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Die dekorierte Frau Staatsminister. Daß die Frau eines Ministers durch eine Rettungsmedaille dekoriert wird, dieser seltene Fall hat sich laut einer Bekanntmachung des ,Reichs-Anz.' ereignet. Der Frau Staatsminister Marie Heutig geb. Dankberg zu Gotha ist nämlich die Rettungsmedaille am Bande ver liehen worden. Das deutsche Schützenfest im Jahre 1906 soll in München abgehalten werden. Die Hauptschützen-Gesellschaft München will 50 000 Mark, der Münchener Schützenbund 20 000M. zeichnen, der Magistrat beschloß in Überein stimmung mit dem Gemeindekollegium, als Garantiefond der Stadtgemeinde 50 000 Mk. zu zeichnen. Ein Vandalismus sondergleichen ist in der Kreisstadt Nauen verübt worden. Dort hat ein Bösewicht in der Reichsteinschen Gärtnerei sämtliche Kulturen nachts verwüstet und dadurch nicht allein die diesjährige Ernte vernichtet, sondern auch den Ertrag der Gärtnerei aus Jahre hinaus in Frage gestellt. Der Täter ist in der Person des Arbeiters Reinhardt ermittelt worden, der aus Rache gegen den Besitzer ge handelt hat, bei dem er beschäftigt gewesen ist. Gin wunderlicher Abgeordneter. Zu Pfingsten starb der Besitzer der Amalienhütte, im Kreise Wittgenstein, Kommerzienrat Gustav Jung im Alter von 79 Jahren. Im politischen Leben spielte er nur einmal eine Rolle, aber sie blieb unvergessen; denn er war bis zur Stunde der einzige, der in Hauptwahl und Stichwahl für den Reichstag gewählt, das Mandat dennoch ablehnte, „weil so viele Be wohner des Wahlkreises gegen ihn waren!" Es handelte sich um den Kreis Siegen-Wittgen- sten-Biedenkopf im Jahre 1871. Es Mußte also noch eine Wah! stattfinden, bei der Frh. v. Dörnberg gewählt wurde, der sich der Deutschen Reichspartei anschloß. Merkwürdig erschien allen Wählern, daß Herrn Jung die Erkenntnis seiner Unbeliebtheit erst nach der Stichwahl gekommen ist. Grohfeuer brach am Mittwoch zu Kassel im ehemaligen Regierungsgebäude aus, in dem sich jetzt zahlreiche städtische Bureaus befinden. Das Gebäude brannte bis zum ersten Stock vollständig aus, viele Akten wurden vernichtet, großer Schaden ist auch in Warenlagern an- gerichtet. Ein Feuerwehrmann erlitt Ver letzungen. Zu der Ermordung der 19 jährigen Dienstmagd in Köln wird weiter gemeldet, daß der unter dem Verdacht der Täterschaft vor läufig festgenommene Liebhaber der Verstorbenen wieder ans der Haft entlassen wurde, da er sein Alibi Nachweisen konnte. Beim Herannahen einer elektrische« Bahn in Düsseldorf wurden die Pferde des Gutsbesitzers Roßkotten scheu. Er und sein Schwiegervater wurden aus dem Wagen ge schleudert. -Beide find tot. Durch Funken aus einer Lokomotive entstand am Donnerstag mittag in Scharnebeck au der Kleinbahn Lüneburg—Bleckede Feuer, das sieben Gebäude einäscherte. Der verschwundene Bräutigam, Pro fessor Meißner aus Göttingen, der kurz vor seiner Hochzeit aus Wien verschwand, hat bis jetzt kein Lebenszeichen von sich gegeben. Die Polizei konnte seine Spur noch nicht entdecken. Besorgniserregend ist es, daß er sein ganzes Gepäck und auch sein Geld in Wien zurückge lassen hat. Nach mehr als 4Sjähriger Wanderung ist ein an den in Kiel wohnenden Schiffssührer Jens Jensen gerichteter Brief wieder in den Besitz des Absenders gelangt. Jensen fuhr Ende der 50er Jahre an Bord der dänischen Brigg „Kourier" an der Ostküste Südamerikas; sein in Marstal auf Nrö wohnender Bruder schrieb ihm am 22. Januar 1859 und adressierte den Brief an das königlich dänische General konsulat in Buenos Aires. Der Brief gelangte nicht in die Hände des Adressaten. Dagegen erhielt der Absender zu seiner größten Über raschung jetzt kurz vor Pfingsten, wie die ,Kiel. N. Nachr? mitteilen, den alten Brief zurück. Er war unterm 25. Januar 1859 in Hamburg, unterm 27. Januar in London abgestempelt und hatte nach dem Markenausweis 17 Schilling gekostet. Er zeigte noch die Siegelung, die vor einem halben Jahrhundert Brauch war. Wo sich der Brief in den 45 Jahren aufgehalten hat, ist nicht ermittelt morden. Eine nichtswürdig' Tat. Der frühere Mitinhaber der Firma C. A. Hickel in Rosen thal, der gegenwärtig in Leipzig wohnhaft ist, kam in der Nacht nach Rosenthal und öffnete, jedenfalls mittels eines noch in seinem Besitze befindlichen Doppelschlüssels, die Fabrikräume und hat daselbst Lokomobile, Turbine und Transmission derart zerstört, daß der Betrieb noch nicht ausgenommen werden konnte, die Maschinenteile usw. hat er in einem Graben Oberleutnant Paul Griesbach ch. Seinen im Kampf gegen die Hereros erlittenen Verwundungen erlegen ist der 34jShrige Oberleutnant Paul Griesbach, dem seinerzeit eine feindliche Kugel im Gefecht bei Omaruru den Lendenwirbel ver stümmelte. Griesbach wurde nach Hamburg über führt und fand im Altonaer Garnisonlazarett Auf nahme, später wurde er nach dem Eppendorfer Krankenhause geschafft, in dem er nun gestorben ist. Oberleutnant Griesbach hat früher beim 3. Lothrin gischen Infanterie-Regiment Nr. 135 in Diedenhofen gestanden; am 17. November 1892 wurde er Leut nant, am 18. Mai 1901 rückte er zum Oberleutnant auf. Seit dem 21. Juli 1902 gehörte er der Schutz truppe an. und Düngerhaufen versteckt und die zerschnittenen Treibriemen in eine Gruft auf dem Friedhöfe geworfen. Schließlich hat er in der Fabrik noch einen Zettel angebracht, in dem er mitteilt, daß er die Maschinen zerstört habe. Die Auslieferung des praktischen Arztes Dr. Braunstein, der beschuldigt ist, seine Frau in Italien vergiftet zu haben, ist jetzt erfolgt. Dr. Braunstein wurde in die Angerer Fronfeste in München eingeliefert. Vom Tanz in den Tod. Der Graudenzer Dampfer „Wanda" unternahm am Sonntag eine Fahrt mit Pfingfiausflüglern nach Neuen burg. Trotz der nicht sonderlich schönen Früh- jahrswitterung wurde die Stimmung der zahl reichen Ausflügler, besonders auf der Rückfahrt, eine recht heitere. Man sang und tanzte. Als der Dampfer schon in der Nähe der Stadt war, stürzten zwei der Tanzenden über Bord. Obgleich die Maschine sogleich stoppte, war es bei der inzwischen eingctretenen Dunkelheit nicht möglich, die über Bord Gefallenen zu retten. Beide ertranken. Wie die ,Danz. Ztg/ hört, waren die Verunglückten zwei Brüder. Eine verhängnisvolle Bärenjagd in Ungarn. Etwa 2000 Bauern aus der Um gegend von Belenyes veranstalteten eine Treib jagd auf zwei große Bären, die auf der Dombowarer Heide gesehen worden waren. Auch Gendarmen beteiligten sich an der Jagd und gaben in der Nähe von Kozsuba, wo sie den Tieren auf Schußweite nahegekommen waren, mehrere Schüsse ab, die zwar die Bären trafen, aber nicht töteten. Die Tiere wendeten sich hierauf gegen ihre Angreifer und zer fleischten förmlich zwei der Bauern. Erst nach verzweifelten Anstrengungen gelang es, die beiden Bauern aus den Tatzen der Bären zu befreien und letztere zu töten. Leider verfehlte eine Kugel ihr Ziel und verwundete einen der Jagdteilnehmer schwer. Der einzige Sohn des Marschalls Bazaine dient gegenwärtig auf den Kanarien- inseln als Leutnant, wo ihn ein Korrespondent des belgischen ,Nouveau Precomseur' getroffen hat; der jüngere Bazaine war gerade von einer Mission nach Mexiko im Auftrage der spanischen Regierung zurückgekehrt. Gefährlicher Verlust. Der Londoner Bakterienforscher Dr. Hurlbut bemerkte auf der Fahrt von St. Paul nach Chicago bei seiner Ankunft in Chicago, daß ihm unterwegs mehrere Flaschen mit indischen Pestbazillen abhanden gekommen waren. Ein Teil der Bazillen war zwar bereits präserviert, andre dagegen be fanden sich noch in lebendem Zustande. Doktor Hurlbut hat die Bazillen auf einer dreijährigen Forschungsreise in den indischen Küstenbezirken gesammelt. Die Polizei hat sofort eine scharfe Untersuchung über den Verbleib der Bazillen- Maschen eingeleitet. Dortige Sachverständige find geteilter Meinung darüber, ob die Gefahr einer Pestinfektion und einer Verbreitung der Seuche für den Fall vorhanden ist, daß der Finder die Flaschen öffnet. Der Notar des Herzogs. Englischen Blättermeldungen zufolge ist der Notar und Vertrauensmann des Herzogs von Newcastle verhaftet worden. Die Meldung ruft in Eng land das größte Aufsehen hervor. — Es müssen da sehr böse Geschichten passiert sein. Eine Erbschaft von nahezu neun Millionen Mark ist einem in einer Möbel fabrik in Edenkoben beschäftigten Arbeiter von einem in England verstorbenen Onkel unver hofft zugefallen. Der glückliche Erbe wurde am 17. Mai vor das Amtsgericht gerufen, wo ihm die überraschende Mitteilung von der ihm zu gefallenen Millionenerbschaft gemacht wurde. Der verstorbene Onkel des Millionenerben hat insgesamt über 300 Mill. Mk. hinterlassen. An der Erbschaft find auch noch andere pfälzische Familien beteiligt. Furchtbare Dynamit-Explosion. Beim Bahnbau in Pozsena fand infolge Unvorsichtig keit eine Dynamit-Explosion statt, wobei das Magazin in die Luft flog, fünf Kinder getötet und neun Personen schwer verletzt wurden. Der Unterseeboot-Erfinder Lake hat, einer New Dorker Meldung zufolge, einen Ver trag mit der japanischen Regierung abge schlossen, wonach er eine Anzahl geschulter Ar beiter nach Japan sendet, um dort Unterseeboote zu bauen. Durch eine Kessel-Explosion sind in Louisville (Kentucky), auf dem Schlepper „Fred Wilson" 13 Leute getötet, 3 tödlich und 5 weniger gefährlich verletzt. Einige der Ver unglückten sind aus Pittsburg, andre aus Middleport (Ohio). Der Schlepper wurde zerstört. GericktskaUe. 88 Berlin. Sowohl im Osten als auch im Westeu der preußischen Monarchie bestehen Polizei- vermdnungen, die den Arbeitgebern die Pflicht auf erlegen, ausländische Arbeiter polizeilich an- und abzumelden oder für die Annahme ausländischer Arbeiter sogar eine polizeiliche Genehmigung ein zuholen. Ein Fabrikdirektor Sch. war im Hinblick auf eine Regierungspolizeiberordnung angeklagt und zu Strafe verurteilt worden, da er es unterlassen habe, einen ausländischen Arbeiter rechtzeitig bei der Polizeibehörde anzu melden. Auf die Revision des Angeklagten wurde aber Sch. vom Kammergericht freigesprochen, da die in Rede stehende Vorschrift ungültig sei. Nach An sicht des Kammergerichts ist eine polizeiliche Vor schrift, die die Annahme von Ausländern als Ar beiter von einer polizeilichen Genehmigung abhängig macht, nicht rechtsgültig. Die Verpflichtung zur An-und Abmeldung darf den An- und Abziehenden oder den Quartiergebern, nicht aber den Arbeitgebern auf- crlegt werden. Die Meldevorfchriften haben sich in dem Rahmen zu halten, die von dem Gesetz vom 31. Dezember 1842 und 8 6 des Polizeiverwaltungs gesetzes vom 11. März 1850 gezogen werden. Eine Ver ordnung, die die Annahme ausländischer Arbeiter von einer polizeilichen Genehmigung abhängig macht, geht ferner über den Kreis derjenigen Gegenstände hinaus, die nach dem Polizeiverwaltungsgesetz der polizeilichen Regelung unterworfen sind. Den Polizeibehörden ist lediglich die Befugnis erteilt worden, nähere Vorschriften über die Aufnahme von nicht ortsangehörigen Personen in Gastwirtschaften und bei Privatpersonen zu erlassen. Metz. Der 21jährige Schlosser Blaise, der seine Großmutter ermordet hatte und sich deS Raub mordes schuldig bekanute, ist vom Schwurgericht zum Tode verurteilt worden. ALerUner j^umor vor 6erickt. Das unfehlbare Mittel. Herr Schimmel hat gegen seine frühere Wirtschafterin, die Witwe Thiele, Strafantrag wegen Körperverletzung gestellt. Nach Feststellung der Personalien erbittet und erhält Frau Thiele das Wort zur Abgabe folgender Er klärung: „Die Denunzitation von den Mann iS een janzer jewöhnlicher Racheakt. Er bat mir, wie er mir augaschicrte, die Ehe versprochen, hat aber dieset Versprechen nich bloß nich jehalten, sondern mir ohne Jrnnd entlassen. Ick habe ihn dadruff wejen drei Monate Jchalt verklacht un dafor hat er mir jetzt anjezeicht." — Vors.: Sie meinen also, Sie seien sich keiner Schuld be wußt? — Im jeringstcn jarnich. Int Jejenteil, ick könnte ihn noch wejen Bedrug anzeijen. Er ver sprach mir, als ick autrat, uff Handschlag, det er mir in einige Zeit, sobald wir uns erst näher kennen jelernt hätten, heiraten würde. Dadurch ließ ick mir verleiten, for een weit niedrijeret Jehalt zu orbeeten, als ick bei eenen Mann ohne Heiratsab sichten jefordert haben würde. Det war also von seine Seite een kompletter Bedruch. — Vors.: Nun wir wollen mal hören, was die Zeugen sagen. — Erster Zeuge, Herr Schimmel, bekundet: Von de erste Stunde an, wo die olle Schachtel . . . Vors.: Sie erhalten eine Ordnungsstrafe, wenn Sie ausfallend werden. — Zeuge: Von Anfang an war sie hinter mir her, wie eene Henne Hinteren Regenwurm. Aus de Entfernung schmachtete sie mir an, wie een verliebter Kater, und wenn ick jezwungen war, mir in ihre Nähe zu bejeben, denn wurde sie zutraulich. Wat det bei'ne Frau von ihre Jahre und ihr Äußeret heeßt, det brauche ick Woll nich erst zu erörtern. Eenet Daches hat sie mir Linsen und Schweinsohren jekocht, wat ick sehr jerne esse. Det Jerichte hatte ja eenen etwas merkwürdijen Beijeschmack, aber ick achtete weiter nich druff, son dern aß mit dem besten Appetit. Etwa zwee Stun den nach det Essen wurde mir plötzlich janz weh mütig um den Magen. Ick quälte mir eenije Zeit, aber et half nischt, die Linsen waren stärker als ick. Der Zustand mit seine Begleiterscheinungen ver schlimmerte sich so, det ick die Thielen nach'n Dokter schickte. Während sie wech war, kam meine Flnr- nachbarin, wat die Frau Zimmer is, zu mir un teilte mir mit, det die Thielen mir mit die Linsen een Sympathie-Mittel injejcben hätte, det mir uff ewig an ihr fesseln sollte. Die Thielen hätte det Mittel von eene verstorbene Ver wandte, die et wiederholt probiert hätte, et Wäre janz unfehlbar. — Der Doktor jab mich een Pulver, wovon et bald wieder besser wurde. Die jefährliche Person habe ick natürlich soforr ent lassen. — Vors.: Zeuge, haben Sie der Ange klagten die Ehe versprochen? — Zeuge (zögernd): Ick jlobe nich ... ick weeß et aber nich mehr jenau. — Vors.: Es wäre aber möglich, daß Sie es getan haben? — Zeuge: Möglich' wäre et ja vielleicht. — Die Zeugin Zimmer bestätigt die Angaben des Herrn Schimmel. Trotz aller Ermahnungen ist die Ange klagte nicht zu bewegen, ihr merkwürdiges Mittel zu verraten. Der Staatsanwalt beantragt für die frivole Gesunbheitsschädigung 8 Tage Gefängnis, der Gerichtshof glaubt jedoch, daß die Angeklagte aus Unverstand gehandelt und an die Wirksamkeit ihres Mittels geglaubt hat; das Urteil lautet daher nur auf 75 Mk. Geldstrafe. buntes Allerlei. Am Ziehtag. Hausfrau: „Ja, was soll ich Ihnen denn für ein Zeugnis geben, wo ich so unzufrieden mit Ihnen war?" — Mädchen: „Es genügt die Bestätigung, daß ich sechs Wochen bei Ihnen ausgehalten, das ist die allergrößte Empfehlung!" os-ch. Jahrh.') Kathederblüte. Atter Professor (vor dem Schulspaziergang in längerer Rede seine Schüler vor dem Alkoholteufel warnend): „... Und nun, ihr Jungens, hütet euch vor Bier, trinkt Selters wasser, keinen Wein, kein Bier, denn Bier macht dumm, denkt an mich!" (.JugtnL..) - beordert. Um zehn Uhr sollte er vor dem Prinz- Regenten erscheinen. „Was er nur hab'n mag, der Prinz?" murmelte er ein um das andere Mal. „Ob er mir meine Dackel abkaufen will, die eahm unlängst so guat g'fall'n hab'n? Gern gib i's nit her, aber um des Maxel willen muaß i schier verkaufen. Die Luader hab'n ihn bald liaber wie mi, und dös kömmt ganz alloanig nur von der verdammten Liab. Herrgottsakra, warum muaß aa grad der Bua der größte Wildschütz sein, der auf der Welt rumläuft! I ko doch mein Dirndel nit 'an Mensch'n geb'n, der Wildpret schiaßen tuat, und den i heunt oder morg'n als Diab abfangen werd." Unter diesen Gedanken war er vor dem Residenzschloß angelangt, und ohne Zögern klingelte er und meldete sich beim Portier als zur Audienz befohlen. Der alte Beamte ließ ihn passieren, und in der königlichen Kanzlei wurde ihm mitgeteilt, daß Seine Königliche Hoheit ihn ungesäumt zu sprechen wünsche. Etwas beklommenen Herzens trat er an den alten Herrn, der am Schreibtisch saß und in einem Berg von Akten herumkramte. „Ah, da ist ja der Forstwart von Bartho- lomä," meinte der Prinz gut gelaunt. „Grüß Gott, alter Freund. Setzen Sie sich, ich habe mit Ihnen verschiedenes zu besprechen. Sagen Sie mal, Forstwart, wie lange sind Sie denn schon im königlichen Dienst?" begann er. „Dreiundvierzig Jahr werden's, Königliche Hoheit, Herr Prinz-Regent," sagte der Geftagte nicht ohne Stolz. „Hm, dreiundvierzig Jahre," murmelte der hohe Herr mit einem forschenden Blick auf den Alten. „Das ist eine schöne Dienstzeit. Da kann sich keiner drüber wundern, wenn die Knochen efn wenig steif werden." „Na, dös geht noch an, Herr Prinz-Regent," erwiderte der Försterfranzl. „Vor fünfzig Jahr denk i nit um meine Pension einzukommen." „Na, mein lieber Freund, ich denke anders darüber," versetzte der hohe Herr achselzuckend. „Ich bin der Ansicht, daß Sie jetzt fchon beim besten Willen nicht mehr imstande find, Ihren Beruf voll und ganz auszufüllen." Über das Gesicht des Försterfranzl flog bei dieser Anspielung eine jähe Bläffe. „Ich will Ihnen damit keinen Vorwurf machen," betonte der Prinz-Regent im weiteren. „Sie können eben nichts dafür. Aber ich muß Ihnen sagen, daß im Berchtesgadener Lande noch nie so viel gewildert wurde, wie jetzt und vorzüglich in Ihrem Revier." „Königliche Hoheft haben recht," sagte er dumpf, „aber i ko nix dafür. I will beschwören, daß nur a aanziger rumgeht, aber der Bursch hat aa dafür 'nen Teufi im Leib. Was hab i nit scho alles aufg'stellt, um ihn auf frischer Tat zu ertappen. Nix hilft, der Goldhofermaxl is alleweil da, wo i nit bin, kurzum, i hab mi schon in meiner Verzweiflung mit meine Kollegen in Verbindung g'setzt. Am Samstag werden wir a richtige Treibjagd auf ihn ausrichten." „Wird auch nicht viel helfen," meinte der Prinz-Regent nachdenklich. „Meiner Meinung nach liegt es an Ihren Hunden, daß Sie den Burschen nicht erwischen." „ — „Au meine Hund?" rief der Alte in Heller Bestürzung, von seinem Stuhl aufspringend. „Königliche Hoheit, dös is allerdings richtig, aber i geb Jhna mein heiligs Ehrenwort, wenn i hoamkimm, häng i die zwoa Banditen am nächst besten Baum auf; sie sand koan Schuß Pulver wert." „Warum denn, Försterfranzl?" „Na, weil's halt mit dem Goldhofermaxel guat Freund sand. Wissen's, Herr Prinz- Regent, i hab halt das Unglück, daß der Bursch der Liabhaber von meiner Rosel is." Der Alte sprach dies mit solchem Ingrimm, daß der Prinz-Regent lachen mußte. „Na, dann werden Sie Ihren zukünftigen Herm Schwiegersohn wohl niemals erwischen." „WaS, Schwiegersohn?" platzte der Forst wart, beinahe grob werdend, heraus. „Wia ko a königlicher Forstwart 'an Wildpretschützen zu 'an Schwiegersohn habm?" „Na, ich will's Ihnen glauben, daß Sie das niemals zugeben würden. Aber wird dar über nicht Ihre Tochter unglücklich werden?" „Lassen Sie's, dann is sie nit mehr wert," rief der Forstwart ingrimmig. „Übrigens, Herr Prinz-Regent, will i mi verpflichten, daß i innerhalb acht Tagen den Falloten lebendig oder tot in Ihre Hände lege," fuhr er mit erhobener Rechten feierlich fort. „Sie soll'n sehg'n, daß i noch lang nit um meine Pension einzukomma brauch, weil mir so a infamigter Wildschütz bisher durch die Lappen gcmga is." „Na, pensionieren sollen Sie sich deshalb nicht lassen, bester Forstwart," meinte der hohe Herr lachend, „aber ich werde, um meinen Wild ¬ stand in Ihrem Revier zu schonen, Ihnen einen Jagdgehilfen beigeben. Dann wird die Schießerei bald aufhören." Über das Gesicht des Alten schoß wieder eine jähe Blässe des Schreckens. „Sie sollen es leichter haben, ich tu's auch Ihrer Tochter wegen. Wir wollen ihrem Schatz das Wildern schon vertreiben. Warten Sie einen Augenblick, ich werde Sie gleich mit Ihrem Gehilfen bekannt machen." Der Prinz-Regent klingelte und befahl dem eintretenden Kammerdiener, den im Nebenzimmer wartenden Jagdgehilfen emtreten zu lassen. Gespannt hing des Men Falkenauge auf der Türöffnung, unter der jetzt ein junger, brünetter, hübscher Mann von etwa fünfund zwanzig Jahren erschien. Bei seinem Anblick fuhr der Forstwart wie von einer Tarantel gestochen in die Höhe. „Himmel Herrgottsakra!" rief er tonlos, „dös is jo. der Maxel, der Fällst, der mi bald um meA Posten bracht hätt'! Und der soll iatzt mein Jagdg'hilf werd'n?" „Ja, ich weiß kein besseres Mittel, um ihm das Wildem auszutreiben," lachte der Fürst. Der alte Forstwart starrte fassungslos bald auf den Maxel, bald auf den Prinz-Regenten, dann aber wurde es ihm feucht in den Augen. „Vergelt's Gott," sagte er, dem greisen Fürsten die Hand hinstreckend, „nu is alles wiader guat. Der Wildpretschütz is unschäd lich gfinacht, mei Dimdel kriagt ihren Schatz, und ne boarische Jaagerei hat an neuen Stamm, auf ven sie stolz sein kann." »S i Ende.