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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen t,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werden mit >o Pf. für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 62. Mittwoch, den 26. Mai 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf.Dkrilla, 24. Mai tW4. — Vorsicht. Wie aus Chemnitz mitgeteilt wird, bereist gegenwärtig wieder ein Vertreter einer ausländischen Weinfirma Sachsen und sucht, wie das bereits früher geschehen, die Leute dadurch zu prellen, daß er sich Formulare (enorme Weinbestellungen) unterschreiben läßt, deren vorheriges genaues Durchlesen er auf geschickte Weise zu verhindern sucht. Der Schwindler bietet bloß Weinproben an und spiegelt den Leuten — er sieht es dabei meist auf zahlungsfähige Inhaber größerer Keller räumlichkeiten ab — vor, daß er die Unter schrift nur der genauen Adresse halber brauchte. Hinterher stellt es sich heraus, daß man eine große Weinbestellung unterschrieben hat- Also, nicht unterschreiben! —- Goldregen. Jetzt beginnt die Zeit, in welcher in den Gärten und Anlagen der Gold regen blüht. Seine zahlreichen, großen, hängende», goldgelben Blütentrauben bilden eine prächtige Zierde unter all den gegenwärtig in Flor stehenden Sträuchern und Bäumen. Indessen, wie das zarte Maiglöckchen, enthält anch der Cytisus einen gefährlichen Stoff, das Alkaloid-Cytisin, dessen unvorsichtiger Genuß heftig purgierend wirkt und Erbrechen herbei- sührt, ja selbst zum Tode führen kann. Schon die kleeartigen Blätter schmecken bitter-salzig und scharf. Schlimmer noch sind die Blüten, und am giftigsten zeigen sich die später in den seidenartigen Hülsen liegenden Früchte, die glücklicherweise weniger beachtet werden. Man hüte sich also, Teile, z. B. die Blüten des Goldregens in den Mund zu nehmen, und man weise, vor ollem die Kinder, auf die Ge fährlichkeit dieser Pflanze hin. — Postausweiskarten. Im „Reicks anzeiger wird eine Bekanntmachung des Staatssekretärs des Neickspostamts Kraetke veröffentlicht, welche die Postämter versuchs weise ermächtigt, um dem Publikum den Aus weis beim Empfange von Postsendungen zu erleichtern, vom l. Juni ab für den inneren Verkehr Postausweiskarten ouszugeben, die als vollgültiger Ausweis nicht nur an Post schaltern, sondern auch gegenüber den P"st- bestell-Versonal dienen sollen. Bei der Ab tragung der Postanweisungen, sowie von Wert- und Einschreibe-Sendungen an einem dem be stellenden Boten unbekannten Empfänger, der sich durch Vorlegung einer Postausweiskartc ausweisen kann, bedarf es daher der sonst vor geschriebenen Bürgschaftsleistung durch den Gastwirt oder eine andere bekannte Person nicht. Die Postausweiskarten hab-n eine Photo- praphie, eine kurze Personalbeschreibung und die eigenhändige Unterschrift des Inhabers zu enthalten. Anträge auf Ausstellung sind an diejenige Postanstalt, Welcker die Wohnung des Antragstellers zugeteilt ist, persönlich unter Anlegung einer unaufgezogenen, nicht zu dunklen Photographie in Visitsormat zu richten. Von anderer Seite wird mitgeteilt, daß für die Karte 5,0 Pfennige Schreibgebühr erhoben. Die neue Einrichtung wird Beifall finden. Weixdorf. Dem vor etlicher Zeit ge machten Ürnenfund auf der Gcuckffchen Spargel- und Obstplantage wird in wissenschaftlichen Kreisen hohes Jntercffe entgegengebracht. Be sonderen Wert hat ein Radornament, daß den Fund als besonders sclien erscheinen läßt. Herr Hosrat Professor Dr. Deichmüller vom Königlichen Museum in Dresden, der die Fund stelle besichtigte und die Bruchstücke zwecks Zu sammenstellung und photographischer Aufnahme für das Museum sich vom Besitzer erbat, schätzte das Alter der Urnen auf etwa 2000 — 2500 Jahre, so daß sie also um 500 v. Ehr. ihre Entstehung haben dürften. Dresden. Auf hiesigem Staatsforstrevier Unweit der Hellerschenke entstand Freitag nachmittag auf noch unermittelte Weise ein Waldbrand, durch den gegen 2000 Hw 12 bis löjähriger Kieferbestand vernichtet wurden. In der Nähe lesckästigte Arbeitssoldaten nahmen sofort die Löscharbeiten auf und konnten in Gemeinschaft mit Waldarbeitern, einer Abteilung Pioniere und der Dresdner Berufsfeuerwehr die drohende Ausdehnung des Brandes verhindern und ihn ;ald unterdrücken. — Die in Umlauf gebrachten Gerückte, daß das Weltrestaurant Societe in ein Warenhaus umgewandelt wird, beruhen auf Erfindung. Herr Karl Wolf hat sich vielmehr mit den Be- rtzern des Grundstückes, den Erben des ver- 'torbenen Hofmetzgers Gottlöber, geeignet und icn Pachtvertrag verlängert. Das Etablissement wird allerdings in zirka drei Monate geschloffen, um dann nach beendeter Renovation und Um bau neu eröffnet zu werden. — Pferdeausstellung. Der Berichterstatter über die angeblichen tragikomischen Zwilchen- älle, die die erste ungültige Lotterieziehung zur Folge gehabt haben soll, scheint das Opfer eines Spaßvogels geworden zu sein. Nach Aussage des Herrn Alexander Hessel, der die Lotterie leitet sind derartige Zwischenfälle einfach dadurch ausgeschlossen, daß an die Gewinner von hierzu amtlicher berufener Seite überhaupt keinerlei Mitteilungen gelangen, ehe nicht die Richtigkeit der Ziehung entgültig festgestellt ist. Es ist allo durch die Führung des Lotteriege schäftes alle Gewähr dafür geboten, daß den Losespielernandere Enttäuschungen erspart bleiben, als sie in der Natur jeder Lotterie liegen. Uebrigens sind auch für diejenigen, welche die Gewinne selbst nicht in Besitz nehmen wollen, von dem Komitee der Pferdeausstellung Vor kehrungen getroffen, um ihnen eine möglichst verlustlose Verwertung der Gewinne zu er möglichen, so daß niemand es nötig hat, zum Beispiel ein Pferd im Werte von 1000 Mk. zu etwa zwei Fünftel dcS Wertes loszuschlagen. Steinborn b. Königsbrück. Unler Ort wurde am Freitag gegen 5 Uhr nachmittags von einer großen Feuersbrunst heimgesucht. Beim Wirtschaftsbesitzer Bochert kam das Feuer heraus und verbreitete sich mit rasender Schnelligkeit, sodaß die Bewohner nur das Leben retten konnten. Dem Besitzer war es nicht möglich, sein Vieh aus dem Stalle zu bringen. Es verbrannten ihm 4 Schweine, 2 Kühe, 1 Kalbe nnd ein Kettenhund. Aber nicht genug mit dieser Beute griff das gefräßige Element auch auf die Wirtschaften des Herrn ^rnst Hommel und der Frau verw. Schwiebus über, diese ebenfalls in Asche legend und eine aroße Hitze verbreitend. Der herrschende starke Wind leistete dem Feuer zu seiner Verbreitung gute Dienste. Auswärtige Spritzen waren an wesend von Bohra, Sckmorkau, Königsbrück, Nöhrsdorf, Krakau, Schwepnitz und Neukirch. Die niedergebrannten Grundstücke bestanden aus Wohnhaus, Stall und Scheune. Alle drei wurden bis auf die Grundmauern zerstört. Nur den von allen Seiten herbeieilenden Lösch mannschaften ist es zu danken, daß über unsern Ort nicht noch mehr Unglück hereinbrach. Nur ein Brandkalamitose soll versichert sein. Borna. In der Pianosortefabrik von Heyl wurde das Dampfsägewerk und das Maschinenhaus durch Feuer zerstört. Der Be trieb erleidet keine Unterbrechung. Raschau. Eins Acetylengas - Explosion ereignete sich am Mittwoch im Hause des Galanteriewarenhändlers M. Meyer. Weil am Vorabend dis Beleuchtung der Acetylengas anlage versagte, wollte der Besitzer mit seinem 23jährigen Sohne und dem Handarbeiter Hartmann den Apparat untersuchen. Nachdem er dabei alle Vorsichtsmaßregeln gebraucht hatte, leuchtete Meyer, im Glauben, daß alle Gase durch die geöffneten Ventile entwichen seien, in den Kessel, und sofort erfolgte auc eine Gasexplosion, die alle 3 Personen ziemlich schwer verletzte. Chemnitz. Bei einem hiesigen Fleischer kostet das Pfund Blut- und Leberwurst Mittwochs, Donnerstags, Freitags und Sonnabends nur 8 Pfennige, dazu erhält der Käufer eine Nrts zum Eintritt für das zweitgrößte Varistä- Theater von Chemnitz, den „Wintergarten". Geflügelzucht. 1. Heutzutage gibt es wohl keinen landwirt- chastlichen Nebenverdienst mehr, dem nichr volle Aufmerksamkeit zugewendet würde. Augen- rlicklich geht durch die landwirtschaflichen Kreise das Bestreben, auch die Geflügelzucht, welcher ange keine erhebliche Beachtung geschenkt worden 't, zu heben. Bei den jetzigen Wirtschafts- chwicrigkeiten und der scharfen Konkurrenz im Erwerbsleben muß eben herausgeholt werden, was herauszuholen ist. und da erscheint von vornherein ein noch wenig bebautes Feld ver hältnismäßig aussichtsvoll. Gerade in dem augenblicklichen Entwickelungsstadium der An- aelegenheit, in welchem es darauf ankommt, ick darüber zu entscheide», welche Wege einge- chlagsn werden sollen, ist es zweckmäßig, daß ich Solche äußern, welche schon längere Zeit dw Sache vermehrte Interesse zugewandt und einige prachtische Erfahrungen gesammelt haben. Die Ausführung über die Rentabilität der Geflügelzucht pflegen von der Tatsache aus;u- gehen, daß jährlich 160 Millionen Mark an )as Ausland für Geflügelzuchtprodukte gezahlt werden — mehr als für den ganzen Roggen- Import —. Man glaubt, bei einiger Erhöhung der Zölle diesen Verdienst des Auslandes an sich reiße» zu können und arbeitet daraufhin tzt schon vor. Es ist klar, daß diese Be strebungen nur dann dauernden Erfolg haben können,wsnn dieErwartungen auf Verminderungen der Einfuhr sich erfüllen oder wenn die Geflügel zucht bei rationellen Betriebe auch jetzt schon so einträglich ist, daß sie auch bei vermehrten Produktion noch lohnend bleibt. Ueber den ersten Punkt lassen sich zur Zeit nur Ver mutungen aussprechen. Einige Momente zu beleuchten, ist aber doch vielleicht nicht zwecklos. Lebendes Geflügel geht jetzt zollfrei ein; nach dem neuen Tarife zahlt es 6 Mark Zoll für einem Doppelzentner (abgesehen von Gänsen); das ergibt für ein schweres Huhu von fünf Pfund ca. 15 Pf. oder kaum fünf Prozent des Wertes. Für geschlachtetes Geflügel setzt der Tarif zwar erhebliche Zollerhöhungen fest; diese Zölle werden aber, wie es auch jetzt schon nach Ausweis der Einfuhrstatistik geschieht, umgangen werden durch Einfuhr in lebendem Zustande. Für Eier beträgt der Zoll jetzt 2 Mark für einen Doppelcentner, d. i. für ein Ei ein Zeh tel Pfg. Bei Verzollung mit 6 Mark pro Doppelzentner nach dem neuen Tarife würde ein Ei zwei Zehntel Pfg. mehr an Zoll zu tragen haben; das ergibt für den Jahres ertrag einer guten Henne von 150 Eiern 30 Pfennig, für die nicht kleine Hühnerhaltung von 100 Stück ganze 30 Mark jährlich. Diese Mehrbeträge in der Verzollung würden sich aber nicht einmal in den Preisen voll geltend machen, wenn der Zoll zum Teile vom Aus lande getrageu würde. Es steht die zweite Frage an: ob die Ge flügelzucht auch unter den jetzigen Verhältnissen und Preisen schon erheblich rentirt, wenn sie rationell betrieben wird, und ob aus diesem Grund ihre Hebung anzustreben ist, entweder durch intensiver» Betrieb, oder daneben auch Vermehrung der Bestände. Vielfach wird, namentlich in den Geflügelzeitungen mehr oder weniger deutlich ausgesprochen, daß jeder Land wirt rückständig ist, welcher der Geflügelzucht nickt großes Interesse entgegenbringt. Der deutsche Michel mag wohl Manches verabsäumt haben; oft sck>?iut aber geflissentlich auf seine traditionellen geistigen Fähigkeiten hingewiesen zu werden von Solchen, welche in ihrem eigenen Jntreffe etwas durchführen wollen, wozu er kein Vertrauen hat. Unsere Landwirte haben im Allgemeinen sicher ei» offenes Auge für die wirtschaftlichen Chancen; auch die nicht studierten Bauern erfassen meist sehr gnt und schnell ihren Vorteil. Ee ist daher an sich nicht wahrscheinlich, daß nur in Folge unserer Schwerfälligkeit die 60 Millionen Mark ins Ausland abfließen. )aß die Geflügelzucht auf dem Lande in den weitaus meisten Fällen „rationeller" betrieben werden kann, ist zweifellos; ebenso zweifellos erscheint es uns aber, daß sie zumeist auch der art betrieben werden würde, wenn dem nicht in manchen Fällen direkte Hindernisse entgegen- 'tänden und wenn allgemein Aussicht auf größeren Gewinn bei der Geflügelzucht gegenüber anderen Betriebszweigen vorhanden wäre. Der Hinweis darauf, daß in andern, benachbarten Ländern manche Zweige der Geflügelzucht blühen, ist nicht ohne weiteres stichhaltig, wegen der Ver schiedenheit der klimatischen Bedingungen einer- eits und der wirtschaftlichen Zustände anderer- eits. Bei uns fehlt die Möglichkeit einer intensiveren Behandlung der Geflügelzucht viel- nch ingolge Mangel an Zeit beziehungsweise Arbeitskräften. Denn wenn Jemand glauben ollte, daß rationeller Betrieb der Geflügelzucht verhältnißmäßig wenig Zeit und Arbeit erfordert, so ist er arg im Irrtum. Die rationelle Ge- lügelzucht erfordert vielleicht weniger rohe Arbeitskraft, sie stellt aber an die zumeist doch immer noch weit wertvollere Arbeirszeit und Tätigkeit der leitende» Person enhebliche höhere Ansprüche, als irgend ein anderer landwirt schaftlicher Produktionszweig bei gleicher Wert erzeugung. Nur bei oberflächlichem Betriebe erfordert die Geflügelzucht wenig Mühe; daher assen die meisten Landwirte und Hausfrauen, welche alle Hände voll zu tun haben und mit den Arbeitskräften haushalten müssen, das Ge flügel laufen wie es will; sie halten es nur für den notwendigsten Hausbedarf — auf die Gefahr hin, daß es weniger einbringt, als es kostet. Vielfach, zumal in den kleinen Wirtschaften, stellt sich die Frage nicht: Soll außer dem vor handenen Großvieh noch in erheblicherem Maße Geflügel gehalten werden? sondern: soll die Großviehhaltuug eingeschränkt werden zu Gunsten einer größeren Geflügelhaltung? Und in diesem Falle wird jeder Landmann mit Recht sich für das Großvieh entscheiden — und zwar nicht nur der Dungerproduktion wegen; denn wir behaupten, daß bei Berücksichtigung sämmtlicher Unkosten, auch aller verwendeten Arbeitskräfte, unter den jetzigen Verhältnissen die Großvieh zucht im Allgemeinen rentabler ist. Daran ändern nichts gegenteilige Berechnungen in intereffirten Zeitschriften und Lehrbüchern, selbst wenn sie auf tatsächlichen Ergebnissen beruhen sollten; denn unter besonders günstigen Um ständen wirft jeder Wirtschaftszweig etwas ab, Fehlschläge pflegt aber Niemand an die große Glocke zu hängen. Die Möglichkeit einer ren- tabeln Geflügelzucht wird oft auch, durch den Mangel an geeigneten Räumen mindestens ein geschränkt. Die in den normalen Ställen für das Geflügel vorgesehenen Räume gestatten rationelle Geflügelzucht nur in bescheidenstem Maße. Will man aber andere Räume, sei es im Stalle, sei es in den Kellerräumen des Wohnbauses, hinzunehmen, so kann es bei der Knappheit aller Räume nur auf Kosten des landwirtschaftlichen Hauptbetriebes und der Groß- vichzucht geschehen und würde nur in Fällen ra.sam sein, in denen die Ackerwirtschaft nicht rentirt und entbehrlich ist. Wenn aber die äußerlichen Verhältnisse es gestatten, ohne Beeinträchtigung wichtigerer Wirtschaftszweige in erheblicherem Maße Ge flügel zu halten, ist dann die Geflügelzucht in allen Fällen rentabel? Wenn man von der eigentlichen Zucht, die naturgemäß doch nur von Wenigen betrieben werden kann, absieht, sind es zwei Richtungen, in denen sich die Ge flügelzucht bewegen kann: die Eier geben wir am meisten nach dem Auslande ab — über 100 Milionen Mark; da müßte doch etwas zu machen sein!