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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttcndorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Ilmgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Md und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 65. Mittwoch, den 1. Juni 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttcvdorf.Dkrilla, sp Mai 1904. — Prinzessin Luise von Toskana, die vor malige Kronprinzessin von Sachsen, die sich bisher im Schlöße Ventnor auf der Insel Wight aufhielt, wird sich am 1. Juni nach dem Schlosse Wartegg bei Norschach am Bodensee begeben und dort bis auf weiteres Aufenthalt nehmen. — Es wird noch immer nicht genügend beachtet, daß die nach Dresden gerichteten Briefe häufig Verzögerungen in der Bestellung erleiden, weil sie in der Aufschrift in den Zusatz „Altstadt" oder „Neustadt" tragen. Alle Briefe, welche Mit dieser näheren Bezeichnung nicht versehen sind, müssen über das Hauplpostamt am Post platz geleitet werden, während sie sonst bereits unterwegs in den Bahnposten nach Altstadt und Neustadt getrennt werden können. Es genügt schon, der Angabe Dresden nur den Buchstaben A. oder N- hinzuzusetzen. — Der „Maienzauber" ist so gut wie zu Ende, wir treten in den Juni, in den Rosen monat, ein. Die Erwartungen, welche die Allgemeinheit an den „Wonnemonat" geknüpft sind nur zum geringsten Teile in Erfüllung gegangen, im übrigen hat der Monat Mai viele enttäuscht. Für die Saaten ist das Wetter allerdings recht günstig gewesen. Der Land mann sagt ja auch drastisch: „Die schönen Frühjahre hol' der Teufel." Frau Sonne setzt ihren Lauf rüstig fort, bald wird sie ihren höchsten Stand erreicht haben. Sie darf jetzt schon wieder ein bißchen „heiß" machen, denn der für die Saaten hiesiger Gegend notwendige Regen ist in reicher Fülle am Sonnabend und Sonntag niedergegangen. Lausa bei Dresden. Eine Verkehrs- erlcichterung shat unsere Haltestelle insofern er fahren, als eine Fahrkartenausgabe in der Wartehalle eingerichtet worden ist, an der an Sonn- und Markttagen die Fahrkarten nach Dresden gelöst werden können. Dresden. Gestern mittag nach 1 Uhr entstand auf noch unermittclte Weise auf dem zweiten, von der Drogenhandluug Kirsten und Becker be nutzten Hofe ins Grundstückes Neuegasse 34, ein größerer Brand, dem ein Schuppen, Pack material, verschiedene Oele, Aether, Harze und anderes mehr zum Opfer fielen. An dem den Hof begrenzendeu Lagergebäude der Firma, sowie den Hintergebäuden der Grundstücke Neuegasse 32 und Zirkusstraße 37 waren durch die Glut des Feuers in kurzer Zeit auch ein großer Teil der Fensterrahmen in Brand ge setzt worden, als die Feuerwehr eintraf. Diese war zunächst mit einem Löschzug ausgerückt, dem indessen, da der Kreuztürmer das Auf steigen von starkem Rauch meldete, bald weitere Fahrzeuge und die Dampfspritzenzüge folgten. Bei der Gefährlichkeit des Brandes machte sich sofort ein ganz energischer und umfänglicher Angriff notwendig. Von vier Seiten — Zirkusstraße und Neuegasse — wurde mit acht Schlauchleitungen von Straßenfeuerhähnen unv zwei Leitungen von einer Dampfspritze vor gegangen mit deren H lfe das Feuer sehr bald unterdrückt und sein Eindringen in das Innere der hart bedrohten Gebäude verhindert wurde. — Nach einer amtlichen Mitteilung hat sich 2. d. M. in Cöln ein unbekannter Mann zwei Schüsse in die rechte Schläfe in selbst mörderischer Absicht beigebracht und ist einige Tage darauf verstorben. Der Verstorbene Ivar etwa 26 bis 28 Jahre alt, ungefähr t,70 m groß, hatte dunkelblondes Haar, schwachen rötlichen Schurrbart, graue Augen, gesunde Zähne und ein Mutiermai am linken Oberarme. Bekleidet war er mit schwarzen Gehrock, grauem 0. O. gezeichneten Normalhemde, grauen Strümpfen und Schnürschuhen. In seinen Manschetten befanden sich goldene Knöpfe mit Keinen länglichen Steinen. Der Verstorbene hat ans eine Schiefertafel nur den Namen „Kurt Lößner" zu schreiben vermocht. Ein Mann dieses Namens ist bisher nicht ausfindig zu machen gewesen. Kötzschenbroda. Hier wurde am 3. Feiertage die Erdbeerbörse eröffnet. Am ersten Tage kostete der Liter noch 2,50 Mk., am zweiten Tags 2 Mk. Die Erdbesrernte ist in diesem Jahre eine überaus gute. Kötzschenbroda 31. Mai. Die Ver einigung von Kötzschenbroda und Niederlößnitz ist nunmehr durck einen Beschluß des Gemeinde rats in Niederlößnitz gescheitert. Die Ver einigung wurde als zur Zeit undurchführbar abgelehnt- Radeberg. Auf die vom hiesigen Frauenverein an den Prinzen Johann Georg gesandte Beileidskundgebung ist außer einer Dankdepesche noch ein längeres Schreiben vom prinzlichen Hofmarschallamte eingegangen, in dem es heißt: „Se. Königl. Hoheit der Prinz Johann Georg hat mich gnädigft beauftragt, Ihnen Höchstieinen aufrichtigster! Dank für die im Namen des Frauenvereins Radeberg be kundete Teilnahme, die Höchstihm in Seinem schweren Kummer aufrichtig wohlgeton' hak, auszusprechen. Die schöne Kranzspende, die Sie heute am Sarge der selig entschlafenen Frau Prinzessin niederlegten, habe ich ihm ge zeigt und läßt Höchstderselbe auch dafür herzlich danken." Großenhain. Zwei tiefbedauerliche Nnglücksfälle auf einmal haben sich im Laufe des verflossenen Sonnabends in hiesiger Stadt und Umgegend zugetragen. Der auf hiesigem Cottbuser Bahnhofe angestellte Stations-Assistent Donner erlitt am Nachmittag insofern einen Unfall, als er über einen Stein stolperte, dadurch zum Fallen kam und hierbei zwischen die Puffer zweier Wagen geriet, wodurch er sich mehrere Rippenbrüche, sowie Quetschung der linken Schulter zugezogen hat. Hoffentlich gelingt es der ärztlichen Kunst, den allgemein beliebten, tüchtigen Beamten am Leben zu er halten. Abends in der 11. Stunde geriet Herr Pferdehändler Thronicke aus Dobra nach einem in Großenhain, wo er zuletzt im „Deutschen Hause" eingekehrt gewesen, abgeschlossenen Pferdehandel auf der Fahrt nach Niederau über Zschieschen-Lenz vom Wege ab und in das sogenannte Schleienloch, den Schneiderschen Steinbruch Mehrere Meter tiefem Wasserloch auf Zschieschener Flur. Thronicke stürzte aus dem Wagen und ertrank. Pferd und Wagen wurde erst am Sonntag Morgen vom Bahn wärter am unweit gelegenen Eisenbahn-Ueber- gange beobachtet und so das Unglück festgestellt und Thromcks Leichnam geborgen. Der so plötzlich aus dem Leben Geschiedene steht im Alter von 33 Jahren und ist unverheiratet. Kamenz. In einem Steinbruche in Häslich verunglückte beim Sprengen eines Granitblocks der Speller Guhr aus Reichenbach. Er hatte mit meheren andern Arbeitern einen etwa 120 Schritt vom Sprengort entfernten Pferdestall als Unterschlupf aufgesucht. Ein abfliegender Stein schlug aber in der Nähe dieses Stalles auf, prallte wieder ab und flog durch die Tür mit solcher Gewalt, daß der etwa 4 Meter im Innern des Stalles stehende Guhr zu Boden geworfen und schwer an der rechten Hüfte verletzt wurde. Oschatz. Bei dem Gewitter am Sonnabend nachmittag schlug der Blitz in den Turm des Herrn Kammerhsrrn v. d. Decken in Hof bei Stauchitz gehörigen Schlosses. Der Turm brannte bis zum ersten Stockwerk heruntea. Casabra. Hier brannte infolge Blitz schlags die Scheune des Gutsbesitzers Jentz'ch nieder. Leipzig. Nächtliche Einbrecher stahlen in der Nacht zum Sonntag in einer Rauch waren-Großhandlung 750 russische Zobelfelle und 600 Chinchillafelle (Wert 100000 Mk.) Die Diebe haben eine Fensterscheibe zer trümmert und sind so in das Innere gelangt. Strehla. Am Mittwoch, zwei Tage nach seiner Hochzeit, die am zweiten Feiertag stattgefunden hat, wurde hier ein Buchhalter verhaftet, weil er Unterschlagung begangen haben soll. Freiberg. Durch die Nachtfröste in den letzten Tagen vor Pfingsten sind auch die Saaten in Mitleidenschaft gezogen worden. Die frisch geschoßten Noggenähren haben gelitten uud sterben an den Spitzen jetzt schon ab. Zwickau. Zum hiesigen Aerztekonflikt wird gemeldet: Nachdem der"ärztliche Bezirks verein sich dafür ausgesprochen hat, daß die von der Stadt angestellten vier Jmpsärzte die öffentlichen Impfungen für ein von der Stadt ausgeworfenes Fixum von 80 Pfg. ausführen, hat die kgl. Kceishauptmannschaft einen Vertrag des Rates mit einem dortigen Arzt, nachdem dieser die Impfungen für 80 Pfg. pro Impfung vornimmt, genehmigt. Der Bezirksverein hatte bekanntlich beschlossen, daß die Impfungen nur für je 1 Mk. vorzunehmen seien. Niederplanitz. Max Colditz, der in Monaco verhaftete ehemalige Kassierer der hiesigen Gemeindcsparkasse, war bis vor seiner Festnahme in einem dortigen Hotel als Koch gehilfe tätig, nachdem ihm, wie er behauptet, in Italien sein gesamtes Geld gestohlenworden war. K r o n f ö r st ch e n. Hier brannte das Winkler'sche Wohngebäude mit Stallung nieder. Bei den Rettungsarbeiten wurde ein junger Knecht durch fallend eglühende Branbstückeverletzt. Kr o n f ö r st ch e n. Hier wurde von dem Gutsbesitzer Winklerschen Anwesen durch aber maliges Feuer auch noch ein Seitengebäude vernichtet. Außerdem sind die Besitzungen von Buder, Geißler und Skope niedergebrannt. Der Viehbestand Winklers 6 Rinder, der bei dem ersten Brands glücklich hatte gerettet werden können, kam leider in den Flammen um. Zittau. Gemäß dem am Donnerstag abend im Kaisersaal in Olbersdorf gefaßten Beschluße haben die organisierten Maurer gestern früh die Arbeit auf allen Bauten ein gestellt. Bis gegen 8 Uhr früh waren alle Streikenden wieder im Kaisersaal versammelt, um sich in die Streiklisten eintragen zu lassen und die Streikkarten in Empfang zu nehmen. Darnach beträgt die Zahl der Ausständigen 351, während 40 unverheiratete Maurer sofort ab gereist sind. So weit es sich bisher übersehen läßt, ist der Streik allgemein, auf allen Bauten ruht die Arbeit. Die Stimmung der Ausständigen ist ruhig und sehr zuversichtlich. Die Streikenden fordern eine Erhöhung des jetzt 28 bis 30 Pfg. betragenden Stundenlohnes auf 35 Pfg. und eine Verkürzung der Arbeitszeit von 10^ auf 10 Stunden. Mühlberg a. E. Die seit dem 1-Pfingst feiertag vermißte 24jährige Tochter des Acker bürgers B. in Dommitzsch wurde gestern am Prettinek Ufer als Leiche aus der Elbe ge zogen. Ueber die Beweggründe zu der un seligen Tat sind verschiedene Gerüchte im Umlauf. Aus der Woche. Im allgemeinen ist das Kriegsglück den Ja panern bisher hold geblieben. Allüberall auf dem weitverzweigten Kriegsschauplätze ist ein sicheres, wenn auch langsames Vordringen der Japaner wahrnehmbar. Auf der Halbinsel Liautung nisten sie sich immer fester ein, überall landen sie Truppen, ohne ernstlichem russischen Widerstande zu begegnen; mit der Erstürmung von Kintschou haben sie Port Arthur eng um krallt und ihre Bewegungen in der Mandschurei sind vorsichtig zögernd. Sie riskieren nie zu viel und halten mit ihren schwächeren Kräften Haus- Daß sie einige Schiffe verloren haben, gestehen sie offen ein, aber dieser Verlust ist nicht auf Konto der russischen Tapferkeit, sondern auf unglückliche Zufälle, — ein Zusammenstoß und ein Aufläufen auf eine schwimmende Mine — zu setzen. Diese schwimmenden Minen drohen eine große Gefahr nicht nur für die Japaner sondern für die gesamte internationale Schiffahrt zu werden. Gelangen sie nämlich aus dem chinesischen Ostmeere hinaus in den sOzean und kommen in die „Strömung der östlichen Winde", dann ist die Schiffahrt auf dem Stillen Meere beständig von den schrecklichsten Gefahren be droht. Das sieht auch Rußland ein und seine Presse versichert, daß das Zarenreich bereit sei „nach Beendigung des Krieges" diese Minen streuerei zum Gegenstand internationaler Er örterungen zu machen. Es würde vielleicht beßer sein, wenn Rußland jetzt schon erklärte, nur innerhalb der Kriegszone (10 Seemeilen von der Küste) sich der Minensperre und zwar mittels stark verankerter Minen bedienen zu wollen. Aber darauf ist nicht zu rechnen. Mögen auch Schiffe der neutralen Handelsflotte durch russische Minen auffliegen; so ein Schiff ist, nachdem es mit Mann und Maus unter- gegangsn, schweigsam wie das Grab. Beweise, daß es sein Ende durch russische Minen ge funden hat, werden sich nie beibringen lassen. Es ist allerdings fraglich, ob die neutralen Staaten sich diese Minenverteidigung bis „nach Beendigung des Krieges" gefallen lassen werden. Auch darauf ist Rußland um eine Antwort nicht verlegen. Großsprecherisch wird aus Petersburg versichert, daß Rußland nach und nach zwei Millionen Mann mobil machen werde und ganz beiläufig wird auch die Schilderung bekannt, die ein Franzose von dem russischen Kriegsschatze gibt, den er selber ge sehen haben will und der nach seiner sachver ständigen Schatzung nicht weniger als 2200 Mill, in Gold und Silber betragen soll. Rußland ist unüberwindlich und wenn ihm gleich die ganze Welt den Krieg erklärt." — Im Laufe der vergangenen Woche war der in Petersburg beglaubigte kroeanische Gesandte in Berlin und ist am Donnerstag wieder nach Petersburg zurückgekehrt. Das Berliner Blatt, das die Nachricht zuerst brachte, hatte in seiner Meldung den Druckfehler, daß der große Herr in Berlin in der japanischen Gesandtschaft abgestiegen sei. Es hätte aber heißen müßen: in der „koreanischen". Die Nachfrage bei der irrtüm lich genannten japanischen Gesandtschaft ergab scheinbar die Unrichtigkeit der Meldung. Aber nach Berichtigung des Druckfehlers ist sie buch stäblich wahr, wie der Schreiber dieses aus eigener Kenntnis bestätigen kann. Allerdings an dem Aufenthalt des Koreaners in Peters burg ist manches unklar. Korea ist doch der Verbündete Japans, ist also gleichfalls im Kriegszustände gegen Rußland. Erst vor wenigen Tagen wurde aus Söul direkt von dem Jubel der dortigen Bevölkerung über die erste Waffentat der koreanischen Truppen gegen eine Kosakenbande berichtet. Sollte denn der Herr Gesandte von dem russisch-koreanischen Kriegszustände nicht wissen oder sollte die russische Regierung die Sache nicht so tragisch nehmen? Von den europäischen Dingen zieht vornehmlich die Spannung zwischen Frankreich und den Vatikan die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Es gibt auch Fälle, in denen weise Mäßigung mäßige Weisheit verrät; es gibt anderseits Fälle, in denen Ueberstürzung zum Fallstrick wird. Ueber die Behandlung des Konflikts ist die französische Regierung nicht einig. Dombes und Delcassö scheinen den vollständigen Bruch mit dem päpstlichen Stuhle zu wünschen. Die gleichlautende Protest note, die der Vatikan gegen den Versuch Loubets in Nom an die katholischen Mächte erlassen hat und in deren für Portugal be stimmtes Exemplar noch eine besondere Ver schärfung enthalten war, gab der französischen Regierung den Anlaß, ihren Botschafter beim päpstlichen Stuhle, Nisard, zurückzurufen. Nun fragt sich alle Welt, wie der Sozialist Jaurös zu dem Wortlaut der an Portugal ge richteten Note gekommen ist, von dec selbst die französische Regierung jnichts wußte. Mit Indiskretionen wird ja in der Diplomatie un- gemein viel hantiert, aber wie war solche In diskretion an dem fromm-katholischen Hofe von Lissabon möglich?