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Bon den höheren Schulen. Bei seinem kurzen Aufenthalte in Mailand hat der Kaiser im Gespräch mit einem italienischen Gym nasiasten über den Sprachunterricht auf den höheren Schulen eine bemerkenswerte Äußerung getan. Der ,Münch. Allg. Ztg.' schreibt man darüber: Der Kaiser hatte den Grafen Iacini, der jahrelang als italienischer Gesandtschastsrat in Berlin gelebt hat, mit seiner Familie auf den Bahnhof gebeten und unterhielt sich wäh rend des Aufenthaltes in Mailand mit diesen Herrschaften. Das Gespräch kam dabei auch auf den Gymnasialunlerricht. Der Kaiser sragte einen Sohn des Grafen Iacini, ob er auf dem Gymnasium auch moderne Sprachen lerne. Die Antwort lautete verneinend, „überall wie bei uns l" rief der Kaiser und fügte dann hinzu, daß nach seiner Meinung schon in den ersten Klassen der höheren Schulen die modernen Spracken gelebrt werden müßten, womöglich auch Russisch, Chinesisch und Japanisch. Feuer im Geburtshause Gerhard Hauptmanns. Am Dienstag wütete im Hotel „Zur Krone" in Bad Salzbrunn, dem Schauplatz von Gerhard Hauptmanns „Fuhr mann Hentschel" und des Dichters Geburts haus, ein großer Brand. Das Feuer entstand durch die Fahrlässigkeit eines Dienstmädchens. Verbrannt ist der Dachstuhl des im westlichen Teile des Baues gelegenen großen Gesellschasts- saales. Letzterer hat durch das Feuer selbst wie durch die zur Bewältigung des Brandes hineingeführten Wasserstrahlen stark gelitten. Ein schwerer Unfall ereignete sich auf dem neuen Schacht der Zeche „Borussia" in Oespel. Es brach im Schacht eine Arbeits bühne, infolgedessen die darauf beschäftigten Leute in die Tiefe stürzten. Ein Mann war sofort tot, zwei wurden schwer, einer leicht verletzt. Ein geriebener Gauner, der bereits mit Zuchthaus vorbestrafte stellenlose Schreiber Hessemer, wurde in Münster i. Wests, mit seiner Frau verhaftet. Hessemer besaß von seiner früheren Stellung bei der Baufirma Hessel in Münster noch Quittnngsformulare und ließ sich auf Grund dieser Quittungen von der Bank verbindung der Firma nach und nach etwa 20 000 Mark ausbezahlen. 9000 Mark gibt der Verhaftete bereits zu. Das Ekepaac Hessemer lebte übrigens auf großem Fuße; selbstredend fehlte auch das Automobil nicht. Ein ungeratener Sohn. Der 17jährige Sohn des Eberl - Müller in Fürth i. W., der bereits vor einiger Zeit im Streit seinen eigenen Vater gestochen hatte und deswegen zu drei Monat Gekängnis verurteilt wurde, legte im elterlichen Anwesen Feuer an. Es verbreitete sich so rasch, daß die ganze Mühle samt allen Vorräten an Holz, an Maschinen und die ge füllte Scheune abbrannten. Das Motiv war Rache dafür, daß er von seinen Eltern kein Geld zum Kegeln erhielt. Seine Drohung, er werde das Haus anzünden, wurde nicht ernst genommen. Im Stalle verdeckt wurde der Übeltäter gesunden, wo er sich eingeschlossen hatte, um sich, wie er sagte, mitverbrennen zu lassen; er wurde sofort in Haft genommen. Familientragödie. In Barmen ver- mundete Montag mittag der Fabrikarbeiter Sveiser in der Wohnung seiner Schwiegermutter seine vor ihm geflüchtete Frau, als diese sich weigerte, zn ihm zurückzukehren, durch einen Revolverschuß schwer und seine Schwiegermutter lebensgefährlich. Nis die Schwägerin des Speiser diesem entgegentrat, tötete er sie und erschoß sich dann selbst. Brandstifterbande. Eins ans fünf Per sonen bestehende Brandstifterbande wurde in Fulda verhaftet, darunter ein zwanzigjähriger Bürgerssohn, der gestanden hat, daß er bereits zweimal das Anwesen seines Vaters ange steckt habe. Schwarze Pocken. Im Dorfe Bronsko find in der Familie eines Bergarbeiters, der vor etwa 4 Wochen aus Westfalen zurückgekehrt war, die schwarzen Pocken ausgebrochen. Bis her sind zwei Personen gestorben, zwei andre Personen find erkrankt. Die nnt den Kranken in Berührung gekommenen Personen sind sämtlich abgesondert. Von der sozialdemokratischen Mai feier im Hcrzogspark bei München meldet die .Allgemeine Zeitung' lakonisch, daß dort am Sonntag nachmittag 60000 Liter Bier ge trunken wurden. Sonst ist kein Unglück passiert. Kreuzotternplage. In der Gegend von Tetschen treten Heuer die Kreuzottern in so ungeheuren Mengen auf, daß sie zu einer großen Plage werden. Zu Hunderten werden diese Reptilien auf den Gemeindeämtern abge- liefert, wo für jedes Stück eine Fangprämie gezahlt wird. Stürmische Gemeindewahlen. In Frankreich werden jetzt die Neuwahlen in die Gemeindevertretungen vorgenommen, wobei es an vielen Orten zu Gewalttätigkeiten kam. In Eine Weltausstellung in London. Wie verlautet, beschäftigen sich eine Anzahl bekannter Londoner Politiker und Finanzleute mit dem Plane einer Weltausstellung, die angeblich alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen soll. Seit einem halben Jahrhundert hat in London keine Weltausstellung mehr stattgesunden. Sizilianische Briganten. Am Dienstag morgen wurde in Palermo der elfjährige Neffe des Ministers Orlando auf der Straße von zwei Individuen überfallen und in einen Wagen geworfen, der schnell wegfubr. Auf das Geschrei des Jungen verfolgte ein Offizier den Wagen. Die Banditen sprangen aus dem Wagen heraus und flohen, wurden aber verhaftet. Bei ihnen wurde ein Brief an die Eltern des Knaben ge- Vergleickenäe Darstellung rum russisch-japanischen Krieg. Der russisch-japanische Krieg interessiert gerade jetzt, wo die ersten ernsten Kämpfe auf dem Lande stattgefunden haben, allgemein. Niemand kann das Ende dieses unseligen Konfliktes Voraussagen. Ge radem erstaunlich sind die Erfolge, die das kleine Japan über den russischen Koloß bis jetzt errungen hat. Welch' gewaltiger Unterschied in den Größen verhältnissen zwischen den beiden feindlichen Mächten besteht, wird so recht deutlich durch unsere heutige statistische Karte dargestellt. Nach derselben ist die Friedensstärke des russischen Heeres 1087 000 Mann, während Japan nur 640 701 Mann aufzu ¬ weisen hat. Dis russische Kriegsflotte zählt 389 Schiffe mit 3588 Kanonen, die japanische nur 74 Schiffe mit 1188 Kanonen. Rußland besitzt 59 070 Kilometer Eisenbahnen, Japan nur 8487 Kilometer. Bei der Handelsflotte ist iedoch das Verhältnis um gekehrt. Japan besitzt 4020 Segelschiffe, während Rußland nur 2371 Segelschiffe zählt. Japan hat 1395 Handelsdampser, Nutzland nur deren 790. Was aber Schulden anbetrifft, so ist Rußland Japan bedeutend über, da Rußland 21 478 757 319 Mark aufzuweisen hat, während Japan 1535 387 264 Mk. besitzt, was allerdings auch keine Kleinigkeit ist, der Stadt Florensac war auf Betreiben des Bürgermeisters Cauby, dessen Wahl für un gültig erklärt worden war, die Wahlkommisston heimlich, vor Erscheinen der Wähler, gebildet worden. Als endlich die Wähler das Wahl- bureau betraten, machten sie kurzen Prozeß und warfen sämtliche Mitglieder der Kommission zum Fenster hinaus. Der Präfekt, der in seiner Eigenschaft als Wähler erschienen war, sah den Vorgang mit an, ohne eingreifen zu können. Frau Therese Humbert fabriziert Kragen, seit sie wieder in das ungastliche Gefängnis von Rennes zmückgekehrt ist. Sie ist mit 15 Kameradinnen von minderer Berühmtheit der Abteilung für Wäschefabrikation zugeteilt worden und beschäftigt sich nur noch mit der Anfertigung von Kragen, die im Französischen „falsche Hälse" heißen; so bleibt sie ihrem einstigen Berufe, Fälschungen zu begehen, einigermaßen treu. Sie bekommt übrigens jede Woche von unbekannter Seite einen größern Geldbetrag zn- gesandt. fanden, worin eine große Summe für die Frei lassung des Kleinen gefordert wird. Dynamit-Diebstahl. Ans dem Pulver- iurm bei Brixsn wurden 160 Dynamit-Patronen gestohlen. Da jüngst verschiedenen Bewohnern Brandbriefe zugingen, erregt der Diebstahl große Beunruhigung. Die Eröffnung der Weltausstellung in St. Lonis, die am 30. April stattgefunden hat, bringt wieder in Erinnerung, daß der eigentliche Anlaß zur Eröffnung der Ausstellung au diesem Tage eine Gedenkfeier des 100. Jahrestages der Erwerbung Louisianas von Frankreich durch die Ver. Staaten ist. Der Vertrag wurde am 30. April 1803 unter zeichnet. Louisiana liegt genau im Mittelpunkt der Ver. Staaten, umfaßt zwölf Staaten und zwei Territorien und zählt jetzt zu den reichsten Landstrichen. Der dafür gezahlte Preis betrug, wie die ,Daily News' berichten, 60 Mill. Mk., d. h. 20 Mk. für die englische Quadratmeile, denn das Gebiet umfaßt etwas über eine Million Quadratmeilen. Die Amerikaner konnten mit diesem Kauf zufrieden sein, und haben alle Ursache, diesen Gedenktag auch zu feiern. Bankrotte Städte. In Pietermaritzburg wurde von der Bank dem Gemeinderat plötzlich jeder weitere Vorschuß verweigert, so daß alle Werke stillstehen, die von der Bank finanziell abhängig sind. In Ost-London (Kapkolonie) ist dasselbe passiert. GericktsbaUe. Eisenach. Ein Hexenprozeß, wenn auch ein solcher ohne Folter und Verurteilung zum Fenertöde, wurde in einer Schöffengerichtssitzung zu Eisenach verhandelt. Einer jungen Frau war ihr Kindchen erkrankt und die junge Mutter sowohl wie deren unverheiratete Schwester wußten sich das Leiden nur dadurch zu erklären, daß das arme Kind verhext sei. Sie glaubten auch die schuldige Hexe in der Person einer alten Dame gefunden zu haben, die bei ihren im gleichen Hause wohnenden dortigen Angehörigen vorübergehend zu Besuch weilte. Da die beiden abergläubischen Schwestern die Ma trone auch offenkundig als Hexe bezeichneten und sie beschuldigten, das Kind verhext zu haben, erfolgte Beleidigungsklage. In der Verhandlung versuchten die Angeklagten sogar, die Richtigkeit ihrer Beschul digung zu beweisen. Da ihnen aber der Wahrheits beweis für ihre seltsame Behauptung trotz aller Mühe nicht gelang, wurden sie zu je 15 Mark ver urteilt. Nürnberg. DaS hiesige Schwurgericht ver urteilte die Kaufleute Emanuel und Joseph Marx, welche als Inhaber der Firma Gebrüder Marx an läßlich des Erwerbs eines Nachlaßwarenlagers durch Zeitungsanzeigen nicht stichhaltige Anpreisungen er ließen, wegen unlauteren Wettbewerbs, verübt durch die Presse, zu je 100 Mk. Geldstrafe. 72 Ltunäen lang im 9cknee begraben. Bei dem bekannten Lawinen-Unglück von Pragelato am 19. April, das gegen siebzig Menschenleben forderte, ereignete sich nach den ,Leipz. N. N.' auch folgender schreckliche Vor fall. Der Arbeiter Anton Monetti aus Venedig, der mit dem Werksührer voranging, wurde zu erst von der Lawine fortgerissen. Als er aus der ersten Betäubung erwachte, befand er sich mit dem Werkführer in einem engen, von Schneemassen umschlossenen Raume und fühlte, daß er eine starke Quetschung am linken Arme erlitten hatte. Der Werkführer lag obenauf mit zurückgebogeuen Füßen, und seine Nagel schuhe stießen an Monettis Stirne. Als Monetti erkannt hatte, daß der Werksührer töd lich verletzt sein mußte und daß es ganz un möglich war, aus der Höhle zu gelangen, schrieb er im Dunkeln, so gut es ging, ein Testament zugunsten seiner Gattin. Viele Stunden später hörte Monetti zahlreiche Per sonen oben über die Schneedecke gehen, und an dem gleichmäßigen Schritte erkannte er, daß es Soldaten waren. Er schrie aus Leibeskräften, allein niemand hörte, ihn, und es wurde wieder still. Glücklicherweise vernahm er bald wieder den Schall von Eispickeln. Er rief nun aber mals um Hilfe und diesmal wurde ein Offizier auf ihn aufmerksam. Aber es dauerte noch lange, bis der mächtige Sargdeckel gelüftet war und Monetti dem Grabe entsteigen konnte, in dem er 72 Stunden lang geschmachtet hatte. Der Werkftihrer war inzwischen gestorben. Monetti sah nicht besonders erschöpft aus, mußte aber eine Nervenerschütterung erlitten haben, denn er rief beständig, man möge ihm doch die Schuhe des Werkführers vom Kopfe abnehmen. buntes Allerlei. Ein Zeichen. General lzu einem Rekruten): „Na, kennst du mich, mein Sohn?" — Rekrut: „Zu Befehl, Exzellenz sind der Herr Armee kommandeur." — General: „Woher weißt du das?" — Rekrut: „Der Herr Unteroffizier hat uns gejagt, der mit der roten Nase und den abstehenden Ohren das ist der Armeekomman deur !" (,Lach. Jahrh.-) „Aber warum jetzt?" rief der Geheimrat. „Gerade jetzt, wo du in der Gesellschaft so be liebt bist, wo dir von allen Seiten gehuldigt wird, und wo doch vielleicht . . ." Gabriele verstand, was er sagen wollte, und bis über die Schläfe errötend, fiel sie ihm schnell ins Wort: „Nur nicht auf einen Mann warten I Das ist schrecklich! Ist entwürdigend I Lieber einen Beruf suchen, wenn es noch freier Entschluß ist, als später, wo es dann heißt: Aha, nun merkt sie, daß sie sitzen bleibt. — Darf ich gehen — ja, lieber Vater?" bat sie dann noch einmal weich und eindringlich und streichelte seine Hand. „Das kommt so plötzlich, so überraschend, als ob irgend etwas ..." Jetzt erst blickte die Mutter auf. Sie war, als Gabriele ihre Bitte zum ersten Male aus sprach, in das Sofa zurückgesunken und hatte die Angen mit der Hand beschattet. Gabriele schonte vielleicht unbewußt ihren Schmerz, indem sie sich zuerst an den Vater wandte. Nun aber kam ihr die Mutter zu Hilfe. Sie erhob sich, trat neben ihren Mann und sagte, die Hand auf seinen Arm legend, mit zitternder, aber entschlossener Stimme: „Laß sie gehen, Karl!" Erstaunt sah er die Gattin an und murmelte: „Das wird mir immer rätselhafter." „Wir sprechen nachher darüber," sagte sie, ihn voll anblickend, „und wir wollen nichts übereilen. Laß uns jetzt Zeit — und überlege es dir auch unterdessen. Ich bleibe bei Gabriele und komme dann zu dir. Nachher schicke ich dir das Kind. Unter vier Augen kommt man mit so etwas weiter. — Laß sie jetzt, Karl," bat sie dann, als ihr Mann sich wieder an die Tochter wenden wollte, die mit den Tränen kämpfte. — Auch die Geheimrätin unterdrückte mühsam die ihrigen, und des Gatten Augen waren feucht, während er Frau und Tochter umarmte und kopfschüttelnd hinausging. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, genügte ein Blick, um das volle Ver ständnis zwischen Mutter und Kind zu ver mitteln. Aufschluchzend sank Gabriele vor der Mutter nieder und barg lange das Gesicht in ihrem Schoße, während jene langsam ihr welliges Haar streichelte. Und dann beichtete Gabriele. Und ihre reine, zugleich weiche und stolze Seele lag ge öffnet vor den Blicken der Mutter. Nach ein paar Tagen war es beschlossene Sache, daß Gabriele in den Hilfsschwestern- Verein eintreten sollte, von dessen Bestrebungen und Leistungen man Gutes wußte. Die Korrespondenz hin und her war bald erledigt, und schon nach einigen Wochen konnte die neue Schwester ihren Lehrkursus beginnen. In aller Stille wurden die Porbereitungen zum Aufbruch getroffen. Die siebzehnjährige Elly wurde aus der Pension zurückberufen, um den Pflichtenkreis der älteren Schwester zu übernehmen. Man zog sich von der Gesell schaft zurück, und sie erfuhr das Unglaubliche erst bei den Abschiedsbesuchen, die für Gabriele manche peinlichen Momente brachten. Aber das tapfere Mädchen wußte überall so ruhig von einem lange gehegten Wunsch und der endlichen Einwilligung der Eltern zu sprechen, daß man sich zufrieden gab. Etwas Befonderes hatte sie zwar immer an sich gehabt, diese kluge, liebenswürdige Gabriele. Extravaganzen aber hatte man ihr niemals nachsagen können, und so mußte sie ja wissen, was sie wollte und was sie tat. Mancher aufrichtig gemeinte Segens wunsch gab ihr das Geleit. Sie kam von dem letzten Besuche zurück und trat in ihr Stübchen. Da standen die Koffer ge packt, morgen früh sollte geschieden sein. Trotz unglaublicher Wehmut war sie ruhig und mutig und wischte schnell die Tränen fort, die sich ungerufen hervordrängten. Und doch — ein mal noch mußte sie hier an ihn denken. Sie hatte allen Lebewohl gesagt, nur ihm nicht, um deffentwillen sie ging. Ein kurzes Wort des Abfchiedes aber sollte er haben, hatte er doch als „Freund" ein Recht darauf. Sie schrieb ihm: „Bei unserem letzten Zusammensein habe ich Ihnen garnicht erzählt, daß mir ein alter Wunsch erfüllt werden soll: Meine Eltern haben ihre Zustimmung ge geben, daß ich Krankenpflegerin werde. Ich bin im Begriff, zu meiner Ausbildung nach Berlin zu gehen und werde dann in den Hilfsschwestern- Verein eintreten. Ich muß unerwartet schnell abreisen, möchte aber nicht gehen, ohne Ihnen Lebewohl gesagt zu haben. Bewahren Sie ein freundliches Gedenken Ihrer Gabriele Grain." Mit dem Briefe in der Hand kam sie zur Mutter. „Schick ihn ihm morgen, wenn ich fort bin," bat sie, „und sorge dich nicht um mich, lieb Mütterlein. Gott wird mich meinen Weg finden lassen!" 4. Als Alfred Gabrieles Abschiedszeilen gelesen hatte, atmete er zuerst erleichtert auf. Er war zwar an jenem Ballabend mit dem Bewußtsein redlicher Pflichterfüllung nach Hause gegangen, denn er stellte Gabriele höher durch daS offene Bekenntnis, als er durch schweigendes Zurück ziehen getan hätte. Aber seitdem hatten sich doch allerlei Be denken eingeschlichen, die ihm keine Ruhe ließen. Gabrieles Gleichmut hatte ihn anfangs voll kommen zufrieden gestellt, nachträglich aber be sann er sich, daß er manches bemerkt hatte, waS nicht dazu passen wollte, ein Zucken um die Mundwinkel, ein gedankenschnelles Aufleuchten in ihren Augen. Was bedeutete das? Hatte er ihr weh getan? Wie würde sie bei der nächsten Be gegnung sein? Diese und andere Fragen hatten ihn gequält, und nun war die glücklichste Lösung da. Sie ging, ganz unabhängig von dem, was er getan hatte, es war ein „alter Wunsch" von ihr, und wahrhaftig ein sehr verständiger Wunsch. Sie war eigentlich genau so vernünftig wie er. Denn wie er dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts Rechnung tragen wollte durch eine reiche Heirat, so tat sie es durch den Verzicht auf die Heirat. Solche Mädchen sind eben heute nicht mehr zum Heiraten da; „leider nicht," setzte er mit einem Seufzer hinzu. «3 (Fortsetzung solgt.)