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Ottendorfer Zeitung : 20.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190405200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040520
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040520
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-05
- Tag 1904-05-20
-
Monat
1904-05
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.05.1904
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politische Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. * Die Japaner haben auf der Liautunghalb- insel eine einzige Division gelandet, die Port Arthur auf der Landseite zu demnächst be lagern wird. Die Festung ist jetzt vollständig eingeschlossen und die Meldung der Russen, daß sie eine tägliche Telegraphenverbindung und wöchentlich dreimaligen Kurierverkehr haben, kann stimmen, wenn die Japaner die Kuriere nicht abfangen. *Die Japaner haben ein zweites Kriegsschiff, den Aviso „Mijako", durch Auflauf auf eine Mine verloren. Die Mannschaft wurde zum größten Teil gerettet. * Die Russen verbrennen auf ihrem Rückzüge die Bahnhöfe und alle L e b e n s- mittel, die sie nicht sortschaffen können; sie haben zahlreiche Chinesenhäuser zerstört. Die Chinesen fürchten, wenn die Russen die Gegend gänzlich räumen, würden alle vorhandenen Gebäulichkeiten zerstört werden. Die in Niutschwangin Chinesenhänden befindlichen Warenvorräte find die bedeutendsten in der Mandschurei. Ihr Wert wird auf 50 Millionen Dollar Gold geschätzt. * Es ist kein gutes Zeugnis für die Über legenheit der russischen Führung, daß sich Kuropatkin genötigt sieht, seinen Kriegs plan zu ändern. Es macht in Petersburg und in ganz Rußland einen schlechten Eindruck, daß er sich immer nur verteidigend verhält, statt zum Angriff überzugehen. Das soll nun anders werden. Allerdings haben die Japaner nun schon mit sieben Divisionen und entsprechenden Reserve-Br'gaden den Jalu Über schriften und verstehen. ihre Manöver so klug einzurichten, daß ihre Feinde nicht einmal genau wissen, ob sie auf Mulden oder gegen Liaüjang (Küropatkins gegenwärtige Haupt- stelluügl marschieren. »Der japanische Admiral Kamimura kichtete an die japanischen Freiwilligen, die den- letzten Brand>etangriff auf Port Arthur auSübten, folgende Ansprache: „Meine Kinder,, ich schicke euch an den allergefährlichsten iOrt, wo ihr dem entsetzlichsten Feuer des Feindes ausgesetzt seid. Meine eigenen Kinder werfe ich dm Kanonen in den Schlund. Glaubt mir aber, wenn ich Kinder hätte, so würden sie mit Neid auf euch blicken und ich würde mich keinen Moment bedenken, sie mit euch auszusenden. Geht, geht, meine Kinder, und beweist dem Feinde den Mut der Kinder des Landes der ausgehenden Sonne. Verliert ihr die rechte Hand, so arbeitet mit der linken, ver liert ihr auch die linke, so arbeitet mit den Füßen. Jetzt befehle ich euch: sterbet, stervet alle ohne Aus nahme. Wöge aber nicht ein einziger Tod dem Feinde zur Freude gereichen, möge kein einziger Tod nutzlos sein, möge der Tod erst nach voll brachter Arbeit cintrctcn. Den 'Abschied von euch isetere ich nicht mit Champagner, weil eure Aufgabe klaren Geist erfordert und Champagner die Klarheit des Geistes uud der Gedanken trübt. Leert mit mir gemeinsam eine Schale klaren Wassers, Helden des Landes der Kirschbäume. Trinket und begebt euch auf. die Schiffe,, eure Gräber." * Deutschland. * Während der Anwesenheit des deutschen Kaiserpaares in den Reichslanden hat die belgische Regierung der ,Jndependance belge^ zufolge eine besondere Überwachung aller nach Elsoß-Lothriugen abgehenden Züge ange ordnet. * Ein Besuch des italienischen Königspaares steht für diesen Sommer iu Potsdam bei dem Kaiserpaar bevor. Wäh rend seiner Anwesenheit in Italien soll Kaiser Wilhelm persönlich den König Viktor Emanuel zum Besuch eingeladen und dieser soll seine Zusage gegeben haben. Der Zeitpunkt des Besuchs steht noch nicht genau fest. *Zu den Handelsvertragsver handlungen mit Rußland verlautet, daß Rußland an den deutschen Minimal zöllen für Getreide keinen Anstoß nehmen werde. *Zur Verstärkung der Truppen in Deutsch-Südwestafrika wird der Dampfer „Palatia" der Hamburg - Amerika- Linie am 17. Juni mit 39 Offizieren, 671 Mann und 919 Pferden die Ausreise nach Swakop- mund antreten. *über die Aufbesserung der Beamten ge h ä I t c r in Bayern ist dem Landtage eine neue Vorlage zugegangen. Vorgesehen sind nun mehr 3700 000 Mk. An der Aufbesserung sollen die ledigen Beamten und Bediensteten vom 1. Januar 1905 ab teilnchmen, alle übrigen bereits vom 1. Januar 1904 ab. Die Aufbesserung beträgt 60 bis 270 Mk. Österreich-Ungarn. * Die Kriegsverwaltung fordert von den jetzt zusammengetretenen Delegationen einen Kredit zwischen 85 und 90 Millionen Kronen für neueGeschütze undverschiedeneAusrüstungs- gegenstände. Gleichzeitig stellt die Marine verwaltung einen Kreditanspruch von über 75 Millionen Kronen. Beide Forde rungen sollen Teilansprüche eines großen Kredits sein, dessen weitere Beträge in den nächsten Jahren zur Bewilligung gelangen sollen. *Das ungarische Abgeordnetenhaus nahm einstimmig einen von den Führern sämt licher Parteien eingebrachten Antrag auf eine Dankeskundgebung an den Kaiser Franz für den Entschluß an, die Asche Rakoczys in die Heimat bringen zu lassen. Frankreich. * Der Ausstand der Offiziere in der Handelsmarine ist ohne Vermitte lung der Regierung durch ein Abkommen der Offiziere und Mannschaften der Handelsmarine beendet worden. England. *Jm Unterhaus erklärte in Beantwortung einer Anfrage der Staatssekretär für Indien, Brodrick, die Regierung sei auf Grund der jüngsten Ereignisse inTibet entschlossen, die Expedition nach Lhassa Vorrücken zu lassen, falls die Tibetaner nicht Unterhändler nach Gyangtse schickten. * Das Unterhaus nahm mit 155 gegen 129 Stimmen die zweite Lesung der Vorlage betr. die A b s ch affu n g der L eu ch tf e u er st e u e r an. Die Regierung bekämpfte die Vor lage als unbillig. Italien. * In der Angelegenheit des früheren Ministers Nasiist im Ministerium der öffentlichen Arbeiten der Sektionschef Consiglio verhaftet worden, der früher Kabinettschef unter Nasi ge wesen ist. Balkanstaaten. *Die Pforte übermittelte den Kabinetten von London und Paris eine neue Note in der An gelegenheit des englisch-französischen Abkommens bezüglich Ägyptens, in der sie die letzten Erklärungen der beiden Kabinette bestätigt und einen weiteren Vor behalt macht. *Fürst Ferdinand von Bulgarien fuhr am Sonntag nach der Zusammenkunft mit König Peter in Nisch nach Wien weiter. * Zwischen Bulgarien und Serbien soll ein P o l i t i s ch - militärisches Bündnis geschlossen werden, dessen Spitze sich gegen die Türkei richten dürfte. Man wird aber eine Formel suchen, die niemand vor den Kopf stößt. Asien. * Den Engländern in Tibet scheint es herz lich schlecht zu gehen. Das ganze Land hat sich erhoben, überall wird der „heilige Krieg" gepredigt. Es scheint, als ob sich die Eng- Lnder im Belagerungszustande befinden. Wie das ,Bureau Reutet vom Sonntag meldet, wird die Beschießung des englischen Lagers durch die Tibetaner fort gesetzt. Das Land vor dem Lager ist im Zustande der Gärung. Lamas durcheilen Tibet und predigen den heiligen Krieg. Das Land sinter dem Lager ist vollkommen offen. Die Engländer treffen alle Vorsichtsmaß regeln. * Nach Meldungen der russischen Grenzwache und der Missionare in Dapadstadsee, südwestlich von Kuantschenfi, bereiter sich dort ein gegen Russen und Christen gerichteter Aufstand vor. Deutscher Keickstag. Am 14. d. genehmigt das Haus in zweiter Lesung die Übersicht der Reichs« usgaben und -Einnahmen für 1902. Es folgt die Beratung "der Resolution zur Zuckersteuer, ob und inwieweit die Besteuerung des aus andern Stoffen als aus Rüben hcrgestelltcn Zuckers herbeizuführen ist, sowie ob und in welchem Umfange die Vorschriften über die Besteuerung von Nübensäften einer Abänderung zu unterziehen sind; 2) in Fällen, in denen Inländer durch die Aus führung des Süßstoffgesctzes unverschuldet besonders hart betroffen werden, hier eine Erleichterung zu gewähren. Abg. Arendt streik.) als Referent der Kom mission empfiehlt die Annahme dieser Resolution. Abg. Götz v. Olenhusen (Welfe) tritt eben falls für die Annahme der Resolution ein. Abg. Gamp (freikons.) protestiert dagegen, die ärmsten kartoffelbautreibenden Gebiete des Ostens dadurch zu schädigen, daß man etwa mit dieser Reso lution den Stärkezucker zu besteuern beabsichtige. Der erste Teil der Resolution sei für ihn unan nehmbar. Abg. Frh. v. Richthofen-Damsdorf (kons.) befürwortet demgegenüber die Annahme der Reso lution. Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt ».Fischer äußert Bedenken gegen die Resolution. Abg. Vogt-Hall (B. d. L.): Die Resolution stelle nur ein kleines Mittel dar, der Zuckerinduftrie aufzuhelfen; aber man müsse sich gegenwärtig damit begnügen. Die Resolution wird in beiden Teilen angenommen. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. Änderungen der Zivilprozeß ordnung. Der Gesetzentwurf bezweckt eine Entlastung des Reichsgerichts durch Erhöhung der Rcvisionssumme auf 3000 Mk., eventl. über 2000 Mk. im Berufungs verfahren. Staatssekretär Nieberding begründet den Gesetzentwurf mit der zunehmenden Anzahl. der bei den Zivilsenaten des Reichsgerichts unerledigt bleibenden Sachen. Gegenwärtig blieben einlaufende Sachen annähernd neun bis zehn Monate bis zur Verhandlung liegen. Die verbündeten Regierungen hätten die Verantwortung für den jetzigen Zustand nicht weiter übernehmen können, sondern sich ge zwungen gesehen, den Reichstag in Anspruch zu nehmen. Das Reichsgericht stehe seit zehn Jahren auf dem Boden der Vorlage. Für Prozesse des Familien- oder Personenrechts komme die Vorlage gar nicht in Betracht, sondern mir für Prozesse vermögensrechtlicher Art. Das Reichsgericht habe überhaupt nicht die Aufgabe, die materielle Ge rechtigkeit zu suchen, sondern die der Rechtskontrolle. Diese Rcchtskontrolle komme aber den Entscheidungen der Land- und Amtsgerichte zugute. Abg. Hagemann (nat.-lib.) dankt dem Staats sekretär für das schnelle Entgegenkommen gegen die Wünsche des Reichstages und begründet darauf den von ihm mit Unterstützung der übrigen bürgerlichen Parteien gestellten Antrag, der die von der Vorlage auf dem Gebiete des Zivilprozesses gezogenen Kon sequenzen auch auf das Strafrecht ausdehnt und eine Entlastung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Strafrechts erstrebt. Redner beantragt die Über weisung der Vorlage und des Antrages an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Abg. Himburg (kons.): Ein Teil meiner Freunde hat Bedenken gegen die Erhöhung der Revifionssummc und kann sich nicht überzeugen, daß die Vermehrung der Zivilsenate undurchführbar sein soll. Trotz dieses und andrer Bedenken werden wir für die Kommissionsberatung eintreten, da wir der Ansicht sind, daß eine gründliche Entlastung des Reichsgerichts nicht zu umgehen ist. Abg. Rintelen (Zcntr.): befürwortet die Ver weisung der Vorlage an eine Kommission. Abg. Gamp (freikons.): Die Hochachtung vor dem Reichsgericht erschwere ihm eigentlich die Zu stimmung zur Beschneidung der Kompetenz des Reichsgerichts. Eine große Anzahl von Revisionen wurde eingereicht ohne jegliche Begründung des Anwalts. Das sei eine Rücksichtslosigkeit gegen das Reichsgericht und das rechtsuchende Publikum. Eine Entlastung des Reichsgerichts würde schon be wirkt werden durch Einführung eines Begründungs zwanges für die Einlegung von Revisionen. Abg. Stadthagen (soz.) bezeichnet die Vor lage als ein grobes plutokratisches Mittel zur Ent lastung des höchsten Gerichtshofes und erklärt seine Zustimmung zu dem Anträge auf Erweiterung der Kompetenzen des Schöffengrichts. Die Vorlage und der Antrag Hagemann werden darauf an eine Kommission von 21 Mitgliedern ver wiesen. Nächste Sitzung Dienstag, 7. Juni. vr-utzisch-r ton»««. Am 14. d. setzte das Herrenhaus die Etats beratung fort. Beim Etat des Finanzministeriums gab auf eine Anfrage des Oberbürgermeisters Struck mann-Hildesheim Finanzminister Frh. v. Rheinbaben Auskunft über den Umbau des Berliner Oper» Hauses und des Schauspielhauses. Beim Schauspiel hause handle es sich nur um den innern Ausbau, über die künftige Gestalt des Opernhauses könne er noch keine Auskunft geben. Im Herrenhause, das am Montag die Beratung des Etats zu Ende brachte, gab Minister v. Budde einen Überblick über den Abschluß der Eisenbahn verwaltung für das Betriebsjahr 1903, der einen starken Aufschwung deS Verkehrs erkennen läßt. Die Einnahmen weisen gegen das Vorjahr eine Steige rung um 113 Millionen auf. Der Bctricbsüberschuß beziffert sich auf 608 Millionen uud überschreitet den Etatsanschlag um 111 Millionen. Die gute Gesinnung des Eisenbahnpcrsonals sei zweifellos und die Behauptung, daß Unzufriedenheit herrsche, unwahr. Nur auf dein doppelten Wege komme man zum Ziele: die auf die Störung der Einigkeit zwischen der Eisenbahnvcrwaltung und den. Eisen bahnern hinarbeiNnden Elemente hinauszusctzen und zugleich für die .Kranken und Hilfsbedürftigen unter den Arbeitern in sozialer Fürsorge fortzuschrcitcn. — Das Haus vertagte sich bis Ende Juni. Das Abgeordnetenhaus erledigte am 14. d. zu nächst die Gesetzentwürfe zur Abänderung des Ge setzes betr. das Staatsschuldbuch und zur Abände rung des Gesetzes betr. die ärztlichen Ehrengerichte in zweiter Beratung, und überwies dann den Gesetz entwurf betr. die Bestrafung des Spiels in außer preußischen Lotterien der Justizkommission. Zu längeren Erörterungen gaben noch Anlaß ein Antrag Trimborn (Zentr.) auf Erhöhung des Gehalts der Eisenbahnbetricbssekretäre und ein Antrag Ernst (frs. Vgg.) auf Erhöhung der Ostmarkenzulage für ÄolkSschullehrer und Volksschullercrinnen, und Ge währung der Ostmarkenzulage an Lehrer un Lehrerinnen au Mittelschulen und höheren Mädchen-" schulen. Beide Anträge wurden der Budgetkommission Werwiesen. Schließlich wurde eine große Anzahl Petitionen erledigt. In der Montagsitzung des Abgeordnetenhauses wurden zunächst kleinere Vorlagen endgültig ange nommen. In der folgenden Generaldebatte.Aber M. Nebenbahnvorlage wurden neben Einzelwünschen Fragen allgemeiner Vcrkehrspolitik erörtert und ein rascherer und kräftigerer Ausbau des Nebeübahn- netzes verlangt.. Mehrfach wurde.dabei hie. Wasser straßenpolitik der Regierung gestreift, auch .unter dem Gesichtspunkte, daß eine stärkere Fürsorge für den Nebenbahnbau geeignet sei, die dieser entgegen- stehenden Bedenken zu entkräften. ' Von unä fern. Vom Kaiser völlig begnavigt wurde der Tischlergeselle G. aus Greven. Er hatte im Jahre 1878 einen Kollegen ermordet, wurde wegen dieser Tat zum Tode. verurteilt, von Kaiser Wilhelm I. aber zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Jetzt, nach 26jähriger Inhaftierung, sprach der Kaiser wegen der auf richtigen Reue und der vorzüglichen Führung des Verurteilten in der Strafanstalt dessen völlige Begnadigung aus. . : , Thronfolger und Kriminalkommissar. Erzherzog Franz Ferdinand, der österreichische Thronfolger, der inkognito auf einem Hamburger Schiff eine Reise nach England antreten wollte, wurde von einem Kriminalbeamten angehalten, der ihn für einen gesuchten Defraudanten hielt. Der Thronfolger sagte: „Ich bin der Thron folger von Österreich." Der Beamte ant wortete: „Das kann jeder sagen." Nach. Auf klärung des Sachverhalts schüttelte der Thron folger dem Beamten die Hand und entließ ihn freundlich. . . Eine neue „Dreyfus - Affäre". Der Schriftsteller Albert Dreyfus aus „Frankfurt a. M., der zurzeit eine Vergnügungsreise durch Spanien macht, wurde dieser Tage, als er in Sevilla dem Wagen des Königs zu nahe kam, von der Polizei festgenommen, die ihn fälschlich sür einen Anarchisten hielt, aber bald wieder freigelassen. „Soll ich dich mal schienen?" Es kann nicht oft und eindringlich genug ermahnt weHer^ Waffen vor Kinderhänden zu bewahren. In Herrentrup machten sich Kinder mit einem vom Rattenschießeu zurückgebliebenen Teschiitg zu schaffen. „Soll ich dich mal schießen?" fragte ein zehnjähriger Junge und legte auf einen neunjährigen Knaben an, da krachte auch schon ein Schutz, und der.Knabe stürzte in den Kopf getroffen tot zu Boden. - - , U Eine Geläkeirat. 8j Erzählung von M. Tellmar. lFörNetzung.» „Ich wollte Sie bitten, eine junge Dame zu unterhalten," entgegnete der General. „Der Herr General scherzen. Der Herr General wissen doch, wie gem . . ." „Ja, ja, aber hier ist es ein besonderer Fall. Es handelt sich um ein Gänschen, gradenwegs aus dem unberühmten Nest Jakobsselde an gekommen. Es ist die Nichte der Frau Bürger meisterin, seit gestern erst auf Besuch bei ihr. Da wir es erfuhren, waren wir gezwungen, sie nachträglich einzuladen. Und nun sitzt das arme Ding da, und niemand kümmert sich um sie, außer den paar Pflichttänzern, die ich mit Not und Mühe auf die Beine gebracht habe. Sie werden begreifen, daß das für uns als Wirte sehr peinlich ist. Und da dachte ich, Sie mit Ihrer echt ritterlichen Weise, und Ihre liebe Frau Gemahlin mit ihrer anmutigen Natürlichkeit — könnten dem desperaten Mauerblümchen ein bißchen Courage machen. — Wollen Sie?" „Ohne Zweifel, gern, Herr General. Ich bin dankbar sür diesen Beweis des Vertrauens. Darf ich bitten, mich sogleich der jungen Dame vorzu stellen ?" Sie durchschritten den Saal, und der Kom mandant führte Alfred auf ein schmächtiges Mädchen zu, das im äußersten Winkel des glänzenden Näumes saß und den Eindruck macht, als ob sie sür ihr Leben gern noch weiter geflohen wäre. Sie hielt das Köpfchen, das ein Kranz von großen, buntfarbigen Rosen umgab, vorn über geneigt. Die Hände, die in tadellos neuen, aber uneleganten weißen Handschuhen steckten, hatte sie krampfhaft im Schooße gefaltet. Und mit ernster, ängstlicher Miene starrte sie auf die Bauschen ihres leuchtend rosa Tüllkleides. „Welch' lächerliche Figur! Wie kommt die denn hierher?" hatten manche der auf diesem Boden heimischen Dämchen im Vorbeigehen zueinander geflüstert. Und wenn Ernestine Kleinschmidt auch die Worte nicht verstand, so hatte sie doch den Eindruck, daß man sich über sie belustigte. Linkisch tanzte sie die wenigen Tänze, für die man sich ihrer erbarmt hatte. Und scheuer drückte sie sich nach jedem in ihre einsame Ecke. Als Hauptmann Lindner ihr vorgestellt wurde, sah sie mit dunklem Erröten auf, und als er Miene machte, neben ihr Platz zu nehmen, zupfte sie verlegen an ihrem Taschentuch. Der Herr Kommandant zog fich zurück, be obachtete aber von weitem den Hauptmann und seine Dame, bis er sich zu seiner Befriedigung überzeugt hatte, daß das Schicksal der kleinen Unbeholfenen für die nächste halbe Stunde in guten Händen war. Sie schien unter Alfreds freundlichen Worten förmlich aufzuleben. Und als nach der nächsten Pause eine Polka in toniert wurde und er sich bedeutungsvoll vor ihr verneigte, ließ sie sich mit sichtlichem Ver gnügen und leidlichem Anstande von ihm im Takte drehen. „Nun aber will ich Sie endlich mit meiner Frau bekannt machen," sagte Alfred, als er bei den letzten Klängen der Polka Fräulein Klein schmidt auf ihren Platz zurückiührte. Und da Olga eben in Rufnähe war: „Liebe Olga, bitte, auf einen Augenblick. — Meine Frau — Fräulein Kleinschmidt aus Jakobsfelde: ein reizend gelegener Ort, von dessen landschaft lichen Schönheiten das gnädige Fräulein mir eben eingehend erzählt hat. — Wenn ich mich recht entsinne, bis du einmal in jenem Teile Westdeutschlands gewesen. Hast du Jakobs felde berührt?" Während Alfred so die Teilnahme seiner Frau für das verschüchterte Mädchen zu ge winnen suchte, hatte Olga ihr Gegenüber von oben bis unten gemustert. Es war allerdings kaum ein größerer Gegensatz zwischen zwei jungen weiblichen Wesen denkbar, als diese schöne Frau in dem gelblichen, golddurchwirkten Brocalgewande, das fast zu schwer erschien sür die zarte Gestalt, zu dem aber die stolze Haltung des schwarzlockigen Köpfchens paßte; und das blasse Mädchen, das fich in dem bunten Putz, mit dem man sie herausstaffiert hatte, so fremd und unglücklich zu fühlen schien. Um Olgas Mundwinkel zuckte es ein klein wenig spöttisch. Dann erwiderte sie, nicht un freundlich gerade, aber hastig: „Sehr angenehm. — Jakobsfelde? — Ich besinne mich nicht. — Du entschuldigst mich wohl, lieber Alfred. Frau v. Hartenstein wartet auf mich." Sie neigte gegen Fräulein Kleinschmidt die Spitze ihres Näschens zum flüchtigen Gmße, schlug den Fächer auf und rauschte davon. Ihr Gatte verbarg seine Bestürzung hinter einigen erklärenden Worten und verabschiedete sich, um für seine. Schutzbefohlene ein,. Disch- Engagement zu Stande zu bringen. ; Auf der Rückfahrt war er verstimmt, sehr verstimmt. Olga versuchte zu plaudern, zir necken, zu schmeicheln. Alfred blieb ernst und sagte kaum em Wort. ' Sie fühlte dunkel, daß sie an seiner Schweig samkeit schuld sei ; aber wenn sie fich jetzt so viel Mühe gab, um ihn aufzuheitern, konnte er da nicht auch wieder fröhlich sein, statt ihr den Schluß dieses herrlichen Abends durch seinen Trübsinn zu verderben? Mit einem ärgerlichen kleinen Ruck lehnte sie sich in die Kissen zurück. Trauliches Behagen umfing das Ehepaar bei dem Eintritt in sein Heim. Treppenhaus und Korridor waren warm und erleuchtet. Diener und Jungfer waren zur Stelle und fragten respektvoll, ob die Herrschaften noch Befehle hätten. Man bedurfte nichts mehr und schickte beide zu Bett. Das innere Behagen wollte nicht kommen. Statt wie sonst für Olga die TÜr seines Zim mers zu öffnen, wo sie nach der Heimkehr noch eine Weile zu plaudern pflegten, sagte Alfred heute: „Laß uns gleich zur Ruhe gehen, Olga, ich bin müde." Sie war bedrückt durch seinen Ernst und fügte fich. In dem Schlafzimmer, das mit rotseidenen Vorhängen, hohen Spiegeln und einem Weichen, den ganzen Fußboden deckenden Teppich ver schwenderisch ausgestattet war, brannte die Ampel.
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