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Die „Bttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten' bi» vormittag io Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 63. Freitag, den 27. Mai 1904. 3. Jahrgang. Prinresfm Johann Georg, ch Ein abermaliger Trauersall hat Sacksens Königshaus betroffen. Wieder ist eines seiner Glieder durch die unerbittliche Hand des Schicksals hinweggerafft worden. Ihre König!. Hoheit Frau Prinzessin Johann Georg, geb. Prinzeß Mana Isabella von Württemberg, Tochter Herzog Philipps von Württemberg, aus der katholischen nach dem Ableben des derzeitig regierenden Königs von Württemberg zur Regierung kommenden Lmie des Hauses Württemberg, ist an den Folgen einer Operation, der sie sich zur Behebung eines Frauenleidens am 11. Mai 1904, also vor rund zwei Wochen, in der Königlichen Frauenklinik zu Dresden unterzog, ganz plötzlich gestorben, nachdem bisher der Operationö- und Krank heitsverlauf der denkbar günstigste gewesen zu sein schien. Die Verewigte war geboren am 81. August 1871. Sie Hot somit ein Alter von 33 Jahren erreicht. Sie vermählte sich am 5. April 1894 in Stuttgart in Anwesen heit sämtlicher Glieder des K. S. Hauses mit Ausnahme des damals regierenden Herrn, Sr. Maj. des Königs Albert, mit ihrem hohen Gemahl. Sie hat in fast genau lOjähriger Ehe, die kinderlos blieb, mit ihrem hohen Gemahl gelebt. Sie war eine schlanke Blondine von sympathischem Aeußern. Der Tod der Prinzessin Johann Georg trat am Dienstag Abend 8 Uhr 45 Min. ein. Noch am Nach mittage waren keinerlei Anzeichen von einer bald eintrelenden Katastrophe vorhanden; Puls Und Körperwärme waren normal. Die Ursache des Todes war Herzschlag. Bei Eintritt desselben waren am Sterbebetts nur zwei Kranken schwestern zugegen. Der hohe Gemahl wurde gegen 9 Uhr von der eingetretenen schlimmen Wendung benachrichtigt. Er befand sich mit den Eltern der Prinzessin und dem Bruder derselben in seinem Palais an der Parkstrabe in Dresden. Se. Maj. der König wurde ebenfalls in Hosterwitz von dem Tode in Kenntnis gesetzt. Die Nachricht traf alle Mit glieder des Hauses ganz unvermutet. Se. Kgl. Hoheit Prinz Johann Georg begab sich Dienstag Abend in der zehnten Stunde in die Königliche Frauenklinik und weilte einige Zeit allein an der Leiche der Verblichenen. Gegen 2 Uhr nachts wurde die Leiche der Prinzessin in einem Leichenwagen der Gesellschaft „Pietät" nach der Prinzlichen Villa überführt, wo die Leiche gestern Vormittag aufgebahrt wurde. Das Königliche Schloß und das Prinzliche PalaiS haben halbmast geflaggt, ebenso alle öffentlichen wie auch viele Privatgebäude. Kurz nach 9 Uhr erschien Se. Maj. der König Georg mit der Prinzessin Mathilde, ebenso Se. Königl. Hoheit Kronprinz Friedrich August und die Königin Witwe Carola im Prinzlichen PalaiS an der Parkstraße, woselbst die hohen Verwandten etwa 3o Minuten verweilten. Die feierliche Einsegnung bezw. Beisetzung der hohen Leiche findet Freitag Abend ^9 Uhr unter dem Tcdeum der Königlichen Musikkapelle in der Katholischen Hofkirche statt. OerUiches und Sächsisches. Gttendorf-Gkrilla, 26. Mai 1904 — Am heutigen Vormittag passierte in der Richtung nach Königsbrück unseren Oct eine Maschinengewehr-Abtellung. — Am dritten Pfingstfeiectag geriet ein au der Königsbrückerstraße wohnender Tischler mit seinem Hauswirt in Streit, indessen Ver lauf er denselben einen Siich in den Rücken versetzte. — Wegen ReparaturbaueS wird der Moritzdorf - Würschnitzer Kommunikationsweg Schneise 6 — im Königlichen Forstrevier (Ikrilla vom Flügel 0 bis l? in der Zeit vom F7. Mai bis einschließlich 4. Juni 1904 für den Fuhrverkehr gesperrt. Letzterer wird während der Sperre auf den Spießweg und auf Schneise 4 verwiesen. Seifersdorf. Kommenden Sonntag den 29. Mai findet die Weihe der Föhne des Königlichen Sächsischen Militär-Verein statt. Dresden. Gegen den Bauunternehmer Gottfried Ulbricht ist der Haftbeschluß des Untersuchungsrichters vom Gericht aufgehoben und Ulbricht sofort auf freien Fuß gesetzt worden. Tas Gericht hrt festgestellt, daß kein ringender Verdacht gegen Ulbricht vorliegt. )ie Verhaftung war erfolgt auf Anzeige eines Berliner Herrn, welcher von Ulbricht wegen Beleidigung verklagt worden war und den Ver- uch machen wollte, den Wahrheitsbeweis für eine beleidigenden Behauptungen zu führen, indem er eine Denunziation gegen Ulbricht einreichte. — Das „schwarze Kreuz", ein altes Wahr zeichen in der Dresdner Haide, ist am 1-Pfingst- 'eiertag vormittag gegen 11 Uhr ruchlosen Händen zum Opfer gefallen. Diesen Streich ührten zwei anständig gekleidete junge Leute m Alter von 15 bis 17 Jahren aus, indem ie dasselbe mit Gewalt durch Hin- und Her stoßen zerbrachen und umwarfcn. Ein Herr, welcher von weitem den Vorgang beobachtet satte, konnte leider diese Bürschchen nicht stellen, denn sie entzogen sich der Festnahme durch die Flucht. — Erstochen wurde in der Nacht zum Mitt woch in einem Gasthofe des Plauenschen Grundes ein 26 Jahre alter Arbeiter bei einem Streite. Der Täter ist ein böhmischer Arbeiter, der mit den übrigen Messerstechern verhaftet wurde. Der schwer Verwundete hatte einen Stich in die Brust erhalten. Er wurde nach dem Friedrichstadter Krankenhause gebracht. — Auf der Elbwiese bei Blasewitz wurde am zweiten Feiertag ein schon mit Gefängnis erheblich vorbestrafter 36 Jahre alter Gärtner festgenommen, der sich schwere sittliche Ver fehlungen hatte zu schulden kommen lasten. — Am 21. d. M. abends in der zwölften Stunde hat der 42jährige vormalige Laternen- wärler Reinhold Berger auf hiesiger Prießnitz straße auf den Laternenwärter Wagner, der ihn wegen Dienstvernachlästignng angezeigt hatte, einen Schuß abgefeuert, dann die Waffe gegen sich gerichtet und sich mit zwei Schüssen un bedeutende Wunden bcigebracht. Der Täter ist geständig; er gibt an, die feste Absicht gehabt zn haben, den Wagner und sich selbst zu er schießen. Er bedaure nur, daß sein Vorhaben nicht geglückt sei. Er ließ sich ruhig festnehmen. Wegen seiner Verletzungen ist er dem Kranken hause zugesührt worden; Wagner ist unverletzt. — Wem gehören die Trichinenschau-Fleisch proben? Ueber 3000 Mark hatte der Dresdner Stadtrat aus dem freibankmäßigen Verkau der Trichinen-Fleichproben innerhalb acht Monate, gelöst und zur Gründung einer Kranken- und Unstützungskasse der Flejschbeschauer verwendet, aber seine Rechnung ohne die Fleischer-Innung gemacht, die sich das Eigentumsrecht an den Fleischproben von der Mehrzahl der Mitglieder abtreten luß und dasselbe vor Gericht geltend machte, nachdem die Kreishauptmannschaft sie abgcwiesen hatte. Das Oberverwaltungsgericht erkannte gegen den Stadtrat und verpflichtete Viesen, den bislang aus dem Verkauf erzielten Gewinn an die Innung herauszuzahlen und dies auch in Zukunft zu tun. Allerdings sei der Stadtrat berechtigt, die Fleischteile nicht in Natura zurückzugeben, da dem sanitätspolizeiliche Bedenken entgegen stünden, er dürfe aber den Erlöst des verkauften Fleisches den Jnnungs- meistern nicht vorenthalten, wenn er sich nicht eines rechtswidrigen Polizei-Uebergriffs schuldig machen wolle, woran auch die Verwendung de Geldes zu einem wohltätigen Zwecke nicht ändere. — Vor einiger Zeit ist bei einer großen Anzahl hiesiger Fleischcrmeister (etwa 85) ein Reisender der Firma Max Barth in Orsow in Ungarn erschienen und hat Universa läuchcrholz- welch, ganz vorzügliche Eigen- chaften besitzen sollte, zum Kaufe angeboten. Die Fleischermeister ließen sich anch zu einer Bestellung herbei, als jedoch die Sendung mtraf, stellte es sich heraus, daß sie der vor gelegten Probe nicht entsprach. In den Ballen tefand sich einesteils nur Kehricht mit Lumpen und Steinen vermischt, andernteils Holz mit Steinen. Glücklicherweise sind die Besteller nicht geschädigt worden, da das von der Firma Barth mittels Nachnahme eingehobene Geld noch vor dessen Absendung erlangt und be- chlagnahmt werden konnte. Diera b. Meißen. Hier verunglückte in dem Kunzeschen Steinbruche an der „Karpfen- chenke,, der Arbeiter Horst. Das Unglück ge- chah durch Herabstürzen von Gestein, das ver mutlich durch den letzten Regen losgelöst worden war. Die anderen Arbeiter konnten ich durch schnelle Flucht retten, während der Verunglückte zum Fallen und unter die herab- türzenden Steinmassen zu liegen kam. Schwer verletzt wurde der Bedauernswerte hervorgezogen. A u e. Ein geriebener Gauner trieb in den letzten Tagen in der hiesigen Gegend sein Un wesen damit, daß er unter Vorlegung von mit den Unterschriften des früheren Pastors von Klöster lein-Zelle und des Oberpfarrers von Lößnitz versehenen Bittschriften, die er gefälscht >atte, Gelder für den evangelischen Bund in Oesterreich einsammelte nud diese verbrauchte. Der Fremde ist in den 33 Jahre alten Hut macher, jetzigen Agenten Emil Mendt aus Neustädlel ermittelt und zur Haft gebracht worden. Zwickau. Ein Aecztekonflikt ist hier aus gebrochen. Die von der Stadt neu eingestellten vier Jmpfärzte dürfen nach einem Beschluß des ärzstichen Bezirksvereins Zwickau die Impfungen nur gegen ein Honorar von 1 Mk. für jede Impfungen ausführen, während die Stadt hierfür nur ein Fixum ausgeworfen hat, wodurch die Stadt weniger belastet wird. Die Forderungen der Aerzte hat der Rat abgelehnt und droht, daß bei Ablehnung des stadträtlichen Fixum die Impfungen dem städtischen Kranken haus zugeteilt werden sollen. Der ärztliche Bezicksvercin hat auf eine Eingabe der in Frage kommenden vier Aerzte hin es abgelehnt, von seinen Forderungen abzulassen. Nus der Woche. So manchen aufmerksamen Beobachter der Kriegsereignisse im fernen Osten mag wohl schon der Gedanke aufgestiegen sein, daß das stete Zurückweichen der Russen vor den Japanern ans einem feindurchdackten Plane beruhen könne: nämlich die gelben Kerle von ihrer natürlichen Opsrationsbasis und ihren Verbindungen mit der Heimat, der Quelle ihrer Kräfte, immer weiter abzulocken, um sie dann im Innern der Mandschurei zu umzingeln und zu verderben. Wenn ein so tapferer und erfahrener Führer wie General Safsulitsch sich zweimal, am Jalu und bei Fönghwangtscheng, schlagen läßt, so hätte die eben gekennzeichnete Absicht den Schlüssel des Rätsels gegeben; aber dann hätte die russische Heeresleitung wohl nicht die un verzeihliche Dummheit begehen dürfen, Safsulitsch seines Kommandos zu erheben. Diese plötzliche Kaltstellung posaunt in alle Welt das russische Zugeständnis hinaus: wir sind zweimal ge schlagen worden und ziehen nun wieder unsere ursprüngligliche Absicht zurück. So vorsichtig die Japaner auch vorgehen mögen und so langsam sich daher auch die Dinge abwickeln, soviel sieht man deutlich, daß die Gelben aus der ganzen Linie im Vorteil sind. Links vom Jalu, also in Korea, befinden sich keine Ruffen mehr, außer den beiden eingekreisten kleinen Kosakenabteilungen, die ihre Kühnheit mit der Kriegsgcfangennahme werden büßen müssen. Die emtgegenstehenden russischen Meldungen ent behren offensichtlich der Wahrheit. Tas Durch schneiden der Drähte zwischen der japanischen Feldarmee und ihrem daheim sitzenden General stabe ist sicher nur ein frommer Wunsch der Russen. Auch die ganze zur Mandschurei ge- sörige Halbinsel Liautung mit Dalny und Niutschwang ist im japanischen Besitz und Port Arthur, wohin der neue Admiral Skrydlow noch immer „unterwegs" ist, erscheint schwer gefährdet. Die Japaner haben aber auch im Innern der südlichen Mandschurei so geschickt operiert, daß die russische Mukdenarmee unter Alexejew von der Hauptarmee Kuropatkins in Chardin getrennt scheint Auf japanischer Seite fechten Japaner und nur Japaner. Auf der russischen Seite steht ein buntes Völkerge misch, deffen Kern zwar der tapfere, aber wenig ntelligente Ruffe ist, der aber so manchen Be- 'tandteils enthält, den man bei uns'als „unsichere Kantonisten" bezeichnen würde. Asien stellt ein intelligentestes Volk, Europa sein von der Kultur am wenigsten belecktes, das nur geo graphisch zu unserm Erdteile gehört, und dessen europäische Kultur fast nur durch sein Deutsch- and entstammendes und immer wieder durch deutsches Blut aufgefrischtes Kaiserhaus re präsentiert wird. — König Eduard hat seinen Besuch zur Kieler Woche angesagt. Daran ist nichts Auffälliges, denn König Eduard ist tandeSgemäß Sportsfreund und für einen ölchen liefert die Kieler Woche überreiche Aus- reute. Außerdem muß der König doch einmal nach seiner Thronbesteignng nach Deutschland ömmen. Eine richtige Staatsvisite mit Triumph bögen und weißgewaschenen Jungfrauen ist es a nicht, die König Eduard macht; aber das leutsche Volk würde sich auch durch eine solche nicht täuschen lassen. Mit Deutschland braucht man nicht so viele Umstände zu machen, das ;at schon Cecil Rhodes gedacht, als er in keinem Reiseanzug zur Audienz beim Kaiser erschien. Allerdings kommt König Eduard etwas spät, nachdem er schon in Lissabon, Rom. Paris und Wien gewesen ist, aber er kommt doch. Es wäre nett von ihm gewesen, wenn er erschienen wäre, ehe er die dicke Freundschaft und das Marokko-Abkommen mit Frankreich abgeschlossen hätte, und er hat ja auch früher kommen wollen, aber rücksichtsvoll wie alle Engländer gegen Deutsche, hat er die Mittcl- meer-Reisepläne Kaiser Wilhelms nicht stören wollen. Wir müssen uns also noch bei ihm bedanken, daß er just kommt. Aus dem Schürzenjäger und Spieler Heinrich V. wurde, als er den Thron bestiegen hatte, ein tüchtiger König. Der vormalige Prinz von Wales war schon über.die Sechzig hinweg, als ihm sei:: Mutter den Platz frei machte, und maw muß sagen: König Eduard hat in der kurzen Zeit seiner bisherigen Regierung der Krone Englands eine Stellung zurückerworben, wie man sie unter seiner alternden Mutter nicht mehr für möglich gehalten hatte. Haben die Deutschen auch nicht den geringsten Grund, Lobeshymmen auf den Gast des Kaisers auzustimmen, so wird eS dem Känige jene volle Achtung nicht versagen; die sich jeder erwirbt, der sich noch im Alter bessert. — In Oesterreich sollen jetzt plötzlich Hunderte von Millionen für Heeres- und Marinezwecke verausgabt werden. Die Delegationen werden die Hundertmillionen- Änleihe genehmigen, denn man ehrt den alten Kaiser und — so sonderbar es auch klingen mag — er herrscht viel selbständiger wie sein Nachbar, der Selbstherrscher aller Reußen. Man braucht das Geld nicht auf einmal; der Verbefferungsplan ist auf viele Jahre gedacht, aber der Kaiser will nicht alle Jahre mit dem Parlament um das Notwendige feilschen. Man will später am Vcrteidigungsetat sparen und von diesen Ersparnissen sollen die Zinsen für die Anleihe bezahlt und in 20 bis 25 Jahren diese selber abgetragen werden. Das klingt alles so abenteuerlich, daß es in keinem andern Staate der Welt auch nur möglich wäre. Unsere Reichsregierung sollte mal dem Reichs tage etwas Aehnliches zumuten! In Oester reich-Ungarn wird's gemacht und glatt durch geführt.