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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis v-rmittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be> sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 49. Sonntag, den 24. April 1904. 3. Jahrgang. Nachdem die Ergebnisse der diesjährigen Einkommensteuer „Einschätzung den Beitrags pflichtigen bekannt gemacht worden sind, werden in Gemäßheit der Bestimmung in Z 46 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juli 1900 alle Personen, welche hier ihre Steuer pflicht zu erfüllen haben, denen aber die Steuerzettel nicht haben behändigt werden können, aufgefordert, wegen Mitteilung des Einschätzungs-Ergebnisses sich bei der hiesigen Ortssteuer- Einnahme zu melden. Ottendorf-Moritzdorf, am 22. April 1904. Der Gemeindevorstand. VerUiches und SartMches. SOttendorf-Dkrilla 23. April 1904. — Unter dem Vorsitz des Herrn Amts hauptmanns Geh. Regierungsrat v. CrauShaar fand gestern die achte diesjährige Bezirksaus- schußsitzung statt, deren Tagesordnung 36 Punkte umfaßte. Der Herr Vorsitzende gab zunächst einige Mitteilungen in Bezirks- bez. Bezirks- anstaltsangelegenheiten, worauf das Gesuch des Kurhausbesitzers Karl Arndt in Klotzsche um Erlaubnis zur Abhaltung von Tanzvergnügen an fünf Konzertabenden und das Gesuch der Gebrüder Selle, Besitzer des Bahnhotels in Klotzsche, um Erlaubnis zur Abhaltung von Tanzvergnügen an vier Familienabenden zur Anstellung weiterer Erörterungen von der Tagesordnung abgesitzt wurden. Weiter wurde das Gesuch des Gasthofsbesitzers Vorwerk in Cunuersdorf um Genehmigung zur Errichtung einer Schlächtereianlage sür Kleinvieh im Grund stücke Katasternummer 1 dasebst genehmigt. In nichlöffentlicher Sitzung gelangten zur Vorlage bez. Beratung die Offerte des Gärtnereibesitzers Leopold Schmidt in Hermsdorf wegen des Ankaufs der ihm gehörigen Flurstücke Nr. 440 und 441 des dasigen Flurbuchs seitens des Bezirksverbandeö. — Der Bundesrat wird demnächst eine neue, vielfach verschärfte Prüfungsordnung für Apo theker beschließen, die noch im Laufe dieses Kalenderjahres in Kraft treten dürfte. — Die Einkommensteuerzettel werden zur Zeit den betreffenden Empfängern durch Steuer boten zugestellt. Bei ihrer Abgabe wird seitens des betreffenden Beamten stets das Datum der Abgabe des Einkommensteuerzettels an den Empfänger durch Stempel vermerkt. Diese Manipulation ist aus dem Grunde nötig und für beide Teile wichtig, weil durch das Datum jederzeit leicht nachzuführen ist, wie lange der Empfänger des Steuerzettels schon im Besitze desselben ist. Bekanntlich müssen Reklamationen sp ätestens drei Wochen nach Empfang d es Steuer zettels bei der König!. Bezirkssteuereinnahme abgegeben werden. — Da auch voraussichtlich in diesem Jahre sehr viele Steuerpflichtige von dem Rechte der Reklamation Gebrauch machen werden, sei darauf hingewiesen, daß jedem Steuerpflichtigen gestattet ist, sich das amtliche Staatseinkommenkataster vorlegen zu lasten. Diese Einsichtnahme ist vor einer Re klamation unbedingt zu empfehlen, da hierdurch eine große Vereinfachung des ganzen Verfahrens erreicht und die Nichtigkeit und damit der Erfolg der Reklamation gewährleistet wird. Die Kataster liegen bei den Stadtsteuerämtern, die auf den Steuerzufertigungen bezeichnet sind, aus. — Für diejenigen Singvögel, als Schwalben, Stare und dergleichen, welche hauptsächlich Fleischsrester sind, kommen im Frühjahr, ja manchmal noch im Sommer, Hungerperioden; wenn Schnee und Kälte eintritt, das Gewürm rar wird und die Fliegen nur noch in warmen Ställen gedeihen, da muß für entsprechende Fleischnahrung für die Singvögel mit gesorgt werden. Es kann Fleisch hierzu verwendet werden, das nicht für menschlichen Genuß be stimmt ist; sie lohnen es tausendfältig, wenn heiße Witterung eintritt und Ungeziefer schnell in Massen gezeitigt wird. Wieviele Tausend und Abertausend so lästige Fliegen werden von Schwalben auf so geschickte und schnelle Art gefangen und vertilgt. Der Fliegenfang der Schwalben ist höchst interessant; die Fliegen sind wie hypnotisiert, sie bleiben ruhig sitzen und die Schwalben nehmen nach und nach alle Fliegen fort und entfernen diese Plage geister der Pferde, Rinder, Schweine rc sehr bald. Es verlautet, daß die italienische Re gierung der internationalen Vereinigung aller Großstaaten, die Singvögel zu schützen, noch zu rechter Zeit beigetreten sei. Ein Bravo der italienischen Regierung! Durch das Be mühen vieler Regierungen ist gelungen, daß recht bald ein internationales Schutzgesetz für Singvögel in Kraft treten wird. Alle guten Menschen begrüßen das mit großer Freude! Die Zustände wären immer unhaltbarer ge worden, wenn sich ein Land von dem Beitritt ausgeschlossen haben würde, denn dann hätten die vereinigten Staaten für den nicht beige- trctenen die Singvögel zum Morden geliefert. Die Bewohner des abseits stehenden Staates, welche das Vernichten der Singvögel als gott losen Sport betrieben hätten, würden in den Singvögelschntz-Ländern keine lohnende Arbeit mehr bekommen haben. Durch ein inter nationales Gesetz zum Schutze der Singvögel würden die Grausamkeiten hinwegfallen, wie sie bisher mit den lieblichen Singvögeln ge trieben worden sind; Strafe würde erfolgen, wenn Uebertretungen des Gesetzes vorkämen. Wenn die schmucken Tierchen, die Schwalben rc., nach ermüdendem Fluge über weite Wasser strecken am Ufer ruhten, da haben rohe hart herzige Menschen die nützlichen Tierchen getötet, oftmals nur zu ihrem Vergnügen. Im König reich Sachsen dürfen keine Lerchen getötet werden. Die Regierung hat ein gutes Bei spiel gegeben und sich hierdurch ein großes Verdienst erworben, und alle Freunde des Schutzes nützlicher Singvögel sind hocherfreut darüber. Hoffentlich wird auch die Wachtel recht bald ihren Schutz genießen und wie früher, in weit größerer Anzahl in Frucht- seldern sich aufhaltend, allen Menschen zurufen: „Behüt di' Gott!" Nach einer alten Sage vermitteln die Singvögel den Verkehr zwischen unseren Lieben in der Ewigkeit und uns auf der Erde; mögen die Vöglein sich nicht bitter zu beklagen haben über solche Menschen, die keinen Schutz für die Singvögel schaffen helfen. Dresden. In völlig erschöpftem und ab gerissenem Zustande meldete sich bei der hiesigen Staatsanwaltschaft ein Mann, der angab, das böse Gewissen lasse ihm keine Ruhe mehr, er muffe bekennen, daß er Unterschlagungen be gangen habe, und bitte um seine Bestrafung. Der Defraudant war der Kassierer Fricke, der als Verwalter der Krankenkaffe eines benach barten Ortes vor einiger Zeit flüchtig wurde und seither ruhelos umherirrte. Er begab sich zunächst nach Leipzig, fühlte sich dort aber nicht sicher genug und kam schließlich nach ziellosen Wanderungen nach Hamburg. Er trug sich, da er wußte, daß er über kurz oder lang doch der Polizei m die Hände fallen würde, wieder holt mit Selbstmordgedanken, machte auch einmal den Versuch, sein verfehltes Leben zu enden, und kam in Hamburg auf den Entschluß, sich selbst der Polizei zu stellen. Fricke be kannte sich der Unterschlagung von Kassen geldern in Höhe von mehreren Tausend Mark schuldig. Er sebst war noch im Besitze von etwa 1800 Mark, die er der Behörde übergab. — Ein neues Automatenrestaurant soll ir d.r Wllsdrusierstraße (Ueberkneipe) hierselbst errichtet werden. Es gibt selbstverständlich noch zu wenig „Automaten." Uebrigens sollen die Automaten-Restaurants nicht deshalb „Auto maten heißen, weil man sich dort selbst bedienen kann und darf, sondern eigentlich deshalb, wei der Wirt „so von selbst" was verdient. So wird von Brauereien, die das Bier liefern, pro Hahn 500 Mark Pacht verlangt usw., was pro Periode so etwa 7500 bis zu 10- und 12000 Mark ausmacht, die „automatisch produziert" werden. Man sieht, wir leben jetzt im Maschinenzeitalter. — Durch ein Großfeuer wurde gestern Vormittag die Hälfte der Strickmaschinenfabrik von Irmscher und Co. in Vorstadt Löbtau ein geäschert. Tie städtische, auf Großfeuer alar mierte Feuerwehr mußte mit aller Energie ein greisen, um dem bereits sehr weit vorgeschrittenen Brand Einhalt zu tun. Mehrere Dampfspritzen mit vielen Schlauchleitungen waren in Tätigkeit. Der Schaden an Maschinen, Material rc. ist ein beträchtlicher. Man hofft, den Betrieb wenigstens teilweise aufrecht zu halten. — Die Heilsarmee veranstaltete am Donnerstag abend eine Versammlung im Musenhause. Der Saal war dicht besetzt, namentlich sah man viele Damen der besseren Stände. Der Kom mandeur Oliphant war wegen einer Erkältung am Kommen verhindert, und so wurde die Versammlung von seiner Frau geleitet. Nachdem gesungen und gebetet war und eine hiesige Kapitänin der Heilsarmee zur Klavierbegleitung ein religiöses Lied vorgetragen hatte, sprach Frau Oliphant über die Arbeit und die Ziele der eigenartigen Organisation, die unzweifelhaft viel Gutes zu stände bringt. Pillnitz. Die Königliche fliegende Fähre wird vom 30. d. M. an wieder in Betrieb gesetzt werden. Die Ueberfahrt von schwerem Fuhrwerk — beladen oder unbeladen — des gleichen von Vieh, Baumaterial usw., wird deshalb von gedachtem Tage ab an die Fähren van Laubegast und Birkwitz verwiesen. Weinböhla. Am Mittwoch Nachmittag stürzte hier der Arbeiter und Taubenhändler Reuter mit dem Kalkkasten von einem Neubau herab, wobei er einen SchulterblattbiUch und schwere innere Verletzungen davontrug. Der bedauernswerte 60jährige Mann mußte sofort ins Krankenhaus nach Meißen transportiert werden. An seiner Wiedergenesung wird ge zweifelt. Bischofswerda. Beim Rangieren des Bischofswerda—Zittauer Güterzuges auf Halte stelle Schmölln stürzte am Mittwoch nachmittag ein mit geschliffenen Grabsteinen beladener offener Wagen um, der das Hauptgleis ziemlich zwei Stunden sperrte; die Reisenden, die von hier nach Zittau fahren wollten, mußten dieses Mal die Linie Bautzen-Löbau-Zittau benutzen. Königsbrück. Das Königliche 13. In fanterie-Regiment Nr. 178 hält in der Zeit vom 2. bis mit 9- Mai d. I. täglich von 7 Uhr vormittags bis 5 Uhr abends auf hiesigem Gefechtsschießplatze Einzelgefechts- und Gruppen schießen ab. — Hier findet am 4. Juni eine Tierschau statt, zu welcher reichliche Mittel zur Prämiierung vom Ministerium des Ittnern zur Verfügung gestellt worden sind. Nossen. Bei einer von der Aufsichtsbehörde vorgenommeven Revission der hiesigen Orts krankenkasse sind nach dem „Freib. Änz" Fehl beträge entdeckt worden. Wie verlautet, . sind die Beträge durch die von dem Rechnungö- führcr gestellte Kaution in Höhe von 1000 Mk. gedeckt. Meerane. Der beim Bäckermeister Sattler beschäftigt gewesene Bäckergeselle Ehlert hat sich vorige Woche an verschiedenen Schul mädchen in sittlicher Beziehung vergangen und ist dann, als die Sache ruchbar geworden, von dort plötzlich verschwunden. Man nimmt an, daß der junge Mensch sich ein Leid angetan hat. Leipzig. Zum Kampfe der Aerzte gegen die Ortskrankenkasse erläßt der Ausschuß des gegenwärtig hier versammelten Kongresses für innere Medizin folgende Erklärung: „Der . . . Ausschuß spricht den in schwerem Kampfe stehenden Leipziger Kollegen seine volle Sympathie aus. Auch er hält Freiheit und Unabhängig keit für die Grundbedingungen einer richtigen Entwicklung des ärztlichen Standes und er wartet zuversichtlich, daß es den Leipziger Kollegen gelingen wird, gegenüber einem über mächtig gewordenen Kassenvorstande ihre ge rechten Forderungen in ihrem eigenen Interesse und zum Wohle der Kranken durchzusetzen und ihre so tapfer verteidigte Selbständigkeit zu wahren." — Die Lage des Aerztestreiks hat sich durch die neueste Verordnung des Kreishauptmanns v. Ehrenstein so wesentlich verschoben, daß nicht mehr der Sieg der Kaffe, sondern der der Aerzte wahrscheinlich ist. Die Kreishauptmann schaft hält die gegenwärtige Aerzteorganisation der Krankenkasse für ungenügend, sie hält, auch ohne Behandlung der Familie, 112, einschließlich 12 Spezialärzte, für erforderlich und verlangt, daß zu den bisher 73 Aerzten der Kaffe bis zum 25. d. M. mindestens noch 25 neue Aerzte angestellt sein sollen. Ob das der Kaffe möglich ist, das ist die Frage. Auf den Widerspruch, der zwischen der Verordnung der Kreishaupt mannschaft vom 23. März und der letzteren besteht, macht die Presse aufmerksam, damals hieß es nämlich, daß System der Distriktsärzte sei eine endgültige Maßregel und der Vorstand der Kasse habe „alles getan, was zur Ver sorgung der Mitglieder mit ärztlicher Hilfe ge schehen konnte. — Der Schriftsteller Herm. Moritz Platen aus Niederlößnitz, der seit dem 11. April ver mißt wird, soll sich mit seinen beiden Kindern und unter Mitnahme größerer Geldmittel nach Zürich begeben haben. — Ein Schwindler, vor welchem dringend gewarnt sei, zieht im Lande umher unter der Angabe, daß jedes seiner „Mainzer Eisenbahn lose", die er an den Mann oder die Frau zu bringen sucht, mit 40 Mark gezogen werden müsse. Der Mann ist etwa 30 Jahre alt und tritt sehr gewandt auf — Ein 39 Jahre alter Polizeibeamter aus Aachen war, obwohl bereits verheiratet, in Liebe erglüht zu einer Bierhebe, welcher er hierher nachreists; da sie indes von ihm nichts wollte, bedrohte er die Spröde (man sieht, manche Kellnerinnen sind besser als ihr Ruf!) mit Erschießen Nm das zu verhindern, ward der Mann verhaftet. B ä r e n st e i n. Hier rief ein am Sonntag Abend sich entladenes Gewitter große Be stürzung hervor. Ein Blitzstrahl hatte die Sicherungen der Transformatoren der elektrischen Lichtanlage geschmolzen, infolgedessen während dcs Gewitters in den Lokalen plötzliche Finster nis eintrat. Erst nach einer Stunde war die selbe behoben. Eingesandt. Unter den hiesigen Einwohnern, das heißt bei denen, welche Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren haben, hat sich bei den diesjährigen Steuern insofern eine Beunruhigung bemerkbar gemacht, sie glauben, sie seien durch den so genannten Kinderparagraphen benachteiligt worden, indem sie in der Einkommensteuer eine Klaffe niedriger eingeschätzt sind als in der Gemeindesteuer. Demzufolge müßten sie in beiden Steuerklassen wie in früheren Jahren gleich sein. Dies ist dieses Jahr nickt der Fall. Zur Aufklärung und Beruhigung möge folgendes Beispiel dienen: Ein Familienvater, welcher ein Jahres einkommen von 900 Mark hat, gehört demnach in die die 4. Steuerklaffe, auf welche jährlich 7 Mark zu entrichten sind. Da er aber 3 Kinder im Alter von 8, 10 und 12 Jahren hat, infolgedessen für jedes Kind 50 Mark vom Einkommen abzurechnen sind, so beträgt nun mehr sein jährlicher Verdienst nur noch 750 Mark, mithin gehört er nun der 3. Steuer klaffe an, auf welche jährlich nur 4 Mark zu bezahlen sind. In der Gemeindesteuer verbleibt er aber in Klaffe 4, da der Kinderparagraph auf die Gemeindesteuer keinen Einfluß hat. Ein Ueberkluger.