Volltext Seite (XML)
Ein Denkmal für den ersten 1870 gefallenen Franzosen wird auf deutschem Gebiet errichtet werden. Der erste französische Soldat wurde bekanntlich von der berühmten Zeppelinschen Reiterpatrouille auf dem Felde der Ehre dahing'cstreckt. Die Patrouille be fand aus dem württembergischen Rittmeister Grafen Zeppelin, drei badischen Dragoner-Offizieren sowie fünf Dragonern. Graf Zeppelin drang am 25. Juli 1870 durch feindliches Gebiet bis zum Schirlenhof vor. Dort wurde Rast gemacht und ein Mittagbrot bestellt. Eine halbe Stunde vom Schirlenhof entfernt hielt sich das 12. französische Regiment Jäger zu Pferde auf. Nichts Böses ahnend, war die deutsche Patrouille im Begriff, sich zu Tische zu setzen, als sie von einer Abteilung des französischen Regiments überfallen wurde. Der Franzose Pagnier fand als erstes Opfer des Krieges durch eine deutsche Kugel den Tod, worauf der badische Leutnant Winsloe von dem französischen Leutnant de Chabot ebenfalls tödlich verwundet wurde. Von französischer Seite ist nun die Genehmigung nach gesucht worden, dem gefallenen Franzosen aus deutschem Boden ein Denk mal zu setzen. Dieses soll im Juli d. im Schirlen- hofe enthüllt werden. — Für Leutnant v. Winsloe, den ersten Toten auf deutscher Seite, ist bereits ein Denkstein errichtet worden. Die erste Hebamme für Südwestafrika tritt in diesen Tagen ihre Ausreise nach dem neuesten deutschen Hebammen-Bezirk Windhoek an. Es ist dies eine Frau Neugebauer aus Dorf Falkenhagen bei Seegefeld, die vor kurzer Zeit ihre Prüfung in der Berliner Königlichen Charitee abgelegt hat. Frau N. lebte bereits früher in Windhoek, woselbst ihr Mann als Stellmacher tätig ist. Drei neue Pockenfälle sowie ein pocken- Derdächtiger sind in Bochum vorgekommen. Das Generalkommando ordnete für den Stadt- und Landkreis Bochum den Ausfall der Kontroll versammlungen an. Ermordet. Ein Dachdecker überfiel in der Nacht zum Montag auf dem Wege von Köln nach Ehrenfeld ohne Veranlassung einen jungen Mann und stieß ihm mit voller Kraft sein Dachdeckermeffer in die Brust, so daß Lungen teile bloßgelegt wurden. Der junge Mann starb bald darauf. Der Mörder wurde verhaftet. Der Saukopf im Nathause. Unter den tschechischen Stadtvätern der Stadt Prag be findet sich einer namens Soukop, den die deut schen Stadtväter kurzweg den Saukopf nennen. Dieser Stadtvater griff seine Kollegen wiederholt mit hussitischer Heftigkeit an. In zwei Volks- Versammlungen warf er ihnen vor, daß sie für die Gewerbetreibenden gar nichts täten und ihn in die Kanal-Kommission nur deshalb gewählt s hätten, um ihn in der Kanalbrühe zu ersäufen, während sie die wichtigeren Kommissionen und Stiftungsverwaltungen unter sich verteilten. Solchen Stadtvertretern, die mir ihr eigenes oder Partei-Interesse im Rathaus suchten, sollte man auf ihre Sauköpfe spucken. Die beschimpften Stadtväter stellten Klage, die vor Gericht damit endete, daß Soukop Abbitte leistete und die Kosten zahlte. Von der Exkönigin Isabella erzählt der .Gaulois' folgende hübsche Anekdote: „Der Wert des Geldes blieb der Königin Isabella stets unbe kannt. Als sie den Thron bestiegen hatte, besuchte sie eines Tages in Madrid die asturische Amme, die Alfons XII. genährt hatte. Infolge irgend eines Unglücks kam diese Frau aus ihrer Provinz herbei, um Hilfe bei der Königin zu suchen. Isabella war gerührt von der dramatisch ausgeschmückten Er zählung und ließ ihren Haushofmeister rufen. „Gib Dieser armen Frau sofort 10000 Duros" (43400 Mk.). Der Hauhosmeistcr suchte Einwendungen dagegen zu machen. „Tue, was ich dir sage," widerholte die Königin. Da kam dem Haushofmeister ein genialer Gedanke. Er nahm 10 000 einzelne Duros und breitete sie auf den Tischen und Tischchen des königlichen Gemachs weit aus. Als die Königin von ihrem täglichen Spaziergang zurückkehrte und diese Geldstöbe auf ihren Tischen ausgebreitet sah, erhob auch sie Einspruch. „Was soll das Geld," fragte sie erstaunt. „Majestät," erwiderte der Haus hofmeister, „das ist das Geschenk, das die Königin für die Amme des Prinzen von Asturien bestimmt hat." „Gib dieser Frau zehn von diesen Geld stücken . . sagte die Königin. Natürlich fand der schlaue Haushofmeister, der sich in der Wirkung des Mittels, die Königin über den Wert des Geldes zu belehren, nicht verrechnet hatte, einen Mittelweg zwischen der zuerst allzu reichlichen und jetzt allzu geringen Gabe. Entsetzliches Selbstbekenntnis. Der Bankbuchhalter Olle in Bordeaux hat fich dem » Gericht gestellt und die Ermordung seiner Gattin und seiner beiden Kinder bekannt. Das Be kenntnis hat sich als wahr erwiesen. Olle hatte Gelder veruntreut, er wollte schließlich das Haus anzünden nnd in den Flammen sterben, wozu ihm der Mut fehlte. Über die Ausbeutung sibirischer Bauern erzählte der ,Charb. Westn.' als Beispiel, daß in einem Dorfe zwei Fleischhändler erschienen, welche den Dorfbewohnern erklärten, bald würden die Japaner erscheinen und ihnen alles Vieh abnehmen. Unter solchen Umständen sei es vernünftig, alles zu verkaufen und sie, die Fleischhändler, würden ihnen, auf eigene Gefahr noch verhältnismäßig hohe Preise zahlen. Diese Preise waren natürlich danach, aber die Bauern rühmtheit. Seit dem Ausbruch des Krieges hatte sie mehrere langandauernde „Trancezustände", die damit endeten, daß sie erklärte, sie sei in Port Arthur gewesen unb sei entsetzt über die schlechte Behandlung der Soldaten und die Entbehrungen derselben. Endlich erklärte sie auch, daß alle Reserve soldaten aus dem Distrikt infolgedessen entweder tot seien oder im Sterben lägen. Diese Aussage ver ursachte so große Erregung unter den Bauern, daß amtliche Nachfragen angestellt werden mußten, die natürlich ergaben, daß nichts davon auf Tatsachen beruhte. Das versetzte die Dorfbewohner in solche Wut gegen das Mädchen, das sie durch ihre Unheil verkündigungen umsonst geängstigt hatte, daß sie das HauS der Hexe niederbrannten. Dann rissen sie dem Mädchen die Kleider ab, banden sie an den Schweif eines Pferdes und jagten sie um das Dorf, bis sie dem Tobe nahe war. Tum 40. Jahrestage äer Erstürmung äer Vüppeler Sekanren. Prinz Friedrich Karl mit seinem Stabe bei der Düppelmühle im Jahre 1864. Der 18. April 1864 wird, solange Preußen und das Deutsche Reich bestehen, ein wichtiger Er innerungstag für alle patriotischen Herzen bleiben. In diesem Jahre sind nun 40 Jahre verflossen, seit die Preußen die von den Dänen überaus stark befestigten Düppeler Schanzen erstürmt haben. Um 10 Uhr morgens ging die Erstürmung überraschend schnell und glatt vonstatten. Die Preußen verloren hierbei 70 Offiziere und 1100 Mann an Toten unb Verwundeten. Durch Zufall hat sich eine photo graphische Aufnahme aus jener großen Zeit erhalten, die den Oberbefehlshaber der Preußen bei dem Sturm, den Prinzen Friedrich Karl mit seinem Stabe, neben der in Trümmern geschossenen Düppel mühle zeigt. waren leichtgläubig genug, gaben ihr Vieh und bedankten sich noch für die Spottpreise. Torpedo-Jubiläum. Die Fknfzigjahrfeier der modernen Torpedos kann man in diesem Jahre feiern. Im Jahre 1854 wurden sie näm lich zum ersten Mal von den Russen im Schwarzen Meere und in der Ostsee gebraucht. Allerdings waren schon am Ende des sechzehnten Jahrhunderts bei der Belagerung von Ant werpen Torpedos verwendet worden, aber sie glichen nur annähernd den heutigen. Aberglaube und Barbarei. Uber ein Bei spiel von Barbarei, das sich in Ljebisko, im Gou vernement Poltawa, zugetragen hat, wird aus Moskau dem,Daily Mirror' berichtet. Das Dorf Ljebisko war seit längerer Zeit als Wohnort eines schönen Mädchens, namens Aksinja Petrakow be kannt, einer Wahrsagerin von großer lokaler Be- Peter i auf der Briefmarke. Eine neue Briefmarke wird demnächst erscheinen. Beter I., König von Serbien, hat bei Paulin Taffet, dem G.aveur der Pariser Münze, eine Briefmarke mit seinem Bilde bestellt; sie soll die „überdruckte" serbische Marke ersetzen, die noch das Bild deS Königs Alexander trug. Die Markensammler warteten schon seit langer Zeit auf diese neue Marke, die ein Medaillon bild Peters 1. in serbischer Generalsuniform mit dem großen Bande des weißen Adlerordens bringt. 6ericdrskaUe. Detmold. Die hiesige Strafkammer verhandelte am Dienstag gegen den früheren Ratsherrn Dr. Kuckuck, der die erste Ratsherrnstelle hierselbst inne hatte, wegen Unterschlagung von Geldern, die er in amtlicher Eigenschaft empfangen hatte. Das Gericht hielt den Angeklagten für überführt; eS verurteilte ihn wegen Unterschlagung zu der niedrigsten Strafe von 3 Monat Gefängnis Dortmund. Das Schwurgericht verurteilte den Bergmann Wegener aus Castrop wegen Totschlages an seiner Gattin zu 13 Jahr Zuchthaus. Wegener war früher schon mit 10 Jahr Zuchthaus bestraft worben, weil er seinen Bruder erschlagen batte. K Berliner I^umor vor Bericht. Der „abgeführte" Heiratskandidat. „Nun, Angeklagter Becker," redet der Vorsitzende den vor dem Schöffengericht stehenden Sünder an, „Sie stehen schon wieder wegen desselben Roheitsdeliktes unter Anklage. Können Sie denn das Schlagen und Prügeln gar nicht lassen?" — Angekl.: Ick bin een janzcr friedfertijer Mensch, Herr Präsident im zu die beeden Mißhandlungsvorstrafen un- schuldijerweise jekommen. Wenn mir aber een protzijer Sechsdreier-Rcntjeh for eene ihm er wiesene Ehre zu verhohnepiepeln sucht, denn wird mir't woll keener verdenken, wenn ick mal mang schlage, det die Fetzen fliejen." — Bors.: Erzählen Sie kurz, was Ihnen geschehen ist. — Angekl.: Sehr jerne. Aber erst möchte ick die Herren Schöffen erklären, wie ick unschuldij zu meine Vorstrafen jekommen bin. — Vors.: Nein, das ist nicht statthaft. Sie sind rechtskräftig ver urteilt. Damit ist die Sache erledigt. — Angekl.: Der mißjchandelte Jcjenstand, wejcn den ick heute diese Armesinderbank ziere, iS der als Zeije er schienene Rentjeh Schütze. Der Mann hat 'ne Dochter, wat 'n sehr hübschet und manierlichet Mächen is. Und da ihr Vater sich Rentjeh schimpft, also der Schwiejer- sohn woll wat Klimperndes zu erwarten hätte, be schloß ick, mir in det Mächen zu verlieben und ihr zu heiraten. Ick setzte mir also hin und schrieb een'n heflichen und hochachtungsvollen Brief an den in't Nebenhans wohnenden Schütze, indem ick ibn den Zweck von meinen demnächstijen Besuch auS- eenanderpolkte. Andern DagS traf ick det Dienst mächen von Schütze und frachte ihr, ob sie valleicht wat von mein'n Brief jehört HLdde. Sie lachte janz merkwirdij und sachte, et wäre alleus janz scheen un jrün, ick sollte man dreiste hinkommen, denn det Freilein wäre »ich abjeneijt, aber der olle Schütze wäre een sehr komischer Herr, der keenerlei Widerspruch verdräjt. Danach solle ick mir ja richten. Ohne Archwohn mache ick mir uff die Strümpe und stelle mit de besten Hoffnungen zu meinen damalijen Schwiegervater in Speh. Der empfängt mir mit kühle Höflichkeet, lädt mir zum Sitzen in un jießt mir aus eene uff'n Disch stehende Kümmelpulle eenen Schnaps in. — „Drinken Sie I" sagte er. — Einjedenk der Warnung, det er keenen Widerspruch verdräjt, stürze ick den Schnaps runter. Himmelschockschwerenot, war det een Suff! Ick kenne so ziemlich alle existierenden Schnaps sorten, ooch sämtliche Magenbittern, aber so wat Bitteret hatte ick in meinen janzen Leben noch nie nich jedrunken! Jalle is Honij dajejen! Et schüttelte mir noch am janzen Körper, als Schütze bejann mir auszufragen wie een Staatsanwalt. Ick be antwortete die Villen Fragen ausführlich und jab jetremich über alle meine Verhältnisse Auskunft. Aber jedetmal, wenn ick jeendet hatte, sachte Schütze, ehe er eene neue Frage stellte, mit uner- schÜtterliwer Miene: „Trinken Siel" — Un jedet mal würjte ick des Höllenjetränk mit Todesverachtung runter dreizehn Schnäpse hatte ick be reits intuS, als mir die Kräfte verließen. Mir wurde Heeß un kalt, meine Zähne klapperten wie bei't Fieber und in mein Inneres machte sich een dumpfet Gallen und Poltern bemerkbar, als ob sich een vulkanischer Ausbruch vorbereitete. Ick sprang uff und flüchtete entsetzt vor diesen unheimlichen Schnaps, wobei mir Schütze in die Düre nachrief: „Uff baldijet Wiederseh'n!" Die Foljen von det Abenteuer werden Sie bejreifen, wenn ick Ihnen verrate, det der Schnaps Bitterwasser war. Ick habe mir for diese LiebenSwirdijkeet revangschiert, indem ick ihn mit eene Kwppeitsche vertobackte. — Zeuge Schütze sagt: Ick hatte Kenntnis von dem Vor leben des Angeklagten un von seine derangschierten Verhältnisse. Ick hielt den Antrag von Becker for eene derartije Impertinenz, det ick nich umhin konnte, ihn eene Lehre zu erteilen. — Do der An geklagte wegen Mißhandlung bereits zweimal vor bestraft ist, so lautet das Urteil diesmal auf drei Wochen Gefängnis. Becker ist darüber sichtlich er schrocken und erklärt, Berufung einlegen zu wollen. Buntes Allerlei. Widerlegt.' Straßenräuber. „Wenn Sie eine Bewegung machen, find Sie em toter Mann." — Professor: „Was reden Sie da für einen Unsinn! Wenn ich eine Bewegung mache, ist es im Gegenteil ein Beweis, daß ich sehr lebendig bin." gM. N. N/> Laut aufschluchzend rang sie die Hände und Minuten vergingen, in denen sie nur ihrer Ver zweiflung lebte. Dann aber ward sie ruhiger und vermochte zu überlegen, was zu tun sei. „Ich muß fort — fort, ehe mir der Tag den wiederholten Besuch des Geliebten bringt," rief sie. „Vorläufig verlaffe ich die Stadt allein, denn ich mag Ada nicht in ihrer Nacht ruhe stören. Aber wenn ich mich erst an Ort und Stelle befinde, laß ich die Kleine Nach kommen. Das arme Kind, dem meine Schande vielleicht auch sein Glück nimmt! Aber nein, nein, Horst ist ein edler, vorurteilsloser Mensch und dazu Zivilist. Für ihn gilt nicht, was dem Offizier maßgebend sein muß." Um vieles ruhiger, erhob fich Frau von Hagel aus ihrer knienden Stellung. Leise schlich sie nach dem Wohnzimmer, wo ihr Schreibtisch stand. Dort saß sie mit der Feder in der Hand, bis der Tag anbrach. Dann aber hatte fie ihre schmerzensreiche Korrespondenz beendet und konnte fich, nachdem fie Koffer und Tasche gepackt, zur Reise umkleiden. Um fünf Uhr weckte fie die Zofe und ließ fich von dieser das Gepäck nach dem nächsten Droschkenstand tragen. Sie habe Briefe er halten, die sie zu eiligster Abreise drängten, sagte sie dem Mädchen, ohne hinzuzusetzen, wohin ihr Weg sie führte. Die Groditter und Leo saßen am Früh stückstisch. Begreiflicherweise besprachen jetzt aber auch die drei eng verbundenen Menschen die seltsame Art, wie Fanny sich gestern gezeigt hatte. Aber Leo wußte tausend Entschuldigungsgründe für daS Benehmen der geliebten Frau und drückte dazu wiederholt die Hoffnung aus, daß sie sich schon beute ganz anders geben würde. Dann aber äußerte er auch den Wunsch, nur sechs bis acht Wochen mit der Hochzeit zu warten. „Wir haben dann Zeit, uns die Welt anzu- fehen," setzte er darauf hinzu, „ehe mein Urlaub zu Ende geht und wir unser Nest bauen müssen — vorläufig nur ein provisorisches, denn ich beabsichtigte Fanny eine ganz besondere Über raschung zu bereiten, indem ich ihr den geliebten Güntherschen Park zur Morgengabe mache. Ihr müßt nämlich wissen, daß ich denselben vor einigen Wochen käuflich erworben und mich so fort mit einem tüchtigen Architekten in Verbin dung gesetzt habe, damit mir dieser durch eine stilvolle Villa das Idyll, für das meine Braut so geschwärmt hat, vervollständige. Auf solche Weise. . ." Der Eintritt des Dieners Friedrich unter brach ihn. Mit einer Verneigung präsentierte der junge Mensch Leo auf silberner Platte einen Brief. „Soeben ist Lina, das Mädchen Frau von Hagels, in einer Droschke hier augelangt, und brachte dies Schreiben," sagte er dabei — übrigens mit einem Gefichtsausdrvck, aus dem man deutlich lesen konnte, daß er noch mehr wußte, als diese einfache Tatsache. Aber weder Leo, noch Horst oder Fräulein Main drangen in ihn, zu sagen, was er von Lina, mit der er schon längst in einem vielver- prechenden Verhältnis stand, erfahren. So ent- ernte Friedrich sich denn wieder. Indessen hatte der Leutnant befremdet den erhaltenen Brief geöffnet, und hastig überflogen seine Augen den Inhalt desselben. Aber je weiter er las, desto verstörter erschienen die eben noch so freudestrahlenden Züge des Offiziers, so daß Horst ängstlich den Arm seines Bruders ergriff und, ehe dieser noch das Briesblatt aus der Hand gelegt hatte, fragte: „Aber Kerlchen, was ist dir nur geschehen?" Endlich schaute Leo auf. „Was mir ge schehen ist?" kam es nun wiederholend zwischen den Lippen des Mannes hervor. Dann warf er den Brief zornig auf den Tisch. „O, etwas ganz Unglaubliches!" Er senkte stöhnend das Haupt. Dann stieß er mit dem Fuß auf den Teppich und sprudelte hervor: „Gestern erst als glücklicher Verlobter nach Groditten zurückgekehrt, wird mir heute schon wieder der Laufpaß gegeben! Und mit welchen unverständlichen Redensarten ?! Aber lies selbst, Horst — — laut, wenn ich bitten darf, damit auch Fräulein Main das Unerhörte vernimmt und mir raten kann, was ich nun diesem Hirn gespinst gegenüber tun soll." „Wie du willst," entgegnete der Groditter mit der ganzen Verblüfftheit, in die ihn die Worte seines Bruders versetzt hatten. „Mein teurer, über alles geliebter Leo!" las er mit vibrierender Stimme. „Wie wirst Du es nur tragen, wie es aufnehmen, wenn ich Dir jetzt gestehe, daß ich nicht anders kann als mein Versprechen von gestern zurückzunehmen! Ja, Leo, ich kann nicht anders und zwar Deinetwegen. Denn es liegt etwas Unge heuerliches zwischen Dir und mir, das eine Kluft bildet, die selbst unsere glühende Liebe nicht überbrückt. Verzeih mir, Teurer, daß ich Dir nicht auch gestehe, was uns trennt, aber die Hand er starrt mir, wenn ich daran denke, daß ich Dir mein Geheimnis offenbaren soltte. Eines nur laß Dir noch sagen: daß eS mir unsäglich schwer wird, diese Zeilen zu schreiben. Ja, mir ist; als versinke meine ganze Zukunft in ein graues Nichts, da ich Dich aufgebe. Aber es muß sein ... Um allen Fragen Deinerseits zu entgehen, verlasse ich bis auf weiteres K. Forsche nicht, wohin ich mich wende, Teurer, und vor allem sei barmherzig und zürne nicht Deiner unglücklichen Fanny." „Das verstehe, wer kann!" rief der junge Herrschaftsbcfitzer, nachdem er die letzten Zeilen gelesen. Dabei warf er das Briefblatt fast ebenso außer fich wie vorhin sein Bruder auf den Tisch. „Wozu raten wir jetzt aber?" fragte Fräu lein Main, indem fie ihre Hand auf Leos Arm legte. Die guten klugen Augen ruhten dabei mit inniger Teilnahme auf dem verstörten Gesicht des Offiziers. Der aber erhob sich müde und schwerfällig, als drücke ihn plötzlich eine Last, die er kaum zu tragen vermochte. „Natürlich fahre ich sofort nach der Stadt und suche mir Frau Rat Hellwald auf. Viel leicht weiß sie mir das Rätsel zu lösen, das mir Fanny mit ihren Zeilen ausgibt." ML rs (Fortsetzung folgt.-