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Von j^ab unä fern. Anläßlich des Todes Franz v. Len- bachs ist bei der Familie des Verstorbenen eine große Zahl von Beileidskundgebungen ein gegangen, darunter auch Beileidstelegramme des Reichskanzlers Grafen v. Bülow, der in seinem und seiner Gemahlin Namen tiefbewegt in innigem Mitgefühl und treuer Freundschaft seine herzliche Teilnahme zum Ausdruck bringt. Fürst Bismarck betont in seinem Beileids telegramm, daß ihn die Todesnachricht mit tiefem Kummer erfüllt habe; er drückt seine wärmste Teilnahme aus und sagt, er trauere um den unvergeßlichen genialen Künstler, so um den Verlust eines der treuesten Freunde seiner Familie. Messerstecherei in der Kaserne. Einen verhängnisvollen Abschluß fand ein Bierfest, das den in der Bauhofkaserne zu Mainz liegenden Mannschaften des 2. Bataillons vom Fuhartillerie-Regiment Nr. 3 in Anerkennung einer vorzüglich abgelaufenen Bataillonsvor stellung gegeben wurde. Hierbei tat ein Kano nier des Guten zu viel und geriet derart in Wut, so daß er plötzlich sein Messer zog und dasselbe einem Kameraden so heftig in die Brust stieß, daß die Klinge abbrach. Der Schwerverletzte, dessen Zustand sehr kritisch ist, befindet sich im Garnisonlazarett. Der Täter wurde alsbald verhaftet; er ist bereits im Zivilverhöltnis wegen schwerer Körperverletzung mit 3 Jahr Gefängnis vorbestraft. Seine rohe Tat hat für das ganze Bataillon auch noch un angenehme Folgen gehabt, da der den meisten Leuten schon für die nächste Zeit bewilligte 14 tägige Urlaub ihnen wieder entzogen worden ist. Nach einem Familienstreit stürzte sich in Friedrichsdorf bei Homburg vor der Höhe die Frau eines Hutmachers mit ihrer 16 jährigen Tochter in einen Weiher. Beide ertranken. Die Großherzogin Alice von Toscana, die Mutter der Gräfin Montignoso, stürzte auf der Birkhahnjagd in der Nähe von Salzburg und brach den Unterschenkel oberhalb des Knöchels. Die Großherzogin wurde mittels Tragbahre nach Salzburg gebracht. Ein Raubmordversuch wurde am 7. d. in Budapest gegen dön 83 jährigen Grafen Nepomuk Zichy verübt. Der Graf saß auf einer Bank auf der unteren Margareteninsel, als ein elegant gekleideter junger Mann einen Schuß gegen ihn abfeuerte, der jedoch versagte. Darauf schlug der Angreifer mit dem Lauf des Revolvers das Gesicht des Grafen blutig und raubte ihm die Brieftasche. Der Zustand des Grafen ist bedenklich. Der Täter ist leider entkommen. Gerichtsverhandlung im Eisenbahn- coup«. Der Zivilrichter Lloyd in Biold (Eng land) hatte in verflossener Woche Zeugen in einem Schadenersatzprozeß vernommen und schon Halle sich der Verteidiger der angeklagten Partei zum Plaidoyer erhoben, da stand der Richter aus, zog seine Uhr und sagte: Meine Herreni In 20 Minuten muß ich den Zug nach Chester benutzen. Es bleibt mir also nichts übrig, als die Affäre zu vertagen, es sei denn, Sie kämen mit mir, um sie unterwegs zu erledigen. Die Advokaten entschieden sich für das letztere, und so nahmen sie mit dem Richter und zwei Gerichtsschreibern in einem Coups Platz, der Richter in der Mitte, die Anwälte und die Gerichtsschrciber auf der Bank ihm gegenüber. Und so kam es, daß der Prozeß ohne Aufschub zu Ende geführt wurde. Der falsche Varsalona. Unlängst wurde aus Palermo berichtet, daß man in der Nähe von Caftionova auf einem dem Baron Agnello ge hörenden Bohnenfelde den halb verfaulten Schädel des berüchtigten Räubers Varsalona gefunden habe; Personen, die den großen Briganten genau kannten, hätten da» schaurige Fundsiück, das einen^Pfahl zierte, mit aller Bestimmtheit als Varsalonas Schädel erkannt. Jetzt stellte sich heraus, daß diele Personen zum Teil getäuscht worden sind, zum Teil getäuscht Haden. Unter den Personen, die sich täuschen ließen, befinden sich vor allem die Gendarmen von Castro novo, die mit Varsalona manchen Strauß auSzu- sechten hatten und sich sein Gesicht doch nicht ge nügend eingeprägt zu Haden scheinen. Der Kopf auf dem Pfahl sollte, was jetzt als sicher gilt, nur die Behörden irresühren und von der Verfolgung Varsalonas ablenken. Inszeniert wurde das ganze Schauspiel von Varsalonas Tochter Concestina, die für ihren Geniestreich schwer zu büßen haben wird. Von der ganzen Familie Varsalona erfreut sich jetzt nur noch ein neunjähriges Knäblein der goldenen Freiheit: die übrigen Mitglieder der Familie sind entweder bereits abgeurteilt oder befinden sich in Untersuchungshaft. Der „Stolz der Familie", der große Räuber, ist zwar noch frei, aber er kann, da er Tag und Nacht verfolgt wird, mit seiner Freiheit nicht viel anfangen. Die Gemeindevertretung von Aalesund hat beschlossen, an Personen, die vom Brand unglück betroffen find und eine Unterstützung nachsuchen, Geldbeträge zu verteilen und zwar Depot bedrohte, worin Pyroxilin und Granaten aufgespeichert waren. Dabei wurde entdeckt, daß die Holzabfälle mit Petroleum durchtränkt waren, das Feuer also vorsätzlich angelegt war. Ein Stadt durch Feuer zerstört. Durch einen Brand wurde der größte Teil des Städtchens Gorodistsche im Bezirk Nowogrudok (Rußland) zerstört. Selbstmord eines Rabbiners. Der Rab biner Neustätter in Klementow (Polen) hatte vor kurzem seine Gattin verloren. Er erklärte, er könne sich nicht mehr dem Gottesdienste widmen und wolle sich selbst zum Opfer bringen. Er beschied den Schlächter zu sich, damit er ihm das Schlächtermesser zur Kontrolle vollege und sich später die Antwort hole. Als Tur I-age auf äem ostasiatilcken KriegslcbauplatL. Erläuterung. Russen. Nus dem rechten Flügel: Tran?baIkaI.K-Y.--Lrig. - 12 E., 1 Battr„ 1. Brig. d. 3. OM. Schützen- D!v. R. 9 u. 10 — u Ball., 1 Bastr. d. 3. Art.-Bng. Im Zentrum: Von der e. Bug. d. 3. Ojyib. Ichütz.-Div. R. l2 — 3 Batl., 2 Battr. d. 6. Art.-Brig., 1 Masch.-Ä-w.-Abll. (.Vl.- Au s d e in t in k-» F l ü g e I: Von der 6. OM. Schütz-Div. N. 22 -- 3 Batl., 1 Battr. d. S. Slrt.-Brig. H a n p l r e j e r v e Von der 2. Brig. d. 3. Ostsio. Schütz »Dio. R. 11 — 3 Ball., 1 Baltr. d. 3. Art.»Brtg. «summa: 15 Ball., 12 LSk., 5 Bullr. (cuychl. 1 Ilaf.-BaUr.) Im Ganzen 18,000 Manu. Japaner. a, d, o die Brückenftcllen über den Jalu. bei L i soukou) die 12. Dtv. mit 12. Res.-Brig.! bei lr (Hussan) die 6-Div. mit O-Res.-Brlg.: bei o (Mttschu) die 2. Div. mit 2. Aef.-Brig. Es stand die Masse der japanischen Artillerie südlich und nördlich Witschu, darunter 24 Kruppsch« 12 ora- Haubitzen al« schwere Artillerie des Feldheeres. Im Ganze» 70,000 Manu. an je eine erwachsene Person 50 Kronen, an je ein unkonfirmiertes Kind 30 Kronen. Per sonen, deren Vermögen über 10 000 Kronen oder deren Einnahme über 2000 Kronen beträgt, sowie deren Hausfrauen und Kinder find aus geschlossen. Weiter kommen nur solche Personen in Betracht, die wesentliche Verluste erlitten haben. Der Betrieb der Volksküche wird fort gesetzt. Der König von Spanien und die Heiratsglocken. König Alfons, dem ge schäftige Zungen bereits allerhand Heiratspläne andichteten, wird sich jedenfalls in diesem Jahre nicht vermählen. Als er nämlich kürzlich in Granada beim Besuch der Alhambra den be rühmten Torre de la Vela bestieg, um die herr liche Aussicht zu bewundern, machte ihn das Gefolge auf die alte Sage aufmerksam, wonach jeder, der die Glocke oben anschlägt, sich noch im selben Jahre verheiraten wird. Als der König nun oben ankam, betrachtete er die Glocke zwar mit lächelnder Miene sehr aufmerk sam, schritt dann aber weiter — ohne zu täuten! Oder traute er dem alten Zauber nicht recht? Gefährlicher Brand. Die Besatzung der Festung Kronstadt wurde kürzlich alarmiert, um ein Feuer zu löschen, das in Holzabfallhaufen in der Festung ausgebrochen war und ein der Schlächter zurücktam, fand er Neustätter mit durchschnittenem Halse tot auf. Japaner als Schüler bet nordischen Wal- fischfängcrn. Wie sehr die Japaner zu lernen bemüht sind, beweist der Umstand, daß jetzt mitten im Kriege zwei junge Söhne des ostasiatischen Jnselreiches in Bergen (Norwegen) angelangt sind. Dort sollen sie zunächst die Landessprache erlernen und sich alsdann von den Eingeborenen in die Technik der Walfischjagd einweihen lasten. Be kanntlich hat das Raubsystem der nordcuropäischen Walfischjäger dahingesührt, daß dieses Tier in den norwegischen Gewässern seltener geworden ist und die Regierung des genannten Landes sogar ein Schutzgesetz zu seinen Gunsten erlassen hat; infolge davon haben die norwegischen Fischereigesellschaften ihren Betrieb bis nach Ostasien ausgedehnt, wo namentlich an der nordöstlichen Küste von Korea ergiebige Jagd aus den warmblütigen Meeresriesen angestellt werden kann. Aber wie auf fo vielen andern Gebieten suchen jene rührigen Ostasiaten jetzt auch auf diesem von den Europäern zu lernen, um ihnen dann auch hier fühlbare Konkurrenz zu machen. Gerickrsbatte. Harburg. Der Eigentümer B. zu Harburg beabsichtigte im Landhausviertel einen Saal sür etwa 5—600 Personen zu erbauen. Nach der Bau polizeiverordnung vom 1. Oktober 1895 sollen im Landhausviertel nur Gebäude errichtet werden, die überwiegend oder ausschließlich zu Wohn zwecken dienen; Tanzsäle und Betriebsstätten, die durch Rauch oder ungewöhnlichen Lärm gesundheits schädlich oder belästigend für das Publikum wirken, dürfen im Landhausviertel nicht errichtet werden. Als B. die baupolizeiliche Erlaubnis versagt wurde, erhob er Beschwerde beim Regierungs-Präsidenten und betonte, die Baufreiheit dürfe nicht derart ein geschränkt werden, wie es durch die Polizeiverord nung geschehen sei, die Verordnung sei umhin un- pültig; ferner aber sei einem Hotelbesitzer in jener Gegend die Erlaubnis gegeben worden, einen Tanz saal zu erbauen. Nachdem sowohl der Regierungs präsident als auch der Oberpräsident die Beschwerde abgewiesen hatten, erhob B. Klage beim Oberver- waltungsgcricht, das indessen die Klage nicht für begründet erachtete. Das Oberverwaitungsgcricht steht auf dem Standpunkt, daß die Polizeibehörde befugt sei, für das Gebiet der iandhausmäßigen Be bauung anzuordnen, daß dort Baulichkeiten für ge räuschvolle Betriebe, durch die die Bewohner belästigt werden, nicht errichtet werden dürfen. Der Bau von Tanzsälen im Landhausviertel werde nicht ver boten, um das Tanzen zu verhindern, sondern im Gesundheits- und Verkehrsintereste. Eine solche Vorschrift müsse unbedenklich als rechtsgültig an gesehen werden. Tanzsäle erscheinen durchaus ge eignet, die Ruhe zu stören und dazu beizutragen, daß die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den Straßen beeinträchtigt werde. Das Munäermääcken von MlLäikawkas. Ganz wunderbare Geschichten erzählen seit dem Beginn des russisch-japanischen Krieges die russischen Zeitungen, aber die Geschichte von dem Wundermädchen von Wladikawkas ist doch die seltsamste von allen. Das Mädchen ist zwölf Jahre alt. Als Tochter eines einfachen Handlangers führte sie ein schlichtes, geregeltes Leben, bis sie vor einiger Zeit ganz außer ordentliche Fähigkeiten zu zeigen begann: alle Gegenstände, in deren Nähe sie sich befindet, zieht sie wie ein Magnet an. Wenn sie sich einem Küchenschrank nähert, beginnt das ganze Geschirr zu tanzen; die Wäsche auf dem Trockenboden fällt von der Leine, sobald sie nur die Tür öffnet; eine Flasche, die auf dem Tische steht, empfindet plötzlich das Bedürfnis, in die Luft zu springen und zerschmettert zu Boden zu fallen; die Steine, die auf der Erde liegen, heben sich usw. Das Spukmädchen — so nennt man es in Rußland — sieht ganz normal aus, ist gesund, zeigt nicht das geringste Zeichen einer Nervenkrankheit, lacht über die eigenartige Anziehungskraft, die es besitzt, und weiß nicht einmal, daß diese Kraft überirdisch ist. Viele interessieren sich für die Kleine und die Physiklehrer der Stadt studieren sie; man spricht von Radium, von negativer Elektrizität, mit einem Worte, man stellt die merkwürdigsten Vermutungen auf. Man will sie nach Peters burg bringen, um sie zum Gegenstände wissen schaftlicher Versuche zu machen. Das gewöhn liche Volk sieht in dem Mädchen natürlich eine vom Teufel Besessene und tritt mit Eifer für Teufelsbannung ein. Inzwischen ist aber das Spukmädchen gar nicht zu beneiden, denn da es arm ist, ist es darauf angewiesen, in Dienst zu gehen, und da will es nun keiner lange behalten, denn keine Hausfrau will ihr Geschirr „magnetisch" machen lassen. Das ist die Ge schichte von dem Spukmädchen von Wladi kawkas, und der Vertreter der ,Now. Wremja*, der die Sache genau untersucht hat, schwört, daß es mit dem Spuk seine Richtigkeit habe. Und wenn ein „Spezialberichterstaüer" schwört...! Es wird nun nicht lange dauern, so wird man in Rußland ernstlich den Vor schlag machen, das Wundermädchen auf den Kriegsschauplatz zu schicken. Es könnte doch mittels seiner magnetischen Kraft die japanischen Kriegsschiffe aus dem Wasser ziehen usw. usw. Kuntes Allerlei. Professor: „Warum dreht sich die Erde um ihre Achse?" — Schüler: „Weil sie irgend etwas haben muß, um das sie sich dreht, fönst könnte sie sich nicht drehen." laugend-.) Kritik. „Wie gefällt Ihnen denn mein Bild: Landschaft nach Sonnenuntergang?" — Kritiker: „O, die Landschaft HSlie ruhig mit untergehen können!" glaube aber nicht, daß du dich darüber freuen wirst." „Sprich, bitte, etwas weniger orakelhaft, lieber Schatz," bat lachend der Assessor. „Nun denn," verkündete sie ein wenig feierlich, „was ich voraussehe, ist — eine Ver lobung!" „Doch nicht," rief der Assessor und blieb an der zugigen Ecke stehen, um die sie eben herum bogen, „doch nicht Lindner und . . ." „Ja, ßänz recht," fiel sie ihm eifrig ins Wort, „Lindner und Olga. Ehe die Saison zu Ende ist, find sie verlobt. Verlaß dich darauf, Wilhelm." Sie gingen eine Weile schweigend neben einander, in ihre Gedanken vertieft. Dann gab der Assessor den seinigen Ausdruck, indem er murmelte: „Das wäre sehr traurig." „Ja, für beide traurig," bestätigte Anna, „denn unglücklich werden sie beide." „Er sicherer als sie," entschied Balder und fuhr dann lebhaft fort: „Aber es kann noch zu verhüten sein, sie haben sich einen einzigen Abend gesehen, und Lindner ist bisher immer bedächtig ge wesen." „Lieber Wilhelm," sagte seine Frau, indem sie den Mantel, den ein Windstoß gelüstet hatte, fester um sich zog, „ich habe heute deinen Freund von einer ganz neuen Seite kennen ge lernt. Er hat mit mir Komödie gespielt. Aber ich möchte jede Wette darauf eingehen, daß er schon jetzt entschlossen ist, um Olga zu werben." „Und woraus schließest du das mit solcher Sicherheit?" fragte Balder, indem er den Haus schlüssel aus der Tasche zog. „Aus der Art, wie er mich nach ihr aus gefragt hat," erwiderte Anna, die Schneeflocken von ihrem Mantel schüttelnd, „und aus seinem Gesichtsausdruck, während er später mit ihr tanzte." „Und sie?" fügte Balder lakonisch hinzu. „O sie," sagte Anna nicht ohne Ironie, „würde es sehr angenehm finden, sich in der ersten Saison zu verloben. Sie würde eine Braut sein wie hundert andere und ihn in ihrer Weise lieb haben." „Ich werde ihn warnen," versprach Wil helm nach einigem Besinnen, nnd sie meinte darauf noch: „Tu' das, aber ich fürchte, es wir dir wenig nützen." 6. Wäre Frau Anna Balder mehr zur Eitelkeit geneigt gewesen oder hätte das wahre Glück des Freundes ihr weniger am Herzen gelegen, so hätte sie sich etwas darauf einbilden können, wie schnell ihre Prophezeiung in Erfüllung ging. Die Karnevalsfreuden waren noch nicht verrauscht, als die Gesellschaft mit der Ver lobungsanzeige von Fräulein Olga Sedladczek und Herrn Alfred Lindner, Hauptmann und Kompanie-Chef im so und so vielten Regiment, beschenkt wurde. Überrascht wurde sie durch dieses Ereignis natürlich nicht. Denn wie könnte es ein Ge heimnis bleiben, wenn bei Gasbeleuchtung und Walzertakt zwei Herzen sich znsammenfinden! Alfred war dabei nichts weniger als leicht fertig zn Werke gegangen. Er nahm es im Gegenteil sehr ernst mit seiner Liebe, über deren Vorhandensein er sich täglich genau Rechenschaft gab. Er freute sich daran, wie das Kind sich an dem hübschen Spielzeuge freut, das ihm zuerst versagt war und das es dann doch auf dem Geburtstagstische gefunden hat. Wie hatte das Schicksal es doch so gut mit ihm gemeint! Es hatte sich alles so natürlich und von selbst entwickelt, ohne daß er an das leidige Geld dabei hatte zu denken brauchen. Olga hatte ihm gefallen, ehe er etwas von ihr wußte — folglich, so philosophierte er, war es Liebe und nicht Berechnung, was ihn zu ihr zog. Er hatte sich ihrer Tante, der verwitweten Regierungsrat v. Rothaupt, die wie Olgas Mutter eine Deutsche war nnd der Freigebigkeit ihres polnischen Schwagers ihr behagliches Leben verdankte, gleich am ersten Abende vorstellen lassen, hatte am nächsten Vormittag dort Besuch gemacht, um sich nach dem Befinden der Damen, die er morgens um 3 Uhr an ihren Wagen geleitet, zu erkundigen. Bei diesem Besuche hatte er zwar Olga nicht zu sehen bekommen, weil „das liebe Kind sich von der ungewohnten Strapaze noch aus ruhen mußte", war aber von Tante Hildegard mit großer Zuvorkommenheit empfangen worden, so daß er fast eine Stunde mit ihr geplaudert hatte und erst durch Tellergeklapper verscheucht worden war. Seine ehrliche Bitte um Ent schuldigung wegen der ausgedehnten Visite war mit dem liebenswürdigen Vorschläge beant wortet worden bei dem Verkehr in ihrem Hause die Etikette ein für allemal beiseite zu lassen und sich zur Teestunde einzufinden, so oft er Zeit und Lust hätte. Und er hat sehr oft Zeit und Lust gehabt, hatte Olga im zierlichen Tändel- schürzchen den Tee kredenzen sehen, halte nied liche Butterbrötchen aus ihren kleinen Händen in Empfang genommen. Dann waren diese Hände über die Tasten des Klaviers geglitten, während er daneben stand und die Noten um- blätlerte. Dafür hatte ihn jedesmal ein dank barer Blick gestreift, der ihm weit mehr zu Herzen ging, als die leichten Melodien, die er bewundern sollte. Er hatte dieselben schwarzen Augen, die ihn eben so freundlich angeblickt, gleich darauf zornig funkeln und die kleine Hand, die so sanfte Akkorde anzuschlagen wußte, sich zur Faust ballen sehen, weil Bello während des Spiels die Stickwolle seiner Herrin durchein ander gezerrt hatte. Alfred hatte dann mit einer ihn selbst überraschenden Geduld geholsen, das bunte Knäuel zu entwirren, bis Olga das selbe plötzlich in die Ecke geworfen hatte mit der Erklärung, daß das doch gar zu langweilig sei und sie neue Wolle kaufen werde. Die Tante hatte dazu gelächelt und der Nichte krauses Haar gestreichelt. Diese hatte zu gleicher Zeit Bello gestreichelt und ihm ihren Zorn von vorhin abgebeten. Und Alfred hatte dies alles sehr anziehend gefunden. Das gute Einvernehmen war nicht gestört worden, als nach einigen Wochen Olgas Eltern angekommen waren, um nun wirklich nach Buchenau überzuziedeln. G b (Fortsetzung folgt.)