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Ottendorfer Zeitung : 06.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190405068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040506
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040506
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-05
- Tag 1904-05-06
-
Monat
1904-05
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.05.1904
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politische Kunclscbau. Der russisch-japanische Krieg. *Jn fünftägigen Kämpfen haben die Russen zu Lande die erste schwere Niederlage erlitten. Sie haben den schon lange vorausgesehenen Übergang derIapaner über den Jalu nicht hindern können und mußten den Schlüsselpunkt ihrer Aufstellung, KiaIentse, aufgeben, ebenso Antung, das sie zuvor in Brand steckten, damit die dort aufgehäuften riesigen Vorräte an Proviant und Munition den Japanern nicht in die Hände fallen. Die Japaner haben bei Kialentse 28 von den 40 S ch n ellf eu er g es ch ü tz e n der Russen, acht Maschinengewehre und v i el Mu n iti o n erobert. Der Menschen verlust wird auf 800 Mann bei den Russen und 700 bei den Japanern geschätzt; außerdem haben die Japaner viele Gefangene gemacht, darunter 20 Offiziere. *Um den Krieg modern zu führen, haben die Japaner eine besonders militä rische Körperschaft in Tätigkeit gesetzt als „BureaufürKriegsgefangene". Die Idee hierzu ist bekanntlich von der Haager Konvention 1899 ausgegangen. Dem Bureau fällt die Arbeit zu, die Namen und Personalien der Gefangenen aufs peinlichste festzuftellen, Angehörigen, die sich nach ihnen erkundigen, Auskunft zu geben, im Todesfall die letzten Willen aufzunehmen usw. (Die Japaner werden es bei den Kosaken nicht so gut haben, wie diese bei ihnen.) "Das baltische Geschwader wird nach den neuesten Bestimmungen zwischen dem 15. Juli und 1. August ohne Torpedo boote nach dem Osten abgehen. Die Dampfer „Nischninowgorod" und „Don" werden das Geschwader als Kohlendampfer begleiten. Die Torpedoboote bleiben zurück, damit die Fahrt schneller von statten geht. *Die Besatzungen der beiden unter gegangenen russischen Schiffe „W arjag" und „Korejetz" find am Freitag in Petersburg eingetroffen und feierlich empfangen worden. Der Zar richtete an die Seeleute eine An sprach e, in der er die Heldentaten der beiden Schiffe pries. Die Namen „Warjag" und „Korejetz" würden für immer in der Geschichte sortleben. Der Zar schloß mit den Worten: „Auf künftige Erfolge unserer tapferen Flotte und auf eure Gesundheit!" *Die Überfahrt über den Baikal see ist wegen starken Eisganges, der bereits mehrere Tage andauert, vorläufig völlig unterbrochen. * * Deutschland. * Kaiser Wilhelm kam am Montag abend zu Pferde von Potsdam nach Berlin. * Der Kaiser triff! am 4. d. in Schlitz zum Besuch beim Grafen Goertz ein. "Der Stapellaus des Kreuzers „lil", fand am 30. v. auf der ,,Weser"-Werft in Bremen im Beisein des Prinzen Ludwig von Bayern, des Staatssekretärs v. Tirpitz und des Münchener Bürgermeisters v. Borscht statt. Bürgermeister v. Borscht hielt eine Ansprache, worauf Prinz Ludwig den Kreuzer „Li ünchen" taufte. An den Kaiser und den Prinz-Regenten von Bayern wurden Telegramme gerichtet. * Der Seniorenkonvent des Reichs tags trat am 30. v. vor der Plenarsitzung zu einer Besprechung über die Geschäftslage des HaufeS zusammen. Er hat sich dahin ge einigt, daß die Beratungen zunächst bis spätestens am Mittwoch vor Pfingsten fortgesetzt und nach Pfingsten wiederum ausgenommen werden sollen. Vor Pfingsten soll mindestens der Etat und die „kleine Finanzreform" in zweiter und dritter Lesung erledigt werden. Nach Pfingsten würden zunächst das Neblausgesetz und das Münzgesetz an die Reihe kommen, vielleicht auch die beiden afrikanischen Eisenbahnen und die Kaufmanns gerichte. * Bei der Reichstagsersatzwahl in Sachsen-Altenburg wurde der konservativ-bünd- lerische Kandidat Dr. Porzig dem,Wölfischen Bureau^ zufolge mit etwa 600 Stimmen Mehr heit gewählt. (Es ist dies das zweite Mandat, das die Sozialdemokraten seit den Hauptwahlen im Juni v. einbüßten.) * Über die Aussichten der Kanal vorlage glaubt die .Deutsche Tages-Ztg/, das Organ des Bundes der Landwirte, ver sichern zu können: „Wenn es heute zur Ab stimmung kommen sollte, ohne daß die Regie rung neue Ausklärungen gegeben und neue Gründe beigebracht hätte, würde die vorge schlagene Teilstrecke sehr wahrscheinlich ebenso ab gelehnt werden, wie seinerzeit der Mittel landkanal." * Eine Novelle zum preußischen Ver ein s g e s e tz rst vor längerer Zeit angekündigt worden, um auch Frauen den Besuch von Versammlungen politischer Vereine zu ermög lichen. Wie der,Berl. Lokalanz.' jetzt wissen will, hat die Regierung ihre Absicht auf Ein bringung einer solchen Vorlage wieder auf gegeben, sie beabsichtige aber, der Anwen dung fremder Sprachen, insbesondere der polnischen, in öffentlichen Versammlungen vorzubeugen durch eine gesetzliche Vorschrift, daß in politischen Versammlungen nur die deutsche Sprache gebraucht werden darf. Frankreich. *Zu dem Ausstand in der französi schen Handelsmarine wird aus Bordeaux gemeldet, daß dort die Reeder, Kapitäne, Offiziere und Maschinisten der Handelsmarine beschlossen, sich mit ihren Kollegen in Marseille und Havre solidarisch zu erklären und den Ausstand der Schiffs offiziere in Marseille nicht dadurch zu hindern, daß sie ihre Schiffe nach diesem Hafen schicken, um dort Ladung zu nehmen. Rußland. * Das Zarenpaar ist mit seinen Kindern nach Zarskoje-Selo übergesiedelt. Balkanftaaten. *Jn Sofia Wendel man sich dagegen, daß die Pforte die Verzögerung der Abrüstung der Redifbataillone in Adria- uopel und Saloniki mit der Behauptung recht fertigt, daß die bulgarische Regierung mit ihren Rüstungen nicht aufhöre. Bulgarien rüste seit der Zeit der Unterzeichnung des türkisch-bulgarischen Abkommens nicht mehr und behalte nur die für die Zeit des Friedens vorgesehene Truppenzahl unter Waffen. *Jm Bezirke von Musch haben im Lauf voriger Woche ernste Zusammenstöße zwischen türkischen Truppen und Armeniern stattgefunden. Einige 20 türkische Soldaten und 50 Armenier fielen. Amerika. "Die W e lr au s st e l lu n g in St. Louis ist am 30. v. in der schon früher angedeuteten Weise von Roosevelt in Washington auf elektrischem Wege eröffnet. Ein Druck auf einen goldenen Knopf in Washington — und in St. Louis ertönte das mächtige Klingelzeichen, alle Maschinen setzten sich in Bewegung und die Fahnen entfalteten sich. Die begeisterte Menge sang das Sternenbanner-Lied. Leider fällt ursächlich und zeitlich mit jener Eröffnungs feier eine großeEisenbahnkatastrophe zusammen, indem bei Kimmswick in Missouri ein nach St. Lous bestimmter Sonderzug ent gleiste, wobei gegen 50 Personen ihren Tod fanden und viele andre verwundet wurden. Uus clem Aeickstage. Der Reichstag führte am 30. v. die erste Be ratung der Novelle zum Börsengesetze zu Ende und überwies diese Vorlage an eine Kommission. In der Debatte darüber ergriff noch der Staatssekretär Graf v. Posadowsky das Wort, um gegenüber der Kritik, der die Börseneinrichtungen in den letzten Tagen ausgesetzt waren, auf die eminente Wichtig keit der Börse für die Regulierung des Geldmarktes hinzuweisen. Abg. Semler (nat.-lib.) begrüßte die Vorlage als wohldurchdacht, während Abg. Arendt lfreik.) sie als unannehmbar bezeichnete, sofern nicht die Befugnis des Bundesrats durch die gesetzliche Feststellung ersetzt würde. Es sprachen noch die Abgg. Wolff (B. d. L.), Dove (fr. Vgg.) und Das bach (Zentr.), worauf die Überweisung an die Kom mission beschlossen wurde. — Im Anschluß daran erledigte das Haus auch die Novelle zum Reichs stempelsteuergesetz in erster Beratung. Die Novelle ging an die Budgetkommission. Am 2. d. siebt auf der Tagesordnung die zweite Beratung des Etats dcrZölle undVer- brauchs st euern. Die Kommission hat die Sätze der Einnahmen aus diesem Etat zum Teil wesentlich erhöht und zwar bei den Zöllen um 20 Mill. Mk., bei der Zucker steuer um 10 Mill. Mk. und bei der Maischbottich steuer um 2 Mill. Mk. Auf Anregung des Abg. Hug (Zentr.) erklärt Staatssekretär des Reichsschatzamtes Frh. von Stengel: Die Vorverhandlungen wegen einer Revision deS Vereinszollgesetzes sind im Gange, ein Gesetzentwurf ist aber noch nicht ausgearbeitet. Ich kann deswegen in Aussicht stellen, daß die Ausarbeitung tunlichst gefördert wird. Bei dieser Gelegenheit wird auch eine Revision der Bestim mungen über den Veredelungsverkehr vorgenommen werden. Abg. Paasche (nat.-lib.) tritt für die Be schlüsse der Kommission ein und behält sich für die dritte Lesung Anträge auf weitere Erhöhungen der Einnahme vor zu Verminderung der ungedeckten Matrikularbeiträge. Abg. v. Kardorsf (freikons.) kann für seine Person nicht die Zustimmung zu derartigen Anträgen in Aussicht stellen, solange der Bundesrat nicht durch Kündigung der Handelsverträge, besonders desjenigen mit Argentinien, die Einnahmen erhöhen wolle. Die deutsche Landwirtschaft würde dadurch die für sie durchaus notwendigen Mehreinnahmen erhalten. Staatssekretär des Rcichsschatzamts Frh. von Stengel protestiert namens der Verbündeten Regierungen gegen die Vorwürfe des Vorredners und verweist auf die am 14. v. vom Reichs kanzler in dieser Beziehung abgegebenen Erklä rungen. Abg. Speck (Zentr.) bedauert, daß seinerzeit keine Frist sür das Inkrafttreten des Zolltarifes in das Gesetz aufaenommen worden ist, und erklärt sich gegen die Wünsche des Abg. Paasche. Sächsischer Bandesratsbevollmächtigter Graf Hohenthal erklärt sich namens seiner Regierung gegen eine weitere Vermehrung der ungedeckten Matrikutarbeiträge. Abg. Pachnicke (frs. Vgg.) polemisiert gegen die Ausführungen des Abg. v. Kardorff über die Kündigung der Handelsverträge. Abg. David (soz.): Die Sozialdemokraten hätten gar kein Jnteresfe daran, die Beunruhigung der Einzelstaatcn angesichts der Finanzen des Reiches zu vermindern, sondern eher das entgegengesetzte Interesse, damit die Bundesstaaten endlich der Pflicht der Sparsamkeit, besonders in Militär- und Marine- fragen eingedenk würden. Redner empfiehlt die Ein führung einer Reichseinkommensteuer. Der Titel „Zölle" wird darauf nach den Be schlüssen der Kommission angenommen, ebenso der Titel „Tabaksteuer". Bei dem Titel „Zuckersteuer" rechtfertigt Abg. Mommfen (frs. Vgg.) das Vermahlen russischen Zuckers in Danzig zu Exportzwecken. Dies stehe keineswegs im Widerspruche zu dem Geiste der Brüsseler Konvention. Ein Verbot dieses Vermahlens würde den Export russischen Zuckers nicht vermindern! Ob der Export über Libau oder Danzig geht, sei der deutschen Zuckorinduslric völlig gleichgültig. Denn diese werde nie den norwegischen Markt, der von Danzig aus mit russischem Zucker Versorgt werde, völlig erobern können, da sie als Kontrahentin der Brüsseler Konventton, der Rußland nicht beigetreten ist, mit diesem im Zuckerpreise in Norwegen nicht konkurrieren könne. Abg. v. Staudy (kons.): Der russische Zucker werde in Danzig nicht nur vermahlen, sondern mich gesärbt, da die norwegische Bevölkerung den russischen Zucker in seiner ursprünglichen Farbe nicht akzeptiere. Darin liege sehr wohl eine Schädigung der deutschen Zuckerindustrie. Reichsschatzsekretär Frh. v. Stengel bezeichnet vom Vorredner vorgebrachte pessimistische Ansichten und Klagen über die Lage der deutschen Rüben zuckerproduktton seit Inkrafttreten der Brüsseler Zuckerkonvention als nicht den Tatsachen entsprechend und legt ziffernmäßig dar, daß im ersten Jahre der Geltung der Konvention die Zuckeraussuhr nur sehr wenig nachgelassen habe. Der Absatz im In lands habe aber in stets steigendem Matze zu genommen. Abg. Speck (Zentr.) fleht in dem steigenden Import des kubanischen Rohzuckers die hauptsäch lichste Gefahr für die deutsche Rübenzuckerproduktion und wünscht baldige Regelung des Veredelungs verkehrs. Abg. Gothein (frs. Vgg.): Die einzige Folge deS Verbots des Zuckerveredelungsverkehrs in Danzig Würde der Übergang dieses Verkehrs nach Rußland, also eine Schädigung des Danziger Handels, der Danziger Reederei und der preußischen Staats bahnen sein. Abg. Holtz lfreik.) hegt Zweifel daran, daß die Brüsseler Zuckerkonvention ein Segen sür die Zucker produktion sei. Die alten Kulturländer, die unter viel teureren Bedingungen produzieren als die Länder mit jüngerer Kultur, müßten gegen das Unterangebot dieser Länder durch Zölle oder Gewährung von Export-Prämien geschützt werden, uin gegen die Konkurrenz wirksam ankämpfen zu können. Abg. Paasche (nat.-lib.): Man solle in den Kreisen der Zuckerproduzenten nicht so schwarz in die Zukunft sehen. Es bandle sich jetzt um eine Übergangszeit. Die Brüsseler Konvention habe die momentane niedrige Preislage nicht verschuldet; diese werde auch nicht andauern. Durch die Kon vention hätten wir auch nicht einen einzigen Export markt verloren. Darauf wird der Titel „Zuckersteuer" nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Bei dem Titel „Salzsteuer" befürworten Abgg. Kulerski (Pole) und Werner (wirlsch. Vgg.) gänzliche Beseitigung dieser Steuer und Ersatz des dadurch verursachten finanziellen Aus falles durch erhöhte Besteuerung des Großkapitals, des Weines, besonders des Champagners und des Tabaks. Der Titel „Salzsteuer" wird darauf ange nommen. Der Titel „Branntweinsteuer" wird nach den Be schlüssen der Kommission ohne Debatte angenommen, ebenso der Titel „Schaumweinsteuer". Beim Titel „Brausteuer" wendet sich Abg. Pachnicke (fr. Vgg.) gegen die von der preußischen Regierung an den Oberpräsidenten er gangene Umfrage über Maßnahmen zur Ein schränkung des Flaschenbierhandels. Dieser sei im Gegenteil sehr anerkennenswert, da er vom Wirts hausbesuch abhalte und den Branntweinverbrauch verringere. Der Titel wird darauf bewilligt, ebenso der Rest des Etats der Zölle, Verbrauchssteuern und Aversen. Der Etat der Stempelabgaben wird ohne Debatte angenommen. Darauf vertagt sich das Haus. Landl«». Im Abgeordnetenhause wurde am 30. v. die wasserwirtschaftliche Vorlage bis auf die eigentliche Kanalvorlage erledigt. Dann kamen mehrere kleinere Vorlagen zur Verhandlung, die meistens schon vom Herrenhause durchberaten waren. Sie wurden fast alle debattclos oder mit unwesentlicher Diskussion in erster und zweiter Lesung erledigt oder den zuständigen Kommissionen überwiesen. Von uncl fern. Unheilvolle Salutschüsse. Als der Kaiser jüngst der wiedererbauten Hohkönigsburg im Elsaß einen Besuch abstattete, wurden bei seiner Ankunft Salutschüsse abgegeben. Hierbei entstand eine Pulverexplosion, durch die drei Mann der Fußartillerie in Straßburg verletzt wurden, einer von ihnen besonders erheblich am Unterleib. Man hatte merkwürdigerweise zu den Salutschüssen, um ja recht getreu im Rahmen der alten Burgherrlichkeit zu bleiben, mittelalterliche Kanonen verwendet. Man hätte nur auch dazu mittelalterliches Pulver haben müssen. Denn daß die alten Donnerrohre das moderne, weit stärker wirkende Pulver nicht vertragen können, hätte man sich wohl denken können. Die schlechte Beschaffenheit der Brief umschläge gibt derPostverwaltung Veranlassung zu lebhafter Klage. Die Gepflogenheit des Privat- publikums und auch der viel korrespondierenden Geschäftswelt, billige Kuverts zu wählen, ist leider sehr verbreitet. Aber die Verwendung derartig, schlechten Materials rächt sich oft an dem Ab- fender selbst. Die Verschlußklappen öffnen sich, der Klebstoff löst sich ab, das Papier reißt. Kurzum, das billige Kuvert ersüllt alle Be dingungen zur „Verletzung des Briefgeheim nisses". Täglich wird im Postbetriebe be obachtet, daß im Gegensätze zu den Briefen aus England, Frankreich, der Schweiz und den nordischen Staaten, die durchweg fest und un versehrt sind, die Briefschaften des inneren deut schen Verkehrs und solche aus Osterreich-Ungarn und Italien häufig mit Umschlägen aus ganz minderwertigem Papier versehen find. Be sonders macht sich der Übetstand im überseeischen Verkehr bemerkbar. K Eine Geläkeirat. 2) Erzählung von M. Teil mar. (Fortsetzung.; Gabriele Grain gab zerstreute Antworten und blickte öfters nach der Tür, und als nun wirk lich der letzte Tanz vergeben war — bei andern jungen Mädchen ein Moment der Freude — legte sich ein Schatten über ihre Züge, der freilich gleich daraus wieder dem sonnigen Aus druck Platz machte. Hauptmann Lindner war eingetreten und kam, nachdem er die Gastgeber kurz begrüßt hatte, schnell auf Gabriele zu. Sie ging ihm halb unbewußt einige Schritte entgegen, ein scherzhaftes Wort auf den Lippen. Man sah, daß die beiden gewohnt waren, harmlos und heiter miteinander zu verkehren und daß er ihr vorhin gefehlt hatte. War er doch der einzige, von dem sie sich verstanden fühlte, der einzige, der mitten im Rausch und Reigen eines gewöhnlichen Ballabends andere Töne anzu schlagen wußte, Töne, die wenig zu dieser Um gebung, desto mehr aber zu ihrer reinen, schönen Seele paßten. Sie hatte sich von Anfang an in einer Fülle gleicher Empfindungen und Ge danken finden gelernt. Oft hatte sie eben sagen wollen, was er aussprach, oder er hatte gerade das gedacht, was sie ihm lebhaft aus einandersetzte. Wo und wann fie sich auch wiedersahen, stets waren fie schnell miteiuder in der Welt, in welcher fie sich beide heimisch fühlten, in der Welt des Großen, Guten und Schönen. Mit dieser Sicherheit des gegenseitigen Ver ¬ ständnisses trat Gabriele auch heute dem Manne entgegen, an den fie seit dem letzten Zusammen sein, die damals angeregten Gespräche im stillen weiter spinnend, so oft gedacht hatte. Ihr strahlendes Auge sah zu ihm auf — aber was war das? Sein sonst so klarer Blick schien umflort, es lag etwas Fremdes darin, etwas das fie erschreckte und das fie den Blick senken ließ. „Ich bin nicht wohl und werde heute nicht tanzen, mein gnädiges Fräulein," sagte er hastig, „aber darf ich um die Ehre bitten, Sie zu Tisch zu führen?" Nicht allein Assessor Balder hegte die Mei nung, daß Alfred Lindner und Gabriele Grain für einander geschaffen waren, auch solche, die aus weniger sorgfältiger Kenntnis der Charaktere heraus, folche sogar, die rein äußerlich urteilten, sprachen laut oder leise die beiden zusammen. „Sie sehen sich geradezu ähnlich," sagte man und meinte damit den Ausdruck geistiger Be liebtheit, der seine wie ihre Züge verschönte. Und man gönnte ihnen aufrichtig das Glück, das sie nach dem allgemeinen Urteil ineinander finden mußten. Denn wie Gabriele, so war auch der Hauptmann wohlgelitten auch bei den vielen, welche die Eigenart und Tiefe seines Wesens nicht zu erkennen im stände waren. Hervorragende Menschen zeigen sich so oft der Durchschnittsmenge gegenüber unnahbar oder überlegen. Gehört doch auch viel Takt oder viel Menschenliebe dazu, um auf gleichem Fuße mit geistig Tieferstehenden zu verkehren! Alfred Lindner besaß beides und hatte überall freund liche Beziehungen. Wenn die Kameraden ihn neckten wegen „sentimentaler Passionen", so ließ er sich das gutherzig gefallen, weil er wußte, wie viel doch in allen ernsten Dingen sein Rat und sein Einfluß bei ihnen galt. Den jungen Mädchen war er der unermüdliche Kavalier, der mit eben so viel Ritterlichkeit die Gefeierten auszeichnete, wie die Vernachlässigten zum Tanz holte. Die Mütter aber hatten ihn ganz besonders in ihr Herz geschloffen, denn er war oft genug der einzige, der sich um fie bekümmerte und eine Unterbrechung in ihre Wirtschaftsunterhaltungen brachte. Jeder älteren Dame wußte er ein paar artige Worte zu sagen, die dennoch den Boden der Wahrheit nie verleugneten, und gewissenhaft ging er von einer zur andern. Heute freilich hätte man ihm dieses Lob nicht spenden können. Er stand meist unbe weglich in einer Ecke des Saales und schien das bunte Treiben um ihn her kaum gewahr zu werden. Doch wenn Gabriele in seine Nähe kam, fühlte fie jedesmal einen forschenden Blick auf sich gerichtet. Ihre Besorgnis stieg und sie atmete auf, als endlich die Flügeltüren sich ge öffnet hatten und fie an seiner Seite in den Speisesaal schritt. Hatte fie aber gehofft, daß ihre Nähe die Wolken von seiner Stirn ver scheuchen würde, so sah fie sich bitter enttäuscht. Lindner blieb zerstreut und einsilbig. Diehr als einmal war seine Nachbarin im Begriff, zu fragen, was ihm denn fehle, doch scheu wich jedesmal das Wort zurück, das sie auf der Zunge hatte. So war die Stunde, auf die fie sich so sehr gefreut hatte, recht trübe und pein lich verlaufen. Das Eis war aufgetragen und einige sorgliche Damen knöpften schon die Hand schuhe zu. Da faßte plötzlich, wie ans einem Traume' erwachend, der Hauptmann sein Glas und sagte- in gezwungen heiterem Tone: „Ich habe heute viel über den Wert der Freundschaft nachgedacht. Wie töricht find doch die Leute, die fie zwischen Herr und Dame für unmöglich halten. Auf unsere Freundschaft, Fräulein Gabriele!" Sie ließ das Glas nicht fallen, das fie er hoben hatte. Sie stieß mit ihm an und lächelte sogar und sagte mit sanfter, aber fester Stimme: „Ich werde Ihnen immer dafür dank bar sein." Ermutigt durch ihre ruhige Antwort, fuhr er fort: „Ja, sehen Sie, ich habe so großes Ver- trauen zu Ihnen, ich könnte Sie wirklich um Rat fragen in allerlei wichtigen Sachen. Sie kennen mich ja doch besser als die meisten —" Ob sie ihn kannte! Sie wußte genau, warum er ihr von Freundschaft gesprochen hatte, fie wußte, daß er im Begriffe war, sich namenlos unglücklich zu machen, „aber das ver hüte Gott, das verhüte!" flehte fie aus tiefster Seele, während sie freundlich sprach: „Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen einmal nützen könnte." Das Aufheben der Tafel machte der vein- vollen Unterhaltung ein Ende. Die Gesellschaft flutete in den Ballsaal zurück. Ein schnelles „Gesegnete Mahlzeit", ein flüchtiger Händedruck, und Gabriele war allein in der schwirrenden,
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