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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Rioritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag io Uhr. Inserate werden mit ,o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be. sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 61. Sonnkaa, den 22. Mai 1904. 3. Jahrgang. * * Pfingsten. *« (Nachdruck verboten.) M Maientag, so lind und hold — Das ist ein Blühen ohne Ende; Im Sonnenstrahl der Blüten Gold Wallt flüsternd nieder durchs Gelände. Der weite Himmel aufgetan, Die ganze Welt vom Licht durchwoben; — Die Lerche jubelt himmelan, Empor vom Lrühlingshauch gehoben. Die Blüte, die vom Lrühtau trank, Umweht ein zaubersüßes Träumen, Der Waldbach hastet durchs Gerank, Er mag nicht rasten, mag nicht säumen. Da schweigt und ruht der Seele Leid, Der bange Gram er muß sich legen, Ls träumt das Herz von goldner Zeit, Von Glück und Glanz auf allen Wegen. Mir aber ist, als ob ich sollt' In Andacht falten meine Hände, — G Maientag, so lind und hold, Mit deinem Blühen ohne Lndel — Oeriliches und Sächsisches. Vttendorf.Vkrilla, 2). Mai 1904. — Die Birke, oder auch Maie genannt, unser schönster und beliebtester Pfingstschmuck im Hause, ist wieder erschienen. Für einige Groschen bekommt man schon ein hübsches Bäumchen. Zur Frischerhaltung der Pfingst birke ist es sehr angebracht, sie oft mit frischem Wasser und am unteren Ende des Stammes mit einem Einschnitte zu versehen. — Der deutsche Feuei wehrtag wird vom 8. bis 6 September in Mainz abgehalten werden. — Ein gutes Hasenjahr steht zu erwarten, wenn nicht irgendwelche elementaren Ereignisse diese Hoffnung zu schänden machen. Die jungen Feldhasen tummeln sich gegenwärtig in ganzen Gruppen auf den Fluren, ein sicheres Zeichen dafür, daß der für die ganze kommende Jagdsaison ausschlaggebende Satz der März hasen wohl gediehen ist. Dresden. Am Mittwoch gelang es zwei Schutzleuten aus Loschwch und Weißer Hirsch, zwei junge Leute, die aus der Zwangs erziehungsanstalt Groß-Nosen in Oberschlesien entwichen waren, festzunehmen. Bald darau gelang es aber dem einen Ausbrecher, di Flucht zu ergreifen. Der Flüchtige heißt Wilhelm Lange und stammt aus Bcieg. Au ihrer Wanderung bis Loschwitz verübten die Bürschchen Diebstähle und verschafften sich Kleider. Ter Festgenommene ist ein aus Ratibor stammender Stallschweizer Tumulka. — Die PferdeausstellungSlotterie, die gestern zum zweiten Male gezogen wurde, hat mit ihrer ersten ungültigen Ziehung allerlei tragi komische Zwischenfälle verursacht. Der Haupt gewinn war in die hiesige bekannt? Kollektion von Alexander Hessel gefallen. Dieser tele graphierte sofort an den Agenten in Zschopau, der wiederum an den Besitzer des Loses drahtete. Der „glückliche" Gewinner setzte sich sofort auf die Bahn und kam nach Dresden, um hier seine Equipage mit vier Pferden in Empfang zu nehmen, wurde aber hier grausam enttäuscht. Aehnlich erging es einem Bauer, der selbst anwesend war und dem ein Händler 400 Mark für das Pferd, das jener gewonnen hatte, bot. Der Bauer aber sagte: „In meinem Stall stehen schon drei Pferde, da ist auch fürs vierte noch Platz und Futter da." Das war recht gut, denn das Geschäft wäre ohnedies ungültig geworden. — Am l5 Mai vormittags gegen 8 Uhr ist eine hier wohnhafte Lageristin auf der Radeberger Landstraße, etwa eine viertel Stunde von der Haidemühle, von einem Un bekannten ihres Geldtäschchens beraubt worden. Auf ihrem weiteren Wege Haidemühle-Weißig ist der Räuber an der Straßenkreuzung Ullers- dorf-Langebrück trotz ihres lauten Schreiens wieder an sie herangetreten und hat ihr mit keinem Stocke einen Schlag in das Gesicht versetzt, so daß ihr Mund und Nase geblutet jaben. Der Täter, anscheinend ländlicher Arbeiter, ist ungefähr 1,60 m groß, hat rotes Gesicht und spitze Nase, ist bartlos und war mit hellgrauem Anzuge unb gelblichbraunem eingedrücktem Strohhute bekleidet. — Ein bei der Dresdner Transport- und Lagergesellschast vormals Thamm — Aktien gesellschaft — angestellter Buchhalter ist wegen mehrfacher Unterschlagungen in Höhe von mehr als 900 Mark zum Nachteile dieser Firma estgenommen worden. — Die am 30. April d. I. eröffnete Große Kunstausstellung hat sich, wie man täglich beobachten kann, eines ganz besonders lebhaften Zuspruches seitens des kunstverständigen Pub likums zu erfreuen. Allgemein hört man nur Anerkennung über das große, vortrefflich ge- ungene Werk, das jedem Besucher auf den ersten Blick zeigt, mit welcher peinlichen Sorg- alt die Auswahl der Kunstwerke seitens der leitenden Künstler erfolgt ist. Professor Gotthardt Kuhl kann mit Recht die von ihm und seinen Mitarbeitern geschaffene Ausstellung eine Eliteausstellung nennen, die nicht nur von den Einwohneru unserer Residenz wieder holt und gern durchwandert werden wird, sondern auch das Ziel vieler Fremden bilden und den Ruhm Dresdens als Kunststadt weiter festigen wird. Sowohl Se. Majestät der König, als auch Ihre Majestät die Königin- Witwe und die anderen Mitglieder des Königs. Hauses besuchen des öfteren die Ausstellung, besichtigen dieselbe stets mit regem Interest' und haben auch wiederholt Ankäufe von Kunst gegenständen bewirkt. — An der Ecke der Kathrinen- und Königs brücker Straße fuhr gestern mittag ein Rad fahrer in ein einspänniges Geschirr hinein und wurde überfahren. Ein Offizier nahm sich des bewußtlos Daliegenden an und vermittelte besten Transport in das Friedrichstädter Krankenhaus. Der Verunglückte hatte eine Gehirnerschütterung und innere Verletzungen er litten. Der Geschirrführer soll schuldlos sein. — In der Wilsdruffer Vorstadt verstarb am Donnerstag nachmittag infolge von Alkohol vergiftung ein 59 jähriger privatisierender Hotelportier. — Am Dienstag fiel auf der Pirnaischen Straße der Führer eines LostgeichirrS infolge Trunkenheit von seinem Sitze herab auf die Straße und wurde überfahren. Er hatte zwei Rippenbrüche und mehrere Riß- und Schürf wunden erlitten und mußte in das Johann- slädter Krankenhaus gebracht werden. Kötzschenbroda. Aus Anlaß der Wiederbesetzung der durch den Tod des Ge meindevorstandes von hier frei gewordenen Gemeindevorstandsstelle hat der Gemeinderat zu Kötzschenbroda erneut die Vereinigungsfrage mit Niederlößnitz aufgerollt und es dürfte eine difinitive Entscheidung beider Gemeinden in deu nächsten Wochen zu erwarten sein, da im Falle der Ablehnung die Vorstandstelle mit Ende nächsten Monats wieder besetzt werden muß. Niederlößnitz In der Nacht zum Freitag verstarb auf seinem in der Niederlößnitz gelegenen Landsitze der Stifter des ersten Kaiser Wilhelm-Denkmals in Sachsen, das an der Kreuzung der Kaiser- und Königstraße hier er richtet wurde, Herr Otto Teske. Er stiftete diese schöne Denkmal im Jahre 1902 der ge nannten Gemeinde. Aus dem oberen Elbtale. Der Wasser stand der Elbe ist hier nun soweit zurüc gegangen, daß die von der Königlichen Wasser bauinspektion anzeordneten Ausbago"'"ngen und das bekannte Heben von größeren men aus der Fahrtrinne des Stromes ihren Anfang nehmen. Meißen Vorgestern weilte ein Vertreter er Staatsanwaltschaft aus Dresden hier zum Zwecke von Vernehmungen und Ortsbesichtigungen, eren Ergebnis zur Verhaftung dreier Arbeiter uhrte. Es handelt sich um den Verdacht des Meineids. Bischofswerda. Der bienenwirtschaftliche Bezirksverband für die westliche Oberlausitz in Ohorn bei Pulsnitz hielt seine diesjährige Jahresversammlung ab. Es hatten sich von en 17. zu diesem Verbände gehörenden Ver tuen 13 mit über 100 Mitgliedern ein gefunden. Herr Ewald Prescher sprach über: „Verdacht von Honigfälschungen oder die Be- riebsweise der Bienenzucht sonst und jetzt", benso nahm man eine Besichtigung von Bienen- 'tänden in diesem Orte vor. Die nächstjährige Hauptversammlung findet in Grüngräbchen bei Kamenz statt. Döbeln. In der Stadtverordnetensitzung wurde der vom Stadtrate beschlossenen Er- nchtung eines Elektrizitätswerkes zugestimmt. — In der Mulde bei Niederstriegis-Grün roda ertrank Mittwoch abend der elfjährige Sohn des Hausbesitzers und Zigarrenhändlers Mende aus Zweinig beim Baden. Oschatz. Bei den Schwadronsbesichtigungen des Ulanen-Regiments, denen am Dienstag Se. kgl. Hoheit Kronprinz Friedrich August beiwohnte, haben sich leider zwei Unfälle zu getragen, indem ein Ulan sich einen Schlüssel beinbruch durch Sturz zuzog und ein Unter offizier zn Falle kam, wodurch dieser sich am linken Arme, sowie am Kopfe verletzte. Leipzig. Das Stadtverordnetenkollegium nahm entgegen dem Ratsbeschluß das von dem verstorbenen Buchhändler Christian Adolf Mackroth der Stadtgemeinde Leipzig ausgesetzte Vermächtnis zur Herstellung eines Bären zwingers an- Der Zwinger ist nach der Art des Berner Bärenzwingers in Form einer Grube projektiert, wegen Aufsicht und Fütterung der Bären soll mit der Direktion des Zoologischen Gartens verhandelt werden. — Vom hiesigen Schwurgericht ward gestern der Arbeiter Bier, der seine frühere Geliebte, die Schneiderin Bollmann, durch Revolver- schüsse zu töten versuchte und dieselbe am Kopse schwer verletzte, zu zwei Jahren Ge fängnis verurteilt; sechs Wochen gelten als durch die Untersuchungshaft verbüßt. Zwickau. Für die Regulierung der Mulde und Errichtung von Talsperren sind noch Vermestungs- und Jngenieurarbeiten bei Zwickau usw. vorzunehmen. Bei Eibenstock ist ein Gebiet ermittelt worden, das sich zur Herstellung einer großen Talsperre eignet. Bei deren Ausführung würden sich die Kosten der Regulierungsarbeiten vermindern, die Er- sausungsgefahr für die Zwickauer Kohlenschächte d.seitigen lassen und die Herstellung einer Flutrinne bei Glauchan wgfallen. Mariental. Ein blutiges Verbrechen scheint im Zwickauer Stadtteil, Döhnerstraße 9, begangen worden zu sein. Dort fand man morgens 7 Uhr die daselbst wohnhafte Frau Joh. Christliebe Wutzler, die einen Handel mit Milch, Butter und Eiern betrieb, tot vor, nur mit einem Hemd bekleidet, hart an der Stuben tür, das Gesicht vollständig mit Blut bedeckt und auch die Hände, die krampfhaft nach oben gerichtet waren, mit Blut besudelt. Da nach Lage der Dinge die Annahme, daß ein Ver brechen in Frage komme, begründet erschien wurden die kgl. Staatsanwaltschaft und das kgl. Amtsgericht unverzüglich in Kenntnis ge setzt. Die anscheinend Ermordete lebte seit vielen Jahren von ihrem Ehemann getrennt. Die Leiche zeigte an der rechten Stirn Haut abschürfungen, das Nasenbein war verletzt; am Halse befand sich eine offene StrangulierungS- rinne; in der Näbc der Leiche lag ein Hammer/ der aber keine Blutipuren zeigte. Das HauS, dessen einzige Wohnung von der Toten allein bewohnt war, hat zwei Zugänge, von denen der vom Hofe hineinführende offen stand, während der Eingang von der Straße ver- ichloffen war. Einen Verdacht der Täterschaft hat man bis jetzt noch nicht. Marienthal. Die gerichtliche Sektion der in ihrer Wohnung im Zwickauer Stadt» teil tot aufgefundensn Händlersfran Wutzler wt keinen Anhalt dafür ergeben, daß die alte Frau das Opfer eines Verbrechens geworden ei. Vielmehr ist die Möglichkeit eines Selbst mordes näherliegend. Die Verletzungen, welche die Lüche im Gesicht aufwies, sind ganz un bedeutend und stehen mit dem Tode in keinem Zusammenhänge, rühren vielmehr von einem Falle her. Da auch Geld oder sonstige Sachen aus der Wohnung nicht gestohlen sind, dürfte ein Mord völlig ausgeschlossen sein. Allem Anschein nach hat Frau Wutzler, die sich am Tage vorber etwas unwohl gefühlt hat, in einem Anfall von Lebensüberdruß Hand an sich geleat. Nachdem sie sich erhängt, ist der Strick griffen und die Frau zu Boden gefallen, wo bei dann die Vsrletzungenim Gesicht entstanden sind. Wermsdorf. Bei der Sektion der Leichen der von der Ehefrau Keßner ermordeten seiden 8 und 13 Jahre alten Kinder Keßners ergab sich, daß der Schädel zerbrochen war. Da die durch den Schlag hervorgerufenen äußeren Verletzungen durch das Haar verdeckt waren, hatte man zunächst nach dem äußeren Anschein angenommen, daß das älteste Kind denselben Tod wie das jüngere, erdroffelte, er litten habe. Die Mutter hat aber mit einer sogen. „Mangelkeule" das ältere Kind er schlagen. Sie ist jetzt zur Beobachtung ihres Geisteszustandes in die HubertuSburger Anstalt gebracht worden. Reichenbach i. V. Der sich selbst ge stellte frühere Kassierer der Jnnungskasse für Baugewerken, Oskar Stauß, hat zugegeben, seit 1902 nach und nach einen Geldbetrag von 3843 Mk. unterschlagen zu haben. Ob die Höhe des Betrages stimmt, wird erst die Untersuchung ergeben. Chemnitz. Das hiesige Schwurgericht sprach die Kutschers-Ehefrau Schmiedl hier, welche am 4. November v. I. ihre zwei Kinder ermordet hatte, frei und überwies sie einer Irrenanstalt. Plauen. Um der Stadt mehr Wasser zuzuführen, bewilligte der Stadtgemeinderat abermals ein BcrechnungSgeld von 15000 Mk. Die Quellen, die gefaßt werden sollen, liegen auf Neudorfer Flur in der Nähe des Schönecker Stadtwaldes. Die tägliche Wassermenge, die man zu gewinnen hofft, beträgt mindestens 200 bis 220 vbm, nach im vorigen Herbste vorgenommenen Messungen vielleicht auch 300 bis 350 odm. Bevor die große Talsperre fertig wird, werden immer noch Jahre ver gehen. Warnsdorf. Montag fand bei großer Beteiligung die Grundsteinlegung der evan gelischen Friedenskirche statt. Am Festzug nahmen unter anderem zahlreiche Vereine, evangelische Geistliche, Vertreter der landes- fürstlichen und städtischen Behörden teil- Der Andrang am Festplatze war so stark, daß die sorgfältig vorbereitete Aufstellung gewaltsam durchbrochen wurde. Die Festrede hielt Ober- konsistorialrat D. Dibelius aus Dresden. Im Saale des Koloff ums wurde nach dem Weihe akt ein Familienabend abgehalten, der einen erhebenden Verlauf nahm und bei welchem manch namhafte Geldspende floß. Aus dem Vogtlande. In den niederen Teilen des Vogtlandes hat das Ge treide bereits geschoßt. Der Stand der Feld- srüchte ist allenthalben ein sehr günstiger und läßt reiche und frühzeitige Ernte erwarten. Selten hat in diesen Gegenden das Korn bereits Mitte Mai Aehren getrieben. Auch die Futiergewäckse stehen so günstig, daß nach den Pfingstfeiertagen bereits mit dem ersten Schnitt begonnen «erden kann.