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Selbstmord eines Raubmörders. Ver- giftet aufgefunden wurde im Bornstedter Holze bei Eisleben der Arbeiter Preußer aus Bayernaumburg, der vor etwa vier Jahren den Schreiber Klaube im Walde erschlagen und beraubt hatte. Die grausige Tat mußte jedoch ungesühnt bleiben, da sich bei dem Raubmörder während seiner Haft Spuren von Geistes störung zeigten, was seine Überführung in die Irrenanstalt zu Nietleben bei Halle zur Folge hatte. Von dort war er vor einigen Tagen auf verwegene Weise entwichen und am Freitag wurde der Raubmörder im Walde als Leiche aufgeiunden; er hatte Gift genommen. Durch die Anstaltskleidung konnte seine Persönlichkeit zweifellos festgcsteNt werden. Zigeuners Rache. In Fabkert wurde, wie aus Budapest berichtet wird, der Einjährig- Freiwillige Koiporal Dr. Koloman Kecskes er schossen ausgesunden. In seiner Kompanie diente ein Zigeuner, den er vor kurzem zum Rapport befohlen hatte. Der Hauptmann diktierte dem Zigeuner einen dreißigtägigen Kasernenarrest. Damals schon schwur der Zigeuner dem Kecskes Rache.. Anläßlich des, Eisenbahnersstreiks hatte an der geschäftlichen Ausbeutung eine? neu ent standenen Kurortes, und bei diesem Unternebmen soll er einen Teil seines Vermögens eingcbükt haben. Am Vormittag des Tages, an dem er die Bluttat beging, hatte er von seinem Bruder, der die Verwaltung des Badeortes übernommen hatte, ein Telegramm erhalten, in dem ihm weitere Verluste in Aussicht gestellt wurden. Das scheint ihn zur Verzweiflung getrieben zu haben. Ceschina hat trotz seiner Verluste ein sehr großes Vermögen hinter lassen, das er in einem noch wenige Minuten vor seinem Tode niedergeschriebenen letzten Willen seinem einzigen Sohne vermacht. Die entführte Lokomotive. Ein „Scherz', der leicht verhägnisvolle Folgen hätte haben können, wurde vor einigen Tagen auf der russischen Eisen bahnstation Kowaczkaja verübt. Auf dem Schienen strange vor der Station standen mehrere Lokomo tiven. Nm 10 Uhr abends, als auf der Station schon alles schlief, kletterte ein „Scherzbold" auf eine Loko motive, heizte sie an und öffnete den Regulator für langsame Fahrt. Die Lokomotive setzte sich sofort in der Richtung zur Station Krimskaja in Bewegung. Vor der Abfahrt ertönten drei Pfiffe, aber kein Mensch hörte sie. Bei dem ersten Wärterhäus chen sprang der „Scherzbold" ab. Der Verlust der Lokomotive wurde zuerst von dem Stations wächter gemerkt, der in der Nacht aus süßem stellung nicht unterbrochen und die Aufmerksam keit der Zuhörer nicht gestört werde. Vom Landgericht wurde S. freigesprochen, da die in Frage kommende Vorschrift ungültig sei. Die Materie vom ruhestörenden Lärm werde im Reichs-Straf gesetzbuch erschöpfend geregelt; 8 360 (ff.f l. c. be drohe denjenigen mit Stroke, der ungebühr licherweise ruhestörenden Lärm errege oder groben Unfug verübe. Der Tatbestand des 8 360 XI. des Reichs-Strafgesetzbuches liegt hier nicht vor, da das Pfeifen des Angeklagten nicht geeignet gewesen sei, eine Gefährdung des äußeren Bestandes der öffentlichen Ordnung zu verursachen. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision beim Kammergericht ein und hob hervor, daß durch Lärm im Theater eine Panik hervorgerufen werden könne. Die rechtliche Stütze der Polizeiverordnung sei in 8 6ä des Polizeiverwaltungsgesetzes zu suchen. Hiernach gehöre zu den Gegenständen des polizei lichen Verordnungsrechts die Ordnung und Ge setzlichkeit bei dem öffentlichen Zusammensein einer größeren Anzahl von Personen. Das Kammergericht wies indessen die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurück und erachtete die fragliche Vorschrift für ungültig. Das Kammergericht nahm an, daß durch die erwähnte Bestimmung keine dem Publikum bevorstehende Ge fahr abgewendet werden soll, eS werde vielmehr be- Vorsitzende in die Lage eeuet jungen Kvemanns hineindenken kann, der sich früh um Ühre sieben mit seine Frau von de Hochzeltsjästc verabschiedet hat und um achte von etwa 30 Trödlern, die joldene Uhren und Möbel koosen wollen, in »eine eijenc Wohnung über fallen wird. — Vors.: So kommen wir nicht weiter. Erzählen Sie endlich zusammenhängend was sich ereignet hat. — Angekl.: Wir, meine Minna und ick, batten wie jesacht, uns um sieben früh von unsere Hochzeitsjäste verabschiedet und waren müde und nnt schwerem Koppe kaum eene halbe Schlunde in unsere Wohnung, als et plötzlich furchtbar an die Klingel reißt Det Klingeln wiederholt sich zwee-, dreimal, sodet ick entsetzt rausstürze. Vor mir steht een Händler, der sagt: „Ick will die joldenen Uhren und Möbel koofen. Zeigen Sie mir die betreffenden Sachen." — Erst wollte ick ihm vor'n Brustkasten treten, dann besann ick mit aber und schlug die Korridordiere zu, indem ick sagte: „Meschugge is Trumpf." — Kaum 10 Minuten waren vergangen, da klingelt et jleich dreimal hinter einander mit eene Wehemenz, bet ick denke, sie reißen mir die Klingel ab! Draußen stand een andrer Trödler, der ebenfalls nach joldenen Uhren frächt. Diesmal konnte ick mir nich enthalten, den Mann mit een paar Rippenstöße über die Treppe runterzubefördern. Er war drüber so erschrocken, det er ohne sich umzusehen aus Vie Gesamtan fickt äer Meltaus stellung von 8t. vouis. Die Weltausstellung in St. Louis ist am 30. April eröffnet worden. Dieselbe findet zur Er innerung an den sogenannten „Louisiana Parchase", bei dem St. Louis definitiv vor 100 Jabren zur Union kam, statt. Damals verkaufte Napoleon Bonaparte dieses Gebiet, das er den Spaniern ab- aenommen hatte, an die Union unter dem Präsi denten Thomas Jefferson. St. Louis ist eine der größten Fabrikstädte des Westens. Die Stabt be sitzt 230 Kirchen, von denen hauptsächlich die römisch katholische Kathedrale wegen der Reinheit ihres architektonischen Stils zu erwähnen ist. Eine be sondere Sehenswürdigkeit ist der „Shaws Garden", wohl der reichst ausgestattete und größte botanische Garten der ganzen Union. Die diesjährige Welt ausstellung wird an Ausdehnung, Pracht und An ziehungskraft selbst die grandiose Chicagoer Welt ausstellung weit übertreffen. Jedenfalls werden spätere Weltausstellungen dieselbe kaum überbieten können. der Korporal in der Nacht die auf der Eisen bahnstrecke in der Nähe von Kis-Körös auf gestellten Wachposten, unter denen sich auch der Zigeuner befand, zu inspizieren. Ein Wacht posten machte die Meldung, daß er, etwa hundert Schritte von ihm entfernt, einen Gewehrschuß ausblitzen sah. Ein Leutnant eilte mit einer Patrouille sofort an Ort und Stelle und fand dort den Einjährigen Kecskes in einem Sumpfe liegend als Leiche vor. Seit dieser Stunde ist der Zigeuner spurlos verschwunden. Ein angeblicher Anarchist als Mu- seumsdieb. Im Kunstpalais der Ausstellung der Gesellschaft der schönen Künste zu Paris wurde von den Wächtern ein Mann dabei ertappt, wie er einen Glaskasten erbrach und mehrere kostbare Gegenstände daraus entwendete. Der Diann setzte der Verhaftung heftigen Widerstand entgegen und wurde nur mit Mühe zur Polizei gebracht, wo er angab, daß er Marc Richard heiße und unter dem Namen Marc Stephane mehrere Romane und anarchisti sche Schriften veröffentlicht habe. Der Bürgermeister als Mörder. In dem Örtchen Pigra bei Como feuerte der Bürgermeister Ceschina mitten in der Nacht mehrere Revolverschüsse auf seine schlafende Gattin und seine elfjährige Tochter ab und nahm sich dann selbst das Leben. Die Frau und das Kind sind so schwer verwundet, das sie nicht gerettet werden können. Ceschina galt als einer der reichsten Männer Oberitaliens. Er hatte bei verschiedenen großen Unternehmungen viel Geld verdient und sich vor längerer Zeit von den Geschäften zurückgezogen. Vor einigen Monaten je doch beteiligte er sich mit einer großen Summe Schlummer erwachte. Nun geriet die ganze Stations- Verwaltung in Bewegung, und alles war bald auf der Suche nach der verloren gegangenen Lokomotive, die man aber erst am nächsten Morgen in der Steppe, zwei Werst von KrimSkaja entfernt, wieder- fand. Der Dampf war ihr unterwegs ousgegangen, so daß sie die Fahrt zum Glück nicht fortsetzen konnte. Welches Unglück sonst entstanden wäre, kann man sich vorstellen, wenn noch erzählt wird, daß auf den Schienen ein Wagen stand, in dem zahlreiche Eisenöahnarbeiter schliefen. In geistiger Umnachtung. Ein entsetz liches Leben muß Miß Harriett Thaw in Phila delphia geführt Haven. Die Dame, die aus einer der vornehmsten Familien stammt und mit der Gräfin von Jarmouth nahe verwandt ist, hat in einem kleinen Kellerloch, zwischen auf gehäuftem Kot und einem Heer von Ratten ge lebt. Sie ist geisteskrank, ist reich, zahlte pünkt lich ihre Miete. Sie sagt, sie liebe es, zwischen Kot und Ratten zu leben. Die Nachbarschaft erzäblt sich kuriose..Geschichten darüber, sie soll die Ratten gefüttert und mit Namen benannt haben. Eine Katze hatte sie abgerichtet, zwischen den Ratten friedlich mitzulebeu. GericktskaUe. 88 Elberfeld. Sara Berhardt wurde im vorigen Jahre sowohl mit Beifall als auch mit Pfeifen im Theater empfangen. Ein Herr S, der auf einer Pfeife gepfiffen hotte, wurde im Hinblick auf eine Polizeiverordnung angeklagl, die u. a. ver schreibt, daß im Theater jeder Lärm, wie z. B. Pfeifen und Zischen verboten sei. damit die Vor zweckt, eine Unterbrechung der Vorstellung und eine Störung der Zuhörer zu verhüten. UKerlimr Üumor vor Gerickt. Bellermanns Hochzeit. Herr Bellermann, der erst vor kurzem sich mit Hymens Rosenkctlen beladen hat, steht vor dem Schöffengericht, um sich wegen Beeidigung und Körperverletzung zu ver antworten. Er hat an seiner Hochzeit Dinge erlebt, wie sie einem frisch gebackenen Ehemann, der eben aus dem Braut- in den Ehestand geschlüpft ist, selten passieren dürften. Vors.: Angeklagter Beller mann, wie konnten Sie sich denn nur zu einer derartigen Handlungsweise Hinreißen lasten I Was hatte Ihnen denn Ihr Schulfreund Hesse getan, daß Sie ihn in einem Lokal des Nordens vor den anwesenden Gästen so schwer beleidigten und ihm ei', Bierglas an den Kopf warfen? — Angekl.: Ick weeß leider nich janz jenau, ob Hesse ooch der wirklich Schuldije is, ick vermute et ja schtark, aba ick weeß et wie jesagt, nich janz jewiß. Is er't ada gewesen, denn kann ick Ihnen ver sichern, det ick lebhaft bedaure, ihn for seine Schlech- tijkeet nich det Fell jehörij noch jejerbt zu haben. — Vors. Worin bestand denn nun die Schlechtigkeit, die Sie so empört hat? —Angekl.: Herr Präsident, ick möchte mir eene bescheidene Jejenfrage er lauben: Sind Sie verheiratet? — In der augenblicklichen Verblüffungspause, die auf diese Jrage folgt, erhebt sich der Staatsanwaltschafts- Vertreter und beantragt gegen den Angeklagten 10 Mk. Geldstrafe wegen Ungebühr vor Gericht. — Vors.: Wir werden nachher über den Antrag des Herrn Staatsanwalts entscheiden. Angeklagter, was bezweckten Sie mit Ihrer ungehörigen Frage? — Angekl.: Ick wollte bloß wissen, ob sich der Herr det Haus raus rannte. Aber er konnte noch nich bis an die nächste Straßenecke jekommen find, da bimmelte et schon wieder minutenlang! Wie een Rasender fahre ick raus, indem ick mir unterweis die Hemdsärmel uffkrempe, denn ick war test ent schlossen, jetzt eenen Mord zu bcjehn. Diesmal Waren et jleich zwee'e, die von mir joldene Uhren haben wollten. Während ick mir abwechselnd mit sie herumboxe, hält mir der eene mit jroßem Jeschrei een Inserat unter die Neese, det lautete: Heut früh von 8—9 bei Bellermann joldene Uhren und Möbel spottbillig zu verkaufen. Stark klingeln. — Nu wußte ick Bescheed. Man hatte sich mit mir eenen frivolen Witz jemacht. Et blieb mir nifcht übrig, als mir eene Stunde lang vor die Hausdiere zu stellen und die uff mir jehetzten Trödler jleich unten abzuscrtijen. For den Urheber hielt ick Hesse. — Dieser versichert unter Zeugeneid, daß er es nicht gewesen sei und auch nicht wisse, wer es tat. Der Angeklagte wird dadurch so gerührt, daß er Abbitte leistet. Dies trägt ihm die Milde des Gerichtshofes ein, der es bei 10 Mk. Geldstrafe bewenden läßt. Kuntes Allerlei. Schnelles Wachstum. „Herr Baron, ich erlaube mir, Ihnen Ihre Rechnung zu über geben. Sie ist schon drei Jahre alt." — „Drei Jahre bloß? Ich finde, lieber Meister, daß sie für ihr Wer viel zu groß ist." Falsch verstanden. „Sie bitten um die Hand meiner Tochter? Ja, find Sie denn in der Lage, eine Frau unterhalten zu können?" — „Aber ich bitte Sie, bei meinem Humor l" lachenden Menge. Sie wurde nicht ohnmächtig und schützte kein Unwohlsein vor, um auf brechen, zu können. Sie tanzte den Kotillon bis zu Eirde und dankte lächelnd für jeden Strauß, und niemand ahnte, daß eben ein WmterMM Ms die kaum erschlossenen Blüten ihres- -Lobei^ geknickt hatte. Der eine, der es hätte wissen können, hatte still das Fest , verlassen. . 3. Es war ein behagliches Zimmer, in dem am nächsten Morgen der Geheimrat und seine Frau beisammen saßen. Zwar zeugte keine stilvolle Einrichtung von Reichtum, doch eine harmonische von Geschmack. Den Möbeln sah man es an, daß sie, wie die Ehe ihrer Be sitzer, bereits ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum gefeiert hatten. Das Braun des Sosabezuges war durchaus nicht modern, mochte es auch seitdem erneuert sein. Aber eine Menge zierlicher Gegenstände und sorgfältig geordneter Bilder füllte gleichsam den Zeitraum von damals bis jetzt, schrieb seine Geschichte. An jedem Stück mochte eine Erinnerung haften. Und über das Ganze war jene undefinierbare, von leisem Wohlgeruch durchhauchte Atmo sphäre ausgebreitet, welche mehr als elegante Möbel und kostbare Toiletten ein Zeichen der Vornehmheit ist. Auf dem runden Tische war das Kaffee geschirr zierlich geordnet. Die große, reich gestickte Decke zeugte von Gabrieles Fleiß. Dazu paßten die Tassen und die übrige Ausstattung in Zwiebelmuster. Einladend stand in der Milte die Bntannia-Kanne auf einem Dreifuß von gleichem Metall, und das Flämmchen darin flackerte so lustig, als habe es an seiner Auf gabe, den aromatischen Trank warm zu halten, nicht genug zu tun und wolle auch noch den trüben.Novembermorgen erhellen — oder die Herzen der Menschen. Das der Geheimrätin wenigstens fchien einer Aufmunterung zu bedürfen. Sie sah sehr ernst aus, als sie, mit beiden Händen die Tempe ratur der Kaffeekanne prüfend und zugleich einen besorgten Blick auf die Wanduhr werfend, vor sich hin sagte: „Wo nur Gabriele bleibt!" Ihr Gatte blickte von der Zeitung auf, strich langsam die Asche von seiner Zigarre und be merkte : „Das ist doch nicht wunderbar, daß sie heute müde ist und ausschläft. Sie hat gestern mehr und vergnügter getanzt als je." „Vergnügter?" fragte die Mutter gedehnt, „meinst du das wirklich?" „Aber Frauchen, ich begreife dich nicht," fuhr nun der Geheimrat heraus, sich aus seiner nachlässigen Ruhe etwas steif aufrichtend, „Ga briele war gestern abend die gefeiertste Tän zerin, geradezu Königin des Balles. Ich habe zwar immer gesagt, daß solcher Firlefanz den Wert eines Mädchens nicht erhöht, ich weiß ganz allein, was ich an meiner Tochter habe. Aber gestern war ich doch stolz auf sie, wahr haftig, ganz stolz, und besonders, weil man ihr gar nicht ansah, wie sehr die Sache ihr Freude machte. Das Mädel hat eine tadellose Hal tung, wirklich, wie eine kleine Königin. Und das verdankl sie dir," fügte er galant hinzu und lüßie seiner Frau die Hand. Dann suhr er noch eifriger fort: „Und nun fitzest du hier den ganzen Morgen mit trübseligem Gesicht und starrst nach der Tür, als solle statt unseres fröhlichen Kindes das leibhaftige Unglück hereinkommen. Nein wirklich, Frauchen, ich begreife dich nicht." Wie eine Antwort auf seine Äußerung tat in diesem Augenblick die Tür sich auf, und Gabriele erschien auf der Schwelle. — War das dieselbe Gabriele, die bis vor wenigen Stunden sreundlich nach allen Seiten gelächelt, munter geplaudert, lebhaft für jeden der Sträuße gedankt hatte, die jetzt auf einem Seitentische aufgeschichtet waren? Sie lagen da, wie hin geworfen, die Stiele nach oben, die zarten Blüten geknickt, und kein Blick aus den um florten Augen streifte sie. Aber ein langer, trauriger Blick umfing die Eltern und das trauliche Plätzchen, als solle ä den Eindruck dieses Morgens fest in die Seele prägen. Dann näherte sie sich Vater und Mutter zu dem gewohnten Kusse, ließ sich müde in einen Sessel finken und sagte endlich langsam: „Guten Morgen!" Gabriele war, nachdem sie sich mit unsäg licher Anstrengung noch während der Heimfahrt aufrecht gehalten hatte, in ihrem Zimmer wie vernichtet zusammengebrochen. Die Empfindun gen, die auf sie einftürmten, waren so ver wirrend und überwältigend, daß sie lange keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie fühlte sich zu Boden gedrückt von einer rätselhaften, uner bittlichen Gewalt, und unwillkürlich beugte die Knieende den Kopf Lieser in die gefalteten Hände, als empfinde sie körperlich den Druck, der sie zu zermalmen drohte. Ihre zarte Ge stalt bebte unter der furchtbaren Erregung, die, stundenlang bezwungen, nun ihr Recht forderte. Dennoch preßte sie die Lippen fest aufeinander, als wolle sie das namenlose Weh still hinunter- drängen. - Allmählich, ganz allmählich kam ihr dann die Klarheit zurück. War es denn wirklich nur Weh, was sie empfand, was ihr Herz so stür misch pochen machte ? War es denn nicht auch Glück, wonniges, jubelndes Glück, unter dem sie erbebte. Das Glück, zu lieben, den besten, edelsten Mann zu lieben, ihn mit unendlicher Zärtlichkeit zu umfassen? Und gehörte er nicht dennoch ihr, weil sie ihn liebte? — Mit dieser Erkenntnis drängten sich heiße Tränen in ihre Augen. Sie weinte und betete, betete für sein Glück — und für ihren Frieden. — Nicht die Liebe war ihr neu, nur das Er kennen. Die Liebe, das wußte Gabriele jetzt, hatte längst den besten Teil ihres Lebens aus gemacht, hatte sie erfüllt und begleitet, sie ge stützt und' getragen schon lange, lange Zeit. Aber sie hatte für einen freundlichen Stern ge halten, was nun, glühend und verzehrend, ihres Lebens Sonne war. Ja, verzehrend! Sie fühlte, daß ihr Schicksal besiegelt war, daß Liebe und Leid von nun an in ihr Herz ge graben mit flammenden Zügen, daß das Glück und das Weh dieser Siunoe ihr auf ewig ge hörten. G (Fortsetzung folgt.»