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Ottendorfer Zeitung : 13.04.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190404137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040413
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040413
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-04
- Tag 1904-04-13
-
Monat
1904-04
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 13.04.1904
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politische Kunäschau. Der russisch-japanische Krieg. *Vom Kriegsschauplatz in Ost- asien meldet Meuters Bureau' aus Schanghai: Die Russen haben längs der Küste von Takuschan und der Mündung des Jalu Minen gelegt. Die japanische Armee in Korea hat jetzt verschiedene Punkte des Südufers des Jalu erreicht. *Am Jalu wird angeblich in 14 Tagen eine Schlacht erwartet, ebenso ein Angriff der Japaner auf Niutschwcvg. Einer Drahimeldung aus Söul zufolge laufen die japanischen Zufuhrdampfer ungefährdet in die Jalumündung ein. Die Landung geht an ver schiedenen Punkten der koreanischen Uferseite des Flusses vor sich, wie man in Tokio an nimmt, unter dem Schutze japanischer Kanonen boote. * Gerüchte über japanischeTruppen- bewegungen werden aus Söul durch das ,Bureau Meuter' wie folgt verbreitet. Ein vom Norden nach Söul zurückgekehrter amerikanischer Missionar meldet, auf der Höhe von Haidschu, 50 Meilen nördlich von Tschemulpo, befinde sich eine japanische Transportflotte, die aus 40, darunter einigen sehr großen Schiffen bestehe. Man nimmt an, daß diese Flotte einen Teil der zweiten Armee, die erste und dritte Division, befördere, die in Mnampho gelandet werden sollen. * * * Deutschland. *Der Kaiser hat am Freitag Palermo verlassen und ist durch die Meerenge von Messina nach Malta in See gegangen. *Der Ober-Steward der an Bord des „König Albert" die Mittelmeer-Reise Kaiser Wilhelms mitmachte, versicherte, die Stimme des Kaisers, den er am ersten Sonntag der Fahrt eine halbe Stunde lang aus der Bibel vorlesen hörte, sei klar und kräftig gewesen und habe jeden Hörer überzeugen müssen, daß der Kaiser unmög lich ein Kehlleiden haben könne. *Die Vermählung des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin mit der Prinzessin Alexandra von Cumberland, die für Ende Mai in Aussicht genommen war, ist auf den 7. Juni verschoben worden. *Dr. Roth, seit 27 Jahren in Berlin Ge sandter der schweizerischen Eid genossenschaft, ist am Freitag dortselbst im Alter von 68 Jahren am Schlagfluß ver storben. *Dem Bundesrat wird noch ein Gesetzent wurf zugehen wegen Herabsetzung der Totalisator st euern und Errichtung staatlich konzessionierter Wettbureaus. Ursprünglich war beabsichtigt, die Herabsetzung der Totalisatorsteuer schon in der dem Reichs tage vorliegenden Novelle zum Stempelsteuer gesetz zu beantragen, jedoch wurde davon Ab stand genommen mit Rücksicht auf die weiterge henden Zwecke, die zugleich erreicht werden sollen. Um nämlich den Ertrag der neuen her abgesetzten Totalisatorsteuer sicher zu stellen, soll der Prwatwettbetrieb verboten und unter Strafe gestellt werden, dafür sollen amtlich konzessio nierte Wettbureaus errichtet werden ähnlich den Lotterieftellen. Der Gesetzentwurf wird als Antrag Preußens an den Bundesrat gebracht werden. * Auch in Bayern werden jetzt Stimmen laut für Beseitigung der Verschiedenheit der Postwertzeichen. So schreibt die pfälzische Handels- und Gewerbekammer zu Ludwigshafen in ihrem Jahresbericht: „Ebenso müssen wir auch dieses Jahr unsern Wunsch nach baldiger Einführung einheitlicher Post wertzeichen für das ganze Deutsche Reich wieder holen. Der heutige Zustand macht sich speziell gerade für die Pfalz, die rings vom Reichspostgebiet umgeben ist und mit letzterem einen sehr lebhaften Verkehr unterhält, sehr unangenehm fühl bar. Eine Aufhebung desselben wäre um so wünschenswerter, als die ganz analogen Bedenken, die man seinerzeit in Württemberg gegen die Ein führung der Reichspostmarke gellend gemacht hat, sich teils als vollständig unbegründet, teils als außer allem Verhältnis zu den Vorteilen der Ein- heitSmarke stehend erwiesen haben. Möchte man doch auch in Bayern Mittel und Wege finden, um auf diesem Gebiete die so dringend angezeigte Ein heit herbeizuführen I" Frankreich. * Hinsichtlich Marokkos will der Pariser ,Matin' aus London über das bevorstehende französisch-englische Übereinkommen erfahren haben, um den Wünschen der mit Marokko in Verbindung stehenden englischen Kaufleute zu entsprechen, habe sich die französische Regierung verpflichtet, die Handelsfreiheit in Marokko für die Dauer von 30 Jahren zu verbürgen. * Präsident Steijn ist von Cannes nach Mailand und Lausanne abgereist. Er gedenkt Fürstin Sophie zur Lippe ch. Die Fürstin Sophie zur Lippe ist im 70. Lebens jahre in Karlsruhe gestorben. Sie wurde als eine Tochter des Prinzen Wilhelm von Baden, eines Onkels des regierenden Großherzogs, am 7. August 1834 in Karlsruhe geboren und heiratete ihren, im Jahre 1895 verstorbenen Gemahl, den da maligen Prinzen, nachherigen Fürsten Waldemar zur Lippe, im Jahre 1858. Diese Ehe blieb kinderlos. sich nach Deutschland zu begeben und den Sommer dort zu verbringen. Sein körperlicher Zustand hat sich gebessert, erfordert aber immer noch die größte Sorgfalt. England. * Zwischen England und Rußland wurde eine Verständigung über die Tibet-Expe dition erreicht. Lord Lansdowne habe ver sprochen, daß die Mission sofort nach Erreichung ihres Zweckes Tibet wieder verlassen werde und daß kein Versuch gemacht werden solle, Lhassa zu betreten, wenn vorher ein Übereinkommen getroffen werden kann. Oberst Younghusband sei aufgefordert worden, alles mögliche zu tun, um hohe tibetanische Beamte zu bewegen, nach Gyangtse zu kommen und dort mit ihm zu ver handeln. Die englische Regierung habe sich nicht verpflichtet, Lhassa nicht zu betreten, doch habe sie der russischen Regierung versichert, daß, wenn der Einmarsch in Lhassa notwendig werde, doch keine dauernde Besetzung stattfinden solle, sondern die britischen Beamten sich zurückziehen würden, sobald ein Übereinkommen über die Grenzregulierung und die Er leichterungen für britischen Handel getroffen sei. Hiermit sei die russische Regierung zufriedengestellt. Dänemark. *Der deutsche Kronprinz hat am dänischenHofe eine sehr sympathische Aufnahme gefunden. Gleich nach seiner Ankunft stattete der Kronprinz dem König Eduard einen Besuch ab, der unmittelbar darauf erwidert wurde. Dem Kronprinzen zu Ehren fand eine Galatafel von 60 Gedecken stall. Spanien. * Auf den jungen König Alfons ist in Barcelona ein Attentatsversuch unternommen worden, der mißglückt ist. Als der König die Arbeitrausstellung verließ, platzte eine Bombe, durch die zwei Landleute ver wundet wurden. Zwar wurden einige Ver haftungen vorgenommen, doch scheint der wirk liche Täter entkommen zu sein. Weitere Einzel heiten find nicht zu erfahren, die Zensur unter drückt alles I Balkanstaaten. * Der Oberkommandierende der mazedo nischen Gendarmerie General di Georgis Pafcha wird seinen Sitz in Salonichi nehmen. Die Inspektion der Gendarmerieschule daselbst wird der deutsche beigeordnete Major v. Alten übernehmen. *Ein strenger Paßzwang besteht neuerdings in den Staaten des Bal kans. Die zuständigen Stellen lassen jetzt Reisende, die sich nach Rumänien, Serbien, Bulgarien und der Türkei begeben, darauf auf merksam machen, daß sie mit einem Passe ver sehen sein müssen. Er muß außerdem ord nungsgemäß visiert sein. Ebenso wie Reisende aus Europa müssen auch Reisende, die aus dem fernen Orient nach einem der genannten Balkanstaaten kommen, mit einem ordnungs mäßig visierten Paffe ausgerüstet sein. Auch Ungarn verlangt jetzt einen Paß von Reisenden, die aus dem Orient kommen. Amerika. * Eine Abordnung des Missionar-Kongresses hat die Ver. Staaten um eine Intervention ersucht gegenüber den angeblich von Belgiern im Kongogebiet verübten Grausamkeiten und um Schutz für das Eigentum und die Rechte der Missionare. Der Staatssekretär Hay hat einen schriftlichen Bericht verlangt mit dem Hinzufügen, baß er eine Intervention zugunsten der Eingeborenen nicht in Aussicht stellen könne, da die Ver. Staaten den Berliner Kongovertrag nicht unterzeichnet hätten. Die Abordnung hat darauf bei dem Präsidenten Roosevelt um dessen Beistand nachgesucht. Dieser hat um Angabe von Einzelheiten ersucht und auch ver sprochen, diese einer sorgfältigen Erwägung zu unterziehen. *Nach verschiedenen vergeblichen Anläufen scheint jetzt in Amerika ein Gesetz gegen die Anarchisten zustande kommen zu sollen, in dem Todesstrafe für die Ermordung des Präsidenten oder des Vizepräsidenten oder irgend eines Beamten der Ver. Staaten, der ver fassungsgemäß an die Stelle des Präsidenten zu treten haben mag, oder des Botschafters oder Gesandten irgend einer fremden Macht — oder auch nur Mordversuch — festgesetzt wird. * In den V e r. Staaten betrug nach der amtlichen Volkszählung im Jahre 1903 die Be völkerung (mit Ausnahme Alaskas und der Inseln) 79 900 000 Seelen, was eine Zunahme um 3 906 000 seit 1900 bedeutet. Die Ein wohnerzahl belief sich in New Jork auf 3 716 000, in Chicago auf 1874 000, in Philadelphia auf 1368 000, in St. Louis auf 600 000. Heuschrecken in Deutsch-Ostafrika. Die letzte aus Deutsch-Ostafrika hier einge troffene Post bringt die Nachricht, daß aber mals im Bezirk Wilhelmstal ungeheure Heu schreckenschwärme sich gezeigt haben. Sie er schienen vom Mombo aus (dem projektierten Endpunkte der Usambara-Eisenbahn) und von Norden herkommend in den Tälern West-Usam- baras am 22. Februar und hielten sich etwa zehn Tage dort auf. Die Heuschrecken traten in so ungeheuren Mengen auf, daß der stärkste Schneefall in Deutschland nicht zum Vergleich herangezogen werden kann. Im Urwald brachen schlank gewachsene Bäume unter der Last der sich auf ihnen niederlassenden Heuschrecken zu sammen. Sämtliche Schamben der Eingeborenen in dem von den Heuschrecken befallenen Teil West - Usambaras find total vernichtet. Die Kaffeepflanzungen find von den Heuschrecken nicht angegriffen worden, obwohl die Pflanzun gen zum Teil 5—10 Zentimeter hoch mit Heu schrecken bedeckt waren. Es ist allerdings beob achtet worden, daß, nachdem alles übrige Grün von den Heuschrecken vertilgt war, diese den Versuch gemacht haben, junge Triebe an Kaffeebäumen und ganz junge Blätter zu pro bieren. Sie scheinen jedoch davon wieder ab gelassen zu haben. Dagegen sind alle Banancn- pflanzungen, die Anpflanzungen von Grevillea und Maulbeerbäumen derartig abgefresien, daß von den Bananen nur traurige Btattrifpen, von den Grevillea und Maulbeerbäumen nur die absolut nackten Stämme und Aste übrig ge blieben sind. An Maulbeeranpflanzungen haben die Heuschrecken sogar die gesamte Rinde der Bäume abgefressen. Bilder, die gleichzeitig hier einlrafen, machen den Eindruck, als wenn man eine traurige Winterlandschaft sieht. Die letzte große Heuschreckenplage im nördlichen Teile Deutsch-Ostafrikas wurde im Jahre 1899 beob achtet und hatte damals eine verheerende Hungersnot im Bezirk Tanga zur Folge. Da in diesem Jahre außerdem, wenigstens in Westusambara, eine außerordentlich große Hitze herrscht, und die kleine Regenzeit im Oktober und November gänzlich ausgeblieben ist, bleibt zu befürchten, daß durch die Vernichtung der Eingeborenenfelder wiederum Hungersnot sich einstellt. Von sVak unä fern. Der diesjährige Bankiertag wird vor aussichtlich in Berlin Anfang Mai stattsinden. Voraussetzung ist dabei, daß bis dahin die Börsennovelle die erste Lesung passiert hat. Sollte in dieser Beziehung eine erhebliche Ver spätung stattfinden, so würde auch der Bankier tag später einberufen werden. Leutnant Gentschow, von derOstafiatischen Besatzungsbrigade, ist von seinem kühnen Ritt durch China bei seinen Eltern in Remplin in Mecklenburg eingetroffen. Der Kaiserjäger Franz Lindner ist vom Plumserjoch abgestürzt und war sofort tot. Im Tüff-Töff. Ein Vorfall, der so recht geeignet ist, Haß gegen die Kraftwagenführer zu erwecken, wird aus Wiesbaden gemeldet. Von einem großen weißgeftrichenen und blauum ränderten Kraftwagen wurde beim Chauffeehaus ein Break überrannt und zerstört. Die Insassen des Kraftwagens, zwei Damen und zwei Herren, deren einer ein bekannter Mainzer ge wesen sein soll, entfernten sofort die Nummer ihres Fahrzeuges und verschwanden, ohne daß sie mit Hilfe des Fernsprechers und der Polizei hätten gestellt werden können. Falsches Geld. In Münster wurden während der letzten Monate falsche Ein-, Zwei- und Fünsmarkftücke in großer Anzahl im Um lauf betroffen. Auf die Ermittelung der Falsch münzer, von denen angenommen wird, daß fie in Münster selbst ihr Handwerk treiben, hat der Erste Staatsanwalt eine Belohnung von 500 Mk. ausgesetzt. Dass die Teltower Rüben ein gar delikates Essen sind, ist jedermann bekannt. Es wird daher ganz interessant sein, etwas ans der Geschichte dieser Rüben zu hören. Die ,Brandenburgs' be richtet darüber folgendes: Der Bau der Teltower Rüben ist alt. Sie wurden auch früher schon nicht nur in brandenburgischen Landen geschätzt, sondern waren auch ein weit verbreiteter Handelsarrikel. Dor Historiker Beckmann erzählt von ihnen 1769: „Zu Teltow werden die kleinen oder sog. Steck oder Trengerüben gebaut, und sind nicht allein binnen Landes sehr beliebt, sondern werden auch bis in die Seestädte, bis nach Portugal verführt." Buchholz, ein Zeitgenosse des eben genannten Ge schichtsschreibers, rühmt überhaupt den märkischen Rübenbau, „der alles dergleichen in Deutschland überträfe". Den Preis unter allen Rüben bauen den Orten erteilt auch er der Stadt Teltow, die er das „rechte Vaterland der schmackhaften Rüben" nennt. Jnbetreff der Zubereitung der Rüben gibt es in Teltow eine eigene Tradition. Man darf, so heißt es, die Rüben nicht schaben, sondern muß nur die feinen Wurzelfasern, die überall an ihnen Vor kommen, mit Sand abreiben, dann das Kopf- und das äußerste Schwanzende abschneiden und sie chließ- lich nur noch sauber waschen. Aus diese We se soll sich namentlich das feine, unmittelbar unter der Schale sitzende Aroma erhalten. In Berlin scheint man dies auch allgemein so gehandhabt zu haben, wenigstens deutet hierauf die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts noch vielfach übliche Redeweise hin, daß man Teltower Rüben nur fegen dürfe. Als besonderer Verehrer der Teltower Rüben ist zu nennen Joh. Heinrich Voß, der berühmte Dichter und Übersetzer. Dieser ließ sich nach seiner Über siedelung nach Heidelherg dorthin Nübsamen schicken, allein die Rüben selbst wurden viel zu groß und entbehrten des pikanten Geschmackes. Papst Pius IX. ließ sich Teltower Rübchen nach Rom senden. O Vie Mläern leben brben. 261 Roman von M. Brandrup. Charlotte nickte lächelnd. Horst aber sagte, zu seinem Bruder gewendet: „Mir erlaubst du aber wohl, dich zu begleiten." „Natürlich!' Hand in Hand schritten die beiden Brüder vorwärts, durch hohe, jetzt modern ausgestattete Gemächer, über breite Korridore und teppich belegte Treppen, bis Horst eine Tür öffnete und den Leutnant in sein gewohntes Absteige quartier geleitete, dessen Tische und Etageren aber heute mit Blumen geschmückt waren. „Errätst du," sragte der junge Herrschafts- befitzer, auf die kunstvoll arrangierten Sträuße deutend, „errätst du, wer die gebunden hat, freilich mit dem ausdrücklichen Wunsch, daß du nicht erfahren solltest, welche Hand es ge wesen?! Nein? Verstelle dich doch nicht, Sohn des Mars?" — Sich in einen Sessel werfend, setzte Horst hinzu: „Cousine Fanny war gestern mit ihrem allerliebsten Stieftöchterchen hier und hat geholfen, dein Reich für dich vor zubereiten. In aller Eile natürlich. Denn erst nach dem Kommen der beiden Damen war die Depesche angelangt, in der du uns mitteiltest, du hättest einen längeren Urlaub erlangt und gedächtest denselben auf Groditten zu verleben .. Beiläufig gesagt, war es auch Zeit, daß du endlich kamst, denn sonst hätte unsere schöne Wittib denken müssen, du hättest das Interesse an ihr verloren und —" Leo machte eine ablehnende Handbewegung. „Du weißt recht gut, weshalb ich nicht früher kam," erwiderte er, „daß ich den Abschluß des Trauerjahres um unsere Mutter abwarten wollte, ehe ich Fanny wieder unter die Augen trat. Die Pietät nötigte mich dazu. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn die Cousine vor Jahresfrist dem Briefe Charlottens auf dem Fuße zu folgen vermocht hätte. Da das be treffende Schreiben aber nur auf Umwegen in die Hände der Adressatin gelangte, kam sie auch erst in Groditten an, als der Beisetzung des Onkels die unserer Mutter gefolgt und ich wieder nach Hohenburg zurückgekehrt war, natürlich mit dem festen Entschluß, das An denken Mamas dadurch zu ehren, daß ich . . . Aber genug dieser Auseinandersetzungen, Bruder. Sage mir lieber, wie trägt Fanny den Reichtum, der so unerwartet auch über sie ge kommen ist?" „Auf eigene Weise!" „So ist fie wohl hochmütig und überhebend geworden?" „Gott bewahre! Ganz im Gegenteil zeigt sich Cousine Fanny oft so merkwürdig gedrückt, als wenn es nicht Millionen wären, die ihr geworden find, sondem erneuter Gram, Elend und Kummer. Freilich kann fie auch heiter sein, aber doch nur vorübergehend. Beiläufig gesagt, bedurfte es meiner ganzen Überredungs kunst, um fie zu vermögen, sich in K. anzu kaufen, und zwar, indem sie das Grundstück des verstorbenen Barons Scherres erwarb. Fanny nannte die Villa viel zu prächtig für sich und hätte sich am liebsten mit der ersten besten kleinen Mietwohnung in irgend einem Krähwinkel begnügt. Da fie aber absolut nicht zu bewegen war, die standesgemäße Behaglich keit Grodittens zu teilen, wollte ich doch wenig stens wissen, daß fie em wirklich schönes Heim fände. Freilich ist es nicht ganz so, wie ich es für Fanny gewünscht hätte, denn du hast wohl schon in Hohenburg erfahren, daß die Frau Rat nicht mehr dort lebt. Eines Tages ist fie in K. angelangt, hat sich mit gut gespielter ver wandtschaftlicher Zärtlichkeit der nun reichen Nichte in die Arme geworfen und von dieser, verlangt, sie zu versorgen und bei sich zu be halten. Das hatte Fanny aber durchaus nicht gewollt. Freilich gedachte fie, Frau Rat mit barem Gelbe zu unterstützen, wünschte die Dame im übrigen aber in Hohenburg zu wissen. Dem Drängen der Alten jedoch vermochte das groß herzige Wesen nicht standzuhalten und Frau Erna erreichte, was fie wollte! Meinen ernst lichen Einreden Folge gebend aber führen Tante und Nichte gesonderte Hausstände. Frau Rat bewohnt mit Köchin und Stubenmädchen das weitläufige Parterre der Villa, während Fanny und die kleine Ada mit der eigenen Diener schaft oben Hausen." So weit gekommen, unterbrach sich der Be richterstatter. „So, Kerlchen, und nun an die Waschtoilette, damit unsere liebe Main nicht über dem Warten auf ihre Jungen in Ver zweiflung gerät. — Apropos, aber was ick dir noch mitzuteilen habe, Fannys Liebenswürdigkeit ist es schließlich doch gelungen, Charlotte zur Annahme eines bestimmten Kapitals zu ver mögen. Wie ich es mit ihr abgemacht, wollte fie unserer Wohltäterin hunderttausend Mark aufreden, das gelang ihr jedoch nicht und fie hatte Mühe genug, Charlotte zur Annahme von dreißigtausend zu bewegen. Die Sache ist nun aber auch sofort notariell festgestellt worden. Wir konnten das ja, ohne deine Gegenwart abzuwarten, da du mir Generalvollmacht ge geben hast." „Selbstverständlich," rief Leo, vertauschte die Uniform gegen einen eleganten schwarzen Zivilauzug, und dann gingen die beiden Herren wieder hinab. Im Speisesaal harrte Fräulein Main in zwischen bereits an der mit Silber, Kristall und Blumen geschmückten Tafel. Mit freund lichem Lächeln begrüßte fie die Eintretenden und setzte die Klingel vor ihrem Platz in Be wegung. Schnell ward das Mahl aufgetragen. Während des Speisens sprach man lebhaft über allerlei Groditter Angelegenheiten und es zeigte sich, daß auch Leo nicht ganz fremd in der Landwirtschaft war. Allmählich kam die Unterhaltung auf andere Dinge, und nun sagte Horst: „Was meinst du dazu, Leo, wenn du den heutigen Nachmittag zu einer Fahrt nach der Stadt benütztest, um Cousine Fanny deinen Antrittsbesuch zu machen. Ohne Begleitung natürlich, Bester! — Denk' ich doch, daß bei solchem Wiedersehen ein Dritter überflüssig ist." Leo v. Grün errötete wie ein Schulknabe. Trotz dem sah er in diesem Augenblick besonders schön und männlich aus. „Ich habe ebenfalls daran gedacht, Fanny bereits während der nächsten Stunden aufzu suchen," erwiderte er darauf.
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