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Ottendorfer Zeitung : 22.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190406225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040622
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040622
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-06
- Tag 1904-06-22
-
Monat
1904-06
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.06.1904
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politische Aunälckau. Der rusfisch-japanische Krieg. * Über den Kampf um Port Arthur urteilt die neueste Nummer des .Deutschen Militär-Wochenblattes': Nach den bisherigen Erfahrungen wird die Beschießung von der Seeseite aus Port Arthur nur dann gefährlich werden, wenn die japanische Flotte sich ent schließt, die gut armierten, hochgelegenen Küstenwerke niederzukämpfen. 1894 hat die Flotte lediglich vor den Forts demonstriert und einen ernsten Kampf mit den schweren Küsten geschützen nicht ausgenommen. Daß das Feuer der japanischen Flotte den Belagerten trotzdem recht lästig werden kann, ist darum nicht aus geschlossen. Die Entscheidung über den Besitz von Port Arthur fällt auf der Land- feite. * Das Wladiwostokgeschwader, das nach Port Arthur wollte, aber mit den Japanern in einen Kamps geraten war, ist der japanischen Übermacht entkommen. * Japanischen Preßgerüchten zufolge hatte KurokisArmeeam Dienstag und Mittwoch ein blutiges Gefecht bei Tokuridji. Die Japaner blieben im Vorteil, ver loren aber 1000 Mann. Die Russen zogen sich zurück unter Zurücklassung vieler Ge schütze und der Regimentsfahne. * Die japanischen Transportschiffe „Sado-Maru" und „Hitachi-Maru" sind von den Russen beiTsuschina zumSinkengebracht worden. Man befürchtet einen großen Menschenverlust. 397 überlebende von dem letztgenannten Schiff find in Moji, 153 Mann von der „Sado-Maru" find in Kokura angekommen. Diese erklären, die Schiffe seien Lurch Torpedos zu Sinken gebracht. *über eine Schlacht beiFutschou, die bereits vor acht Tagen stattgefunden hat, besagen Privatmeldungen, den Russen seien sämtliche Feldgeschütze von den Japa nern genommen worden. Die russischen Streit kräfte, 7000 Mann stark, haben darauf am Sonntag den Rückzug nach Norden an getreten. — Futschou ist eine Eisenbahnstation südlich von Niutschwang. Eine Meldung des ,Reuterschen Bureaus' aus Tokio lamet: In dem Kampf bei Telissu, nordöstlich von Futschou, hatten die Russen 500 Tote; 300 wurden ge fangen genommen; ferner verloren sie vierzehn Kanonen. Der Verlust der Japaner beträgt 1000 Mann. * Die Begeisterung und Opferwillig- keit in Japan ist um so größer. Sehr reichlich fließen nach einem Briefe der ,Köln. Volksztg.' aus Tokio die Liebesgaben sowohl für die Streiter im Felde alS auch für ihre bedürftigen Angehörigen zu Hause. Das Ver halten des japanischen Volkes erinnert an die deutschenFreiheitskriege; denn auch nach seiner Ansicht handelt es sich in diesem Kriege um Sein oder Nichtsein. Daher ist es fest entschlossen, alles, Gut und Blut, für einen glücklichen Ausgang des Krieges einzusetzen. * * Deutschland. * Der Kaiser wohnte am Freitag in Hom burg dem Automobilrennen um den Gordon-Bennett-Preis bei und beglückwünschte den Sieger des Rennens, den Franzosen Thöry, persönlich; auch dem französischen Automobil klub, dem Thöry angehört, ging ein kaiserliches Gratulationstelegramm zu. * Anläßlich der Mittelmeerreise des Kaisers ging durch die Presse die Mitteilung, daß der Kaiser auf der ganzen Reise nur alkoholfreie Getränke zu sich genommen habe. Wie nun von gut unterrichteter Seite dazu mit geteilt wird, beruht diese Nachricht auf einem Irrtum. Der Kaiser hat von dem Weinlager des „König Albert" täglich Gebrauch gemacht und selbst die betreffenden 'Marken bestimmt. *Die Abordnung südwestafrikani scher Ansiedler ist am Donnerstag vom Reichskanzler Grafen Bülow empfangen worden. * Die gemeinsame Handwerkskammer des Herzog tums Altenburg und des Fürstentums Reuß beschloß die Errichtung einer Krankenkasse für Arbeit geber, die in den H an d w e r ker kre if en sehr sympathisch begrüßt wird, da gerade die kleinen Handwerker bei emtretender Krankheit sehr in Not geraten. Es sind drei Verficherungsklassen mit wöchentlichen Beiträgen von 40, 60 und 80 Psg. errichtet worden. Die wöchentliche Unterstützung wird 14, 21 und 28 Mk., für sieben Tage berechnet, betragen und soll neun Monate voll und drei Monate zur Hälfte gezahlt weroen. * Bei den Stichwahlen zum Landtag in Gotha haben die Sozialdemokraten in Friedrichroda noch ein Mandat verloren. Sie haben den dritten Teil ihrer Sitze im gothai- schen Landtage bei den letzten Landtagswahlen eingebüßt und werden anstatt wie seither mit 9 Gcneralgouverneur Bobrikow ch. Generalgouverneur Bobrikow, auf den ein Attentat verübt wurde, entstammt einer verarmten Familie des russischen Kleinadels. 1839 geboren, wurde er mit 19 Jahren Offizier, 1884 Generalstabschef der Garde. Er ist durch und durch Panslawist, alles Ausländische ist ihm zuwider. nur noch mit 6 Abgeordneten vertreten sein. Die bürgerlichen Parteien haben anstatt 10 nunmehr 13 Mandate inne. Bisher war bekanntlich der Vizepräsident des Gothaer Landtages der sozial demokratische Reichstagsabg. Bock. * Mit dem Eintreffen der auf der „Palatia" abfahrenden Verstärkung in Swakopmund ist die Schutztruppe in Südwestafrika, wie von militärischer Seite mitgeteilt wird, auf die Stärke von 5—6000 Köpfen oder rund 5500 Mann gebracht. Durch die Abgänge an Toten, Verwundeten und Kranken nämlich bleibt die Zahl eben hinter 6000 Mann zurück. Die Schutztruppe ist also danach an Kopfzahl den Kämpfern der Hereros gleich, auch wenn die neueste höchste Schätzung der feindlichen Streitkräfte sich als richtig erweisen sollte. Da die Schutztruppe aus lauter Weißen besteht und mit reichlicher Artillerie versehen ist, so hat der Herero-Aufstand jetzt keine Gefahr mehr für das Schutzgebiet; bald wird der Widerstand ge brochen sein. Frankreich. *Ein Ausschuß zur friedlichen An gliederung Marokkos hat sich in Paris ge bildet. Rothschild spendete dem Ausschuß die ersten 20 000 Frank. Das nächste Ziel, das dieser anstrebt, ist die Errichtung einer aus algerischen Arabern bestehenden Polizei mit französischen Offizieren vorerst für Tanger und Umgebung, um der Wiederholung von Fällen, wie der Fall Perdicaris, vorzubeugen. Rustland. *Ein Revolverattentat auf den Generalgouverneur Bobrikow in Helsingfors (Finnland) wurde am Donnerstag vormittag im Senat in Helsingfors von einem Senatsbeamten, dem Sohne des Senators Schauman, verübt. Bobrikow wurde durch zwei Schüsse im Unterleib und am Halse so schwer verwundet, daß er am Frei tag starb. Der Täter hat sich erschossen. Balkanstaaten. *Fürst Ferdinand reist im August nach Marienbad zum Kurgebrauch und be gibt sich von dort nach Berlin zum Besuch des deutschen Kaisers. * Infolge von fortgesetzt einlaufenden Nach richten, daß türkische Räuberbanden an zurückgekehrten Flüchtlingen, besonders im Bezirke Monastir und in Malko Traovo Gewalt- und Greueltaten begehen, ohne daß die türkischen Behörden entsprechend einge schritten wären, sah sich die bulgarische Regie rung genötigt, entsprechend Schritte bei der Pforte zu unternehmen. * Anläßlich des Jahrestages der serbischen Königswahl bezeichneten die Belgrader Blätter das verflossene Regie rungsjahr als ein äußerst glückliches und sprachen dem König ihren Dank aus für das von ihm gegebene Beispiel, die Verfassung und die Gesetze zu achten. Afrika. *Das tragikomische Schauspiel, wie ein Räuberhauptmann einem Sultan, einem unbeschränkten Herrscher der Gläubigen, seine Bedingungen aufzwingt, dauert in Marokko immer noch an. Jetzt hat, wie der Draht meldet, der neue Gouverneur von Tanger, der ja selbst sozusagen eine Kreatur Raisulis ist, zwei Scheichs vom Stamme der Beni-Nisuar verhaften lassen müssen, die zu der Zahl jener Scheichs gehören, welche vor einiger Zeit die Verhaftung Raisulis bewirkten. Deutscher Keickstag. Am 16. d. steht auf der Tagesordnung die Inter pellation Auer und Gen. (soz.) betr. den dem preuß. Abgeordnetenhause vorgelegten Gesetzentwurf betr. die Erschwerung des Vertrags bruchs landwirtschaftlicher Arbeiter und des Gesindes. Die Interpellanten richten an den Reichskanzler die Frage, was er zu tun gedenke, um dem Bundesstaat Preußen gegenüber die Reichs gesetzgebung zur Geltung zu bringen? Abg. Stadthagen (soz.) begründet die Interpellation und führt aus, der in Frage stehende Gesetzentwurf sei als Ausnahmegesetz gegen die ländlichen Arbeiter gemünzt. Der Gesetzentwurf stehe im Widerspruch zur Reichsverfassung, zum Freizügigkeitsgesetz, zur Gewerbeordnung, zum Bürgerlichen und zum Straf-Gesetzbuch. Der Ge setzentwurf müsse die Folge haben, daß die Leutenot auf dem Lande noch vermehrt werde. Der Entwurf sei eine Prämie auf Quälerei, auf Rechtlosigkeit, auf elende Lohnderhältniffe, er verstoße aufs schmählichste gegen die per sönliche Freiheit des ländlichen Arbeiters. Die ländlichen Arbeiter werden, wenn der vor liegende Entwurf Gesetz wird, den einen Nachteil Haden können, daß sie bestraft werden können, weil sie der Sittlichkeit und dem Familienleben ent sprechend handeln und Ratschläge geben. Aber schließlich wird die Landflucht durch ein solches Ge setz nur vermehrt werden. Die Arbeiter werden durch ein solches Gesetz schließlich zu Gewalttätig keiten gereizt. Staatssekretär Nieberding: Wenn der Vor redner gesagt hat, daß die preußischen Minister mit Bewußtsein einen gegen das Rcichsrecht verstoßen den Entwurf vorgelegt haben, so richtet sich das von selbst. Der Reichskanzler geht von der Ansicht aus, daß er die Beantwortung nur in den Grenzen seines verfassungsmäßigen Rechtes übernehmen kann. Hier im Haufe fühlt er sich nicht berechtigt, Kritik an einem preußischen Gesetz zu üben. Der Vor redner hat sich bei der Schilderung der Bedeutung der betreffenden Vorlage arge Übertreibungen zu schulden kommen lassen. Eine gewisse Entschuldigung kann man ihm allerdings zubilligen, insofern nämlich der preußische Gesetzentwurf schwer zu verstehen sei. (Hört, hört bei den Soz.) Wenn die Herren (z. d. Soz.) gerecht sein wollen, müssen Sie auch die Motive lesen und den Gesetzentwurf nicht lediglich nach seinem formellen Wortlaut beurteilen. Nach der gegenwärtigen Lage der Reichsgesetzgebung kann der Landesgesetzgebung nicht verwehrt werden, mit strafrechtlichen Bestimmungen vorzugehen. Der preußische Gesetzentwurf ist, sofem er diese Absicht verfolgt, mit dem Reichsrecht durchaus vereinbar und kann dem Reichskanzler keine Veranlassung geben, eine Verletzung des Reichsrechts darin zu erblicken. Es ist aber die Grenze zwischen der Kompetenz der Reichs- und der Landesgesetzgebung nicht an allen Stellen mit der Deutlichkeit gezogen, die wünschenswert ist, und nach dieser Richtung hin bedarf der Entwurf einer Korrektur. Wir wissen, daß er in der vorliegenden Form nicht Gesetz werden wird. Wir wissen aber nicht, in welcher Form er Gesetz werden wird, und solange wir das nicht wissen, kann der Reichskanzler nichts tun. Er wird indessen als preußischer Ministerpräsident genugsam Gelegenheit haben, auch in den Einzelheiten die Stellung des Reichsrechts zu wahren. Die Rechte des Reiches sind in dem Entwurf der preußischen Regierung nicht bedroht, und der Reichskanzler wird unter diesen Umständen zur Wahrung der Rechte des Reiches überhaupt nichts tun. Auf Antrag Singer (soz.) findet Besprechung der Interpellation statt. Abg. v. Kröchcr (kons.): Wir bestreiten der sozialdemokratischen Fraktion nicht die formale Berech tigung zur Einbringung der Interpellation. Ebenso unzweifelhaft wissen wir aber, daß die Vertreter einer Partei, die außerhalb des Hauses durch den Mund ihres Diktators urki ot orbi verkünden ließ, daß sie die bestehende Gesellschaftsordnung vernichten will, sachlich nicht legitimiert sind, die Gesetze des Deut schen Reiches gegen vermeintliche Verletzungen in Schutz zu nehmen. Abg. Müller- Meiningen (frs. Vp.): Eine schär fere Kritik des preußischen Entwurfs bezüglich Fahr lässigkeit und sachlicher Mängel, als sie heute vom Staatssekretär geübt worden ist, kann ich mir nicht denken. Der Entwurf ist weiter nichts als ein Aus nahmegesetz gegen die ländlichen Arbeiter. Abg. Herold (Ztr.) polemisiert gegen die An griffe des Abg. Stadthagen wegen seiner (Redners) Ausführungen im preuß. Abgeordnetenhause. Nach weiterer Debatte wird die Besprechung ge schlossen. Die Aufnahme einer Anleihe für Togo (Bahn- bau Lome—Palime) wird in dritter Lesung definitiv angenommen. Die Nachtragsetats für 1904 werden in dritter Lesung ebenfalls endgültig bewilligt, ebenso die Übernahme der Reichsgarantie für die Eisenbahn Dar es Salam—Mrogoro, ferner das Serbistaris- gesetz und die Klasseneinteilung der Orte. Nach kurzer Debatte wird sodann die Resolution Gröber (Revision des Naturalleistungsgesetzes) ein stimmig angenommen. Es folgt die dritie Beratung des Gesetzentwurfs betr. Kaufmannsgerichte. Abg. Singer (soz.) erklärt, für das Gesetz nicht stimmen zu können, da keine Aussicht auf An nahme der sozialdemokratischen Anträge aus Ver leihung des aktiven und passiven Wahlrechts an die Frauen besteht. Staatssekretär Graf v. Posadowsky: Die Behauptung sei ungerechtfertigt, daß das Gesetz nur für einen Teil (die männlichen) der Handlungs gehilfen gemacht sei, weil die weiblichen Gehilfinnen nicht das aktive und passive Wahlrecht erhielten. Dasselbe sei bei dem Gewerbegerichte der Fall, und trotzdem werde es von allen Parteien gerühmt. Der Empfang der Deputation des FräuenkongresseS war ein Akt internationaler Höflichkeit, weil einzelne der Damen teilweise geradezu glänzende Leistungen auf dem Gebiete der Wohltätigkeit u. a. aufzu weisen hätten. Das Gesetz wird angenommen. Nunmehr wird in einer alsbald anberaumten neuen Sitzung auf den vom Reichskanzler mit kaiserlicher Ermächtigung an das HauS gerichteten Antrag die Vertagung der Session bis zum 29. No vember d. beschlossen. Vvorrtzifthrr Das Abgeordnetenhaus erledigte am Donnerstag zunächst das Wildschongesetz in dritter Beratung mit einigen unerheblichen Änderungen nach den Beschlüssen zweiter Lesung. Die Gesamtabstimmung wurde wegen einiger Abänderungen noch ausgesetzt. Die Setundärbahnvorlage wurde in zweiter Beratung nach kurzer Debatte erledigt. Ohne Debatte wurde in zweiter Beratung das Lotteriegesetz nach den Be schlüssen der Kommission angenommen. Die Kom mission hat § 8 der Regierungsvorlage gestrichen, wonach auch das Spiel in solchen Lotterien, die nur für einen Teil der Monarchie erlaubt sind, bestraft werden soll in denjenigen Landcsteilen, wo die be treffenden Lotterien nicht konzessioniert sind. Am Freitag nahm das Abgeordnetenhaus in der Gcsamtabstimmung das Wildschongesetz endgültig an. Zur Annahme gelangte auch der Antrag Douglas betr. Aushändigung des Militärgesangbuches als Eigentum für die Mannschaften beim Eintritt in den Dienst. Ein Antrag Bodelschwingh-Pappenheim betr. Vorlegung eines Gesetzentwurfs zur Fürsorge für arbeitsuchende mittellose Wanderer mittels Er richtung von einstweiligen Arbeitsstätten in Ver bindung mit Arbeitsnachweisen auf Wunsch und An trag der Provinzialvertretungen wurde der Gemeinde kommission überwiesen. In dritter Lesung wurde noch erledigt der Gesetzentwurf betr. obligatorischen Besuch der ländlichen Fortbildungsschulen m Hessen- Nassau und die Sekunoärbahnvorlage. A Auf Kukmesköken. 9j Erzählung von F. Stöckert. - <Fortj-b>mg.i „Du kommst aber doch heute abend wieder? Bertos kommen!" Bittend faßte Elvira seinetzand, und Hoff sagte zu, mit dem Gedanken an Hanna. Vielleicht gelang es ihm doch, ein Wort des Verständ nisses mit ihr auszutauschen, und wenn nicht, dann war es ihm mindestens noch einmal ver gönnt, das schöne geliebte Antlitz zu sehen, war es ooch jedenfalls der letzte Abend, den er hier verlebte. Wie es weiter mit ihm werden sollte, wenn er das Bergsche Haus nicht mehr betrat, wie und wo er dann Hanna sehen und sprechen konnte, das war ihm noch völlig unklar. O, warum war er nicht im Besitz des Reich tums, den die kleine unbedeutende Person, von der er sich soeben verabschiedete, in so reichem Maße besaß; dann wäre ja in sein und Hannas Schickst eine rasche Wendung zum beiderseitigen Glücke wahrscheinlich gewesen. Was konnte er aber unter seinen jetzigen Ver hältnissen Hanna bieten! Ein Heim, aus- gestattet mit den alten wurmstichigen Möbeln seiner verstorbenen Eltern, eine Zukunft, über die sich gar bald die dunkeln Wolken der Sorgen um das Dasein breiten würden. — Und doch, die übergroße, schöne, heilige Liebe, war sie es nicht wert, darüber alle kleineren Erdensorgen zu vergessen? — Wenn er wieder zur Feder griff und ganz und gar Schriftsteller würde. Manche Schriftsteller sollen ja große Reichtümer erwerben! Warum sollte der Genius, der in ihm schlummerte, nicht ebenso stark, ebenso bedeutend sein, wie der andrer, die da jeden nur Halbwegs klugen Gedanken «n alle Welt hinaus verkünden, und sich jedes ihrer geschriebenen Worte mit Gold aufwiegen lassen! Reichtümer erwerben mit Ruhmestaten und für Hanna, nur um ihr Leben damit zu schmücken! O kühner, berauschender Gedanke! Der Abend kam. Der Salon bei Bergs war behaglich durchwärmt, die Teemaschine summte und die Gaßkronen brannten. Elvira im blauen Kleide, blaue Schleifen in dem blonden Haar, war noch allein und stand sinnend vor dem Spiegel. War sie denn so gar nicht liebenswert? War es wirklich ihr Reichtum nur allein ge wesen, der den geliebten Mann ihr zugeführt? Und nun sollte sie ihn freigeben, Hannas wegen? Nein, nie und nimmer! dachte Elvira. Was in ihrer Macht stand, das Gefürchtete zu verhindern, das wollte sie tun, und sollte sie mit den niedern Waffen von Lug und Trug um ihr Lcbensglück kämpfen! „Ganz allein, Elvira?" tönte da plötzlich Frau Lucie Berkos Stimme störend hinein in die Gedanken des jungen Mädchens. Sie wandte sich hastig um, die Freundin zu be grüßen. „Hoff ist noch nicht hier?" fragte Berko, der mit dem Amtsrat seiner Gattin folgte. „Nein, er ist noch nicht hier, er hatte einen Termin, der mag etwas lange gedauert haben," erwiderte Elvira so unbefangen als möglich und setzte sich dann mit Lucie in eine Plaudcrecke, um über allerlei Neuigkeiten zu plaudern. Auch über Hanna tauschten die Freundinnen ihre Ge danken aus, und kamen darin überin, daß die junge Dame eine ganz abgefeimte Kokette sei. „Papa ist nun gänzlich in ihren Schlingen," teilte Elvira der Freundin mit, „und das will ich ja auch ruhig ertragen, aber auch mit Hans fängt sie jetzt zu kokettieren an, und wenn ich auch an seiner Liebe nicht zweifle, aber der Eitelkeit der Männer schmeichelt ja dergleichen immer." „Ja, die Männer!" seufzte Frau Lucie. „Wenn nur eine Dame hübsch und kokett ist, dann ziehen sie alle denselben Strang; auch Berko, so gut er sonst ist, leidet es nicht, daß man ein böses Wort über Hanna sagt. Die ist wirklich nur zu unserm Unheil hierher ge kommen. Hätte ich sie doch nie eingeladen, uns zu besuchen." Die so liebenswürdig beurteilte Hanna war unterdes auch eingetreten und stand jetzt an der Teemaschine, den Tee zu bereiten. Sie hatte ein Helles, mit Spitzen besetztes Schürzchen über das dunkle Hauskleid gebunden, und der Kommerzienrat fand Hanna so allerliebst und ganz wie eine sorgende Hausfrau ausschauend, daß er mit bewundernden Bicken jeder ihrer Bewegungen folgte und dabei eine ziemlich zer streute Unterhaltung mit Berko führte. Noch zerstreuter aber war Hanna. Sie hatte soeben statt Tee eine Hand voll Zucker in die Teekanne getan, und starrte nun ganz erschrocken darauf, als sie das Teewasser auf- gießen wollte. Wo war ihre Ruhe, ihre Ge dankenklarheit geblieben, die schöne Harmonie ihres ganzen Seins! Lange Stunden hatte sie oben im dunklen Zimmer gesessen, bis sie sich endlich erinnert, daß man sie längst unten erwartete, und daß die Stellung, die sie hier im Hause einnahm, ihr nicht gestattete, sich solchem Träumen und Sinnen hinzugeben. Und nicht ihre Stellung allein, ach, das Leben, wie es in seiner ganzen Herbheit an sie herangetreten, gestattete solche Gedanken nicht. Mit welchem kecken Mut und jugendfroher Zuversicht hatte sie dieses Leben der Pflichten angetreten, stolz und glücklich in dem Gedanken, ihren teuren Angehörigen eine Stütze zu werden! DaS Elend zu Haus aber war viel zu groß, als daß Hanna es hätte lindern können. Rat los stand sie demselben gegenüber, was sie tun konnte, um es zu lindern, war so gering. Allerdings, es hätte in ihrer Macht ge standen, mehr zu tun, wohl sah sie den Weg, den des Schicksals eherner kalter Griffel ihr in dieser Hinsicht vorschrieb. Solche Blüten zu pflücken, wie sie da vor ihren fieberheißen Augen, auf jenen lockenden Pfaden leuchteten, war chr nun und nimmer gestattet; — sie wußte wohl, und doch — doch! — „Endlich kommst du, Hans!" tönte jetzt Elviras Helle Stimme an Hannas Ohr, und diese wenigen Worte gaben ihr plötzlich die ganze Klarheit ihrer Gedanken wieder. Das Bündnis zwischen Hoff und Elvira war also nicht gelöst, wie sie halb gehofft und halb ge fürchtet hatte. Elvira und Hoff hatten sich also wieder versöhnt, und jedenfalls gelacht und gespottet über sie, die Gouvernante, mit welcher
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