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Ottendorfer Zeitung : 29.04.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190404291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040429
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040429
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-04
- Tag 1904-04-29
-
Monat
1904-04
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 29.04.1904
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politische Aunälckau. Der russisch-javanische Krieg. * Während ein Gerücht, nach dem am Jalu- flusse eine größere japanische Truppenabteilung völlig aufgerieben sein soll, unbestätigt geblieben ist, stießen, wie Alexejew nach Petersburg meldet, russische Freiwillige auf dem linken JalU'Ufer mit japanischen Vor posten zusammen; die Russen, die sich zurückziehen mußten, verloren drei Schützen; ein Offizier und 11 Mann wurden schwer ver wundet. *Mit dem Minenlegen hat Rußland kein Glück. Bei der Anlage einer Minensperre durch Dampfschaluppen kamen durch eine vor zeitige Explosion unter dem Hinterteil einerSchaluppe einO ff izier und zwanzig Mann um. *Das russische Marineministerium ersuchte auf Veranlassung Skrydlows um Angebote für sofortige große Maschinenliefe rungen nach Wladiwostok. Admiral Skrydlow wird sich, wie verlautet, willig dem General Kuropatkin unterordnen und mit dem Eisenbahnminister Fürsten Chilkow daran arbeiten, Wladiwostok in ein Hauptquartier umzuwandeln. Der Statthalter Alexejew ist völlig aus geschaltet. * Tschuntschusen und verkleidete Ja paner haben oberhalb von Mukden die Eisenbahn auf 20 Meter zerstört, kurz bevor ein Zug die Station verlassen wollte. Der Maschinist des Zuges bemerkte rechtzeitig das Fehlen der Schienen, und brachte den Zug zum Stehen. * Zur Erschütterung der Stelluna Alexejews wird noch mitgeteilt, daß Skrydlow den Zaren habe verstehen lassen, er sei nicht gewillt, mit Alexejew zu sammenzuarbeiten. *Das ,Echo de Paris' meldet ans Peters burg , daß man in der chinesischen Ge sandtschaft auf den sofortigen Ab bruch der diplomatischen Be ziehungen mit Rußland gefaßt sei. Der chinesische Gesandte soll bereits alle Vor bereitungen zu seiner Abreise getroffen haben. (Wollen's abwarten!) * * * Der Herero-Aufstand. * Nach wetteren, aus Südwestafrika ein gegangenen Meldungen wird Gouverneur Leut wein wahrscheinlich die Absicht, in südöstlicher Richtung nach Seeis abzuschwenken, wieder auf geben und statt dessen in gerader Linie direkt nach Osten auf Onjati marschieren, das inmitten des gleichnamigen Gebirges, 25 Kilo meter von Otjofasu, gelegen ist. *Der weitere Verstärkungs-Truppen transport, der am 30. d. von Hamburg aus in See geht, wird an Bord des von der Reichsregierung gecharterten Reichspostdampfers „Herzog" nach Swakopmund befördert werden. Deutschland. *Der Kaiser hat infolge des schlechten Wetters den Besuch der Hohenstaufen schlösser in Italien aufgegeben und wird einige Tage früher, als beabsichtigt war, nach Deutschland zurückzukehren, und zwar über Venedig. *Der bisherige kommandierende General des 19. Armeekorps, General v. Treitschke, ist zur Disposition gestellt und zum General- Adjutanten König Georgs von Sachsen ernannt worden. Generalleutnant Vitztum v. Eck st ä d t hat seine Stelle übernommen. * Nach einer Meldung der ,Südd. Reichskorr/ find die Vorarbeiten zu dem deutsch- rumänischen Handelsverträge so weit gefördert, daß demnächst die mündlichen Verhandlungen beginnen werden. * Während des Vierteljahres vom 1. Januar bis 31 März 1904 haben 5372 Schiffe (gegen 5727 Schiffe in demselben Vierteljahr 1903) mit einem Nettoraumgehalt von 862 799 Registertonnen (1903: 808 023 Registertonnen) den Kaiser Wilhelm Kanal benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblots- geldes, an Gebühren 439 589 Mk. (1903: 404132 Mark) entrichtet. Österreich-UuMMi. * Schneller, als man erwarten konnte, hat der Streik .der ungarischen Eisen- bahnbeamten seinEnde erreicht. Das Streikkomitee hat die Vorschläge der Regierung bedingungslos angenommen und erklärt, daß die Ausständigen bereit seien, den Dienst unverzüglich aufzunehmen. Sie haben allerdings der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß sich das Parlament der be rechtigten Forderungen der Eisenbahn beamten annehmen werde. Es wurde eine Abordnung an den Handelsminister gesandt, um diesem den Entschluß der Streikenden be kannt zu geben. Es ist zweifellos, daß die Einberufung von 18 000 Reservisten der Eisen bahnregimenter den Umschwung herbeigeführt hat. Die Regierung scheint die Unterwerfung der Streikenden nicht ohne weiteres anzunehmen, um einen für sie möglichst günstigen Frieden diktieren zu können. Der Handelsminister Hieronymi lehnte vorläufig den Empfang einer Abordnung der Streikenden ab. Er erklärte, von einer Amnestie oder einem Zu geständnis in der Gehaltsfrage könne nunmehr keine Rede sein. * Das Lager der Aus ständigen in Budapest wurde am 23. d. mittags durch ein großes Polizeiaufgebot und in Begleitung von zwei Schwadronen Husaren aufgelöst. Die Ausständigen leisteten keinen Widerstand. Ihr Führer Sarlay wurde wegen Aufreizung und Majestätsbeleidigung verhaftet, weil er den königlichen Befehl betreffs Einberufung der Eisenbahner-Reservisten abfällig besprochen hatte. Jeder Anwesende erhielt, falls er gestellungs- pflicktig war, vom anwesenden Hauptmann des Ergänzungs-Bezirkskommandos seine Einbe rufungsorder, nach der er noch am selben Tage zur Truppe einzurücken hat. * Nachdem der „König von Ungarn" den Wunsch geäußert hat, die Gebeine des ungari schen Freiheitskämpfers Rakoczys II. in heimat licher Erde zu bestatten, haben österreichische alldeutsche Abgeordnete eine Inter pellation betr. Errichtung eines Denk mals fürRobertBlum eingebracht, „der", wie die Interpellation sagt, „wider Völkerrecht und Gesetz im Freiheisjahre 1848 in Wien er mordet wurde." Italien. * Präsident Loubet ist am Sonntag zum Besuch des Königspaares in Rom eingetroffen. Dänemark. * Der Reichstag hat sich am 23. d. vertagt. Der plötzliche Schluß des Reichs tags bedeutet eine schwere Niederlage des Justizministers, weil dadurch die schon beschlossene Wiedereinführung der Prügelstrafe gescheitert ist. Der Justizminister wirb wahrscheinlich seinen Ab schied nehmen. Amerika. *Jn Uruguay sind nach einer ,Times^- Meldung die Aufständischen bei dem Ver such, die Stadt ArtigaS zu nehmen, ge schlagen worden. General Saravia steht gegenwärtig südlich von Rio Negro. Zus ciern Keickstage. Der Reichstag erledigte am 23. d. debatteloS die Etats für Neu-Guinea, die Karolinen und für Kiautschou. Zum Etat für Samoa kam Nbg. Eick hoff (fr. Vp.) aus die Beschwerden von Ansiedlern gegen den Gouverneur Solf zu sprechen. Kolonial direktor Dr. Stübcl erwiderte, die Untersuchung habe ergeben, daß den Gouverneur keine Schuld treffe. Zur ersten Beratung der Vorlage betr. Bekämpfung der Reblaus sprachen die Abgg. Blankenhorn (nat.- lib.), Rettich (kons.), Sartorius (frs. Vp.) und Gröber (Zentr.) ihr Einverständnis aus mit den vorge schlagenen schärferen Maßnahmen für Verhütung der Verschleppung der Reblaus. Die Vorlage ging an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern. — Das internationale Abkommen betr. Fragen des Privatrechts (Ehe und Vormundschaftssachen) wurde in zwei Lesungen erledigt. Am 25. d. steht aut der lLagesordnnng die erste Lesung dos Gesetzentwurfs betr. dm Bau einer Eisenbahn von Dar es Salam nach M r o g o r o. Kolonialdirektor Dr. Stübel begründet die Vorlage, die durch Verminderung der Spurweite der Bahn von 1,06 auf 0,75 Meter und die damit zu sammenhängende Verminderung der Baukosten um 3^ Millionen Mark den Wünschen des Reichstages entaegengekommen sei. Im Interesse einer stärkeren Besiedelung der gesünderen Gebirgsgegenden des Landes sei der Bahnbau dringend erwünscht. Er hoffe, daß sich in der Kommission eine Einigung werde herbeiführen lassen. Die Ertragssähigkeit des Landes stehe außer allem Zweifel. Auch in Deutsch land habe es vor 70 Jahren Leute gegeben, die an eine Rentabilität der Eisenbahnen nicht glauben wollten. Die Eisenbahnen in den Kolonien müßten noch eine größere Pflicht erfüllen: sie verhüten Auf stände der Eingeborenen oder verhelfen wenigstens zu einer leichteren Unterwerfung. Redner verweist für diese Behauptungen auf das Beispiel Englands. Abg. Graf v. Stolberg-Wernigerode (kons.) erklärt, er sei kein Kolonialschwärmer und gebe zn, daß die Kolonien uns viel Geld und Mühe kosteten. Da wir sie aber nicht verkaufen könnten, so müßte etwas Großes geschehen, um diesen trauri gen Zustand endgültig zu überwinden. Wir hätten in Ostafrika keine schiffbaren Flüsse und müßten uns deshalb Bahnen bauen. Er bedauert daß die Regierung nicht die Beschlüsse der Kommission in ihrer letzten Tagung vollständig ausgenommen habe. Die Freunde der Kolonie würden die Kosten auch bewilligen, wenn man eine größere Spurweite für die Bahn gefordert hätte; die Gegner der Vorlage stimmten sowieso dagegen. Abg. Müller-Sagan (frs. Vp.) spricht sich gegen die Vorlage aus, da die Bahn sicherlich nicht rentabel sein werde. In der jetzigen mißlichen Finanzlage, wo bei dem Veteranenbeihille- und Militärpenstonsgesetz fortgesetzt von der Regierung behauptet worden sei, wir hätten kein Geld, sei die weitere Belastung des Reiches auf? schärfste zu ver urteilen. Die Vorlage bedeute einen ersten Schritt, das Privatkapital heranzuziehen, aber auf Kosten des Reiches. Abg. Schwarze- Lippstadt (Zentr.) bezeichnet den Bahnban als das einzige Mittel, um das Innere der Kolonien zu erschließen. Wir müßten den Engländern folgen, die bedeutend mehr Geld für die Kolonien ausgäben. Auch unser Handel würde durch die Engländer völlig verdrängt, wenn wir nicht mit unserer Kolonialpolitik Ernst machten. Abg. Graf v. Arnim (kons.) verweist darauf, daß die englische Bahn, die auf w-niger günstigem Terrain gebaut sei, gute Erträge abgeworfcn habe. Der schöne Hafen von Dar es Salam müßte da durch unterstützt werden, daß die Regierung das Hinterland durch eine Bahn erschließe. Abg. Paasche (nat.-lib) spricht sich für eine leistungsfähige Vollbahn aus. Ostafrika sei ein zu kunftsreiches Land, wo noch viel Kulturarbeit zu leisten sei. Die Baumwollkultur empfehle sich für Ostafrika außerordentlich, erstens mit Rücksicht auf die jüngsten Baumwollspekulationen in Amerika und zweitens mit Rücksicht auf den teilweise enormen Preisrückgang für andere Koloniaiprodukte, wie Kakao, Kaffee und Zucker. Abg. Schrader (frs. Vgg.): Ohne den Bau der verlangten Eisenbahn sei eine Erschließung der Kolonie unmöglich, zumal die Anlage und die Unter haltung von Straßen oder andern Verkehrswegen in den Tropen viel schwerer und kostspieliger sei. Abg. Ledebour (soz.): Wenn Ostafrika wirk lich das von dem Abg. Schwarze geschilderte Juwel sei, bann brauchten doch die Unternehmer und Kapi talisten Nicht die Zinsgarantie des Reiches für dieses lukrative Geschäft. Abg. Dasbach (Ztr.): Die Zentrumsfraktion habe sich über den Entwurf noch nicht schlüssig ge macht. Abg. Schwarze habe lediglich von seinem persönlichen Standpunkte gesprochen. Redner spricht sich persönlich gegen die Übernahme der Zinsgarantie des Reiches aus. Abg. Arendt (freik.) spricht sich für den Bau der Bahn aus und wirft der Kolonialverwaltung Nachgiebigkeit gegen Privatgesellschaften in der Frage der Spurweite der Bahn vor. Kolonialdirektor Dr. Stübel bezeichnet diesen Vorwurf als ungerecht. Lediglich mit Rücksicht auf die Finanzlage des Reiches und die Sparsamkeit des Reichstages habe die Kolonialverwaltung die Spur weite Von 0,75 Meter vorgeschlagcn und damit augenscheinlich die Chancen der Vorlage wesentlich verbessert. Eine Verbreiterung der Spurweite könne ja jederzeit — natürlich auf Kosten der Interessenten — erfolgen. Die Vorlage wird an die Budgetkommission ver wiesen. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfes betr. Aufnahme einer dreiprozentigen Anleihe von 8 Mill. Mk. für das Schutzgebiet Togo zum Bau einerEisenbahnvonLomenachPalime. Kolontaidtrektor Dr. Stübel begründet die Vorlage. Alle Bedenken gegen eine Kolonialanleihs müßten schwinden, wenn man berücksichtige, daß ein genauer Tilgungsplan vorliegc, und daß das Schutz gebiet aus seinen Einnahmen die Zinsen bestreiten körne, zumal im Einverständnis mit den Interessenten Zollerhöhungen eingeführt werden, um Zinsen und Amortisation zu decken. Die Baumwollproduktion könne nicht eher rentabel gestaltet werden, als bis die jetzt l Mk. pro Tonnenkilometer betragenden Trägerkostcn auf 0,30 Mk. Eisenbahnfracht herab gemindert werden. Schatzsekretär Frh. v. Stengel erläutert die finanztechnischen Gesichtspunkte für die Aufnahme der Anleihe. Die Schutzgebiete hängen mit dem allgemeinen Reichshaushaltsetat nur noch durch die Reichszuschüsse zusammen. Die Frage der Aus nahme einer Anleihe sür ein Schutzgebiet lasse sich überhaupt nicht generell beantworten, sondern immer nur in jedem Einzelfalle. Es habe sich deshalb eine Kolonialanleihe mit Reichsgarantie empfohlen. Die Vorlage wird darauf an die Budgetkommission verwiesen. Vreutzisch-r Landtag. Das Abgeordnetenhaus führte am 23. d. die zweite Beratung des Etats zu Ende, wobei der Titel bezüglich des neu zu erbauenden Nesidcnz- schloffes in Posen nach dem zweiten Kommissions vorschlage angenommen wnrde, das die geforderte Summe noch um 200000 Mk. erhöht. Es folgte dann die dritte Beratung des Gesetzentwurfes über die Bewilligung von Staatsmitteln für Wohnungs- banten, und hierauf schritt das Haus sofort an die dritte Lesung des Etats. Graf Limburg-Stirum (kons.) gab seinem Bedauern Ausdruck, daß Preuß. Minister sich im Reichstage verantwortet haben. Finanzminister v. Rhcinbaben erklärte, daß die Re gierung bestrebt sein werde, bei Abschließung von Handelsverträgen für die Landwirtschaft einen höheren Schutz zu erreichen. Die Abgg. Wiemer und Ghßling (frs. Vp.) protestierten gegen die Be strebungen, die Bedeutung des Reichstage herab zusetzen. Am Montag wurden im Abgeordnetenhaus«! zu nächst die Etats der Berg- und Hüttenverwaltung sowie von Handel und Gewerbe erledigt. Beim Etat der Eisenbahnverwaltung wurden Emzelfragen er örtert. Minister Budde machte die Mitteilung, daß der Kaiser die Ermächtigung erteilt hat, ohne Verzug einen Gesetzentwurf einzubringen, nach dem 3 Mill. Mark aus Staatsmitteln dem Verbände der Eisen bahnervereine überwiesen werden sollen zur För derung der Wohlfahrtseinrichtungen für Beamte und Arbeiter der Eisenbahnverwaltung. Bei dem Etat der Bauverwaltung wurde die in der zweiten Lesung abgelehnte Forderung für einen Vortragenden Rat gegen die Stimmen der Rechten vermittelt. — Die Etatsberatung wurde in einer Abendsitzung fortgesetzt. Von ^ak uncl fern. Ein Hundertjähriger bei der Mainzer Kaiserfeier. Der Kriegerverein in Biebrich beabsichtigt, den hundertjährigen früheren Unter offizier und jetzigen Landwirt Becht in Delken heim zu der Kaiserfeier gelegentlich der Ein weihung der neuen Eisenbahn-Rheiubrücke bei Mainz am 1. Mai einzuladen und von seiner Wohnung abzuholen. Der alte Veterau hat nämlich wiederholt den Wunsch geäußert, dem Kaiser persönlich seinen Dank abzustatten sür die reichen Geschenke, die ihm seitens des Monarchen zu seinem hundertsten Geburtstage zuteil geworden find. Man will daher den alten Krieger dem Kaiser beim Verlassen des Festschiffes in Biebrich vorstellen. Ein Zahlengenie. Aus dem diesjährigen Kongreß für experimentelle Psychologie erweckte die Vorführung eines Herrn Dr. R, eines Mathematikers von Beruf, größtes Interesse. Der betreffende Herr wiederholte säst unmittel bar nach Nennung 55stellige Zahlen vorwärts, rückwärts, senkrecht, spiralig. In 13 Minuten prägte er sich in einem Nebenzimmer 204 Ziffern ein und wiederholte sie vorwärts, rückwärts, in Gruppen zu je 6 usw. Er übertrifft damit alles, was bisher je an derartiger Fähigkeit bekannt geworden ist. Geradezu frappierend war es, als Dr. R. gleichzeitig eine vierstellige Zahl mit sich selbst multiplizierte und nebenher noch 30 ihm vorgesprochene Ziffern wiederholte. Er lernte in wenigen Minuten 102 einzelne Ziffern am Tische fitzend auswendig und faßte gleichzeitig jede Einzelheit auf, die inzwischen über seine Art des Lernens der Ziffern zur Erklärung gegeben wurde. K Oie Mläernleben brben. 33j Roman von M. Brandrup. tAorl'etziwg.') Fanny v. Hagel deckte für kurze Zeit ihre Hände auf das bleiche Gesicht. „Wir reisen natürlich, Liebling," erwiderte fie dann leise, „und zwar schon heute abend." * * * Leutnant v. Grön hatte sich, nachdem er das bekannte Ostseebad Z. aufgesucht, um dort viel leicht Vergessenheit seines Kummers über den Verlust der Geliebten zu finden, ein elegantes Quartier in einem der anmutig gelegenen Logier häuser des Ortes gemietet. Als leidenschaftlicher Reiter kaufte er sich dann ein Pferd. Daß man ihm dasselbe als wild und ungebärdig schilderte, hinderte ihn nicht, denn er liebte es, derartige Kreaturen zu zähmen. Leider sollte ihm dies bei dem neuerworbenen Rappen nicht gelingen, denn schon während des ersten Rittes mit demselben zeigte das Tier seine Tücken und schleuderte Leo mit einer solchen Gewalt gegen einen Prellstein, daß der Unglück liche dort bewußtlos liegen blieb. WaS dann folgte, ist bereits berichtet wor den. Jetzt aber warf sich der Patient, die Augen von dem Ausdruck der Erwartung beherrscht, ruhelos in seinem Bett umher. Die schweren rotseidenen Gardinen, die zu Kopfende desselben von einem kunstvoll geschnitzten Baldachin herab hingen, waren dicht zusammengezogen, so daß dem Kranken jeder Blick nach den beiden hohen Fenstern unmöglich gemacht war. Schwester Margarete, eine ältliche Kranken pflegerin, saß an dem Lager und strickte. Jetzt aber legte fie ihre Arbeit in den Schoß und sagte mit leiser Stimme: „Sie find so unruhig, Herr von Grön! — Tut Ihnen etwas weh und soll ich die lindernde Medizin herbeiholen, die der Sanitätsrat ver schrieben hat?" „Nein, nein, Schwester," erwiderte der Kranke matt. „Ich bedarf des Trankes nicht, denn ich habe augenblicklich keine Schmerzen." „Und doch zeigen Sie sich so verändert!" „Freilich, das bin ich! Aber begreifen Sie dies nicht in anbetracht des Besuches, den wir erwarten?! übrigens, Horst ist doch zur rechten Zeit zum Bahnhof gefahren, Schwester?" „Gewiß, Herr von Grön." „Und wie spät haben wir es jetzt?" „Zehn Uhr! Die Herrschaften müssen in jeder Minute vorfahren." „Gott sei Dank, dann treffen Sie mich noch am Leben." „Wer Herr von Grön, Ihr Zustand hat sich seit gestern — ich möchte fast sagen, genau von der Minute an, in der Ihr Herr Bruder Ihnen die Depesche Frau von Hagels zeigte — der artig günstig verändert, daß von einer Gefahr für Ihr Leben nicht mehr die Rede ist." „Lassen Sie das, Schwester Margarete. Sie wollen mich ja doch nur trösten," flüsterte der Kranke. Und die ihm gebliebene Rechte auf den Arm seiner Pflegerin legend, setzte er hinzu: „übrigens möchte ich ja gern noch leben, — wenn ich es auch nur als Krüppel tun kann, der. . ." Er unterbrach sich und versuchte seinen Kopf zu heben. „Aber fährt da nicht so eben ein Wagen vor das Haus, Schwester? Nicht wahr, Frau von Hagel kommt jetzt?" Die Schwester war zu einem der Fenster geschritten und antwortete: „Wenigstens steigt Ihr Herr Bruder mit zwei jungen Damen aus, von denen die ältere auf die Beschreibung paßt, die Sie mir von Frau von Hagel gemacht haben. Nun aber bitte, lieber Herr von Grön, nehmen Sie sich auch ein wenig zusammen und seien Sie ruhig. Ich werde die Herrschaften im Salon empfangen." „Ja, gehen Sie, Schwester. Aber — hören Sie auf mein Flehen und führen Sie Fanny so bald als tunlich zu mir." „Frau von Hagel wird gewiß gleich bei Ihnen erscheinen," erwiderte die Krankenpflegerin, dann verließ fie das Gemach. Leo drückte die Hand auf das Herz. Er versuchte, seinen armen verstümmelten Körper in eine fitzende Stellung zu bringen, es gelang ihm aber nicht, und er mußte liegen bleiben und fich damit begnügen, mit angespanntem Gehör nach der Richtung zu lauschen, in der der Salon lag. Wirklich vernahm er bald Stimmen von dort, aber er hörte nur eine einzige, die schöne, ein wenig tiefe des Weibes, das er schon seit so vielen Jahren mit der ganzen Innigkeit seines guten treuen Herzens geliebt hatte. Und dann? Kamen da nicht schon leichte Schritte durch die Räume, welche das Schlaf gemach von dem Salon trennten? So ging Schwester Margarete nicht. Es war ein jugend licher Fuß, der über die Teppiche glitt. Die Tür öffnete fich. Bleich und zitternd, aber schöner denn je trat Fanny von Hagel über die Schwelle des Zimmers, in dem fie so sehnsüchtig ermattet wurde. „Fanny, meine einzige, heißgeliebte Fanny!" Wie Jubellaute waren die Worte über die Lippen des Kranken gekommen. Lautlos aber flog die schlanke Gestalt des jungen Weibes über den prachtvollen Smyrnateppich, der das Parkett deckte. Und dann lag die schlanke Ge stalt lautlos vor dem Bett des Patienten auf den Knien. „Fanny, wie soll ich dir danken, dgß du gekommen bist, um meine letzten Lebensstunden zu erhellen!" Nur ein leidenschaftliches Schluchzen ant wortete ihm. Zu sprechen vermochte die junge Frau nicht, angesichts der grausigen Verände rung, die das schwere Wundfieber nach der Operation bei Leo hervorgerufen hatte. Er aber streichelte die blasse Wange der Geliebten und öffnete die Lippen, ohne doch ein Wort über dieselben zu bringen. „Leo, armer Leo!" flüsterte Fanny. „Vater im Himmel!" unterbrach sie aber ihre Rede, indem fie fich in namenlosem Entsetzen über den teuren Mann beugte: „er stirbt," stöhnte fie und schaute mit dem Ausdruck übermensch licher Verzweiflung in die plötzlich starr ge wordenen Züge des Geliebten. Dann stürzte sie zur Tür. „Horst, „Horst!" rief fie, als fie dieselbe kaum geöffnet hatte. „Um Gotteswillen komm, Leo ist tot!" Aber es war nicht so. Nur eine Ohnmacht hatte den furchtbar Geschwächten überfallen.
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