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Ottendorfer Zeitung : 26.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190406265
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040626
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040626
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-06
- Tag 1904-06-26
-
Monat
1904-06
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 26.06.1904
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politische Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. *Die Japaner haben nach schweren Kämpfen Liaujang, das bisherige Haupt quartier Kuropatkins, erobert. Der japanische General K u r o k i führt seine Garde und die 2. Division gegen Kaiping, Nodzu rückt auf Tatschitsao vor, drei andre Divisionen rücken unter Oku von Wafongou (wo die blutige Schlacht gegen Stackelberg stattfand) herauf, die 12. japanische Division stößt in Eilmärschen nach Mukden, dem Schlüssel der russischen Stellung, vor. Die Vorposten gefechte haben bereits wieder begonnen. *Über einen Angriff auf Port Arthur hat der russische General Szplinski an den Kriegsminister vom Sonntag berichtet: Nach richten aus Port Arthur zufolge begannen am 14. d. drei javanische Bataillone von Ssiand- bindao über die Berge nach Luinatan vor zurücken. Zwei russische Freiwilligen-Abteilungen und eine Kompanie der Grenzwache hielten den Vormarsch des Gegners auf. Feindliche Torpedoboote beschossen die Semaphorstation. Als der „Nowik" und russische Torpedoboote herankamen und das Feuer eröffneten, zogen sich die feindlichen Schiffe eilig zurück. Nach der Kanonade begannen die Kolonnen des Gegners sich zu entfernen, und es blieben nur schwache Vorpostenketten zurück. Am 13. Juni vertrieben die russischen Freiwilligen die Japaner aus ihren Stellungen östlich von den erwähnten Bergen. Auf russischer Seite wurden ein Ober leutnant und ein Schütze getötet sowie ein Ober leutnant verwundet, der später starb; außerdem wurden vier Schützen verwundet. *Die Russen in Port Arthur machen nach japanischen Berichten die größten An strengungen, die blockierenden japanischen Schiffe zu zerstören, doch haben sie dadurch unendliche Schwierigkeiten, daß es für größere Kreuzer als den „Nowik" unmöglich ist, den Hafen zu verlassen. Die Stimmung der Truvpen ist ge drückt. Die Offiziere kündigen an, Port Arthur bis zum letzten Mann und bis zum letzten Geschoß verteidigen zu wollen. *Der Gesamtverlust der Russen in der Schlacht bei Wafangon soll einschließlich der Gefangenen, wie .Reuters Bureau' aus Tokio meldet, 10 000 Mann be tragen. Die Zahl der Toten auf russischer Seite wird auf mehr als 2000 geschätzt. * über die Erschießung eines amerika nischen Kriegskorrespondenten wird aus New Jork berichtet: Die ,New Jork World' hat ein Telegramm ohne Unterschrift mit der Mitteilung erhalten, daß Oberst Emerson, einer ihrer Kriegskorrespondenten in Ostasien, von sich zurückziehenden Russen erschossen worden sei, weil sie ihn fälschlich für einen Spion hielten. * * * Deutschland. * Der Kaiser wohnte am Mittwoch nach mittag in Kiel der Enthüllung des Denk mals für Friedrich Krupp vor dem Ge bäude des Kaiserlichen Jachtklubs bei. *Die Rede des Kaisers, die derselbe bei der Regattaseier auf dem Dampfer „Deutsch land" gehalten hat, findet überall lebhaften Anklang, insbesondere die Friedensstelle: „Ich sehe mit absoluter R u he und Vertrauen in die Zukunst!" * Prinz-Regent Luitpold hat an den Finanzminister v. Riedel ein sehr gnädiges Handschreiben gerichtet, in dem er dem Minister mitteilt, er könne seinem Ent lassungsgesuch nicht stattgebeu. Der Regent hebt die hohen Verdienste Riedels um das Land hervor, gibt dem Wunsche Aus druck, Riedel möchte noch so lange wie möglich au der Spitze der bayrischen Finanzverwaltnng stehen, und betont, wie schwer es ihm selbst fallen würde, in seinem hohen Alter den er probten Rat Riedels vermissen zu müssen. * Zu den deutsch-russischen Han- delSvertragsverhandlungen will die .Preuß. Korr.' angeblich aus guter Quelle gehört haben, daß die russischen Einwen ¬ dungen gegen die deutschen Minimalzölle auf Getreide fallen gelassen würden. * Die Verhandlungen zwischen Deutsch land und Portugal in betreff der Vor gänge in S üd w est a f ri k a haben, wie — bezeichnender Weise — aus London gemeldet wird, zu einer Einigung gesührt. Es sollen gegenseitige Grenzwachen das Einbrechen von Flüchtlingen in das Gebiet der andern Macht verhindern. Hoffentlich wird man seitens der portugiesischen Regierung das Versorgen der Hereros mit Waffen und Munition aus dem Portugal gehörenden Teile Südwestafrikas ebenfalls hintanhalten. * Es wird eine Bundesratsverordnung für das F l eis ch er g ew erb e nach Art derjenigen Marschall Oyama. Der neuernannte japanische Löchstkommandierende in der Mandschurei Marschall Oyama leitete bisher die Operationen der Angriffskorps auf Liautung. Derselbe bat sich bereits vor zehn Jahren, als er den Chinesen das stark befestigte Port Arthur in ebenso kühner wie geschickter Weise abnahm, großen Ruhm erworben. für das Bäckcrgewerbe erwartet. Im Zusammen hang damit darf an die Erhebungen über die Arbeits zeit der Gehilfen und Lehrlinge im Fleischergewerbe erinnert werden. Es war das die erste Arbeit der neuen Abteilung für Arbeiterstatistik im reichs statistischen Amt, die sic von der früheren arbeiter statistischen Kommission übernahm. Die Erhebungen, die sich auf die Dauer der üblichen Arbeitszeit, Sonntagsarbeit und Ruhepausen erstreckten, wurden veranlaßt durch Klagen aus den Kreisen der Fleischer gesellen. Die Untersuchungen wurden ausgedehnt noch auf die Wohnungs- und Lehrlingsberhältnisse. Es ward festgcstellt, daß in einigen Beirieben bis zu vierzehn Stunden gearbeitet wird, in den meisten 10—12 Stunden, nach Abzug der Pausen; dabet ist zu bemerken, daß die Arbeitszeiten meist nicht streng eingehakten werden. In Betrieben, die auch Wurst bereiten, pflegt länger gearbeitet zu werden. Die Arbeitszeit der Lehrlinge weicht wenig von der der Gesellen ab, einige werden auch bis zu 14 Stunden beschäftigt. In Großstädten wird häufiger an Sonntagen gearbeitet als in kleineren Orten. In den meisten Fällen wird Kost und Wohnung den Gesellen und Lehrlingen gegeben. * In der zweiten badischen Kammer be tonte der Kultusminister Dr. v. Dusch, daß die Regierung die Frage der Zulassung einiger Klöster noch erwäge. *Das bayrische Landtagswahl gesetz ist im Ausschuß der Kammer der Neichs- räte ein stimmig abgelehnt worden, ebenso der Antrag May, der den Geistlichen das Wahlrecht nehmen will. * Gouverneur Leutwein hat auf seiner Rückkehr von der Front Okahandja erreicht und ist dort von General v. Trotha begrüßt worden. Frankreich. * Wegen der Karthäuser Bestechungs- afsäre, in der der Sohn des Minister präsidenten Combes von der Kammer- minderheit schwer verdächtigt wird, sand am Donnerstag in der Untersuchungskommission ein großer Skandal statt, bei dem mit Tintenfässern geworfen wurde. Die Besprechung der Angelegenheit wurde durch Mehrheitsbeschluß vertagt.' Schweiz. * Der Nationalrat bewilligte einstimmig und ohne Diskussion 890 000 Frank für eine Minenanlage behufs militärischer Sicherung des Simplontunnels. Spanien. *Die Madrider Polizei verhaftete einen Mann, der die Absicht ausgesprochen haben soll, den Ministerpräsidenten Maura zu töten. Balkanstaaten. * Die Reformen in Mazedonien unter europäischer Kontrolle vollziehen sich lang sam, aber sicher. Zurzeit gilt es u. a., in den Besitz- und Rechtsverhältnissen Umkehr zu schaffen. Die auf über 400 jähriger Überliefe rung beruhende Herrschaft der Beis, die wie Selbstherren auf dem Platten Lande Hausen, mußte unterbunden werden. Bei Streitigkeiten mit ihren Pächtern haben diese Großherren fast immer Recht bekommen, Magistrat und Richter wurden bestochen und der Bauer mußte zahlen. Mit diesen Willkür akten wird aufgeräumt; die Großherren auf dem Lande und in kleinen Städten haben sich bescheiden müssen, in allen Schritten sich einer Kontrolle zu unterwerfen. Als Kontrolle ist die ganze gegenwärtige Reformtütigkeit zu be zeichnen. Das gleiche Recht für alle sängt an, Wurzel zu fassen. Wenn auch den Beis die neue Arbeit unbequem ist und sie grollend bei seite stehen, der kleine Manu, der gedrückte Pächter und Bürger atmen auf, weil sie merken, daß sie ihr gutes Recht erhalten, und jede Be schwerde gewissenhaft geprüft wird. rire»tztsch«r Landtag. Das Herrenhaus überwies am Mittwoch die beiden Kirchensteucrvorlagen an eine Kommission und erledigte außerdem einige kleinere Vorlagen. Eine Petition, in der die Schaffung einer selbständigen Behörde neben der Eisenbabnverwaltung verlangt wird, die über Beiträge der Interessenten bei Eisen bahnbauten entscheiden soll, wurde gegen den Wider spruch der Minister v. Budde und Frh. v. Hammer stein der Regierung zur Berücksichtigung über wiesen. Das Abgeordnetenhaus erledigte am Dienstag eine Reihe von Vorlagen, u. a. in zweiter Lesung den Gesetzentwurf über die Befugnis der Polizei behörden zum Erlaß von Verordnungen über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden. Hierzu wurde eine Resolution angenommen betr. Unfall- sürsorge für Feuerwehrleute und Heranziehung aller im Bezirk einer Provinz arbeitenden Feuerverstche- rungsgesellschaften zu Beiträgen zu dem genannten Zweck. Zu einer längeren Besprechung führte die Interpellation der Konservativen betr. die nochmalige Untersuchung von Fleisch in den städtischen Unter suchungsämtern. Minister b. Podbielski verlas in Beantwortung der vom Abg. Winckler begründeten Jntervellation eine Erklärung der Staatsregierung. Nach den Zß ü und 14 des preußischen Ausführungs gesetzes sei bei der Kinsübrung bereits einmal tier ärztlich untersuchten Fleisches in Gemeinden mit Schlachthauszwang nur die allgemeine polizeiliche Nahrungsmittelkontrolle zulässig. Freilich verkenne die Regierung nicht, daß dies im Gesetz nicht mit der genügenden Deutlichkeit zum Ausdruck ge bracht sei. Am Mittwoch erledigte bas Abgeordnetenhaus einige Rechnungssachen und beschäftigte sich sodann mit der Interpellation betr. den Ausbau des masuri schen Kanals. Unterstaatssekcetär Schulz beant wortete die Interpellation. Zurzeit fänden Er hebungen statt, wie es zu ermöglichen sei, daß durch den Bau des Kanals die Anlieger am Pregel, der Dcime und Alle nicht geschädigt werden. Die Pro vinz Ostpreußen könne Vertrauen haben, daß die Staatsregierung dem Projekt ihr volles Interesse zuwende und daß in höherem Maße die Interessen der Landeskultur als die Interessen von Handel, Schiffahrt und Industrie bei der Ausführung des Kanalbaues Berücksichtigung fänden. In der Be sprechung erklärte Landwirtschaftsminister v. Pod bielski, er habe die Überzeugung, daß die für den Kanal aufgewendeten Kosten nicht im Verhältnis zu seinem Nutzen stehen würden. Mit der Erledigung einer großen Anzahl Petitionen war die Tagesordnuna erschöpft. Im Teichen äer frau. Zwei Wochen lang hat die Reichshauptstadt ihr Hauptinteresse den Verhandlungen zu gewendet, die in den Sälen der Philharmonie Tausende von Frauen aller Nationen vereinigten, und der unbefangene Beobachter muß gestehen, daß ein erhebliches Stück gut organisierter Ar beit geleistet worden ist, daß die Leitung und Anordnung der vielgestaltigen und mannigfach nebeneinander herlaufenden Veranstaltungen Bewunderung verdient. Sie hat sich allseitige Beachtung erzwungen, und selbst die Schauer blutiger Schreckenstaten der Großstadt, selbst die Nuderschläge von Grünau und die andern Ereignisse des Junisports vermochten das Interesse Berlins an der Frauentagung nur vorübergehend in den Hintergrund zu drängen. Anders wie sonst trat man dieses Mal den nach großen Dingen trachtenden Frauen gegenüber, die Salons der Kaiserin, des Reichskanzler- Palais und des Grafen Posadowsky öffneten sich den fremden Gästen, aber gerade dieser Um stand war keineswegs nach dem Herzen des radikalen Flügels. Der Erfolg auf der einen Seite galt demselben als Verrat an der Sache der Freiheit und schwächliche Nachgiebigkeit. Der Stempel der Hosfähigkeit wurde in den Augen der sozialdemokratischen Damen zum Brandmal. Die Verschärfung der Gegensätze der beiden großen Flügel der modernen Frauen bewegung ist eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Tage. Im großen Festsaale deS Berliner Rathauses fanden die sauren Wochen in einem frohen Feste ihren Abfchluß. All die interessanten Frauengestalten sah man dort vereinigt und wenn Oberbürgermeister Kirschner auch verständigerweise betonte, daß bei den hochgesteckten Zielen dieser Tagung noch „so mancher Lehrsatz der Nachprüfung be dürfe", so sprach er doch von einem „starken und gesunden Kern", ja, von dem Beginn einer neuenhoffnungsvollen Entwickelungdes Menschen geschlechts, und als der alte Stadtverordneten- VorstehsrLangerhans sich zu fast noch größeren Verheißungen herauswägte, da nahm eine der Damen den Augenblick beim Schopfe und malte ein Bild der Zukunfts-Stadtvertretung, wo neben den braven Stadtvätern auch die „braven Stadtmütter" sitzen würden. — Viele möchten diese wohl lieber missen, aber das von dem gesunden Kern Habeck alle bis zu einem gewissen Grade anerkannt und werden es anerkennen. Wie groß dieser Kern ist, und ob er ganz gesund ist, das bedarf allerdings noch genauen Zusehens, und darüber wird noch manches zu sagen sein. Das eine darf jedenfalls sestgestellt werden: Das Technisch-Formelle, was von den 150 Damen des Berliner Ortsausschusses, von den etwa 250 Rednerinnen der Vieten General-, Sektions- und Spezialversammlungen, von den verschiedensten Bureans und Abteilungen ge leistet wurde, ist aller Achtung wert, und auch das muß gesagt werden, daß der Schalksnarr nicht mehr so leichtes Spiel hatte und nicht mehr so ungezwungen Gelegenheit fand, seine PritschenschlLge sausen zu lassen, wie bei früheren ähnlichen Veranstaltungen. Von und fern. Das Goethe-Denkmal in Rom. Die Enthüllung des von dem deutschen Kaiser ge stifteten Goethe-Denkmals in Rom ist auf den 23. Juni verschoben worden, weil König Viktor Emanuel daran teilnehmen will. Die Stadt Mettmann kann in diesem Jahre das Fest ihres 1000 jährigen Bestehens feiern. Zu den aus diesem Anlaß geplanten Festlichkeiten vom 22. bis 24. Juli haben bis her u. a. die Minister v. Rheinbaben und v. Hammerstein, sowie Ober-Präsident Nasse ihr Erscheinen bestimmt zugesagt. Der Masseur Köhler in Berlin, der durch seine „Kur" die Frau Radatus tötete und ihre Leiche zerstückelte, leider anscheinend infolge seines Verbrechens an Verfolgungswahn sinn. Ihren ION. Geburtstag feierte am Dienstag die Witwe Schotten in Wanlo. Typhus. In dem Ansiedelungsdorf Liebau bei Gnesen sind zahlreiche Typhusfälle vorge kommen, die auf den Genuß typhös infizierter Milch zurückzusühren find. Im Krankenhaus in Gnesen befinden sich 47 TyphuSkranke, meist Ansiedler aus Liebau. Die Stadt Gnesen selbst ist von der Krankheit nicht berührt; der Verkauf der Milch aus Liebau ist verboten. K Jul Kubmesköken. 11) Erzählung von F. Stöckert. „Ja, er muß bald kommen," erwiderte Elvira scheinbar gleichgültig, aber doch kaum ihre innere Erregung beherrschend. Über Hannas Gesicht hatte sich eine fahle Blässe gebreitet. Mrt Beben dachte sie daran, wenn draußen der wohlbekannte Schritt ertönen würde, dem sie ost mit Herzklopfen gelauscht. Ach, war es nicht alles nur ein wüster Traum, daß sie hier neben dem Kommerzienrat saß, und er sie seine Braut nannte, uud Elvira so nervös aufgeregt im Zimmer hin und her lief? — O nein, es war kein Traum, es war harte, grau same Wirklichkeit! — Dort stand Hoff ja plötzlich mitten im Zimmer und neben ihm auf seinen Arm gelehnt Elvira, die vorhin hinaus geeilt war, um ihn zu begrüßen und ihm das frohe Familienereignis zu verkünden. Die Sonnenstrahlen spielten auf Hoffs bleichem Gesicht, aus welchem die dunklen Augen wie geistesabwesend in Leere starrten. Jetzt trat er näher, mit tonloser Stimme stammelte er einen Glückwunsch, seine Hand umschloß einen Moment die ihre und sein todestrauriger Blick traf sie bis in daS innerste Herz. Jetzt wußte sie es wohl, kein Zweifel war mehr möglich, seine Liebe zu ihr war wahr und aufrichtig gewesen. „Solche Überraschung hatten Sie sich wohl heute nicht vermutet!" rief der Kommerzienrat, Hoff dabei warm die Hand schüttelnd. „Elvira willst du nicht dafür sorgen, daß wir ein gutes Glas Wein zusammen trinken," sagte er dann. „Meine Zeit ist sehr knapp heute," wandte Hoff ein. „Ach, lassen Sie Ihre Klienten einmal warten, und nehmen Sie Platz!" erwiderte fröhlich der Kommerzienrat. Schwerfällig ließ sich Hoff auf einem Sessel, Hanna gegenüber, nieder. Wie ein Ver schmachteter griff er dann nach dem Wein, den ein Diener jetzt kredenzte. Auch Hanna setzte das Glas durstig an die heißen, trockenen Lippen. Dann klangen die Gläser zusammen. Als Hoff mit ihr anstieß, zitterte ihre Hand so heftig, daß sie das Glas fallen ließ. Klirrend fielen die Scherben zu Boden, und an ihrem Kleide rieselte das rote Naß herunter. „Scherben bedeuten ja Glück," sagte Hoff bitter. „Glück?" wiederholte Hanna mit einem so seltsamen Ton, daß Hoff sie betroffen an schaute. „Ja, Glück, mein Kind!" rief auch der Kommerzienrat heiter. „Dich glücklich zu machen, soll wenigstens von nun an meine Hauptsorge sein, und ich hoffe, es wird mir gelingen." Ein düsterer Blick Hoffs streifte das sorglos heitere Gesicht des Kommerzienrats. „Wer wird denn nun zuerst Hochzeit machen? Wir oder ihr?" rief Elvira. „Nun, das Alter hat doch wohl das Vor recht," meinte der Kommerzienrat. „Gewiß haben Sie das Vorrecht!" sagte Hoff und griff nach seinem Hut. „Auf Nimmerwiedersehen!" murmelte er leise, als er sich von Hanna empfahl. Tief erschrocken sah sie zu ihm auf. Noch ein wehmütiger Blick Hoffs traf sie, dann wandte er sich rasch um. Elvira geleitete ihn zur Tür hinaus, Md als sie dort allein im Hausflur standen, um schloß er ihr zartes Handgelenk plötzlich mit eisernem Griff. „Was das dein Werk, Elvira?" rief er, und Haß und Verachtung leuchtete in seinen Augen. „Nein, Hans, nein — ich — ich . . „Nun?" „Ich habe bloß in Papas Austrag mit Hanna geredet, und sie war sofort bereit, Papas Braut zu werden." „Und was hast du ihr von mir gesagt?" „Nichts." „Mädchen, lüge nicht!" Er schüttelte ihre zarte Gestalt und die ganze zornige, mühsam zurückgehaltene Leidenschaft brach jetzt aus ihm hervor. „O HanS, ich habe wirklich nichts gesagt, ich besinne mich nicht." „Nun, es bleibt sich schließlich auch gleich, geschieden find wir beide trotzdem doch!" Ohne ein Abschiedswort wandte er sich der Tür zu. „Hans! Hans, o bleibe doch!" rief ihm Elvira nach. Aber er hörte nicht auf den Ruf voll ver zweifelter Angst und sah sich nicht wieder um nach dem verstörten, schreckensbleichen Gesicht Elviras. Dröhnend fiel die Haustür hinter ihm ins Schloß. Wie ihn draußen alles anwiderte, das ganze menschliche Getriebe! „O du Alllagsgesicht des Lebens, ich will dich nicht sehen, ich will nicht! ich will nicht!" So rief es in seinem Innern. „Des Schicksals eherne Stimme hat mir sein Erwache! zugerufen, und ich weiß nun, wohin es mich führen will, dort hinauf zu jenen lichten Ruhmeshöhen. Die Rosen der Liebe blühen zwar nicht in der klaren, kühlen Höhen luft, aber dunkler Lorbeer rankt sich um weiße Marmorsäulen, und die Großen der Erde reichen sich zum Geistesbunde die Hände, und was unter ihnen liegt, darüber breitet sich die Nacht der Vergessenheit. Und dahin will auch ich sieben, ganz sicher! Nur erst hinaus aus diesen engen Mauern, aus dieser kleinstädtischen Welt!" Vorläufig trieb es Hoff zum Tor hinaus, in die Einsamkeit der Natur. Seine heißen Blicke ruhten auf einer ziemlich reizlosen Gegend. Die Landschaft war flaches Land, hier und da eine dunkle Fichtengruppe, ein trübes Gewässer, aber Heller Lenzessonnenschein lag darüber und den Dichteraugen Hoffs, die da erwachend um sich schauten, entfaltete auch diese armselige Landschaft heute ihre stillen Reize. Welch eigene melancholische Stimmung lag da über jener Fichtengruppe, die sich dunkel abhob von der leuchtend grünen Saat der Felder! Unter den dunkeln niederhängenden Zweigen leuchteten die weißen Sterne von Anemonen hervor, und darüber wölbte sich der blaue weite Himmelsdom. Hoff wußte es selbst wohl kaum, daß ihm die Tränen in die Augen traten, als er das stille Landschaftsbild in sich ausnahm. Es war
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