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politische Kuncilckau. Der rusfisch-japanische Krieg. * Alexejew berichtet nach Petersburg, daß laut Berichten, die aus Port Arthur bis zum 14. d. eingingen, die Ausbesserungs arbeiten an den Schiffen sehr erfolg reich beendet worden sind. Alle Kommandanten haben bei den tatkräftig geleiteten Ausbesserungs arbeiten ausgezeichnete Umsicht bewiesen. Der Gesundheitszustand aller Mannschaften des Ge schwaders ist „äußerst befriedigend". * Das Schicksal der Truppen StaSel be r g s scheint noch nicht ganz entschieden zu sein. Sie suchen sich nach ihrer schweren Niederlage wieder auf das Gros der russischen Armee zurückzuziehen, wohin ihnen aber von den Japanern der Weg verlegt ist. Kuro- patkin hat nun eine neue Abteilung entsandt, um Stackelberg herauszuhauen. Vor Port Arthur nichts Neues. * Das Wladiwostok-Geschwader, aus drei Kreuzern bestehend, ist nicht unter Admiral Skrydlow, sondern unter Admiral Besobrasow ausgelaufen und beabsichtigte nur die Vernichtung japanischerTrans- Porte, was ja gelungen ist. Eine Vereini gung mit der Flotte von Port Arthur soll nicht geplant gewesen sein. Der Kreuzer „Äogatyr" ist wieder flott gemacht, was als ein Verdienst des Admirals Skrydlow betrachtet wird. * Zu dem von der russischen Wladiwostok- Flotte verursachten Untergang der japanischen Transportdampfer wird noch gemeldet, daß sich sieben europäische Offiziere auf der „Sado-Maru" und der „Hitachi-Mam" befunden hätten; nur von einem einzigen, v. Ken, der auf der „Sado-Maru" war, wisse man, daß er mit dem Leben davongekommen sei. Deutschland. '"Nach Beendigung des Gordon - Bennett- Rennens hatte Kaiser Wilhelm den Prä sidenten Loubet telegraphisch beglück wünscht zu dem Siege, „den die französische Industrie soeben davongetragen hat". Loubet dankte in seiner Antwort für das liebens würdige Telegramm und für die G e s innun g, aus der es hervorgegangen ist. Der Erfolg der französischen Industrie konnte nicht besser ge würdigt werden, als von der deutschen Industrie, die vollkommen würdig war, ihn zu "klangen. (Schöne Worte hüben und drüben! Frankreich grollt deshalb doch weiter.) * Kaiser WiIh eIm hat an den deutschen Botschafer Frh. Speck v. Sternburg ein Tele gramm gerichtet, in dem er seiner tiefen Ergriffenheit über das schreckliche Unglück auf dem „General Slocum" Ausdruck gibt, und in dem er den Botschafter beauftragt, der betr. Gemeinde seine innigste Teilnahme auszusprechen. "Der Kolonialrat ist zum 1. Juli auf zwei Tage cinberufen worden. Ein Etat für Südwestafrika kann diesmal nicht vorgelegt werden. "Eine Eisenbahnkonferenz zur Beratung über weitere Vereinfachungen in der Leitung des Güterverkehrs tritt unter Teilnahme von Vertretern der Reichs-Eisen- bahnverwaltung und der einzelnen Bundes regierungen am 23. d. in Berlin zusammen. "Die bayrische Kammer der Reichsräte stimmte der Resolution der Abgeordneten kammer zu, worin die Staatsregierung ersucht wird, im Bundesrat dahin zu wirken, daß bald möglichst reichsgesetzliche Vorschriften nach Maßgabe des Reichsgesetzes über den Ver kehr mit Wein erlassen werden, die die Überwachung des Verkehrs mit Nahrungs- und Genußmitteln nach einheitlichen Grundsätzen regeln und besondere Landesbeamte hierfür bestellen. * Der von Oberst Leutwein kurz vor der Ankunft des Höchstkommandierenden in Deutsch- Südwestafrika, General Trotha, begonnene neue Feldzug gegen die Hereros hat eine unerwartete Wendung genommen. So kehrt auf Trothas Wunsch Oberst Leutwein nach Windhoek zurück. Mit den entscheidenden Schlägen soll erst begonnen werden, wenn auch die neu ein getroffenen Truppen operationsfähig sind. England. "Der Herzog von Norfolk setzt eifrig die Propaganda für die Aufhebung des religiösen Eides fort, den die englischen Souveräne bei ihrer Thronbesteigung abzulegen haben, weil darin eine gegen die katholische Religion gerichtete Klausel vorkommt. Sein in der Ersten Kammer eingebrachter Antrag, den erwähnten Eid derart abzuändern, daß er nichts Verletzendes für irgend eine religiöse Lehre ent halte und nicht die Gewissensfreiheit berühre, wird in der nächsten Zeit zur Verhandlung ge langen. sagt in seinem Telegramm, Bobrikows Name werde im Gedächtnis der wahren russischen Patrioten immer fortleben. Der Kriegsminister betont, die Armee habe in Bobrikow einen ibrer würdigsten Vertreter verloren, der als ein Opfer seiner Pflichterfüllung und seiner Hingebung an Kaiser und Vaterland ge fallen sei. Der Metropolit telegraphierte, alle russi schen Patrioten hätten Bobrikows Wirken in Finn land mit Bewunderung und glänzenden Hoffnungen verfolgt, er sei als wahrer Christ, Held und großer Bürger gestorben. Balkanstaaten. "Das Schlachtschiffgeschwader der Ver. Staaten, das bisher in Lissabon lag, soll dort durch das europäische Geschwader der Ver. Staaten verstärkt werden und sich n ach der Türkei begeben. Gleichzeitig wird der I^arte ru äen Kämpfen um äen Jalu-Übergang. Eine interessante Orientierungskarte zu der Schlacht am Jalu veröffentlichen wir heute. Der Erfolg, den General Kuroki hier zu verzeichnen hatte, wurde ihm hauptsächlich durch seine zahlreiche in vorzüglicher Stellung befindliche Artillerie ermöglicht. Auf unserer Karte fällt sofort die mächtige japanische Hauptartilleriestellung auf, von wo aus die Russen mit einem wahren Eisenhagel überschüttet wurden. Am empfindlichsten für sie Russen war aber das Feuer der japanischen Haubitzen, die auf der Insel Osakito zur Aufstellung gelangt waren. Zu der Insel Osakito war eine Pionier ¬ brücke geschlagen worden, ebenso nach der Insel Kurito, wo sich ebenfalls japanische Artillerie befand. Nach der Vorarbeit der russischen Artillerie gingen bekanntlich die 2. und die Gardeviviston über die Tigerkopfinse! zum Frontalangriff vor, während der Flankenstoß der japanischen 12. Division die Russen zum Aufgeben ihrer festen Stellung bet Chiliunchang zwang. Die Stelle des Übergangs über den Jalu wurde von den Japanern vorzüglich gewählt. Die Aufgabe, die ihnen in dieser Schlacht gegeben war, wurde auf das glanzvollste ausgeführt. Italien. "Auf eine Äußerung des Generals Pelloux in der Kammer, Italien werde den Änderungen der politischen Lage entsprechend sein Kriegs- budget erweitern müssen, erklärte der Kriegsminister Pedotti, Italien habe in den letzten fünf Jahren seine politische Stellung so gesichert und verstärkt, daß eS nicht nötig habe, den Rüstungstendenzen der anderen Mächte zu folgen! Die Regierung werde unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf keinen Fall vom Parlament irgend eine Vermehrung der Ausgaben für das Kriegs budget fordern. Spanien. "Die Deputiertenkammer hat nach mehr wöchiger Beratung die Branntweinsteuer- Vorlage angenommen. (Ministerpräsi dent Maura hatte seinerzeit die Kabinettssrage stellen müssen, um seine Freunde zu den größten Anstrengungen für die Durchdringung, der Vor lage zu bewegen.) Rußland. "ScharfeMaßnahmen gegen Finn land fordert anläßlich der Ermordung des General-Gouverneurs Bobrikow der Teil der russischen Presse, dem offiziöse Verbindungen nachgesagt werden. Der größte Teil der Presse enthält sich kritischen Äußerungen. Die ,Nowoje Wremja' meint, das Attentat sei eine Folge der wohlwollenden (!) russischen Verwaltung. * Der WitweBobrikows find Beileids telegramme vom Zaren und Mitgliedern des Kaiserhauses, ferner vom Kriegsminister und dem Metropolitan Antonius zugegangen. Kaiser Nikolaus amerikanische Gesandte in Konstantinopel von neuem nachdrückliche Verhandlung eu mit der Pforte einleiten, um den Amerikanern die gleichen Rechte zu sichern, die einige bevorzugte europäische Nationen genießen. "Eine einstündige Zusammenkunft des Königs von Serbien mit dem Fürsten von Bulgarien, der inkognito durch Belgrad durch reiste, fand am 18. d. auf dem Bahnhofe statt. Ministerpräsident Paschitsch wohnte der Zu sammenkunft bei. Das Abgeordnetenhaus beschäftigte sich in der Sitzung vom 18. d. mit Wahlprüsunaen. Debatten knüpften sich an die Wahl der Abgg. Bartling (nat.- lib.) Wiesbaden und der drei Abgg. für Danzig. Die Wahl des Herrn Bartling wurde trotz Wider spruchs seines Fraktionskollegen Dr. Sattler für ungültig erklärt, die Danziger Wahlen noch von der Tagesordnung abgesetzt. Am Diontag erledigte das Abgeordnetenhaus in zweiter Beratung die Gesetzentwürfe betr. die Ver besserung der Vorflut in der unteren Oder, Havel und Spree, sowie betr. Maßnahmen zur Verhütung von Hochwassergefahren in der Provinz Brandenburg und im Havelgebiet der Provinz Sachsen. Der Gesetzentwurf betr. die Verschärfung der Strafen gegen das Spiel in außerpreußischen Lotterien wurde in dritter Lesung angenommen, ebenso in zweiter Lesung die Vorlage betr. Erhöhung deS Grundkapitals der Ssehandlung. In zweite? Lesung wurde der in Form eines Gesetzentwurfs einge brachte Antrag des Abg. Arendt bett, die Gewährung von Beihilfen an ehemalige Angehörige deS preußi schen Heeres und der Marine, die am Kriege gegen Dänemark teilgenommen haben, angenommen. Der Regierung!Vertreter verhielt sich ablehnend mit dem Hinweis darauf, daß die Versorgung von Veteranen Reichssache sei. Tnr bntftebungsgelckickte äes Oreibunäes ist eine Eintragung ans den in den ,Grenz boten' veröffentlichten Tagebüchern des ver storbenen Kultusministers Bosse bemerkenswert: 30. September (1879). Graf Stolberg reist morgen nach Baden-Baden zum Kaiser. Er teilt mir mit, daß zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler eine fundamentale Differenz über die in der auswärtigen Politik einzuschlagenden Wege obwaltet. Bismarck ist soeben in Wien gewesen und hat dort ohne Zweifel mit Öster reich einen förmlichen Allianzvertrag geschlossen, dessen Spitze unter Umständen gegen Rußland gerichtet ist. Graf Stolberg nannte mir den Punkt der Differenz nicht, aber es liegt sehr nahe, daß der Kaiser das Vorgehen Bismarcks gegen Rußland nicht billigt. Ist er doch zur Zusammenkunft mit Kaiser Alexander nach Alexandrows gegangen. Die Differenz ist so scharf, daß Bismarck erklärt hat, er könne die Geschäfte nicht weiter führen, wenn der Kaiser ihm nicht zustimme, da sonst die gesamte Rich tung unsrer auswärtigen Politik zum Nachteil des Landes verschoben werde. Graf Stolberg sagt mir, er stimme dem Kanzler vollständig zu und werde eventuell mit ihm abgehn und dann, wie er glaube, das ganze Ministerium. Der Kaiser hat erklärt, er könne nicht nachgeben, aber er wolle, um den Fürsten Bismarck im Amte zu erhalten, abdizieren. Auch das hält Bismarck sür unzulässig, da auch dadurch unsre ganze politische Stellung nach außen (wohl durch die persönlichen Beziehungen oder An schauungen des Kronprinzen) verschoben werde. Welche Krists! Niemand ahnt bis jetzt etwas davon. Graf Stolberg, der schon vor 14 Tagen den Kaiser in einem andern Punkte zum Nach geben gegen Bismarck bestimmt hat, soll nun in Baden-Baden versuchen, den Kaiser umzustimmen. Es ist bekannt, daß der Kaiser sich mit schwerem Herzen fügte. Unter dem 11. Oktober verzeichnet Bosse: „Der Bündnisvertrag mit Österreich ist unterschrieben." Von uncl fern. Der Charlottenburger Leichenfund aufgeklärt. Endlich ist es geglückt, das Ge heimnis zu enthüllen, daS sich hinter einem Leichenfund barg, der vor einigen Wochen im Schiffahrtskanal bei Charlottenburg gemacht worden war. Es liegt nicht ein Mord, sondern ein Verbrechen gegen das keimende Leben vor. Die Obduktion des Rumpfes ergab noch Spuren für ein derartiges Verbrechen. Die Ermitte lungen führten dahin, daß der Masseur Köhler aus der Stephanstraße der Tat verdächtig er schien. Köhler verschwand gleich nach dem Ausfinden der Leiche und wandte sich nach Basel. Die Kriminalpolizei folgte seinen Spuren und verhaftete ihn am 18. d. in seiner Wohnung in Berlin, nachdem er wegen Mittellosigkeit zurück gekehrt war. Bald nach seiner Verhaftung legte er ein Geständnis ab. Frau Radatus, so heißt sein Opfer, starb ihm, als er seine ver botenen Mittel anwandte, unter den Händen. In seiner Angst zerstückelte er nun die Leiche und schaffte sie sofort weg; acht Stunden nach dem Tode wurde die Leiche im Kanal gefunden. Den Kopf und die Gliedmaßen will er verbrannt haben. Ei« Faustkampf Thery-Jenatzy. Beim Zurückwiegen der am Gordon-Bennet-Rennen beteiligten Wagen kam es zu einem peinlichen Zwischenfalls zwischen dem Sieger Thöry und dem unterlegenen Jenatzy. Der Franzose sand es nicht unter seiner Würde, den so ehrenvoll unterlegenen Gegner durch hämiiche Bemerkungen zu reizen. Jenatzy blieb natürlich nicht die Antwort schuldig, ein Wort gab das andre, und ehe man es verhindern konnte, waren die beiden Gegner aufeinander losgestürzt und be arbeiteten sich mit den Fäusten. Nur mit Mühe gelang es den anwesenden Mitgliedern des Deutschen Automobilklubs, die beiden vonein ander zu trennen. U Auf Aukmesköken. 10s Erzählung von F. Stöckert. „Oft wirkt das Glück auch erschlaffend auf die geistigen Kräfte," erwiderte Berko. „Nicht immer, denke an Goethe, dem alle Sonnen des Lebens gelächelt!" „Allerdings, es gibt eine künstlerische Größe, die hoch über Erdenleid und Erdenglück empor ragt; solche wirklich großen Menschen stehen eben aus einer Höhe, an die nur wenige Sterbliche hinanreichen." „Es gibt auch eine Höhe des Glücks!" rief Hoff. „O könnte man nur einmal droben stehen, und dürste sich sagen: Du hast das Höchste und Schönste erreicht an Erdenglück!" Elvira erblaßte und sie bedurfte ihrer ganzen Selbstbeherrschung, um nicht in Tränen aus zubrechen. Mußte sie sich doch sagen, daß die Sehnsucht nach Glück, die da in den Augen ihres Bräutigams leuchtete, nicht ihr galt. Ach und dabei war Hoff ihr noch nie so hinreißend schön erschienen wie an dem heutigen Abend. Die elementare Gewalt einer edeln Leidenschaft, wenn sie eines Menschen ganzes Sein erfaßt, hat stets etwas Fesselndes und Interessantes, weil sie eben nichts Alltägliches ist. Wie eine seltsame Blume voll glühender Farbenpracht blüht sie stets einsam, in einer Welt, wo der Materialismus überall sein Zepter schwingt. Der Kommerzienrat bat Hanna jetzt um ein Lied. „Elvira hat mir vermten, daß Sie fingen," sagte er; „vielleicht versuchen Sie auch später einmal die Lieder, die meine selige Frau gesungen hat, sie hatte eine so sanfte, liebliche Stimme." Lucie sah ihre Freundin Elvira bedeutungs voll an bei diesen Worten, während sich Hanna langsam erhob; wie eine Träumende ging sie nach dem Flügel und griff nach einem der zerstreut liegenden Notenhefte. Es war das berühmte Rubinsteinsche Lied „Vom Stamm der Asra", das sie jetzt aufschlug. Einen Moment stutzte sie, dann setzte ste mit voller Stimme ein. Hoff hatte die Hand vor die Augen gelegt, das kleine Lied klang so tieftraurig in sein erregtes Inneres hinein; und als jetzt die letzten Strophen mit den Worten: „Die da sterben, weun ste lieben" verklangen, da war es ihm, als wollten sich bittere Tränen in seine Augen drängen. „Aber welch ein trauriges Lied, Fräulein Hanna!" rief der Kommerzienrat, „da müssen Sie notwendig noch ein heiteres singen." Er sprang auf und nahm ein Notenheft in die Hand. „Hier find heitere Lieder, Fräulein. Darf ich Ihnen mein Lieblingslied aufschlagen? So, nun bitte!" „Wach auf, du goldenes Morgenrot Und grüße meine Braut, Daß sie des Himmels Seligkeit In Rosenwölkchen schaut!" sang Hanna jetzt, aber ihr Herz hatte kein Teil an diesem jubelnden Gesang; wie Hohn erschien es ihr bei der Stelle, zu fingen: „Wie all mein Glück An diesem Tag In Rosen aufgeblüht." Der Kommerzienrat klatschte fröhlich Beifall. „Solch ein Lied laß ich mir gefallen!" rief er mit leuchtenden Augen. „Und euch- gefällt es gewiß auch," wandte er sich an Hoff und Elvira. Letztere hatte sich zärtlich an ihren Verlobten gelehnt. Dieser aber schaute ziemlich finster drein. Der Mann, der dieses jubelnde Lied gedichtet, mochte wohl auf der Höhe des Glücks gestanden haben, was vielleicht unter tausend Sterblichen einmal erst einem vergönnt ist. Hoff aber war Wohl noch weit, weit von diesem Ziele entfernt, und bezweifelte, daß er es je erreichte, als er jetzt zum Abschied Hannas Hand einen Moment in die seine nahm und seinen bangfragenden Blick so kalt und abweisend erwiderte. „Komm morgen vormittag einen Augenblick mit heran, Hans," bat Elvira, indem sie Hoff zärtlich „Gute Nacht" sagte. „Wie du befiehlst," erwiderte Hoff und ver ließ dann das Haus mit dem dumpfen Bewußt sein, daß alle seine Gedanken und Pläne in die Irre führten und nimmer hinauf zu den Höhen des Glücks. - „Die da sterben, wenn fie lieben," mur melte Hanna, als fie jetzt in ihr Zimmer trat. Bitterlich weinend warf fie sich dann auf einen Stuhl und vergrub das Gesicht in beide Hände. — Ach, war, was ste tun wollte, tun mußte, nicht tausendmal bitterer als sterben? Dort auf dem Tisch lag ein Brief ihrer Mutter, in dem es ihr als eine Pflicht hingestellt wurde, die Werbungen des Herrn Kommerzienrats nicht zurückzuweisen. Gott mochte wissen, woher fie zu Hause von der Absicht des Kommerzienrats erfahren hatten. Man schien sich wie an einen Rettungsanker an diese Ausficht zu klammern. „Und dein Herz ist ja frei, noch unberührt von Liebe und Leidenschaft!" schrieb ihr die Mutter. Wie seltsam diese Worte hineinklangen in Hannas gequältes, junges Herz. Wohl war es noch frei, und was da von Liebe hineingeleuchtet, das mußte das Licht des TageS scheuen und trieb ihr die heiße Scham röte ins Gesicht. Sie empfand voll und ganz die Wahrheit der Dichterworte: „O Lieb, wie bist du bitter — o Lieb, wie bist du süß!" — „Hanna! Bist du noch wach, darf ich Hinein kommen?" ertönte da plötzlich draußen vor der Tür Elviras Stimme. Hanna fuhr erschrocken auf, schnell wischte sie sich die Tränen aus den Augen und öffnete dann die Tür. Elvira in schleppendem dunkelroten Morgen- gewande und aufgelöstem Haar schwebte herein. „Ich habe Hans alles vergeben," begann fie jetzt mit etwas unsicherer Stimme, denn das blasse, verweinte Gesicht Hannas, ihre großen fragenden Augen schienen die kleine Intrigantin ein wenig zu verwirren; verlegen strich sie die Falten ihres Gewandes glatt, dann setzte sie sich und fuhr fort: „Auch dir, liebe Hanna, zürne ich nicht mehr!" Hanna warf den Kopf zurück. Hatte Elvira das Recht, ihr einen Vorwurf zu machen? Was konnte fie dafür, daß ihr Hoff den Hof machte? Aber würde Hoff es gewagt haben.