschöpfender Durch fall auf in Verbindung mit hohem Fieber und Krampfanfällen. Der Vater der Minder fühlte sich gleichfalls unwohl und schwach, während die Mutter von den Krankheitserscheinungen verschont geblieben ist. Zurückgeführt wird dieser Fall von Vergiftung allein auf den Ge nuß von Wurst, von der alle gegessen haben, bis auf die Mutter, die nur sehr wenig von der Wurst genossen hatte. Tharandt. Das neben dem hiesigen Kalk werke auf der Höhe gelegene Gebäude, genannt Kuckuck, steht in Gefahr, zu versinken. Rings um das Grundstück sind Warnungstafeln auf gestellt, die besagen, daß das Grundstück nur unter Lebensgefahr betreten werden kann. Der Abbau des im Tal liegenden Kalkwerks erstreckt sich weit in die Talwendung hinein, und es wäre nicht ausgeschlossen, daß dort eine Pinge entstünde. Die Bewohner des Grundstücks stehen beständig auf dem Sprunge, wie ein Haufen unter dem freiem Himmel, lagernde» Hausgerät beweist. Wenn auch der Abbau de» Kalkwerks nicht bis unter die Gebäude reicht, so würde doch ein Einsturz ringsum «ine größere Fläche Landes nach sich ziehen. Leipzig. Eine Versammlung von 600 strei kenden Klempnergehilfen verwarf die vom Gewerbegerichte gemachten Einigungsvorschage als nicht weit genug gehend, beauftragte aber die Lohnkommission, nochmals mit der Innung in Verhandlungen einzutreten. Crottendorf. Die Erregung der hiesigen Bewohner und auch der angrenzenden Orte ist noch genau dieselbe, wie sie in den Tagen der Bluttat war. Das Bewußtsein, daß sich der ruchlose Mörder noch auf freiem Fuße be findet, bedrückt wie ein Alb alle Gemüter. Viele Leute wollen den Mörder gesehen haben. Aber vielen Aussagen darf man keinen Glauben schenk n, weil sie sicherlich nur das Produkt einer überreizten Phantasie sind. Es ist wohl mit Bestimmtheit anzunehmen, daß der Mörder unstät und flüchtig in der dortigen Gegend umherirrt. Kinder erzählen, daß ihnen in der Gegend von Nitzschhammer ein Mann mit schwarzen Barte begegnet sei, der sie gebeten habe ihm ein Brot zu besorgen. Als sie dies getan hätten, hätte er ihnen Geld gegeben. Man vermutet in diesem Manne den Mörder und meint, daß sich dieser in Verkleidung be finde. Zwickau. Im hiesigen Mühlgraben wurde am 27. d. M- abends die 70jährige Weichen- wäaterswitwe Neupert tot aufgefunden. Sie war in Schedewitz beim Wäschespülen in den Mühlgraben gefallen und ertrunken. Thonbrunn. Auf einem Felde an der böhmischen Grenze im Vogtlands wurde die 57 Jahre alte Bauersfrau Hochberger von einem Manne überfallen, zu Boden geworfen, gewürgt, geknebelt und schließlich mit dem Messer bedroht. Die Frau, welche sich ver zweifelt gegen die Absichten des Verbrechers wehrte, rang mit diesem fast eine Viertelstunde lang. Dann entfloh schließlich der Strolch. Die Gendarmerie forschte ihn jedoch aus und verhaftete ihn. Er ist der 40 Jahre alte Violinbogenmacher Fritz Penzel aus Kleedorf in Sachsen und ein Bruder des Raubmörders Penzel, der am 4. April 1893 im sogen. Dörfelholze bei Adorf den Bogenmacher E. L. Penzel erschoß und beraubte, deshalb zum Tode verurteilt wurde, sich aber in der Zelle selbst erhängte. Penzel, in dessen Be sitze bei seiner Verhaftung «in Rasiermesser und eine lange Scheere vorgefunden wurden, ist Vater von sieben unmündigen Kindern. Er war arbeitsscheu, und seine Frau muß durch Waschen das Nötigste für die große Familie verdienen. Plauen. Die Eröffnung der Angebote für den Straßenneubau Plauen-Straßberg-Tobertitz ist am Montag vormittag erfolgt. Der billigste Bewerber schloß mit 116 916 Mk. 85 Pfg., der teuerste mit 417213 Mk. 45 Pfg. ab. Der Unterschied in dem geforderten höchsten und niedrigsten Preis beträgt demnach über 300 000 Mk. Oberwiesenthal. Im angrenzenden Böhmisch - Wiesenthal sind in der Nähe der Zolleinnahme 9 Wohnhäuser abgebrannt. 20 Familien sind dadurch obdachlos geworden.